Hylia-See {Region}

  • Der größte und tiefste See Hyrules gibt dieser Region ihren Namen. Ruhig und glatt wie ein Spiegel, glasklar und reich an Fischen präsentiert sich der Hylia-See stets seinem Betrachter. Eine gewaltige Brücke überspannt das riesige Gewässer von Nordwest nach Südost, die Hylia-Brücke. Ihre besten Zeiten hat sie schon hinter sich; einige Pfeiler sind bereits eingestürzt und auch die beiden Türme sind bereits erodiert. Einst soll der See das Zuhause von Farodra dem Donnerdrachen gewesen sein, doch das ist nur ein weiteres Märchen um diesen schönen Ort.
    Das gesamte Gewässer wird von grünen Hügeln umgeben, auf denen saftiges Gras wächst. Südlich des Sees entspringt der Kolar-See einer Quelle und wandert als Evandra-Fluss ins Meer, zwischen den Hügeln gibt es weite Ebenen, mal mit üppigem Grün, mal mit karger Savanne. Während das Nordufer bereits die nördliche Grenze des Bezirks bildet, erschließt sich das Gebiet im Süden bis zum Meer von Phirone. Es gibt hier viele Pferdeherden, jedoch nur wenige Einwohner.



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    Anyanka lehnte an einem Fels am Wegesrand unweit des Südturms der Hylia-Brücke. Tristan döste im Schatten; den linken Hinterhuf hatte er angewinkelt und die langen Ohren hingen träge herunter. Endlich schien die Sonne wieder, endlich ist es wieder warm genug. Vor sich hatte sie alle Kleider ausgebreitet damit sie in der Sonne trocknen konnten. Es war ein schöner Sommermorgen, und doch war das Herz so schwer. Es ist die richtige Entscheidung; eine Entscheidung für Tristan. Du wusstest doch, dass dieser Tag irgendwann kommen würde! Anya und Tristan hatten zwei wirklich schlimme Wochen hinter sich. Der Dauerregen hatte wirklich alles von ihnen abverlangt, doch ganz besonders von ihrem lieben Gefährten. Eigentlich wusste sie es schon, seitdem er sich vor einem Jahr ein Stein in die Hufe eingetreten hatte. Da wurde ihr zum ersten Mal klar, welche Belastung es eigentlich für ihn sein musste.
    Tristan war ihr Esel; ihr einziger Begleiter. Die einzige Kreatur, die sie dauerhaft an ihrer Seite ertrug. Sie konnte ihm alles anvertrauen und er beschwerte sich nie. Er folgte ihr immer überall hin, doch vor allem trug er alle Waren und machte es ihr so möglich, ihr geliebtes Leben als Nomadin führen zu können. Wie würde es nur weitergehen ohne ihn?
    Dicke Tränen rannen über ihr Gesicht. Es ging nicht mehr, sie konnte nicht weiterhin so selbstlos sein und so tun, als wäre der Moment nicht gekommen.


