Der Niedergang der Musikindustrie

  • Hand aufs Herz - jedem geht es ähnlich: Jeder von uns hört ständig Musik - Zuhause, im Auto, unterwegs, selbst wenn wir Filme oder Serien gucken, denn fast jede Szene ist mit Musik hinterlegt. Nicht wenige Leute definieren sich über ihren Musikgeschmack. Viele verbinden ihre erste große Liebe mit irgendeinen Song, oder ihren ersten Kuss, ihren ersten Liebeskummer. Und fast jeder hat/hatte mindestens ein Poster von seiner Lieblingsband im Zimmer zu hängen.
    Musik ist zu unserem ständigen Begleiter geworden. Was für ein Glück, dass es heute so leicht ist, überall und immer darauf zugreifen zu können. Portale wie Spotify machen es uns möglich, gegen einen lächerlichen Monatsbetrag unbegrenzt und so viel Musik wie möglich zu genießen. Es scheint keine Grenzen zu geben. Und wenn man nicht bezahlen will, dann macht man sich einfach Youtube auf und kann sich alles anhören und auch angucken.
    Ja und dank den unzähligen Castingshows kommen auch regelmäßig frische Neuzugänge dazu. Und weil die schlauen Produzenten dieser Formate erkannt haben, dass ein Großteil der potentiellen Konsumenten nicht mehr unbedingt klassische Popmusik mögen, gibt man nun auch Rockern und Goths eine Chance und "fördert" ihren Style. Als Verbraucher und Käufer von Musikprodukten wird man also wunderbar bedient; eine begrüßenswerte Entwicklung.


    Ich hoffe, liebe Leser, ihr lest den Sarkasmus in meinem Text.


    Das ist eine ernste Sache und mit diesem Thread möchte ich alle mal zum Denken anregen. Wenn es so weiterläuft, wird es schon bald nur noch Einheitsbrei-Musik geben, keine Vielfalt mehr und nichts Alternatives, kein Sidestream oder Indie-Rock oder so. Das klingt sehr dramatisch, ich weiß, aber das ist die Realität. Das ist das, was kommen wird.
    Was meine ich damit? Wie komme ich darauf? Hat die Musikindustrie als solche nicht genug Geld verdient und tut es noch? Schließlich gibt es ja so viele Megastars, die alle steinreich sind.


    Um die Megastars geht es nicht. Über 95% der gesamten Musikwelt ist der breiten Menge nicht bekannt, also unpopulär. Man spielt in kleinen stinkigen Clubs für umme oder ist bestenfalls eine lokale Größe. Sehr viele davon sind fantastische Musiker und Sänger, welche den Stars oft das Wasser reichen könnten oder sogar den Rang ablaufen könnten. Doch leider fehlt ihnen das Quäntchen Glück, von jemandem entdeckt zu werden. Nun gut, das war schon immer so und ist ansich auch nicht das tragische. Nur ist es heute immer schwieriger, aus diesen stinkigen Clubs herauszukommen und mal für seine Kunst und Arbeit gewürdigt und bezahlt zu werden.
    Denn das alles ist Arbeit, die der Besucher eines Gigs oder der Käufer einer Single/eines Albums erstmal gar nicht sieht: Die Lieder müssen erstmal geschrieben werden, danach wird das alles geprobt und verfeinert und abgestimmt, dann wird das aufgenommen, abgemischt und produziert, anschließend muss dafür Promo gemacht werden und dann steht das gute Stück zum Verkauf und wird dann auf Bühnen vorgetragen. Es müssen also möglichst hochwertige Instrumente dafür her, gute Musiker, ein Proberaum, ein Studio mit Produzent, eine PR-Firma und eine Logistikcrew, die das ganze hin und her fährt, Essen und Unterkunft. Und vorallem Zeit, sehr viel Zeit. Das ist bei jedem so, egal ob Megastar oder Underground-Act - sobald man etwas verdienen möchte für die Arbeit, muss man dadurch.


    Auch das war schon immer so, doch seit den Jahren 1999/2000 ist alles anders. Damals enterte das Internet die Gesellschaft; ein Medium, welches in kurzer Zeit für den normalen Menschen immer erreichbarer wurde, dank technischen Fortschritts. Es war auf einmal für den Laien möglich, Musik zu downloaden, anstatt dafür das Sofa verlassen und vorallem Geld zahlen zu müssen, wie beim bisherigen Verkauf im Plattenladen. Darauf war der Markt nicht vorbereitet. Im Prinzip war die Folge, dass kleine erfolgreiche Bands und Künstler aufgeben mussten, da ihre Einkommensgrundlage verschwand. Zudem verschwanden fast alle Indie-Labels, welche das Gro der Bands und Künstler unter Vertrag hatten. Ebenfalls betroffen waren Veranstalter von kleinen oder mittleren Events, sowie Crew-Firmen, Hotels und Fuhrparkunternehmen, welche sich auf die Dienstleistungen im Musikgewerbe spezialisiert hatten. Schon 2005 musste die Musikindustrie mit allem drum und dran ein Einnahmeminus von geschätzten 40% hinnehmen.
    Seitdem versucht die Branche, Auswege zu finden. Und der Leidtragende ist der Künstler. Denn die einzige Möglichkeit, das Einkommen des Musikers zu sichern, ist das Urheberrecht, welches in Teilen durchgesetzt werden konnte, jedoch einen großen empörten Aufschrei beim Käufer/Konsumenten auslöste. Denn YT zb konnte viele Videos in Deutschland nicht mehr abspielen, weil die GEMA ("Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte" - verwaltet in D Nutzungs- und Urheberrechte) sich sperrte vorgeblich im Sinne der Künstler. Plötzlich war das in Augen der Verbraucher uncool und spielverderberisch. Und auch Youtube, eine Tochter von Google, äußerte sich eher herablassend und wenig einsichtig. Fairerweise muss gesagt werden, dass längst nicht alle Künstler mit den Gebahren der GEMA einverstanden waren, denn Youtube tut durchaus auch etwas Gutes für die Industrie, denn es ersetzt quasi Musiksender wie MTV oder VIVA und ist das Video-Verbreitungsmedium schlechthin.
    Dennoch gab es auch Stimmen für das Verhalten der GEMA und vorallem gegen das von YT. Ein Statement, welches hierzulande in der Szene sehr gefeiert wird, ist das von Sven Regener, Frontmann der Band "Element of Crime" von 2012. Zitat aus dem Statement:

    Zitat

    Das Problem, was ich dabei habe ist: Es wird so getan, als ob Kunst ein exzentrisches Hobby sei. Und das Rumgetrampel darauf, dass wir uncool seien, wenn wir darauf beharren, dass wir diese Werke geschaffen haben, ist im Grunde genommen nichts anderes, als dass man uns ins Gesicht pinkelt. Und sagt: 'Euer Kram ist nichts wert. Wir wollen das umsonst haben. Und wir scheißen drauf, was Du willst.' Eine Gesellschaft, die so mit ihren Künstlern umgeht, ist nichts wert.

    Das ganze sehr hörenswerte Interview kann hier angehört werden -> klick


    Aber es ist auch nicht fair, den Zusammenbruch der Industrie allein Firmen wie Google oder Apple in die Schuhe zu schieben. Es gibt genug hausgemachte Probleme. Das Verhalten der Musiklabels ist mega unsozial und hat mit Fairness und Respekt gegenüber der Kunst und allem was mit dran hängt überhaupt nichts zu tun. Da wird man beguckt wie ein Zuchtbulle auf ner Auktion. Da werden Existenzen ruiniert und Luftnummern geschaffen.


