Maybe I'm not alone
Maybe if you take my hand...
Kurz wandte Morgan den Blick ab, während er Eves weiteren Worten lauschte. Das Weib wurde des Redens auch nicht müde und er lächelte resignierend. Gerade er war all dieser Worte doch gar nicht Wert? Nun, wenn sie allerdings dachte, dass Sal zufrieden mit seinen Taten war und die Schuld nur von sich weisen wollte, irrte sie sich. Das Gegenteil war der Fall: er hatte nie das Gefühl etwas richtig zu machen oder gar unschuldig zu sein. Er war ein Sünder, so viel stand fest. Nur ein Schandfleck eines Menschen. Aber nun wandte er eben noch auf dieser Erde, ob es ihm oder anderen gefiel oder nicht. und so lange er noch lebte, würde er um sein Überleben kämpften.
Ihren Eindruck von ihm wollte er nicht revidieren. Eve hatte sich ihre Meinung gemacht und wenn sie Sal als einen Heuchler sah, dann ließ er ihr diese Ansicht. Es war ihm egal, wie andere ihn sahen und er hatte es nicht nötig, sich deshalb zu rechtfertigen. Wenn sie allerdings glaubte, er wüsste nicht, um was er seine Opfer bestahl, dann irrte sie sich gewaltig und sein müdes, resignierendes Lächeln wurde länger.
"Ich bin mir bewusst, was ich Anderen stehle", war alles, was der wortkarge Räuber darauf zu sagen hatte. Was auch sonst sollte er ihr noch dazu sagen? Warum sollte er ihr eröffnen, dass er sich selbst dafür verabscheute, aber keine andere Möglichkeit mehr zum Überleben sah und seine Moral verloren hatte, nachdem ihm so kalt und herzlos jene Menschen entrissen wurden, die er über alles liebte? Dass er genau wusste, wie es sich anfühlte, wenn man dieser Dinge beraubt wurde? Aber gerade, weil er der gleichen Sache beraubt wurde, sein Mitgefühl für andere verlor? Und dass er sich deshalb doch oft wie menschlicher Abschaum fühlte? Wohl möglich glaubte sie ihm sowieso kein Wort mehr und selbst wenn, dann änderte das auch nichts. Es war gut, wenn sie die Dinge so sah! Mit ihren Annahmen machte es sich Evelyn leichter, Sal zu verteufeln und zu hassen. Und solange dies bedeutete, dass sie sich deshalb nicht näher kamen, war das genau richtig. Denn wenn es so wäre und sie mehr als eine zärtliche Nacht verband, dann musste sich Morgan doch nur ängstigen, eine weitere geliebte Person zu verlieren. Seinetwegen. Wenn sie ihn so verabscheute und es sich mit ihren Erklärungen so einfach machte, war ihm das nur Recht. Es war besser gehasst zu werden, als geliebt und dann alleine gelassen. Eine harte Lektion, die er längst verinnerlicht hatte.
Aber so wortkarg Sal auch auftrat, sah man ihm deutlich an, dass ihre Worte ihn beschäftigten.
Es war ihm nicht egal, auch wenn er es so nach außen trug. Morgans Wut verkochte allmählich mit Eves weiteren, zahlreichen Worten. Sie redete zwar groß um den Brei, aber Morgan lauschte. So geduldig er nur konnte - und seine Geduld war tatsächlich sehr gering! - und fixierte sie mit müden Blick, während seine Hände ihren Weg in die Hosentaschen fanden. Hatte er das richtig verstanden und die Kriegerin hatte in ihm jemanden gesucht, um sich von ihrem Leben als Kriegerin ablenken, gar verabschieden zu können? Der Schwarzhaarige wirkte einen Moment tatsächlich überrascht und blinzelte. Das verstand er nicht. Nun, doch, er verstand Eve sicher sogar: erhoffte sich nicht sogar der hoffnungsloseste Mensch tief im Inneren, doch so etwas wie Frieden und Seelenheil zu finden? Aber doch nicht mit IHM!? Einem Gauner, Taugenichts und Vatermörder... einen Versager, der stets nur verlieren konnte. Spätestens nach dem Tod seiner Familie hatte Sal sich dies tief verinnerlicht. Mit ihm konnte niemand glücklich werden. Nicht einmal er selbst. Aber: er hatte Eve keine Sekunde belogen oder sich verstellt. Er mochte seine hinterlistigen Pläne gehabt haben, um sie zu bestehlen. Aber er hatte ihr dabei nichts vorgespielt. In ihrer Unterhaltung hatte er ehrlich geantwortet und er hatte die Stunden im Bett mit ihr wirklich genossen. Nicht nur den Sex, sondern auch jene zeit, in der sie schlafend neben ihm lag und ihr rhythmischer Atem ihn beruhigte.