    Vor über sechs Jahren kreuzten sich ihre Wege völlig unerwartet. Damals besuchte Anyanka zum ersten Mal in ihrem Leben Akkala. Zwischen den bunten Laubbäumen stand ein langohriger Esel, der sich geduldig an Mähne und Schweif ziehen ließ - von einem kleinen Kind, das den Esel offenbar als Spielzeug betrachtete. Seine Mutter stand daneben und betrachtete das Geschehen.
    "Guten Tag", begrüßte sie Anya. "Entschuldigung, aber ich musste gerade an meine eigene Kindheit denken. Meine Eltern haben eine Eselzucht in Hebra und ich habe auch immer mit den Tieren gespielt. So geduldig und ruhig waren diese aber nie!"
    Anya lächelte die Frau aufgeschlossen an, doch diese drehte sich nur so halb zu ihr hin, ihr Blick ruhte aber weiterhin auf ihren Sohn. "Ja, aber damit wird bald Schluss sein. Ich kann es mir nicht mehr leisten, einen Esel zu versorgen. Ich gehe wieder mit einem Kind und das Heu wird immer teurer. Ich werde ihn abgeben müssen." Eine Weile schwieg die Frau, dann sagte sie: "Kennst du dich mit Eseln aus? Möchtest du ihn vielleicht mitnehmen?"
    Anya war verblüfft über dieses plötzliche Angebot. Damals hatte sie sich gerade von ihrem alten Zelter trennen müssen, nachdem dieser auf nassem Felsgestein ausgerutscht war und sich übel verletzt hatte. Seither wanderte sie mit einem Rucksack und einem Karren umher, was durchaus anstrengend war. Die Frau bemerkte ihre Verblüffung und ergänzte: "Für zwei Opale gehört er dir."
    "Jetzt sofort?"
    Die Frau nickte und trat einen Schritt näher an sie heran. Während sie sprach, konnte Anyanka ihre schiefen Zähne sehen. "Es würde mir ehrlich gesagt eine riesige Last abnehmen, wenn du ihn gleich nehmen würdest. Es wird jeden Tag schwieriger, ihn zu versorgen."
    Einen Opal und 150 Rubine später hatte Anya auf einmal einen Esel. Die Frau verriet ihr noch, dass sie ihn Tristan genannt hatte. Für Anya war das Thema damit erledigt.
    Doch heute wünschte sie sich, sie hätte wenigstens mal nach dem Alter gefragt. Wer weiß, wie alt Tristan schon war. Es konnte gut möglich sein, dass sie einen Opa durch Hyrule zerrte, der sich in Wahrheit nur noch quälte. Sie sah ihn an, sah dabei zu, wie er im Schatten graste und dabei die Augen geschlossen hielt. Es sah jetzt im Moment jedenfalls nicht danach aus, als ginge es ihm schlecht. Er schien glücklich mit der Wärme zu sein. Aber Anya wusste es besser. Vor 33 Tagen brachen sie am Stall der Schlucht nahe der Gerudo-Wüste auf. Gerade als sie die Digdok-Brücke erreicht hatten, brach der Himmel über sie zusammen. Sie mussten rennen, um den sintflutartigen Regenfällen zu entkommen. Doch Tristan schaffte das nicht mehr und legte sich einfach hin, mitten im Regen, mitten im Sturm. Es dauerte fast drei Stunden, bis er wieder aufstand und dann nur langsam weiter trottete. Und während der gesamten zwei Wochen gab es immer wieder so eine Situation wie diese. Das war der Moment, in dem Anya klar wurde, dass sie sich von Tristan würde verabschieden müssen. Nun waren sie auf dem Weg nach Angelstedt und Tristan liebte Angelstedt. Als sie das letzte Mal da waren, wieherte er vor Glück, schubberte seinen Rücken an den Palmen und jagte den Käfern und Echsen hinterher. Eines Abends rannte er sogar hinter dem Hund her, bis dieser völlig erschöpft war. Angelstedt war sein Paradies. Jetzt musste sie es nur schaffen, die Leute dort davon zu überzeugen, einen alten Esel aufzunehmen. Doch sie hatte schon eine Idee, wie sie das anstellen konnte.


    Anya schaute in den Himmel und versuchte, anhand des Sonnenstands die Tageszeit abzuschätzen. Wahrscheinlich war es bereits vormittags, wenn sie sich beeilten, konnten sie bis zum Einbruch der Dunkelheit den Stall am See erreichen. Allerdings mussten sie nun noch durch Finras Wald und dann weiter durch das dichte Djungelgebiet Phirones. Der Weg war nicht ganz ungefährlich. Sie holte tief Luft, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und sammelte ihr Hab und Gut ein. Tristan verstand sofort, trottete auf sie zu und wartete, bis sie ihm die Gepäckstücke aufgeladen hatte. Mein toller Tristan, du hast dir einen schönen Lebensabend verdient.