    In meinem Freundeskreis gibt es eine Band, die tatsächlich ein Angebot bekam, von Roadrunner Records. Es gehört zur Warner Bros. und ist damit neben Sony BMG und Universal unter den Top 3 der Major-Labels. Roadrunner Records wollte die Jungs unter Vertrag nehmen, jedoch war das Angebot an Bedingungen geknüpft. Die aktuelle selbstproduzierte Platte sollte nochmal "unter Berücksichtigung des branchenüblichen Standards" in einem eigens dafür angemieteten Studio neu aufgenommen und produziert werden und die Band solle im direkten Anschluss permanent Gigs spielen. Jeder der vier Bandmitglieder würde soetwas wie ein Festgehalt bekommen, damit Mietkosten usw. abgedeckt würden. Die Lebenshaltungskosten, das Studio sowie weitere Kosten würden auch vom Label übernommen werden - als Darlehen. Die Band sollte erstmal einen Vertrag für 1 Jahr bekommen. Das heißt im Klartext, dass sich die Bandmitglieder allesamt hochverschulden würden; dass das Label also diese vorgestreckten Zahlungen wiederhaben möchte und dafür würde der Band nur ein Jahr Zeit bleiben. Wenn sie es in diesem Zeitraum nicht schaffen, sich eine ausreichend große Fanbase zu erspielen, die Platten, Merchandise-Artikel und Tickets kaufen und somit Geld einbringen, würde die Plattenfirma den Vertrag auslaufen lassen; die Jungs aber wären weiterhin hochverschuldet. Es versteht sich natürlich von selbst, dass sie ihre Jobs hätten aufgeben müssen. Der Frontmann der Band steckte gerade im Jura-Studium, wo er zu deutschlands Top-Studenten dieses Bereichs zählte und gerade in der heißen Phase steckte, also kurz vor Abschluss. Bezeichnenderweise strebte er den Bereich Medien an und wusste das sehr verschlungen formulierte Angebot richtig zu lesen. Am Jahresende hätten sie sehr wahrscheinlich alle auf der Straße gestanden, denn ein Jahr ist einfach zu wenig Zeit. Also haben sie dieses unglaubliche Angebot ausgeschlagen.


    Eine Branche, die händeringend nach neuen Acts suchen sollte, darf so nicht mit den Leuten umspringen. Es ist einfach das letzte.


    Viele kluge Geldmacher haben das Dilemma der Musikindustrie erkannt und scheffeln nun ihr Geld damit. Allen voran Plattformen wie Spotify oder TV-Castingshows wie DSDS. Das würde es so wahrscheinlich nicht geben, wenn der Markt auf soetwas angewiesen wäre. Und selbst wenn ein Künstler mal einen Hit landet, heißt das heutzutage nichts mehr. Es heißt auch nichts mehr, wenn ein ganzes Album erfolgreich ist. Es heißt nichts mehr, wenn man eine Show gewinnt, oder weiß noch irgendjemand, wie der Gewinner der dritten Staffel von DSDS hieß oder kennt einen Song von ihm? Das liegt an dem Werteverfall des Kunstobjekts Musik. Es ist eine billige Massenindustrie von Einheitskünstlern geworden, an dem der Produzent und die Werbeagentur verdient, aber nicht mehr der Mensch, der das ganze singt und/oder spielt.
    Große Popacts wie Justin Bieber oder Miley Cyrus gibt es nur, weil sie geschickt Skandale um ihre Person produzieren. Gäbe es das nicht, würde heute kein Hahn mehr nach ihnen krähen. Wer das selbst nicht möchte oder kann, der wird als Newcomer niemals auf Dauer Erfolg haben.


    Das schlimmste ist, dass der Musikkonsument da mitmacht. Heute ist man gewohnt, dafür nicht zu bezahlen - und wenn, dann nur wenig. Apple sieht sich bereits steigender Kritik ausgesetzt, weil die Songs bei iTunes zwischen 0,99€ und 1,29€ kosten - ein Wucher, sagen viele. Dass aber vorallem Apple dran verdient, dann die Plattenfirmen und Steuerbehörde und erst dann der Künstler, scheint keine Rolle zu spielen. Am Ende bleiben dem Urheber des Songs etwa 0,02€ pro Klick übrig [Quelle, 2015]. Wer findet das fair?

    Auch in meinem Umfeld gibt es viele, die es blöd finden, dafür Geld auszugeben. Es gäbe ja genug Alternativen, die einen Kauf umgehen.


    Wie
    seht ihr das? Habt ihr Verständnis für das Klagen der Musiker? Oder meint ihr, dass es in Ordnung ist, dass Musik nichts mehr wert ist? Wie viel Anteil hat Musik in eurem Leben und wie viel liegt euch dran, dass Undergroundbands und Indie-Acts existieren und überleben? Hättet ihr gern, dass die Kosten für Konzerte und Fanartikel sinken? Wenn ja, warum? Und wenn nein, warum nicht?

  • Ich denke hier ist das zipfsches Gesetz am Werk. Es wird immer so sein, dass ein kleiner Bruchteil von Musikern an der Spitze sind und der ganze Rest der Hörer auf unglaublich viele Künster verteilt. Das Kapitalismus mit Geld, Macht und Wachstum und nicht mit Leidenschaft und Gerechtigkeit zu tun hat ist ein Nebenphänomen und hat nicht viel mit der Kunstform Musik selbst zu tun. Für mich ist es völlig klar, dass die Zahlen der bekanntesten Musiker klein sind. Wie soll das denn auch anders gehen? Wenn man Lieblings-, Genres, Musiker und Bands entwickelt kann das nur passieren. Es ist eine Kettenreaktion und man will sich statt mit einem neuen Musiker mit dem Gleichen beschäftigen. Dazu kommt noch, dass Subjektivität und Kunst ja doch irgendwie deterministisch sind und man Lieder schreiben kann die mehr und mehr Menschen gefallen.


    Ich sehe wenn ich ehrlich bin den Niedergang der Musikindustrie nicht wirklich. Sie war schon immer so toxisch wie sie von dir beschrieben ist. Vielleicht ist es heutzutage durch das Internet einfach ein wenig transparenter. Außerdem gibt es heutzutage deutlich mehr Menschen die sich mit Musik beschäftigen können. Nicht nur weil die globale Population zu gravierenden Zahlen gestiegen ist sondern weil die Lebensstandards höher geworden sind. Es bleibt mehr Freizeit und das hören und produzieren von Musik war noch nie so zugänglich wie heute. Es gibt so viele Menschen die schöne Musik machen können, Zahl steigend.. wie will man das denn fair aufteilen?


    Viele Industrien, darunter auch die Musikindustrie, sind im großen Wandel. Das Internet bringt ungeahnte Konsequenzen und Änderungen mit sich. Es ist schwer sich in so kurzen Zeiten an die neuen und trotzdem ständig ändernden Bedingungen zu adaptieren. Ich finde es bringt auch viele Vorteile mit sich. Das Internet bietet eine globale Plattform in der sich unglaublich viele Nischen bilden können weil das Publikum groß genug bleibt. So können selbst unglaublich spezifische Künstler ein Publikum erreichen auch wenn sie wohl nie einen Club an einem einzigen Ort füllen könnten.


    Wie ich schon bereits gesagt habe ist die Musik-Produktion einfacher wie je zuvor. Jeder kann sich für wenige tausend Euro professionelle Hard- und Software besorgen und rein theoretisch Lieder schreiben die sich später qualitativ kaum noch von den großen Hits unterscheiden. Das war früher nicht möglich. Und es wird noch günstiger werden.


    Das beste was Künster machen können ist keine Teufelsverträge mehr zu unterschreiben. Es wird immer häufiger, dass Künstler aus der "Do It Yourself"-Bewegung erfolgreich werden. Wenn man dann noch Hilfe bei den Shows brauch stellt man jemanden ein und nicht anders herum. So hat das auch die richtige Reihenfolge.