"Willst du sagen, dass du dein Leid nicht für einen Moment vergessen hast? Hat nicht so auf mich gewirkt", erwiderte Sal nun und er wirkte dabei so ungewöhnlich sanft, während seine Schultern sich senkten und er mit seinen eingefallenen Augen Eve noch immer fixierte. Doch seine braunen Augen wirkten in sich gekehrt; nachdenklich. "Ich hatte meine Absichten, das leugne ich nicht. Aber ich hab' dich nicht angelogen, Evelyn. Meine Worte waren aufrichtig. Und auf dem Zimmer... das war auch echt. Ich genoss die Zeit mir dir wirklich, auch wenn du mir das nicht glaubst" und das wäre in Anbetracht der Geschehnisse nur verständlich. Sie musste ihm nicht glauben, aber mit ein bisschen Menschenkenntnis war leicht zu erkennen, dass Morgan nicht log. Seine Augen bekamen einen melancholischen Schein, ehe er sie kurz schloss, als er weiter erzählte: "... es waren deine Augen", sprach er leise weiter, "deine Augen haben mich auf dich aufmerksam gemacht und mich an jemanden erinnert. Ja, ich töte meine Opfer, wenn es keine andere Möglichkeit gibt. Doch bei dir wollte ich's unbedingt vermeiden. Dass ich mich bei dir wohlfühlen würd', hätt' ich nicht geahnt", gab er ihr Preis, während Sal seine müden Augen wieder öffnete.
Sie hatte da eine recht passende Umschreibung, wie er empfand. Ein schwerer Anker, der es anderen nur schwer machte und sie hinab zog. Ja, das stimmte. Er hatte seinen Vater, Alice und Scarlett, seine Schwiegerfamilie in den Abgrund gerissen. Beiläufig fragte sich Sal, ob sich Eve noch an seine Worte in jener Nacht erinnerte, als er beiläufig meinte, er wäre sich selbst sein größter Feind. Gegen ihre Anschuldigungen wehrte er sich nicht und ohnehin hatte er davon nie abgelenkt; es war schlicht kein Thema gewesen. Die ganze Schuld der Papiere aber alleine auf sich zu laden, damit sie es sich leichter machte, das war schlicht alles, gegen was er sich wehrte. Wer also mit dem Kindergarten anfing, lag auf der Hand, aber das machte Morgan nichts aus. Er gab ihr stillschweigend nur Recht und nickte zu ihren Aussagen.
Sal sah sich sicher nicht als etwas besonderes an und schon gar nicht als etwas besseres. Auch wenn Eve das wohl mit ihren Worten aussagen wollte. Ihren richtenden, scharfen Blick hielt er stand. Auch hier ließ er ihr schlicht ihre Meinung, die er sicher nicht mit Worten ändern konnte oder wollte. Nur gelogen, das hatte er genau genommen nie. Ausgenutzt hatte er Eve für sein Überleben. Doch in seinen wortkargen Sätzen und dafür kräftigeren Taten war alles aufrichtig gewesen.
Sal erkannte Eves Wunsch, jemanden finden zu wollen, mit dem sie ganz normal sein wollte. Das war nobel, wie er empfand. "Bin sicher, du könntest in dieser weiten Welt jemanden finden, der dein Herz heilt." Er würde ihr das sogar gönnen, selbst, wenn seine eigenen Wünsche längst zerbrochen waren. Aber er... nein. Morgan konnte daran längst nicht mehr glauben.
Es war gut, wenn sie ihm nicht mehr vertrauen würde. Das hieß, dass sich keiner von ihnen band und nur so konnte Morgan andere vor sich und seinem Schicksal, alles zu zerstören, schützen. Schweigend beobachtete er Eve dabei, wie sie zitternd seinen Mantel aufhob.