  • RPG-Einstieg


    Nach tagelangem Regen hatte die Sonne die Wolken endlich vertrieben und schien von einem strahlend blauen Himmel auf das Land hinab. So manchem war es viel zu warm und er suchte den Schatten, aber nicht Yalia. Sie genoss es ohnegleichen, schnell wie ein Pfeil durch das Wasser zu gleiten und zwischendurch durch einen formvollendeten Hechtsprung einen kleinen Regenbogen zu erzeugen, der nur Momente existierte und dennoch wunderschön war. An Land wollte sie im Moment auch nicht sein, aber hier im Wasser war die Wärme der Sonne nur knapp unter der Oberfläche wirklich spürbar. Einmal tauchte die Zora tief und schoss dann gerade aus dem Wasser heraus, um sich in der Luft zu drehen und mit einem Kopfsprung wieder in das Wasser einzutauchen.
    Es war eine Wonne!
    In engen Kehren um die Pfeiler der alten Brücke herum, von der ihr Vater ihr erzählt hatte, wie prachtvoll sie früher ausgesehen hatte. Und wieder erzeugte Yalia einen kleinen Regenbogen, bei dem sie sich um die eigene Achse drehte. Blau in blau. Für einen Moment schien das Wasser kein Ende zu nehmen, dann tauchte am Rande ihrer Wahrnehmung wieder einer der besagten Pfeiler auf und zerstörte den kurzen Moment der Illusion.
    Wie es wohl war aus dem Wasser zu springen und nur blau zu sehen? Egal in welche Richtung man sah, egal wie lange man geradeaus schwomm? Yalia war schon seit so vielen Jahren in den Flüssen unterwegs, mittlerweile kannte sie auch so ziemlich jeden kleinen Seitenarm, es gab einfach nichts mehr zu entdecken. Was ihr als Kind wie ein großes Abenteuer erschienen war hatte nun den faden Beigeschmack des Alltäglichen. Daran änderten auch die schönsten Sprünge und Momente nichts. Es war wie ein Gefühl von... Langeweile.
    Nach einem letzten Sprung ließ Yalia sich an die Oberfläche treiben und drehte das Gesicht zum Himmel. Einst war ihr dieses Land so weit erschienen, ohne Grenzen, so viel zu entdecken. Natürlich gab es immer noch Gebiete, in die sie nie einen Fuß gesetzt hatte, aber daran würde sich auch nichts ändern. Eldin war zu warm für eine Zora und Hebra zu weit weg. Natürlich reiste Yalia immer noch gern von einem Ort zum anderen, aber irgendwie... fehlte der Reiz des Neuen.
    Und um sich niederzulassen... nein, danach stand der Zora überhaupt nicht der Sinn. Oder gar eine Familie gründen... Dafür fehlte es schon an einem passenden Partner, ganz zu schweigen von ihrer Bereitschaft für immer an einem Ort zu bleiben. Ebenfalls uninteressant. Yalia mochte solche Gedanken nicht, sie schlichen sich immer häufiger in ihre Überlegungen und erfüllten sie mit einem Gefühl der Unzufriedenheit. Um sich abzulenken tauchte die Zora ab und schwamm in Richtung Norden zum Fluss, der sie zu einem der Ställe und damit in die Gesellschaft anderer Reisender bringen würde.
    Häufig half das gegen die trüben Gedanken. Oder ein paar Fische zu fangen. Just machte Yalia ein paar Ausdauerbarsche. Manche Reisende mochten diese Fische wegen ihres stärkenden Effektes, wenn man sie kochten. Yalia mochte sie auch einfach gebraten. Die würden ein formidables Abendessen abgeben und vielleicht konnte sie genügend fangen, um ein oder zwei Exemplare zu verkaufen. Anstatt sich gleich auf die Fische zu stürzen tauchte die Zora ab und beobachtete ihre Beute von unten.
    Mehr als einen zu fangen könnte knifflig werden, sie schwommen recht weit voneinander entfernt. Aber Yalia war eine erfahrene Fischjägerin. Kurzerhand nahm sie den Rucksack ab und öffnete ihn, danach wickelte sie sich die Riemen um den Arm. So würde sie sich einen Fisch greifen und ihn dann schnell durch die Öffnung stecken können. So erwischte sie bestimmt mehr als einen. Ruhig hielt die Zora ihre Höhe unter Wasser und spannte die Muskeln an, dann schoss sie wie ein dunkelblauer Blitz nach oben, um sich den ersten Fisch zu greifen.

    Wie gut, dass mich niemand denken hören kann.

  • kommt aus Phirone, Sardon-Wald
    Straße von Phirone Richtung Westen laufend


    Na das war eine Überraschung. Anya hatte wieder mit einem Donnerwetter gerechnet, aber Zoltan überraschte weiter. Sie gab es nicht gern zu, aber sie musste einsehen, dass sie keine Ahnung hatte, wer er war. All ihre Menschenkenntnis versagte bei ihm.
    Und auch Gustl wandelte sich langsam vom gütigen fröhlichen Krog zum Nervenbündel. Rückblickend betrachtet hatte Anya keine Ahnung warum das alles so geworden war. Andere hätten diese Ereignisse sicher zusammengeschweißt; nicht so bei ihnen. Es stimmte, dass sie sich ziemlich zickig verhielt. Klar hätte wohl jeder in ihrer Situation auch die Nerven verloren, aber sie war hier nicht die einzige. Sie hasste es, so egoistisch gewesen zu sein und schämte sich. Bei der nächsten Gelegenheit würde sie sich entschuldigen.
    Zoltan sprach nach Gustls Ansage beschwichtigend auf sie ein. Nach einer kurzen Absprache beschlossen alle drei gemeinsam, zunächst den Djungel zu verlassen und dann zu rasten.


