Akkala {Region}


  • Ganz weit im Nordosten Hyrules liegt der ehemalige Freistaat Akkala.
    Vor vielen hundert Jahren herrschte parallel zu der Royalen Familie Hyrule die eigenständige kleine Adelsfamilie Akkala über diese Provinz. Durch geschickte Heiratspolitik schloss sie sich aber später dem größeren Reich an und das Gebiet wurde zu einem Standpunkt von Wissenschaft und Forschung. Das Schloss Akkala wurde zu einer Burg und etwas später zu einer gewaltigen Festung umgebaut. Jahrhunderte lang galt diese Festung als uneinnehmbar; bis Ganon erwachte und das Schloss Hyrule und all seine Bewohner und Bedienstete ermordete. Einige Soldaten, die sich gerade in Hyrule-Stadt aufhielten, flüchteten in die Festung und versuchten, sie zu halten. Doch die Soldaten hatten keine Chance und wurden überwältigt. Der Fall der Akkala-Festung besiegelte den Untergang Hyrules.
    Von den schrecklichen Zeiten ist heute nicht mehr viel zu sehen; bisauf die immer noch zahlreichen aktiven Wächter und Wächter-Ruinen, die um die Festung herum zu sehen sind. Das Land dahinter hat sich weitesgehend von den Narben des Krieges erholt. Es gibt zwar keine Siedlung in diesem Gebiet, aber dafür zwei große Ställe und ein Institut. Akkala wird heute von vielen Händlern und Reisenden besucht. Dennoch gibt es hier Bereiche, die selten bis gar nicht aufgesucht werden, da sie entweder sehr zerklüftet oder von vielen Monstern bewacht werden.
    Auffällig sind die Bäume, die nur hier einen Jahreszyklus durchlaufen. Ihre Blätter können absterben und bekommen ein kräftiges Gelb, Orange oder Rot. Allerdings werden sie umgehend von neuem Laub ersetzt.

  • >>>kommt vom Stall von Ost-Akkala


    Talux kommt von Osten und geht nach Westen zur Quelle der Kraft. Er wollte dort schon immer mal hin genau so wie zu den anderen zwei Quellen. Er hatte früher immer nur davon in Büchern gelesen aber jetzt hat er die Zeit es selbst anzusehen. Als er an der Quelle ankam untersuchte er alles aber er fand nichtz weiter.
    Anschließend ging er zurück zum Stall.


    Am Stall kaufte er sich eine Karte von Hyrule und fragte nach den anderen Quellen und markierte alle 3 auf der Karte. Er aß noch etwas und legte sich wieder schlafen. Am nächsten Tag macht er sich auf nach Ranelle zur Ranellen-Spitze.


    >>>fliegt in Richtung von Ranelle

  • Beginn der Reise von Sebariell


    Sebariell schaute auf die Bäume, deren rotes Laub von der Morgensonne in goldenen Glanz gehüllt wurde, und genoss den Anblick. Akkala bot viel Schönheit für jene, die bereit waren hinzusehen. Er genoss die Zeit sehr, die er bisher hier verbracht hatte.

    Wie lange war er nun schon hier? Es musste ein knappes halbes Jahr her sein, seit er sich von seiner Muttee in Angelstedt verabschiedet hatte und zur Akkala-Region aufgebrochen war. Die Zeit verging schnell, wenn man beschäftigt war - wenn auch nicht mit den Dingen, mit denen er sich vorrangig beschäftigen wollte...

    "Hey, starrst du wieder Löcher in die Luft?", fragte Eren, der neben ihm am Lagerfeuer saß, das stets am östlichen Stall loderte.

    Sebariell, aus seinen Gedanken gerissen, richtete den Blick auf Eren. Sein Freund hatte ein scharfkantiges Gesicht, eine schiefe Nase und eine hohe Stirn, die von braunen, leicht krausem Haar umrahmt wurde.

    "Und wenn es so wäre?", fragte er und zuckte mit den Schultern.

    "Du langweilst dich, oder?"

    "Es ist nicht unbedingt Langeweile, sondern eher Unzufriedenheit mit mir selbst", meinte Sebariell.

    Eren nickte, dann entgegnete er: "Ja, das kann ich verstehen. Eigentlich bist du hier, um zu Schmieden. Stattdessen hilfst du mir beim Training mit der Bürgerwehr. Tut mir leid."

    "Das ist nicht deine Schuld, Eren. Du kannst nichts dafür, dass ich nicht über die nötige Ausstattung verfüge, um meiner Arbeit nachzugehen."