    Ich kann das Radio mittlerweile getrost ignorieren, bekomme von Chart-Musik und den neusten Trends aus Amerika oder der guten Helene Fischer kaum noch was mit. Das ist doch mal Luxus! Ich kann mich ohne Probleme auf Künstler konzentrieren die genau meine Musik machen und kein Plattenlabel hinter sich stehen haben müssen um mich zu erreichen obwohl sie tausende Kilometer entfernt sind. Heck, ich glaube ich habe einen Song schon mindestens mal 100 mal gehört der von einem Typen aus Neu Seeland an einem Abend gemacht wurde weil er mal kurz mit Fl Studio und seiner GItarre rumgespielt hat. Vielleicht sollte ich ihm das mal sagen und er würde sich bestimmt sehr freuen!


    Wenn dir die Künster wichtig sind kann ich übrigens Bandcamp wärmstens empfehlen. Bandcamp überzeugt durch die variable Preisgestaltung der Künstler pro Single oder Album. Denn oft herrscht die Regel "Name your Price" und Kunden können selbst einschätzen wie viel ihnen die Musik wert ist. Oft habe ich ein Album als Flac oder MP3 für 0€ heruntergeladen um Monate später mit 20€ zurückzukehren weil es sich herausgestellt hat, dass es zu einem Lieblingsalbum wurde. Aber letztendlich steht es dem Künstler völlig frei wie er es machen will. Außerdem bietet Bandcamp auch den Verkauf von Datenträgern an. Leider ist die Usability der Seite deutlich zu den Konkurrenten unterlegen.


    Vielleicht habe ich aber auch unrecht. Ich habe mich mit der Materie nicht so sehr beschäftigt. Denn wie ich finde geht das in ganz schön komplizierte Wissenschaften hinein.

    Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben, diese Signatur zu lesen. Diese Signatur liebt sie.

  • Wie ich schon bereits gesagt habe ist die Musik-Produktion einfacher wie je zuvor. Jeder kann sich für wenige tausend Euro professionelle Hard- und Software besorgen und rein theoretisch Lieder schreiben die sich später qualitativ kaum noch von den großen Hits unterscheiden. Das war früher nicht möglich. Und es wird noch günstiger werden.

    Und das findest du gut? Ich nicht. Was ist mit den tollen traditionsreichen Studios, die dichtmachen müssen, weil jeder Typ seine Musik selbst Zuhause produziert? Da geht Kultur kaputt. Von der Lebensgrundlage der dort Beschäftigten mal ganz zu schweigen.

    Wenn dir die Künster wichtig sind kann ich übrigens Bandcamp wärmstens empfehlen. Bandcamp überzeugt durch die variable Preisgestaltung der Künstler pro Single oder Album. Denn oft herrscht die Regel "Name your Price" und Kunden können selbst einschätzen wie viel ihnen die Musik wert ist. Oft habe ich ein Album als Flac oder MP3 für 0€ heruntergeladen um Monate später mit 20€ zurückzukehren weil es sich herausgestellt hat, dass es zu einem Lieblingsalbum wurde. Aber letztendlich steht es dem Künstler völlig frei wie er es machen will. Außerdem bietet Bandcamp auch den Verkauf von Datenträgern an. Leider ist die Usability der Seite deutlich zu den Konkurrenten unterlegen.

    What? Das ist ja so, als würde ich mir ein Porsche nehmen und den fahren und wenn ich Bock habe, zahle ich was dafür.
    Das ist ja, als würde ich im Restaurant essen und wenn es mir schmeckt und appetitlich aussieht, dann zahl ich was dafür.
    Das ist ja, als würde ich mir eine Wohnung mieten und wenn ich gutgelaunt bin, zahle ich Miete.
    Das ist ja, als würde ich ins Kino gehen und wenn mir der Film gefällt, zahle ich was.

  • Das ist ja, als würde ich ins Kino gehen und wenn mir der Film gefällt, zahle ich was.


    Solche so genannten Pay after Kino gibt es tatsächlich. In Deutschland zwar nur eins - und zwar in Stuttgart, aber ja.
    Ich werde heute Abend am Laptop hier nochmal detailreicher drauf eingehen, aber Mensch und Kultur verändern sich. Ebenso Musik. Wenn begabte Künstler wie Tycho ihre Musik selbst am Laptop produzieren können und damit sogar große Musiker und Studios übertreffen und ihre Musik zum großen Teil frei stellen oder nur wenig Geld verlangen, ist es ihre Sache und drückt für sie aus, was ihnen mehr Wert ist.

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    - Spike Spiegel from Cowboy Bebop

  • Und das findest du gut? Ich nicht. Was ist mit den tollen traditionsreichen Studios, die dichtmachen müssen, weil jeder Typ seine Musik selbst Zuhause produziert? Da geht Kultur kaputt. Von der Lebensgrundlage der dort Beschäftigten mal ganz zu schweigen.

    Natürlich finde ich das gut! Wieso sollte das Privileg nur auf wenige Menschen verteilt sein gut produzierte Musik zu machen? Ich verstehe wenn ich ehrlich bin auch nicht ganz wieso dabei Kultur kaputt gehen sollte. Im Gegenteil: Die Kultur blüht auf weil es viel mehr Variationen erlaubt. Außerdem ist es ein unaufhaltsamer Verlauf der Technologie. Du verharrst auf Dinge die irgendwann obsolet werden. Ich glaube die Leute die durch Autos ihren Job verloren haben waren auch nicht so glücklich darüber. Genauso gab es früher nur ein paar wenige Supercomputer auf der Welt und nun sind sie überall.



    What? Das ist ja so, als würde ich mir ein Porsche nehmen und den fahren und wenn ich Bock habe, zahle ich was dafür.
    Das ist ja, als würde ich im Restaurant essen und wenn es mir schmeckt und appetitlich aussieht, dann zahl ich was dafür.
    Das ist ja, als würde ich mir eine Wohnung mieten und wenn ich gutgelaunt bin, zahle ich Miete.
    Das ist ja, als würde ich ins Kino gehen und wenn mir der Film gefällt, zahle ich was.

    Nein, ist es nicht. Denn es ist die Entscheidung des Künstlers wie und was er machen will. Es bietet die völlige Freiheit. Man kann nicht einfach jeden Song oder jedes Album runterladen wenn der Künstler das nicht will.


    Außerdem ist Musik keine einfache Dienstleistung die objektiv jeden gefällt. Ich kann nur sehr selten nach einen einmaligen durchhören eines Albums oder Songs sagen ob mir die Musik letztendlich gefällt und mir das Geld wert ist. Musik ist stark abhängig davon wie oft man sie hört. Man kann oft auch nur schlecht durch einen kleinen Preview erahnen welchen persönlichen Wert ein Lied haben wird. Es ist ein kompliziertes Thema. Nicht so simpel wie eine Wohnung oder ein Auto, dass einen bestimmten Zweck erfüllt und dadurch objektiv einen Mehrwert erhält. Das Kino ist wohl am ähnlichsten, aber ich habe das Gefühl, dass man im Vorhinein viel besser abschätzen kann ob ein Film gefallen wird oder nicht und selten hat ein Film den Status, dass er am Ende nervt wie ein Lied, dass du nicht magst und trotzdem dafür bezahlt hast. Trotzdem würde es mich nicht wundern wenn so manch Filmemacher ähnliche Bezahlungen anbieten. Quasi zuerst gucken, dann zahlen. <--- @Noa Oooh, you!

    Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben, diese Signatur zu lesen. Diese Signatur liebt sie.

  • Natürlich finde ich das gut! Wieso sollte das Privileg nur auf wenige Menschen verteilt sein gut produzierte Musik zu machen? Ich verstehe wenn ich ehrlich bin auch nicht ganz wieso dabei Kultur kaputt gehen sollte.

    Es gibt einen qualitativen Unterschied zwischen einer im Studio eingespielten Musik und einer am Rechner produzierten. Mir ist dieser Unterschied sehr viel Wert, denn man hört das Können, den Schweiß und die Leidenschaft.
    Ich bin großer Fan von Nine Inch Nails, und bekanntlich gehört Trend Reznor zu den Anhängern der digitalen Musikproduktion. Dennoch fänd ich die Platten um einiges echter und menschlicher, wenn sie live aufgenommen wären.