    Gustl hatte erstmal genug und flog etwas abseits vor sich hin. Zoltan verbrachte den restlichen Tag auf Sevens Rücken. Anya vermied es sich zu fragen, ob er sich wohl fühlte. Sie würde sowieso falsch raten. Im Schritt ging es voran, bis sich der Djungel lichtete und am Horizont der Südturm der Hylia-Brücke auftauchte. Der Himmel wurde bereits dunkel und es war Zeit für die nächtliche Rast.
    Anya sah zu dem Berg zu ihrer linken. Als Alleinversorgerin kannte sie alle Kochtöpfe in Hyrule und auf diesem seltsamen Berg, der aussah, als hätte man viele Platten aufeinander gestapelt, stand ein solcher. Außerdem gab es dort oben einen kleinen Teich und sollte ein Unwetter hereinbrechen, konnten sie unter den Felsformationen Schutz finden. Einen besseren Rastplatz gab es im näheren Umkreis nicht. "Was sagt ihr dazu, wenn wir dort übernachten", fragte sie und zeigte mit dem Finger zum Gipfel.
    Gustl und Zoltan hatten keine Einwände und so schlugen sie ihr Lager dort oben auf.
    Sofort untersuchte Gustl ihren Patienten. Von der Wunde war nur noch eine blasse Narbe übrig und die Haut drum herum war etwas wund.
    "Ich denke nicht, dass du weiterhin meine Heilkünste brauchst", sagte sie. "Aber wenn dir etwas weh tut oder du dich unwohl fühlst..."
    "....werde ich es dir sagen", versprach Zoltan. "Ich werde uns unser Abendessen jagen." Er stand auf und machte sich daran, sich für die Jagd vorzubereiten, sichtlich froh, etwas Abstand haben zu können.
    Es dauerte nur wenige Minuten, dann kam er mit einem fetten Hasen zurück. Mit ein paar geschickten Handgriffen zog er ihm das Fell ab und zerteilte das Tier. Zusammen mit den Äpfeln, Karotten, Kräutern und Salz ergab das einen guten Eintopf, der richtig lecker schmeckte.


    Glücklich über die Mahlzeit, packte Anya der Mut: "Es stimmt halt alles, was du sagtest, Gustl. Ich war wirklich egoistisch. Eigentlich wollte ich allein bleiben und mich meiner Trauer widmen. Ich hatte Null Bock auf euch beide. Spätestens nach Daskida wollte ich die ganze Zeit nur weg; hab sogar mit dem Gedanken gespielt, zu meinen Eltern zu zurückzukehren. Euch beide hätte ich dann wohl nie wieder gesehen und nichts kam mir verlockender vor. Ich bin überhaupt nicht der Mensch für Gesellschaft, es überfordert mich einfach, an mehr Leute zu denken, als nur an mich selbst. Aber... ohne euch beide hätte ich das nie geschafft. Ich wäre vielleicht nicht mehr hier. Gustl, ich habe mich geirrt. Eigentlich habe ich dich nicht ernst genommen, weil du klein und wehrlos bist. Aber deinetwegen lebt Zoltan noch. Und Zoltan, ganz ehrlich, du bist seltsam und mir macht das Angst. Aber ich verspreche dir, dass ich mich von jetzt an kooperativ verhalten werde." Wieder zu viele Worte, wieder zu viele Emotionen. "Lasst uns versuchen, von vorne anzufangen. Ich will mich nicht ständig streiten."


    Anya biss auf einem Knorpel herum. Obwohl noch keiner antwortete, fühlte es sich gut an. Sie war zuversichtlich.

  • Während Zoltan auf Hasenjagd ging, hatte er ein wenig Zeit über die Vorteile des Reitens nachzudenken. Er musste zugeben, dass ihm da all die Jahre etwas entgangen war. Es war ein vollkommen anderes Gefühl, seine Gedanken auf dem Rücken eines Pferdes schweifen zu lassen, während man selbst nicht auf den Weg achten zu brauchte. Seven war hervorragend dressiert und hatte seine Gangart Zoltans Wohlbefinden angepasst. Er wusste nicht, woher Pferde diese Empathie nahmen, aber es war faszinierend. Beim nächsten Stall, an dem sie Halt machten, sollte er darüber nachdenken, sich ein eigenes Pferd zuzulegen. Seine Reisekasse wurde allmählich knapp, aber eine lohnende Investition wäre es allemal.


    Nachdem ein unglücklicher Hase ihm buchstäblich vor die Klinge gelaufen war, beschloss er endgültig, dass dieser Tag ausgesprochen gut verlaufen war und kehrte bestens gelaunt zum Lager zurück, wo bereits ein munteres Feuer unter dem Kochtopf prasselte.


    Anyas Kochkünste stellten sich als mehr als passabel heraus, und das kam gerade recht. Er hatte seit Angelstedt nichts vernünftiges mehr gegessen. Am Stall hatte Gustl ihm zwischendurch eine Suppe aus Kräutern eingeflößt, die jedoch eher ihren Zweck erfüllte als tatsächlich zu schmecken.


