Von Schwarz zu Weiß
Akt I: Aufbruch
2. Teil:
Es roch neu. Alles um ihn herum roch neu. Sein Zimmer. Das Bett in seinem Zimmer. Der Schrank und die Kleidung, die darin hing. Vielmehr befand sich nicht um ihn herum. Die Wände waren gehüllt in weiße Raufasertapeten. Ein Standardmuster, wie es dies in jedem Baumarkt gab. Wenn er aus dem einzigen Fenster in seinem Zimmer blickte, konnte er weitere Häuser sehen - ebenfalls so neu oder kaum älter als das Haus, in dem er seit ein paar Wochen mit seiner Tante lebte.
Seine Tante liebte das neue Haus. Warum auch nicht? Es war schön, wenn auch schlicht. Und es wurde ihr fast kostenfrei zu Verfügung gestellt. Ein Fonds, der eingerichtet wurde, um Familien zu helfen, die unter Team Plasma gelitten hatten, finanzierte das Haus und deckte noch weitere Kosten. Dies erhielt sie alles, da sie ihn, Ben, vor zwei Jahren bei sich aufnahm. Natürlich ohne die Aussicht auf Vergütung. Die kam ja erst später. Sie hatte ihn aus Liebe aufgenommen. Er war ihr einziger Neffe und sie hatte ihrer Schwester, seiner Mutter, versprochen, auf Ben acht zu geben, wie auf ihr eigenes Kind - das sie nie hatte.
Nun lebten sie hier in Eventura City. Einer neu erbauten Stadt, in der zwar nicht nur Opfer von Team Plasma lebten, aber doch hauptsächlich.
"Ben, Frühstück ist fertig. Dann musst du zur Schule!" Der Stimme seiner Tante folgte immer eine ganz eigene Melodie nach, die Fröhlichkeit verkündete. Sie ging in ihrer Mutterrolle vollends auf.
Ben kam die Treppe runter, nahm sein Frühstück dankend entgegen und verließ das Haus.
Die Trainerschule war neu. Erst vor kurzem eröffnet, gab es nur einen Lehrer: Cheren. Immer, wenn Ben Cheren sah, wurde er an jene Nacht erinnert, in der Cheren ihn gerettet hatte. Cheren war es auch, der sich für den Bau der Schule in Eventura City stark gemacht hatte.
Die Schule hatte nur drei Schüler. Ihn, ein lebhaftes Mädchen namens Rosy und Matisse. Letzter stand mit grimmigen Blick vor dem Eingang zur Schule. "Was willst du hier?", blaffte er.
"In den Unterricht", war Bens knappe Erwiderung.
"Du bist Plasma-Abschaum! Ich will dich hier nicht sehen!" Matisse holte aus und schlug Ben. Dieser wehrte sich nicht, ließ es über sich ergehen und ging schließlich wie ein Sack zu Boden.
Gerade als Matisse nochmals ausholen wollte, kam Cheren. "Was ist hier los?"
Matisse ließ von Ben ab. Dieser lag schweigend im Staub.
"Matisse! Hilf Ben auf und entschuldige dich!" Cherens Stimme ließ keinen Widerspruch zu. Der grimmige Junge zog ruppig an Bens Arm und half ihm so beim Aufstehen.
"Jetzt entschuldige dich!"
"Niemals! Er gehört zu Team Plasma! Sie haben meiner kleinen Schwester das geliebte Felilou gestohlen! Ich werde mich bei keinem von denen entschuldigen!"
Cheren tadelte Matisse weiter und erklärte ihm abermals, dass Ben nichts für die Taten von Team Plasma kann. Ben hörte kaum zu, schob sich an beiden vorbei und setzte sich in den Klassenraum.
Hier saß bereits Rosy, winkte ihm fröhlich zu und lächelte dabei. Ben kannte sie kaum, aber sie war immer nett zu ihm, seit er hier war.
Irgendwann kamen Matisse und Cheren herein. Matisse setzte sich an den hintersten Platz im fast leeren Klassenzimmer und vergrub sein Gesicht im hohen Kragen seines Pullis.
Cheren richtete seine rote Krawatte, legte seine Aktentasche aufs Pult und schaute zu seinen Schülern. "Ich habe etwas zu verkünden!" Er klang ernst und sein Blick passte zu diesem Klang. "Eine alte Bekannte wird heute nach Eventura kommen. Sie hat etwas dabei, das sie euch geben wird."
Ben, Rosy und sogar Matisse schauten auf und blickten interessiert zu ihrem Lehrer. Dieser ließ die erwartungsschwangere Stille noch etwas länger anhalten, dann sagte er schließlich: "Es sind eure ersten Pokémon!"