    Die allermeisten Künstler mit Riesenerfolg sind übrigens keine Millionäre. Ich kenne ein Bandmitglied von Rammstein und der hat mal gesagt, dass keiner von ihnen Millionär ist. Arm sind sie sicher auch nicht, immerhin ist es Rammstein. Aber das zeigt mal ganz deutlich, welch Irrtum viele aufsitzen. Auch ich konnte das nicht glauben, weil es absolut unverständlich ist. Immerhin reden wir von einer der größten Rockgruppen der Welt. Man möge sich vorstellen, wie es "weiter unten" aussieht. Viele haben vllt 10.000€ auf dem Konto. Das ist erstmal viel, aber nicht genug, um nach dem Ende der Karriere davon leben zu können. All diese vielen Details aus meinem Umfeld haben mich jedenfalls dazu angeregt mal zu überlegen, ob man das Werk eines Künstlers heutzutage einfach noch hinreichend respektiert. Und meiner Meinung nach ist es das nicht, wenn man selbst überlegen kann, ob man für ein Lied/Album bezahlt. Das ist die Lebensgrundlage von jemandem.

  • Sehr schönes, auch mal überfälliges Thema :) Ich vermeide es jetzt mal, darauf rumzureiten, dass DSDS, Helene Fischer und das allgemeine Chartradio die Kultur zerstören. Retortenstars hat es schon immer gegeben - Milli Vanilli, anyone? - und die verschwinden auch eines Tages wieder. Namhafte Bands, die seit 40 oder 50 Jahren existieren haben das alles überdauert und erfreuen sich heute noch an einer stetig wachsenden Fanbase.


    Musik als Lebensgrundlage für den Künstler... da wird es interessant. Die Zeiten, in denen jeder, der eine Gitarre halten kann von einer Plattenfirma mit Geld überschüttet wurde, sind vorbei. Will ein Künstler heutzutage von Musik leben, muss er alle Stränge selbst in der Hand halten, mit dem Geld aus Merchandise-Verkäufen und dem, was nach einer Tour übrig ist haushalten und benötigt vor allem jede Menge Selbstdisziplin. Die Kosten für Konzertkarten/Merchandise senken wäre also schonmal ein Todesurteil für jene Firma, die an dieser Stelle eine Band ist.


    Da gibt es ja aber natürlich ein paar ganz Schlaue, die dann blöken: "Pech, dann soll der halt arbeiten gehen und sich nicht das Geld für seine neue CD bei Kickstarter zusammenschnorren!" Genau. Musik wächst nämlich auf Bäumen und ist direkt bereit, von solchen Undankbaren Wichten auf YouTube, Spotify oder sonst wo gehört zu werden. Einen Song, gar ein Album zu komponieren, einzustudieren, aufzunehmen und damit auf Tour zu gehen zählt ganz bestimmt nicht als Arbeit. Arbeit ist nur, wenn man sich morgens um 6 lustlos aus dem Bett quält und bis nachmittags Dinge tun muss, die die Miete und den vollen Kühlschrank sichern. Wer denkt, dass das Produzieren von Musik auch als Hobby laufen kann und es genügt, sich eine Stunde vor dem Zubettgehen damit zu beschäftigen - haha. Da kann Max Mustermann dann ziemlich lange drauf warten, bis seine Lieblingsband XYZ sich irgendwann mal mit ehrlicher Arbeit genug Geld zusammengespart hat, um ein neues Album zu produzieren, welches dann nichtmal als Gesamtwerk bewundert wird, sondern irgendwo in der Shuffle-Liste vor sich hinrottet.


    Ist es denn nun möglich, dass Bands von irgendeiner Seite fair für ihre Leistungen bezahlt werden können? Also nicht im Sinne von "Hey, unser Album erhält nächste Woche den Platin-Status, das gibt erstmal einen neuen Swimmingpool!", sondern einfach nur die Deckung der Lebenserhaltungskosten. Leider nicht, denn es gibt eine irrsinnige Vielfalt und Anzahl an Bands und Solokünstlern, denen man nicht einfach 1000 € mntl. zustecken kann, damit sie ungestört ihrer Leidenschaft frönen können. Das Ergebnis: Gute, lokale Bands, die auch das Zeug dazu hätten, große Festivals zu bespielen fehlt die Förderung. Es soll das höchste aller Gefühle darstellen, für 30 € Spritgeld und einer Kiste Bier vor 20 Nasen im Jugendzentrum aufzutreten. Keine guten Voraussetzungen, um sich mit 1000 Facebook-Fans im Nacken mal an die Arbeit fürs Debutalbum zu setzen und zu hoffen, dass die Welt da auch drauf gewartet hat.


    Also ja, es sind ziemlich schwere Zeiten für Menschen, die an ihrem Traum, ihren Lebensunterhalt mit Musik zu verdienen, festhalten wollen. Ich hoffe es ist okay, dass ich nun eher auf den Werteverfall der Musik an sich als auf die Industrie eingegangen bin, aber wenn der Thread sich noch eine Weile hält, komme ich bestimmt auch nochmal darauf zurück. Wollte dieses wichtige Thema jetzt erstmal nicht komplett ignorieren :)

  • Es gibt einen qualitativen Unterschied zwischen einer im Studio eingespielten Musik und einer am Rechner produzierten. Mir ist dieser Unterschied sehr viel Wert, denn man hört das Können, den Schweiß und die Leidenschaft.
    Ich bin großer Fan von Nine Inch Nails, und bekanntlich gehört Trend Reznor zu den Anhängern der digitalen Musikproduktion. Dennoch fänd ich die Platten um einiges echter und menschlicher, wenn sie live aufgenommen wären.

    Das ist ein Thema für sich, aber letztendlich ist Musik nur die Schallwellen die unser Ohr erreichen. Wenn man es drauf anlegt kann man auch heutzutage rein digital produzierte Alben so klingen lassen als sei es live aufgenommen aus der Garage. Und wenn du hochtalentiert bist und es momentan trotzdem unterscheiden kannst, kannst du es schon bald nicht mehr. Aber die Betonung liegt auf das "wenn man es drauf anlegt". Denn das machen nicht viele weil die Gruppe die einen solchen Sound wünscht (und nur diesen toleriert) ist eine kleine Nische geworden.


    Außerdem ist ist die Aussage, dass man nur daran das Können, den Schweiß und die Leidenschaft heraushört völlig subjektiv. Mein Gott, es gab auch eine große Bewegung gegen Film mit Ton und es war verhöhnt weil da viele Arbeitsplätze flöten gingen. Wenn genügend Leute deine Ansicht teilen wird es diese Nische noch immer geben aber mit den "Niedergang der Musikindustrie" hat das herzlich wenig zu tun.


    Was dein Beispiel mit Rammstein angeht kann ich natürlich herzlich wenig sagen und nur spekulieren. Zumal ein einziges Beispiel nicht überzeugen kann und es verdammt viele Einflüsse gibt die letztendlich den Vermögenswert beeinflussen. Till's Vermögen schätzt man auf etwa 7 Millionen.


    Aber umso weiter wir für einzelne Punkte ins Detail gehen, vergessen wir in der Diskussion das große Ganze und letztendlich finden wir nur unterschiedliche Meinungen in den kleinsten Bestandteilen des Ganzen Themas. Das würde zu nicht wirklich was führen.

    Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben, diese Signatur zu lesen. Diese Signatur liebt sie.

  • Das ist ein Thema für sich, aber letztendlich ist Musik nur die Schallwellen die unser Ohr erreichen.

    Klar, nüchtern betrachtet.