    Nach dem Essen hielt er es für einen guten Zeitpunkt, eine Zigarette aus seinem knappen Tabakvorräten zu drehen, während er Anyas Vortrag lauschte. Die kühlere Luft, das Wissen ein Ziel vor sich zu haben und das Essen schienen auch sie wieder milder gestimmt zu haben. Er war also seltsam und machte ihr Angst, soso.


    "Die Leute benutzen gerne inflationäre Begriffe wie "seltsam", "furchteinflößend" oder auch "verrückt", wenn sie jemanden nicht sofort einschätzen können. Damit habe ich kein Problem. Die meisten Menschen bleiben eh nicht lang genug an meiner Seite, um sich ein umfassenderes Urteil zu bilden. Ich halte es anders. Ich mag es nicht, wenn Leute jedem gegenüber direkt alles von sich preisgeben. Sie wirken dann nicht echt, sondern irgendwie... wie Schauspieler, die einen auswendig gelernten Text vortragen, den sie über die Jahre perfektioniert haben." Er zuckte mit den Schultern. "Bei euch ist es glücklicherweise nicht so. Ihr habt Launen, die sich miteinander abwechseln, eine Geschichte, die nicht jeder kennt, und das macht euch irgendwie real. Nicht wie viele andere Leute, die wie Statisten wirken, die darauf warten, ihre Rolle im Leben von jemandem zu spielen und dann wieder ins Nichts verschwinden." Er erlaubte sich den Anflug eines Lächelns. "Lange Rede, kurzer Sinn. Ich habe beschlossen, dass ich euch mag." Er kramte aus seinem Rucksack eine Flasche Weinbrand hervor, die er dem alten Bob für ein paar Rubine extra abgeschwatzt hatte. "Möchte jemand mit mir darauf und dass wie heil aus dieser Nummer hier heraukommen anstoßen?"

  • Gustl ging es so richtig gut. Endlich redeten sie wieder ganz normal miteinander. Ihr Ausbruch von heute Nachmittag war ihr etwas peinlich. Immer wieder nahm sie sich vor, Dinge, die ihr nicht passten, rechtzeitig und in Ruhe anzusprechen, statt dessen hatte sie abermals gewartet, dass die Situation sich von selber löst und als sie das nicht tat, war sie explodiert. Sie wusste gar nicht mehr genau, was sie alles gesagt hatte.


    Nachdem ihr innerliches Gewitter sich verzogen hatte, hatte sie sich den Rest des Tages ein wenig abseits gehalten und überlegt, was sie machen sollte, wenn die beiden tatsächlich nicht mehr mit ihr zusammen reisen wollten, doch waren diese Sorgen - Hylia sei Dank - völlig überflüssig gewesen. Niemand war böse auf sie und darüber war sie sehr froh, denn sie hatte sowohl Anya als auch Zoltan schon längst in ihr kleines Krog-Herz geschlossen. Sie hatte Anya auf Anhieb gemocht, als sie sich kennen gelernt hatten, weil diese ganz normal mit ihr sprach statt von oben herab, wie viele große Leute es mit Krogs taten. Und Zoltan - nun, dem hatte sie im Stillen schon mehrmals Abbitte geleistet, weil sie ihn so falsch eingeschätzt hatte. Und man konnte auch nicht gleichgültig gegenüber jemandem sein, dem man das Leben gerettet hatte. Jawohl, das hatte sie getan! Gustl erlaubte sich ein wenig Stolz auf ihre Tat.


    Und jetzt hatte Zoltan sogar eine Flasche Schnaps hervor geholt und ihnen einen Versöhnungstrunk angeboten! Hui!
    Gustl hatte noch niemals Alkohol getrunken. In den Wäldern gab es so was gar nicht, und auf ihren Reisen hatte sie sich nie getraut, welchen zu probieren, weil ihr zu Hause immer eingetrichtert wurde, dass Krogs Alkohol gar nicht gut vertragen würden. Hmm, ob das jetzt die Gelegenheit war?


    Gustl musste unvermittelt lachen, sprang auf und hüpfte ausgelassen auf der Stelle, als sie rief: "Ihr glaubt ja gar nicht, wie gut mir das tut, dass wir uns jetzt vertragen. Ich hab mir richtig Sorgen gemacht. Und es tut mir leid, dass ich so ausgerastet bin. Und du musst dich auch gar nicht entschuldigen, Anya, denn manchmal nehme ich mich ja selber nicht ernst und außerdem habe ich mich dir aufgedrängt. Und wenn wir Zoltan nicht kennen gelernt hätten, wärst du niemals mit den Yiga zusammen gerasselt und würdest jetzt gemütlich zu Hause sitzen und mit deinen Eltern Tee trinken. Also eigentlich müssten Zoltan und ich uns bei dir entschuldigen, weil wir dir das angetan haben!"
    Sie schaute fröhlich in die Runde, dann fuhr sie fort: "Wisst ihr was? Jetzt ist alles genau richtig! So sollte es kommen und jetzt ist es so. Du hast Recht, Zoltan, darauf sollten wir anstoßen. Wir werden einen richtig schönen Abend haben!" Sie setzte sich wieder hin und strahlte die beiden an.

