Jenseits der Zwillingsberge beginnt das Gebiet von Phirone und zieht sich weit nach Südosten bis ans Meer von Necluda. Die wie verzaubert wirkende Region ist dicht von alten Urwäldern bewachsen, Moose und Schlingpflanzen breiten sich aus. Es gibt viele Quellen, Seen und Flussläufe, die oft nur zu finden sind, wenn der Wanderer von den wenigen Wegen abweicht, die das Gebiet durchziehen.
Riesige Bäume gedeihen im warmfeuchten Klima dieses Regenwaldes und überwuchern die Ruinen der vielen Tempel und Gebetsstätten aus der Zeit vor der großen Verheerung. Alle Arten von Wildtieren haben hier ihre Heimat gefunden, von der kleinsten Ausdauerheuschrecke bis zum großen Flusswisent.
Die Natur hat das Gebiet so gründlich zurück erobert, dass es kaum Ansiedlungen gibt. Man kann tagelang wandern, ohne einer Menschenseele zu begegnen. Erst weit südlich, an den hohen Fällen des Floria-Sees, lädt der „Stall am See“ die Reisenden zum Verweilen ein und noch ein paar Wegstunden weiter liegt das kleine Fischerdorf Angelstedt.
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Nass!
Das war Gustls erster Gedanke, als sie aufwachte. Seit Tagen regnete es, scheinbar hatte der himmlische Schleusenwärter seinen Urlaub genommen und vergessen, vorher die Dämme zu schließen.
Gustl hatte ihre Familie in den Verlorenen Wäldern besucht und gerade erst den Weg nach Hateno angetreten, als der große Regen kam. Hätte sie geahnt, dass das tagelang so weiter gehen würde, wäre sie flugs mal wieder zurück gegangen. Andererseits wäre sie dann womöglich doch wieder in eine Zankerei mit ihrem Bruder geraten. Sie hatten sich beide - dem Rest der Familie zuliebe - sehr zusammen genommen, um nicht wieder über das ewig gleiche Thema zu streiten, aber die Spannungen zwischen ihr und Beninus konnte Gustl fast körperlich spüren und so hielt sie es für angebracht, sich wieder auf den Weg zu machen.
Doch kaum lag der Stall des Waldes hinter ihr, begann es zu schütten. Eigentlich mochte Gustl Regen gern und nach der Zeit im angenehmen Nebel der Wälder hatte sie sich fast davor gefürchtet, sich wieder auf die staubige Savanne zu begeben. So tat es ihr zunächst richtig gut, die Regentropfen auf der Rinde zu spüren und sie machte sich einen Spaß daraus, durch Wasserpfützen zu hüpfen und die nassen Hügel hinunter zu schlittern. Aber nach ein paar Tagen reichte es ihr dann doch, sie wollte nur noch irgendwo ein trockenes Plätzchen. Das fand sich dann in den Hickory-Wäldern in einer verlassenen Spechthöhle, in der sie nun schon seit Tagen festsaß.
"Nass", sagte sie laut. Sie lauschte, etwas störte sie, aber sie wusste nicht was. Dann fiel es ihr plötzlich auf: Stille, absolute ruhige Stille. Es regnete nicht mehr!
Gustl lugte aus ihrer Baumhöhle. Der Tag war noch jung, alle Pflanzen glänzten vor Nässe, aber die Sonne schien und Dampf stieg vom Boden auf. Gustl war erleichtert. Schnell ihren Kram zusammen gepackt, den Pilzsack geschnappt und sich durch den engen Höhleneingang gezwängt. Sie warf den Rotor an und schwirrte los. Schnell ließ sie das Wäldchen hinter sich, stieg höher und betrachtete ihr geliebtes Hyrule, das nach dem Regen wirkte wie von den Toten auferstanden.
Während ihres Zwangsaufenthalts in der Höhle hatte sie sich überlegt, dass sie, statt direkt nach Hateno zu fliegen, einen kleinen Umweg über Angelstedt machen könnte. Sie wollte weitgehend den Nebenstraßen folgen und an Ställen Rast machen. Dort und unterwegs könnte sie vielleicht doch noch einige Pilze verkaufen, denn damit hatte sie sich im Laden ihres Vaters reichlich eingedeckt. Wegen des Wetters waren ihr unterwegs kaum Wanderer begegnet und so war ihr Jutesack noch immer gut gefüllt und recht schwer. Je eher sie die Waren an den Mann brachte, desto kürzer musste sie den Sack schleppen und könnte gleichzeitig mit genügend Rubinen in Hateno ankommen, um nicht gleich wieder Arbeit suchen zu müssen.
Ja, so würde sie es machen – zuerst nach Angelstedt! Gustl drehte sich einmal um sich selbst, orientierte sich und nahm Kurs auf Phirone.
Geht nach: Angelstedt