    Wenn man es drauf anlegt kann man auch heutzutage rein digital produzierte Alben so klingen lassen als sei es live aufgenommen aus der Garage. Und wenn du hochtalentiert bist und es momentan trotzdem unterscheiden kannst, kannst du es schon bald nicht mehr. Aber die Betonung liegt auf das "wenn man es drauf anlegt".

    Kennst du Something in the Way von Nirvana? Das Lied wurde in einem Studio aufgenommen. Kurz vorher riss eine Saite der Akustikgitarre, doch Kurt spielte trotzdem mit genau diesem Instrument diesen Song ein. Er saß auf einer Couch und nuschelte die Strophen ein, was natürlich nie irgendwo so eingeplant war. Es war einfach eine spontane Session von Kurt. Ein ganzer Takt ist auch noch schief gegriffen. Das verleiht diesem Song eine hohe Zerbrechlichkeit, und nur deshalb wirkt er so, wie er wirkt. Und trotzdem oder genau deshalb landete genau diese Aufnahme auf dem Album und ist für jeden hörbar. Sowas wird es nicht geben, wenn man am Rechner produziert.


    Digitale Produktion ist ein Geschenk für Genres, die es erst dadurch gibt. Techno zb oder auch der moderne Partyschlager, ebenso wie viele Produktionen im HipHop. Aber was ist mit Bands, die Rock, Country, Soul, Jazz oder Klassik spielen? Wo es wichtig ist, im Studio einzuspielen, weil es absolut von Nöten ist, die Musik per Hand zu fertigen, weil das Gefühl zu den Instrumenten wichtig ist? Ebenso wird in einem Studio ja nicht so stumpf irgendwas eingefiedelt, sondern da finden enorm wichtige kreative Prozesse statt. Da sitzt man am Abend zusammen und hört sich die Arbeit des Tages an und philosophiert über den Sound zb. Das ist ein enorm wichtiger Bestandteil eines Bandgefüges und gehört genauso dazu, wie auf der Bühne zu stehen. Es macht Spaß und gibt dem ganzen dieses Einzigartige. Das unterscheidet Musikmachen von einem Job in einer Behörde oder einer Baustelle. Und das darf doch bezahlt werden oder?


    Ich freue mich sehr, wenn ich eine Platte höre und im Hintergrund hustet plötzlich jemand, oder für eine Achtelnote singt jemand um eine halbe Terz daneben, oder der Drummer ist nicht immer 100% tight. DAS meine ich mit Kultur. Mit Kunst. Mit Schweiß, Leidenschaft und Können. Da haben Menschen sich Zeit genommen und etwas mit ihren Händen gespielt. Das sollte ein Musiker schon machen und können.

    Da gibt es ja aber natürlich ein paar ganz Schlaue, die dann blöken: "Pech, dann soll der halt arbeiten gehen und sich nicht das Geld für seine neue CD bei Kickstarter zusammenschnorren!" Genau. Musik wächst nämlich auf Bäumen und ist direkt bereit, von solchen Undankbaren Wichten auf YouTube, Spotify oder sonst wo gehört zu werden. Einen Song, gar ein Album zu komponieren, einzustudieren, aufzunehmen und damit auf Tour zu gehen zählt ganz bestimmt nicht als Arbeit. Arbeit ist nur, wenn man sich morgens um 6 lustlos aus dem Bett quält und bis nachmittags Dinge tun muss, die die Miete und den vollen Kühlschrank sichern. Wer denkt, dass das Produzieren von Musik auch als Hobby laufen kann und es genügt, sich eine Stunde vor dem Zubettgehen damit zu beschäftigen - haha. Da kann Max Mustermann dann ziemlich lange drauf warten, bis seine Lieblingsband XYZ sich irgendwann mal mit ehrlicher Arbeit genug Geld zusammengespart hat, um ein neues Album zu produzieren, welches dann nichtmal als Gesamtwerk bewundert wird, sondern irgendwo in der Shuffle-Liste vor sich hinrottet.

    Sehr gut formuliert, Vince. Hätte ich nicht besser machen können!

  • Leider kann ich derzeit keine Romane niederschreiben, aber gestern, als ich Hyrokkins Einleitungsworte gelesen habe, schoss mir gleich etwas in den Kopf, das ich unbedingt erwähnen wollte: In diesem Thread geht es natürlich um die Musikindustrie, ich finde aber, dass sich die Problematik auch in zwei anderen Bereichen stellt, nämlich in der Filmproduktion und auch im Journalismus.


    Ich kenne selbst einige passionierte Filmemacher und was die teilweise erleben ist wirklich nicht schön. Die Bereitschaft, für gute Arbeit zu zahlen geht gegen null und insbesondere Privatkunden wie beispielsweise Hochzeitspaare denken, dass gut durchorganisierte und toll zusammengeschnittene Hochzeitserinnerungen kostenfrei auf Bäumen wachsen. Da wird dann gerne ungläubig geguckt, wenn man Preise wie 1.500 € oder mehr ansetzt. "Für drei Minuten Auf-Record-drücken oder was?", nee, für viele Stunden Anwesenheit und Arbeit mehrerer Kameramänner, viele Arbeitsstunden Materialsichten von Aufnahmen aus verschiedensten Winkeln, aufwendigem Bild- und Ton-Schnitt, Verwendung von schweineteurem Filmequipment im Wert von mehreren zehntausend Euro, Colorgrading, Musikauswahl, Anfahrt und und und. Das selbe im Journalismus: Ein bekannterer Lokaljournalist in meiner Gegend klagt beinahe täglich davon. Keiner will mehr für Informationen bezahlen, man kriegt doch auch alles anderswo umsonst raus. Auf Facebook gibt es irgendwelche selbsternannten Newsmelder, die massenhaft ungeprüfte Nachrichten verbreiten und von harter journalistischer Arbeit genau keine Ahnung haben und es damit seriösen Nachrichtenmedien zusätzlich schwer machen. Dazu kommt der schlechte Ruf der vermeintlichen "Lügenpresse", der mehr und mehr von Tageblättern, die sich der Quantität statt Qualität verschrieben haben und ebenfalls oft Müll verbreiten, weiter runtergezogen wird. Ich bin keine Person, die gerne im Volkschor mitsingt, aber als an der Quelle sitzend habe ich schon oft genug absoluten Vollschmarrn in der auflagenstärksten Zeitung in unserem doch sehr großen Bezirk gelesen. Wer will da schon für kleine Blogs bezahlen, die wirkliche, echte Recherche betreiben, intensiv mit diversen Quellen arbeiten und das, wenn es sein muss, auch mal monatelang? Da muss sich doch keiner mehr wundern, wenn's am Ende nur noch Polizeiberichte und Bratwurstjournalismus zu lesen gibt.


    Sorry für das Abweichen vom eigentlichen Thema, aber irgendwie ist das doch ein Rattenschwanz, der sich durch viele Sparten zieht. Die ständige Verfügbarkeit von Konsumgütern wie Musik, Videos, Nachrichten macht es denen, die solche Dinge mit wahrer Passion herstellen einfach sehr schwer, dafür noch ordentlich zu bezahlt werden. Ich erkenne da ein Muster, weiß aber auch nicht wirklich, wie es sich durchbrechen lässt. :(


    That's when you know you've found somebody really special, when you can just shut the fuck up for a minute and comfortably share a silence.