    Sebariell konnte sich bei dem Thema sehr über sich selbst ärgern. Er war nach Akkala gekommen, einem Gerücht folgend, um der Bürgerwehr vor Ort als Schmied eine Hilfe zu sein... doch hatte er dabei nicht bedacht, dass es eine Schmiede braucht, um zu Tat schreiten zu können. Und da er keinerlei Mittel hatte, um selbst eine Schmiede zu errichten, fing er damit an, Eren zu helfen. Diesen hatte er bei seiner Suche nach der Bürgerwehr gefunden und sich mit ihm angefreundet.

    "Jetzt frühstücken wir erst einmal und dann treffen wir uns mit den anderen!", meinte Eren bemüht, das Thema zu wechseln.
    Eren hatte einen Eintopf über dem Feuer gekocht und reichte Sebariell nun eine Schüssel. Ein großer Vorteil seiner Hilfe war es, dass Sebariell von Eren als Bezahlung verköstigt wurde. Das war zwar keine Dauerlösung, doch erst einmal sollte es genügen.


    Während die beiden ihren Eintopf aßen, hob Eren plötzlich den Kopf und sagte: "Das Akkala-Institut!"

    Verdutzt blickte Sebariell auf seinen Freund und antwortete: "Was soll damit sein?"

    "Na, der dort lebende Shiekah arbeitet doch an den antiken Wächtern! Hat er nicht eine Schmiede?"

    Sebariell schüttelte den Kopf und sagte: "Nein. Jedenfalls nicht, dass ich wüsste. Ich war ganz zu Anfang dort. Ich interessiere mich für die Technik der Shiekah. Als ich mit den Shiekah vor Ort sprechen wollte, wurde ich direkt abgewiesen. Keine Chance..."

    "Aber neuerdings arbeitet ein Shiekah dort, mit dem ich mich hier am Stall angefreundet habe. Sein Name ist Papriko. Wir verstehen uns gut. Vielleicht können wir mit ihm reden..."

    Der Gedanke war nicht schlecht, musstw Sebariell zugeben. Mit etwas mehr Euphorie sagte er: "Es wäre einen Versuch wert!"

    Also beschlossen sie, dem Institut einen Besuch abzustatten.


    Sebariell und Eren waren auf dem direkten Weg zum Akkala-Institut, welches sich an der Küste befand. Sebariell hatte sich seinen Reiseumhang übergeworfen und war mit Schwert und Schild bewaffnet. Eren hatte es ihm gleich getan. Mit Schild und Schwert. Seinen eigenen Reiseumhang hatte er sich über die schlecht gealterte Ritterrüstung geworfen. Immer wenn Sebariell sie sah, dachte er, dass er sie mit seiner Schmiedekunst wieder in neuen Glanz erstrahlen lassen könnte...

    Wärhend sie dem Weg folgten, allmählich begleitet vom sanften Geräusch des Meeres, bogen sie um eine Ecke. Augenblicklich blieben sie erschrocken stehen. Am Rande der Straße ragte ein alter Wächter empor. Verrostet und verwittert ruhte er vor ihnen.

    "Bei Hylia, habe ich mich erschrocken", stieß Eren zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

    "Müsstest du nicht wissen, dass der Wächter hier steht?", frage Sebariell, ebenfalls erschrocken.

    "Ich habe mich bisher nie dem Institut genähert. Es gab keinen Anlass. Die Shiekah sind eher für sich und suchen den Kontakt nicht... also haben wir sie stets in Ruhe gelassen. Aber warst du nicht dort oben?"

    "Ja, aber ich kam vom Welke-Hügel aus..."

    "Ist er tot... oder was auch immer?"

    Sebariell begutachtete den Wächter von weitem. Dann zuckte er die Schultern. Er beschloss, sich vorsichtig zu nähern. Er deutete auf sich, dann den Wächter. Eren nickte und wartete.

    Mit erhobenen Schild und dem Schwert in der linken Hand, ging Sebariell auf den Wächter zu. Immer näher und näher. Der Wächter selbst rührte sich nicht.

    Gerade als sich Sebariell entspannen wollte, begann es aus den Eingeweiden des Wächters heraus zu piepen. Der Kopf erhob sich schwerfällig, das Auge leuchtete bedrohlich auf. Ein roter Strahl fokussierte Sebariell und dieser rannte augenblicklich los, um hinter einen Felsen in Deckung zu gehen. Im letzten Moment sprang er hinter den Fels und sah, wie der hellblaue Lichtstrahl über seinen Kopf hinweg schoss und einen weiter weg stehenden Fels quasi pulverisierte...