Die Chance, die Sal ihr bot, ihn nun zu töten, wurde abgelehnt. War er darüber froh? Enttäuscht? Er war sich nicht sicher. Anscheinend aber hatte sie nicht wirklich den Wunsch verfolgt, ihn zu töten. Denn sonst hätte sie ihre beste Chance dazu nun nicht genutzt. Was nur? was wollte das Weib nur von ihm? Morgan wurde aus der Kriegerin nicht schlau. Gerade jetzt wirkte sie nicht wie eine Kriegerin, sondern wie eine Frau. Ein menschliches Wesen. Gerade spuckte sie keine großen, zornigen Worte oder wurde herrisch. Nun, melodramatisch war sie noch immer und Sal hatte mit all den gequollenen Worten Schwierigkeiten, ihr zu folgen. Vorwürfe, Vorwürfe... die machte er sich zwar zu genüge, aber sie hatte jedes Recht nachzutreten. Nein, eine Last war sie wohl nicht für ihn, aber gut. Zwar konnte Morgan ihr nicht vergeben, sich in die Fehnde ungefragt einzumischen, aber er spürte, dass sein Zorn deshalb verraucht war. Was sie da faselte von Erfolg zu haben oder eben nicht... keine Ahnung. Fragend blickte er den Kopf schief. Warum erklärte sie stattdessen eigentlich nicht mal, was Sache war? Was es anscheinend mit diesen papieren, die zu ihren Worten in Relation standen, auf sich hatte? Vielleicht verstünde Morgan sie dann besser. Wohlmöglich hielt sie ihn dafür aber zu dumm. Eve ließ einem eh keine Zeit, nachzuhaken.
"Erfüllt? Durch rauben und morden?", da musste er doch verächtlich auflachen. Nicht ihr gegenüber verächtlich. Sondern sich selbst. Nein, erfüllt fühlte er sich sicher nie...
Brummend zog er den Mantel vom Gesicht und zog ihn stattdessen an. Die femme fatale indes verabschiedete sich und wollte, kopflos wie sie wohl oftmals reagierte - zumindest bisher - einfach abhauen. Durch die kalte, regnerische Nacht. Verletzt. Ohne Proviant und alleine. Erneut seufzte Sal resignierend. Er hatte es ihr doch erklärt? Sie konnte so kaum überleben. Sie alle brauchten nun einander und wenn sie ihre Mission, ihren Kampf oder was auch immer sie da ansprach gewinnen wollte, musste sie ihren Stolz doch auch einmal ablegen und zusammenarbeiten können...?
Morgan jedoch wiederholte sich nicht. Was nun? Sollte er sie doch nicht einfach mal sanft am Arm packen und versuchen, ihr das Ganze nochmal in Ruhe zu erklären? Ah, aber wie machte man das nochmal? Seine Menschlichkeit wurde ihm doch mit Alice und Scarlett geraubt. "Woher kennst du meinen Nachnamen?", fragte er sie noch, doch Eve war schon drauf und dran ohne jede Vernunft einfach abzustampfen.
"Wa-"rte!, er hatte seine Bitte nicht einmal aussprechen können, bevor ihm, im gleichen Ton, Malkus zuvorkam. Dieser war durch das Streitgespräch wohl geweckt worden. Und dann tat er genau das Vernünftige, zu was Sal gerade nicht im Stande gewesen war. Nein, er stand nur wieder starr da und sah zu, wie ein Anderer genau das richtig machte, was er nicht konnte. Sal musste wohl froh darum sein, würde er sich nicht so hilflos mit sich selbst fühlen.
Malkus ging wiederholt auf das ein, was Morgan schon zuvor erwähnte. Ob er damit mehr Erfolg hätte? Vermutlich würde die Kriegerin eher auf den Charmeur hören als auf ihn, der ihr Vertrauen zerstört hatte. Er wollte Eve wohl mit weiter Hilfe der gestohlenen Papiere wegen locken und führte sie an Morgan vorbei ans Feuer, der noch immer ungerührt stehen blieb, nun die Hände in den Manteltaschen, ehe er sich allmählich zu den beiden drehte.
"Ihr könnt die Papiere niemals zu zweit holen. Eve ist alleine nicht stark genug, um sich gegen Mordreds Bande zu stellen... und du", er blickte Malkus nachdenklich an, "bist kein Kämpfer. Das wär' euer Tod. Zumal die Kerle nicht so leicht aufzuspüren sind. Die sind gut im verstecken", brummte er und näherte sich ebenfalls dem Feuer; zündete sich daran eine weitere Zigarette an.
"... Mordred gehört mir. Merkt euch das mal. Er... hat mir alles genommen. Dafür muss er zahlen", mehr mussten die beiden nicht wissen und Sal glaubte ohnehin nicht, dass sich jemand für seine privaten Gründe interessierte, warum es diesen Kampf überhaupt erst gegen hatte, den keiner hinterfragte.