  • Ich sehe das alles wie Moody. Musik ist etwas allgegenwärtiges. Geräuscherzeugungen gab es in unserer Kultur und Zivilisation schon seit Äonen von Jahren. Die Möglichkeiten die der Musik im digitalen Zeitalter geboten werden sind gigantisch. Die Montage schildert sich in einer vielschichtigen Anzahl von Mikrokosmen, in ein nicht enden wollender Makrokosmos. Eine Gleichberechtigung gab es in der Musikindustrie nie. Warum werden Pop-Bands eher eine Chance angeboten, als jemanden der kuriose, fremdartige Geräusche miteinander kombiniert und daraus die Musik zu einer richtigen audiokunst macht? Nur weil es der Masse nicht zugänglicher ist? Weil man sowas weniger prompten kann?
    Musik ist eine Entfaltung der Persönlichkeit und die Summe der natürlichen Wahrnehmungen. Natürlich möchte man für seine harte Arbeit über Monate oder Jahre bezahlt werden, weil man darauf seine Existenz aufbaut oder sein kleiner Pizza-Bote-Job nicht für Miete und Essen/Trinken reicht, aber wenn er etwas mit Herz und Seele macht und es frei ins Netz stellt, damit sich die Leute daran erfreuen, ist es seine Sache. Sein Seelenfrieden. Geld ist nicht alles und die Industrie macht selbst genug Geld, als das diese kaputt gehen würde. Ja, die Vielfalt wird sicher bei den populären eingeschränkt sein und Indie-Bands können es sich nicht mehr leisten im Studio spielen und sich von den großen ausnutzen lassen? Weine ich darum? Nein.
    Gute Programme und Aufnahmegeräte gibt es für jeden Computer und man glaubt gar nicht wie viele Bands/Künstler es mithilfe von Bandcamp geschafft haben.


    Ich selbst höre seit Jahren zum großen Teil nur noch Ambient/Post-Rock und gerade diese Richtung spreßt durch das Internet. Viele Künstler erlauben es, dass ihre Alben auf bestimmte YouTube Kanäle hochgeladen werden und dort die Qualität absolut top ist. Wenn ein es gefällt, gibt es in der Videobeschreibung der Link zum Album auf Bandcamp und man kauft es. Durch diese Möglichkeiten ist es uns auch erlaubt, völlig in Trance entwickelte Töne aus der russischen Landschaft zu hören oder sonst wo von der Welt.

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    I’m just watching a bad dream I never wake up from.


    - Spike Spiegel from Cowboy Bebop

  • Kennst du Something in the Way von Nirvana? Das Lied wurde in einem Studio aufgenommen. Kurz vorher riss eine Saite der Akustikgitarre, doch Kurt spielte trotzdem mit genau diesem Instrument diesen Song ein. Er saß auf einer Couch und nuschelte die Strophen ein, was natürlich nie irgendwo so eingeplant war. Es war einfach eine spontane Session von Kurt. Ein ganzer Takt ist auch noch schief gegriffen. Das verleiht diesem Song eine hohe Zerbrechlichkeit, und nur deshalb wirkt er so, wie er wirkt. Und trotzdem oder genau deshalb landete genau diese Aufnahme auf dem Album und ist für jeden hörbar. Sowas wird es nicht geben, wenn man am Rechner produziert.

    Ich frage mich nur was das mit dem Niedergang der Musikindustrie zu tun haben soll und wir machen weiter wie gehabt. Denn:

    Umso weiter wir für einzelne Punkte ins Detail gehen, vergessen wir in der Diskussion das große Ganze und letztendlich finden wir nur unterschiedliche Meinungen in den kleinsten Bestandteilen des Ganzen Themas. Das würde zu nicht wirklich was führen.


    Dinge ändern sich nun mal. Das einzige was konstant ist ist die Änderung. Die Musik ist davon nicht ausgeschlossen. Auch vor der Musik die du kennst und liebst ging Musik durch Phasen mit Eigenheiten durch die es heute nicht mehr gibt. Ich bin mir sicher auch damals gab es Leute die gewissen Dingen hinter her trauerten und den Niedergang von Musik hervorsagten. Früher hat man Jungen den Stimmbruch verweigert damit sie noch im hohen Alter schön und hell singen können. Das ist nun aber illegal und dadurch ist auch in gewisser Maßen Kultur verloren gegangen oder nicht?


    Wenn es genügend Leute gibt die deine genannten "Imperfektionen", die für dich die Musik so vollkommen machen, wert schätzen dann wird es das auch noch immer geben. Aber Nirvana oder Nine Inch Nails oder irgend eine andere Band sind nun mal objektiv betrachtet weder der heilige Gral, noch das Maß aller Dinge. Genau das macht Subjektivität aus.


    Ebenso wird in einem Studio ja nicht so stumpf irgendwas eingefiedelt, sondern da finden enorm wichtige kreative Prozesse statt. Da sitzt man am Abend zusammen und hört sich die Arbeit des Tages an und philosophiert über den Sound zb. Das ist ein enorm wichtiger Bestandteil eines Bandgefüges und gehört genauso dazu, wie auf der Bühne zu stehen. Es macht Spaß und gibt dem ganzen dieses Einzigartige.

    Und all diese Prozesse gehen nun mal nicht verloren. Wieso sollten das auch geschehen?


    @Gomorrha Schön, dass du den Film und Journalismus nennst. Mit dem Gedanken habe ich auch gespielt. Denn ich bin selber in der Film-Branche tätig und kenne diese Probleme ganz genau. Es ist mein Job.


    Wir sind momentan in einem unberechenbaren Wandel. Mit Änderungen muss man gewisse Dinge verabschieden und man kann nicht daran festhalten. Es wird anders sein, aber es wird es immer geben. Wichtig ist ob man im Wandel auf die richtigen Dinge setzt oder in die Scheiße greift. Da ist viel Glück im Spiel.

    Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben, diese Signatur zu lesen. Diese Signatur liebt sie.

  • Die Musikindustrie hatte und hat nur ein Ziel: "Soviel Geld wie möglich verdienen!" Das ist legitim, denn das ist das Nonplusultra in allen Industriezweigen. Die Musikindustrie wird nie untergehen, solange Musik gehört wird. Es ist nur schwieriger geworden dem Publikum "Neues" zu bieten und somit einen Kaufanreiz zu setzen. Als die erste LP der Beatles in Deutschland rauskam, habe ich als 14jähriger einen ganzen Tag für 10 DM (heute 5 €) auf einer Baustelle mit geschuftet um sie mir kaufen zu können.. Einen eigenen Plattenspieler konnte ich mir erst 1 Jahr später leisten. Diesen Entusiasmus gibt es heute nicht mehr und Musik bringt heute nichts revolutionäres mehr raus. Aber wie sollte es auch, denn es ist so ziemlich alles an Musikstilen ausgelutscht. Die tonalen Abfolgen und Rhythmen haben halt ihre Begrenzungen. Eine große Rolle spielen auch die Interpreten. Dem Publikum geht es nicht mehr nur um gute Musik, sondern auch die Optik, Bühnpräsentation, Performenz usw. bestimmen die Beliebtheit. Schräge Ballermannvögel mit noch schrägerer Stimme und Song können plötzlich Superstar werden. Hier passt: "Schönsaufen kann man sich alles!" Eine Helene Fischer ist ein Superstar geworden weil sie top aussieht, so ziemlich alle musikalischen Facetten beherrscht, perfekt tanzt und eine fantastischen Bühnenperfomance liefert. Dazu die richtigen Ohrwürmer und die Musikindustrie hat wieder die ideale "Vertreterin" mit der man gut Geld machen kann anzubieten. Leider hat sie verpasst im richtigen Moment aufzuhören und sich zu sehr vermarkten lassen. 1983 habe ich als semiprofessioneller Musiker mit meiner damaligen Band bei einem Fest mehrere Schlagerstars begleitet. Mit dabei unter anderem Wolfgang Petry der schon da seinen späteren Superhit 'Hölle, Hölle" (Wahnsinn) zum Besten gab. Damals auf Platz 38 in den Charts und erst 1996 damit auf den ersten Plätzen. Petry erzählte mir damals schon wie verdammt schwer es im Showgeschäft ist und er eigentlich schon da aufhören wollte. Seine Publikumsbeliebtheit erreichte aber in den 90ern nochmal einen sensationellen Höhepunkt und er hat zum richtigen Zeitpunkt aufgehört. Es gibt für mich auch keinen musikalischen Werteverfall. Jede Musik hat ihre Daseinsberechtigung und was beliebt ist bestimmt der Zuhörer. Wenn ich auf der Bühne mit meiner Konzertgitarre ein klassisches Gitarrenstück spiele schaut mich das Publikum gelangweilt an. Aber bei "Hulapalu" flippt alles aus. Wünsche allen ein schönes WE!