  • Ohje, war der erste Gedanke, den Anya fassen konnte. Sie traute sich nicht die Augen zu öffnen und die Sonne in ihren Kopf zu lassen, aber dass es schon hell war, wusste sie. Irgendwo links neben ihr hörte sie ein leises Schnarchen. Noch mit geschlossenen Augen richtete sie sich auf und blinzelte ein ganz kleines bisschen. Irgendwas roch hier komisch. Vorsichtig öffnete sie ihr rechtes Auge und blickte auf den Kochtopf. Der Eintopf war über Nacht über dem offenen Feuer eingebrannt und vermutlich kam der schreckliche Gestank davon. Oh nein.
    Äußerst schwerfällig richtete sie sich irgendwie auf und streckte sich. Sie wandte der Sonne den Rücken zu und schaute auf den Hylia-See, der funkelte und blitzte wie ein riesiger Diamant. Sie hätte ewig auf den See schauen können, doch nun rief erstmal die Pflicht. Sie trug den schweren Eisenkessel bis zur kleinen Wasserstelle, nahm etwas Gestrüpp und versuchte, den eingebrannten Eintopf zu entfernen. Nach einer Weile beschloss sie, das Zeug erstmal einweichen zu lassen und sich etwas umzusehen. Zoltan und Gustl schliefen noch, Seven stand etwas abseits und graste. Anya schleppte sich zum Apfelbaum und pflückte einige davon. Etwas weiter Richtung Seeufer standen einen paar Hylia-Gräser, die sie auch so gleich einsammelte. Doch wenn sie schon mal hier unten war, konnte sie sich auch gleich noch ein Bad im herrlichen Wasser erlauben. Sie blickte nach oben, konnte aber niemanden sehen. Also zog sie flink ihre Kleidung aus und tauchte ins kühle Nass. Im Wasser kehrten ihre Lebensgeister langsam zurück. Sie konnte spüren, wie sich ihre Muskeln entspannten und ihr Geist für einen Moment lang frei über den See flog. Sie dachte zum ersten Mal seit Wochen an gar nichts.
    Als sie ein wenig geschwommen war, entdeckte sie eine Holzkiste im Wasser, die sie sogleich an Land zog. In der Kiste befand sich ein Bündel Pfeile. Ach schade! Manchmal hatte Anya Glück und sie fand ein Schwert oder ein Edelstein in diesen Kisten, aber mit Pfeilen konnte sie nichts anfangen. Aber da sie diese nun mal gefunden hatte, behielt sie sie auch. Nochmal schaute sie zum Berggipfel hinauf, wo Zoltan und Gustl waren, aber vermutlich schliefen sie immer noch. Trotzdem beschloss sie, zurück zu ihren Sachen zu laufen und sie wieder anzuziehen.