  • Ich frage mich nur was das mit dem Niedergang der Musikindustrie zu tun haben soll und wir machen weiter wie gehabt.

    Natürlich hat es aus meiner Sicht mit dem Niedergang zu tun. Denn wenn man nicht so Musikmachen kann, wie es natürlich ist für eine Band, also im Studio aufnehmen und besprechen, un eben diese ganzen spontanen und ungeplanten Einspieler hat, dann sprechen wir hier von einem hohen Qualitätsverlust beim Liedgut.

    Wenn es genügend Leute gibt die deine genannten "Imperfektionen", die für dich die Musik so vollkommen machen, wert schätzen dann wird es das auch noch immer geben. Aber Nirvana oder Nine Inch Nails oder irgend eine andere Band sind nun mal objektiv betrachtet weder der heilige Gral, noch das Maß aller Dinge. Genau das macht Subjektivität aus.

    Ich schreibe die ganze Zeit davon, dass aber genau das immer schwieriger wird, weil die Studios dicht machen und die Labels nur noch dumme billige Arbeiter wollen, die ihre eigene Kunst nicht besitzen.
    Von heiligem Gral oder so was reden wir nicht.


    Wir drehen uns hier echt im Kreis und ich glaube auch, du willst mich gar nicht verstehen. Also vergebene Lebensmüh. Du bist bekanntlich ein glühender Verfechter der PC-Möglichkeiten. Und ich bin es nicht.


    @Gomorrha
    Im Prinzip kann man das alles ausweiten, zb auf die Textilindustrie (T-Shirts in Bangladesh) oder gar auf die Lebensmittelindustrie (Stichwort: Milchbauern). Alle wollen möglichst wenig bezahlen, weil keiner sich einen Dreck drum schert, dass Arbeit und Existenzen dahinter stecken. Und natürlich ist die Film- und Fernsehindustrie genauso betroffen.


    Ja, die Vielfalt wird sicher bei den populären eingeschränkt sein und Indie-Bands können es sich nicht mehr leisten im Studio spielen und sich von den großen ausnutzen lassen? Weine ich darum? Nein.

    Ok. Ich aber schon. Ich denke mal, ich bin aufgrund meines Umfelds sehr nahe dran. Es gibt Leute, die sind nicht geschaffen für eine Arbeit im Büro oder auf der Baustelle oder im Laden. Sie eignen sich nicht dafür. Stattdessen haben sie unglaubliche künstlerische Talente verschiedener Natur und "dank" der technologischen Entwicklung und des steigenden Egoismus der Konsumenten (alles haben wollen aber quasi nichts bezahlen) müssen sie einen solchen Job machen. Es gibt nicht wenige, die deswegen sehr unglücklich sind.
    Und das war mal anders. Wirklich.

    Natürlich möchte man für seine harte Arbeit über Monate oder Jahre bezahlt werden, weil man darauf seine Existenz aufbaut oder sein kleiner Pizza-Bote-Job nicht für Miete und Essen/Trinken reicht, aber wenn er etwas mit Herz und Seele macht und es frei ins Netz stellt, damit sich die Leute daran erfreuen, ist es seine Sache. Sein Seelenfrieden

    Ja und warum machen die Bands das? Es gibt quasi kein Viva und MTV mehr (woran das wohl liegt?!). Das Fernsehen ist als Verbreitungsmedium quasi tot. YT ist die Möglichkeit, oft die einzige, über sich aufmerksam zu machen, denn die kleinen Clubs schließen ja auch überall, jedenfalls hier in Berlin ist das gerade modern (letztes Jahr haben 13 Traditionsläden geschlossen, weitere stehen kurz vor dem Ende). Diese Medallie hat nur eben zwei Seiten, denn das Publikum hat ja YT, warum also zu Gigs gehen oder die Musik kaufen.


    Ein Haus kann ohne Fundament nicht stehen, und wenn man das abträgt, stürzen irgendwann die Wände und das Dach ein. So ist es auch mit den 95% Underground und 5% Megastars.

  • Spannende Diskussion, zu der ich auch kurz meinen Senf hinzugeben möchte. ^^ Insgesamt finde ich, die Thematik ist ein extrem zweischneidiges Schwert, vor allem das Stichwort Internet. Wie du schon erwähnt hast @Hyrokkin ging und geht durch das Netz und die viele Gratismusik auf YouTube und Co enorm viel musikalische Diversität verloren und das ist sehr schade. Wie schon geschrieben, kann man sich Musik zu jeder Zeit besorgen und überall anhören. Ich denke alleine diese Tatsache trägt schon ein wenig dazu bei, dass man Musik weniger wertschätzt. Früher hat man Musik über die Anlage Zuhause gehört und dann kam irgendwann der erste tragbare/handliche Walkman, der sich zum Statussymbol schlechthin mauserte. Aber man muss festhalten, dass man sowohl für CDs als auch für Kassetten noch Geld ausgeben musste. Das waren eben noch handfeste, haptische Medien. Natürlich konnte man Kassetten überspielen und Songs aus dem Radio aufnehmen, aber die Spieldauer einer Kassette ist ziemlich beschränkt, bei einer CD sieht das sehr ähnlich aus. Lange Rede, kurzer Sinn - für mich hat die Musikdatei in Digitalform - MP3 die eigentliche Musikindustrie wie man sie jahrzehntelang kannte zerstört/komplett verändert. MP3s kann man heute mit allen Geräten abspielen und sie sind kinderleicht zu vervielfältigen. Die Musikindustrie hat darüber natürlich keinerlei Kontrolle mehr. Ausbeutung der Künstler und immer weniger CD-Verkäufe/Einnahmen sind die Folge.


    Ich muss persönlich sagen, ich nutze diese "Gratismusik" auch, ausgiebig und gerne. Hier sehe ich aber auch die andere Seite. Wie oben geschrieben, kann ich es sehr gut verstehen, wenn Musiker sich wehren und klagen, dass sie von der Musik kaum mehr leben können. Andererseits haben viele Leute, besonders Jugendliche oft gar nicht das Geld, um sich die Musik kaufen zu können, die sie gerne hören möchten. Und Fakt ist, Musik trägt sehr oft auch zur Persönlichkeitsentfaltung bei, mit Musik entwickelt man sich und der Musikgeschmack entwickelt sich ebenfalls weiter. Hat man nun keinen Zugriff auf die Musik, die man gerne hören möchte, kann man sich folglich nicht uneingeschränkt entwickeln. Ich ziehe hier auch gerne mal einen Vergleich zur Musik in der ehemaligen DDR. Sachen aus dem Westen waren lange verboten und wurden heimlich gehört. Den Menschen wurde Musik also vorenthalten und sie mussten sie sich anderweitig beschaffen. Insofern ist die "Gratismusik" Fluch und Segen zugleich. Für die Verbraucher eine gute Sache, für die Künstler bitter und nicht fair. Langfristig wird man schauen müssen, wohin das führt. Aktuell läuft es grauenhaft, man kann die wenigstens Neuveröffentlichungen hören, ohne Ohrenkrämpfe zu bekommen. Der Kommerz hat die Musik weitestgehend kaputt gemacht, Brüste, Hintern und Autotune haben sich schon lange durchgesetzt und wirkliches Talent geht oft im Nichts unter, wie hier auch schon geschrieben wurde. Persönlich zweifle ich aber auch sehr daran, dass sich das ändern würde, wenn Musik nicht mehr gratis verfügbar wäre und jeder Song teuer bezahlt werden müsste. Die Musikentwicklung liegt viel mehr in der Gesellschaft. Alles wird immer oberflächlicher und schnelllebiger. Aktuelle Songs werden nur geschrieben, um 1, 2 Wochen im Kopf zu verbleiben und dann für immer einzustauben. Epochale Sachen wie von Queen, Led Zeppelin und Pink Floyd gibt es schon ewig nicht mehr. Gute, handgemachte Musik ist zur Nische geworden. Verdammt schade, aber nicht zu ändern und wohl der Lauf der Dinge.