    Kurze Zeit später war Anya zurück im Lager. Sie schnitt die Äpfel in Stücke und legte sie auf einen flachen Stein, den sie gründlich reinigte vorher. Immernoch schliefen ihre beiden Gefährten. Ein Blick zur Sonne verriet Anya, dass es etwa 7 Uhr morgens gewesen sein musste. Naja, einen Moment noch könnten sie ja schlafen. Also widmete sie sich dem Kochtopf und schruppte den Kessel weiter.
    Es dauerte ziemlich lang, aber irgendwann war es geschafft. Als sie den Eisenkessel zurück trug bemerkte sie, dass Zoltan wach geworden war.
    "Morgen", grummelte er.
    "Guten Morgen."
    Zoltan richtete sich auf und schien für einen Moment nicht zu wissen, wo er war. Er zog die Augenbrauen zusammen und schloss wieder die Augen, um kurz danach wieder um sich zu schauen.
    "Ich bin Anya, das da ist Gustl und dahinten ist Seven. Wir sind am Hylia-See."
    Ein tiefes Brummen entwich seiner Kehle, er legte sich wieder hin und bedeckte seine Augen mit dem Unterarm. Ja, auch Anya vermisste die weichen Betten eines Gasthofes. Wenn sie Glück hatten, würden sie den nächsten Stall noch heute Abend erreichen. Ob sie sich allerdings ein Bett würden leisten können, war fraglich. Soweit Anya wusste, waren Zoltans Rubine ebenfalls fast aufgebracht. Sofort überlegte sie, wo sie Rubine oder Edelsteine finden könnten. Ihr fielen die Östlichen Stallruinen ein, von denen es hieß, dass dort die ein oder andere Truhe versteckt war. Allerdings wurde das Gebiet von Monstern bewacht und dieses Risiko wollte sie nicht eingehen. Aber als sie letzte Woche mit Tristan hier entlang gerannt war, hatte sie am Panorama-Berg eine seltsame Höhle gesehen. Die Straße führte direkt daran vorbei. Anya beschloss, diese Höhle aufzusuchen, wenn sie die Stelle erreichten.
    Doch zunächst hieß es, ihre Gefährten aufzuwecken. Sanft ruckelte sie an Zoltans Schulter, der schon wieder leise schnarchte. Danach weckte sie auch Gustl.
    So gesprächig wie gestern Abend war die Runde am Morgen nun gar nicht. Alle kämpften mit den Nachwirkungen des elenden Weinbrandgesaufes. Irgendwann krächzte Gustl in die Runde: "Was habe ich gestern Abend gemacht?"
    Anya kniff mühsam die Lippen zusammen und senkte den Kopf. Zoltan schloss die Augen und versuchte, sein Schmunzeln mit der Hand zu bedecken, die er "beiläufig" davor hielt.
    Gustl schaute beide an und fragte nochmal, allerdings etwas lauter: "Leute, was ich habe gestern Abend gemacht?"
    Inzwischen hatte Anya Tränen in den Augen und konnte das Lachen nicht mehr verkneifen. Trotzdem sagte sie: "Ich kann mich kaum daran erinnern. Eigentlich weiß ich es gar nicht mehr."
    "Ja ich auch nicht", log Zoltan. "Kann also nicht so schlimm gewesen sein."
    "Wollt ihr mich verarschen?", piepste Gustl, was etwas unangenehm war, angesichts der heftigen Kopfschmerzen.
    "Nö, ich fand deine Darbietung insgesamt ganz gelungen." Anya schnappte nach Luft.
    Damit Zoltan nichts sagen konnte, nahm er sich ein Stück Apfel und steckte es sich in den Mund. Auch Anya trank nun ein großen Schluck Wasser. Die arme Gustl stellte keine Frage mehr, vielmehr sah sie entsetzt aus.


    "Komm Zoltan, ich zeig dir mal, wie man ein Pferd am besten für die Reise vorbereitet."

  • Gustl wollte sterben. Alles tat ihr weh, einfach alles. Vom Kopf bis zu den Füßen. Sogar Heli sah leicht verknittert und angewelkt aus. Aber das konnte doch wohl nicht sein. Oder doch?


    Was war nur passiert? Sie konnte sich nur noch erinnern, wie Zoltan Anya die Flasche gereicht hatte und Anya sie an sie weitergab. Sie hatte einen Schluck genommen und es hatte etwas gebrannt. Ihr wurde ordentlich warm von dem Zeug… und dann wusste sie nichts mehr, bis Anya sie gerade eben geweckt hatte. Und jetzt saß sie hier und versuchte zu entscheiden, ob sie sich den Kopf oder den Bauch oder die Füße halten sollte, alles tat so weh!


    Sie sah Anya und Zoltan nach, die zu Seven gingen. Die beiden waren auch keine Hilfe. Bestimmt hatte sie irgendetwas angestellt, aber statt ihr zu sagen, was los gewesen ist, machten sie sich auch noch über sie lustig! Na gut, dachte sie, wartet nur bis es mir besser geht, dann könnt ihr was erleben!


    Aber zuerst musste sie diese Schmerzen überall loswerden. Aua!

  • Hylia-Brücke


    Erfreut stellte Anya fest, dass Zoltan recht interessiert war und ihr aufmerksam zuhörte. Ab und an stellte er gar noch ein paar Fragen, die sein Interesse bezeugten.


    Kurze Zeit später standen sie im Torbogen des Südturms der Hylia-Brücke. Zoltan saß bereits auf Seven, als Anya ihm erklärte, was sie nun vorhatten.
    "Du bist bisher nur im Schritt geritten. Heute lernen wir die schwerste Gangart, den Trab. Wenn man nicht aufpasst und richtig aufsitzt, fällt man einfach herunter. Das Pferd läuft im Dreiviertel-Takt und deine Aufgabe ist, zunächst den Halt auf dem Rücken zu lernen. Da du sicher runterfallen würdest, sitze ich erstmal mit dir auf und halte dich bzw. zügel das Pferd." Anya schwang sich zu Zoltan und setzte sich hinter ihm. "Vertrau mir bitte. Ich halte dich nur fest."

    Zoltan nickte.
    "Gustl, bleib bitte hier. Wir traben bis zum Brunnen in der Mitte und kommen zurück."
    Dankbar setzte sich der kleine Krog und lehnte gegen den Pfosten. Sie sah immer noch recht mitgenommen aus.

    "Ok halte dich mit deinen Beinen fest. Drück sie ruhig richtig ran, das tut Seven nicht weh. Los geht's."
    Anya zuckte mit dem linken Fuß und schnalzte mit der Zunge. Sofort trabte die Stute los und Zoltan schien erschrocken über das Tempo. Wie zu erwarten taumelte er etwas hin und her und hopste wild auf und ab. Doch Anya behielt die Nerven. Sie wusste noch all zu gut, wie schwer sie sich tat, als sie reiten lernte.
    Ruhig sagte sie: "Press deine Beine an den Bauch. Ja so ist es besser. 1 - 2 - 3, 1 - 2 - 3. Sehr gut Zoltan. Vergiss nie deine Beine und denk an den Takt."
    Sie umrundeten den Brunnen und Anya merkte, dass er langsam in den Rhythmus fand. Er lernte recht schnell. Klar war es noch recht holprig, aber das war ok. Auf dem Rückweg zum Südturm wurden seine Bewegungen schon weicher und gleichmäßiger. Und schon stoppten sie wieder.


    Gust war entzückt. "Das war doch schon ganz gut! Niemand ist runter gefallen." Sie kicherte.
    "Für eine Runde komm ich noch mit. Wende das Pferd. Leg dein Gleichgewicht nach links und zieh ein wenig am linken Zügel."
    Seven drehte sich sofort um. Zoltan lobte sie sogleich. Das war gut, fand Anya. Er baute eine Bindung zum Tier auf, das gefiel ihr.
    "Jetzt bist du dran. Dreh deinen linken Hacken kurz in ihre Seite und schnalze mit der Zunge."
    Gesagt, getan. Seven trabte los. Zoltan kam nach wenigen Sekunden wieder in den Takt und bewegte sich den gesamten Ritt natürlich und gleichmäßig.


    Die dritte Runde dann trabte er bereits allein. Jetzt konnte Anya sein Gesicht dabei sehen. Er wirkte konzentriert, aber ermutigt angesichts seines Erfolgs.
    "Seven gehört für heute dir. Gehen wir weiter? Wenn wir uns beeilen, erreichen wir noch heute den Stall der Zwillingsberge!"

  • Gustl lehnte gemütlich am Pfeiler der Brücke und sah zu, wie Zoltan seine erste Reitstunde bekam. Sein leicht verbissener Gesichtsausdruck machte ihr großen Spaß! `Rache für das Gegrinse heute Morgen`, dachte sie schadenfreudig. Wie als Bestrafung für ihre frechen Gedanken fuhren ihr prompt wieder heftige Schmerzen durch Kopf und Glieder. Sie kramte in ihren Kräutersäckchen herum, fand noch ein paar Dekublätter und legte sie sich über die Augen. Welche Wohltat! Im Stillen dankte sie dem Dekubaum für dieses Allheilmittel.


    Sevens Hufgeklapper entfernte sich, verschwand, kam wieder näher. Gustl hob die Dekublätter an und peilte die Lage: Zoltan saß noch oben, was sie durchaus freute! Anya hielt hinter ihm die Zügel und stützte ihn gleichzeitig. Er wirkte schon weniger verbissen, aber entspannt sah er auch nicht gerade aus. Doch Anya kannte kein Mitleid, kaum waren sie wieder am Brückenpfeiler angelangt, schickte sie ihn nochmals los, diesmal allein. Und siehe da, er kam wohlbehalten zurück! `War wohl eher Sevens Verdienst`, schmunzelte Gustl in sich hinein. Als hätte er ihre Gedanken erraten, warf Zoltan ihr einen durchdringenden Blick zu: `Wehe, es lacht einer`, schien er sagen zu wollen. Gustl gab sich große Mühe, ihre Mimik zu zügeln und gab zu verstehen, wie sehr sie sich freute, dass er nicht herunter gepurzelt war. Doch kaum hatten Seven und Zoltan ihr wieder den Rücken zu gekehrt, entgleisten ihre Gesichtszüge erneut. Anya warf ihr daraufhin einen strengen Blick zu und Gustl sah betreten zu Boden. Sie meinte es doch gar nicht böse!


    Als Zoltan erneut unbeschadet zurück geritten kam, beschloss Anya, es sei an der Zeit, zu den Zwillingsbergen aufzubrechen. Sie wollten sich beeilen, um möglichst noch heute Abend den Stall zu erreichen.


    Gehen nach: West-Necluda

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