  • Es gibt mehr Bands und Musikrichtungen denn je, grade für Musiker sollte momentan nichts leichter sein, als ihre Musik zu vermarkten. Wenn auf Youtube ein paar Hirnies damit Millionen machen können, dass sie ihre Meinung sagen, sich beim Schminken zu filmen oder beim Videospielen sinnloses Zeug zu labern, sollte es für echte Künstler drin sein, über Youtube als Beispiel Geld zu machen, oder eine Fanbase aufzubauen. Justin Bieber hats übrigens auch so gemacht.


    Der Niedergang der Musik ist im Übrigen sehr weit entfernt. Die Probleme, die du ansprichst gibts seit hundert Jahren, ja eigentlich seit Musik kommerziell ist, warscheinlich haben irgendwelche reichen Franzosen dem Mozart schon gesagt, was er anziehen und machen soll, damit die Salzburger Girls seine Konzerte besuchen. Gecastete Bands, provozierte Skandale, Knebelverträge... mir fallen sofort zig Beispiele ein und die meisten davon sind älter als 30 Jahre. Dir kommts nur so vor, das ist wie "früher war alles besser". Früher war alles gleich.

    Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen

    #75: Me and the Boys


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    "Ich dachte, du hast das Quest Item mitgenommen?!"

  • Hmm, ich habe schon den Eindruck, dass einiges rückläufig ist. Denkt man daran, wie groß früher manche Bands wurden und sieht dann, wie klein verhältnismäßig selbst die besten bleiben müssen… verteilen sich nicht heute über Internet, Spotify und populäre Schrott-Musik und Einheitskäse die Menschen auf immer mehr Richtungen (z. B. billige Elektro-/Rap-/Pop-Musik mit pubertären Texten)? Was heute für ein Kram von Jugendlichen auf unschuldige S-Bahn-Fahrer losgelassen wird, hat mit Kunst (Kunst kommt von Können) nichts zu tun. Ich würde nicht behaupten, dass es keine schlechten Entwicklungen gäbe. Wenn jemand an neuen Musik-Acts Arenen füllt, was macht diese Person für Musik und schreibt sie die Musik überhaupt selbst, oder singt sie nur und ist durch Skandale und Reality-Scheiße bekannt?


    Wer mir was wert ist, dessen Alben, Shirts und Tickets kaufe ich.

    Aber machen das andere auch?


    Dass Musik gratis und billig verfügbar ist, sehe ich als ehrlicher Konsument, der seine Bands unterstützt, als praktisch, in der Masse/weltweit aber auch als problematisch an - wieso soll man es noch riskieren, Künstler mit einer eigenen Aussage zu werden? Das Risiko ist viel zu groß. In den Massen an YouTube-Videos gehen selbst grandiose Künstler unter im Vergleich.


    Ja, es gibt auch Chancen.

    Einen Abstieg der Wertschätzung von Musik sehe ich aber auch. Vor allem von handgemachter Musik und Musik die sich traut, individuell zu sein.

  • Metal Nerd

    Das im Rafio Einheitsbrei gespielt wird war schon immer so, da werden Trends bedient. Im Moment ist es ein 80er Trend wo neue Lieder so klingen als kämen sie aus den 80s daher, mit den jeweiligen Syntesizern.

    Und da ist auch die Frage was ist handgemacht? Ich nehme mal ein Beispiel, Alligatoah, jetzt nicht übermäßig erfolgreich aber er kann gut davon leben. Der spielt alles selber ein, auch Instrumente die er nicht spielen kann und mischt das dann selbst ab. Oder nimmt sich ne Harke, hackt damit in Kieselsteinen rum und mischt das als Beat ab. Ist das auch handgemacht? Und wenn nein, wieso ist es weniger wert als wenn er Gitarre einspielt, was er nebenbei auch tut. Das ist ein Haufen Arbeit.

    Wo wir bei Rap sind, natürlich ist es auch Kunst schnell und gut rappen zu können. Das ist verdammt schwer und wenn jemand das nicht kann merkt man das auch sofort.

    Ich freestyle privat manchmal irgendwelchen Blödsinn (und das mal richtig schlecht :grin:), da wird einem sehr schnell bewusst wie schwierig das ganze eigentlich ist.

    Extrem talentierte und auch weniger talentierte Musiker gibt es in allen Genres, es gibt da auch genügend Metalbands die was dahinschrabbeln was jeder der einigermaßen Gitarre spielen kann leicht nachspielen könnte.

    Oder nehmen wir mal Kollegah, ich hasse alles wofür er mittlerweile steht (seit man das Gefühl bekommt er meint seinen Charakter Kollegah ernst), aber Texten und rappen kann der Mann sehr gut und das ist ein Talent.

    Man sollte lieber den einzelnen kritisieren, konstruktiv, als auf Genres zu kloppen.

    Und wie gesagt Radio und Musiksender waren nie ein Maßstab. Da war es in den 90ern die Eurodance Szene die stark gepusht wurde, in den 80 NDW usw.

  • Radio höre ich seit ca. 2012 nicht mehr, schnappe nur zufällig was beim Zahnarzt, im Taxi oder sonst wo auf.
    Der aktuelle 80er Trend ist daher an mir vorbeigegangen, darauf wäre ich sogar neugierig, da ich viel an Musik von damals mag. Kennst Du da welche der aktuellen Künstler? :wink:


    Was mir zu denken gibt: Vieles an 70er/80er/90er Musik die ich mag, ist elektronisch. Ich bin bei der alten Musik aber auch immer von einem damit verbundenen Aufwand ausgegangen. Ist es heute nicht einfacher, Musik zu machen und geht dadurch etwas an nötiger Kunstfertigkeit verloren?


    Klar gibt es gute Rapper. Ich mag ein paar Songs von Cypress Hill, Eminem und einige vereinzelte (X, The Next Episode…)… keine Ahnung wozu Deichkind zählen, aber von denen mag ich auch diverse Songs).

  • Wenn man sich mal so die erfolgreichen Bands und Künstler der letzten 50 Jahrzehnte anguckt... Talent war da in den meisten Fällen zweitrangig. Wer mit Musik erfolgreich werden will, braucht eben auch Ausstrahlung, eine gewisse Persönlichkeit, und ein Gespür für den Zeitgeist. Da kann jetzt ein Musiknerd hergehen, der schon mit 5 auf seiner Kinder-E-Gitarre Stücke von Vivaldi gespielt hat und mit 12 aufs Konservatorium ging. Beeindruckend in technischer Hinsicht, hat aber keine Zukunft, wenn dieser Jemand das Charisma einer Raufasertapete versprüht. Da rennen die Leute lieber zu dem nur halbwegs begabten Knöpfchendrücker, der aber dafür als Mensch unterhaltsam ist.


    Gibt natürlich Bands und Künstler, die sind talentiert und erfolgreich. Nicht "werden zwanzig mal am Tag auf 1Live gespielt"-erfolgreich, verkaufen aber genug, um mit ihren aktuellen Alben hoch in die Charts zu kommen und mittelgroße Hallen zu füllen. Das ist schon eine enorme Leistung, denn für die meisten Bands ist es schwierig genug, überhaupt eine Zuhörerschaft außerhalb ihres Freundeskreises zu etablieren.


    Man kann also nicht sagen, dass "handgemachte" Musik kaum noch existiert oder nicht mehr Wert geschätzt wird, das genaue Gegenteil ist der Fall, wenn man weiß, wo man nach Gleichgesinnten Ausschau halten muss ;)