    "Eren, alles klar?!", rief Sebariell aus seiner Deckung heraus.

    "JA!", war die knappe Antwort. "Was nun?"

    "Lass uns den Umweg durch den Wald gehen", schlug Sebariell vor.

    "Alles klar. Dann los!"


    Im Wald lauerte zwar kein Wächter auf sie, jedoch ein kleiner Trupp roter Bokblins. Sebariell zählte fünf von ihnen. Eren deutete nach rechts und zeigte auf Sebariell. Dieser nickte zustimmend und schlich nach rechts. Durch Gestrüpp geschützt, kam Sebariell sehr nah an zwei Bokblins heran. Er schaute nach Eren und entdeckte ihn nah bei den verbleibenden Gegnern. Eren hob die Hand und Sebriell sprang aus dem Gestrüpp. Er stürzte sich auf den ersten Bokblin, der seinerseits nur überrascht glotzen konnte. Bevor er auch nur an seine Keule denken konnte, hatte Sebariell ihn bereits mit mehreren gezielten Schlägen ausgelöscht. Ohne sich weiter mit del Gefallenen aufzuhalten, drehte Sebariell sich um und griff den nächsten Bokblin an. Dieser hatte sich aber mit seiner Keule und seinem Holzschild ausrüsten können. Sebas erster Schwerthieb wurde vom Schild geblockt. Der Bokblin hob sofort die Keule und schwang sie im Seitwärtsbogen auf Sebariell zu. Dieser wehrte den Hieb mit dem eigenen Schild ab, stieß die Keule weg und brachte den Bokblin aus dem Gleichgewicht. Völlig ungedeckt war er nun ein leichtes Ziel für Sebariell. Mehrere feste Schwerthiebe und auch dieser Gegner war Geschichte.

    Sebariell drehte sich zu Eren. Dieser hatte ebenfalls einen Gegner ausgeschaltet, wurde aber von den verbliebenen Bokblins in die Zange genommen. Sebariell steckte sein Schwert weg, hob eine der Keulen seiner Gegner auf und warf sie auf einen von Erens Bokblins. Dieser wurde am Rücken getroffen und fiel zu Boden. Nun hatte Eren genug Platz und attackierte den Bokblin vor sich. Ohne weiteres Aufsehen erledigte er ihn.

    Sebariell hatte sich derweil dem getroffenen Bokblin genähert und ihn mit dem Schwert erledigt, bevor dieser sich hatte aufrichten können.

    "Puh, das war knapp. Danke, Seba!", sagte Eren anerkennend.

    "Kein Problem. Dann lass uns gehen", sagte Sebariell.

    Gemeinsam setzten sie ihren Weg fort.


    Endlich erreichten sie das Akkala-Institut. Das Gebäude, welches entfernt an einen Leuchtturm erinnerte, war umgeben von Wächterresten. An einer Stelle türmten sich ihre ausgeschlachteten Wracks auf einem Haufen.

    Langsam gingen sie an den Wächtern vorbei, immer darauf gefasst, dass einer von denen zum Leben erwachte... doch nichts geschah. Also klopfte Eren erleichtert an die Tür des Instituts. Sie hörten Geräusche hinter der Tür, dann das metallische Knacken eines sich drehenden Schlüssels. Die Tür öffnete sich langsam und ein junger Mann mit dunklem Teint und hellem Haar, das zu einem Knoten gebunden war, schaute heraus. Einige Strähnen hingen dem Mann ins Gesicht, was ihm einen wirren Ausdruck verlieh. Verdutzt musterte er erst Eren, dann Sebariell.

    "Eren? Was machst du denn hier?", fragte der junge Mann.

    "Hallo, Papriko", begrüßte Eren freundlich. "Wir wollten einmal fragen, ob ihr meinem Freund Sebariell mit einer Schmiede aushelfen könntet?"

    Sebariell rollte mit den Augen. Eren war immer so direkt. Er selbst konnte das nicht sehr gut und empfand es manches mal auch als aufdringlich.

    Papriko blinzelte verwundert. "Eine Schmiede? Nicht, dass ich wüsste. Sowas haben wir hier nicht..."

    "Ist denn der andere Shiekah hier? Der ältere, der sonst da war."

    "Meister Robelo? Nein, ich passe hier auf alles auf, während er unterwegs ist. Er musste wohl nach Kakariko."

    "Das ist ja ärgerlich. Wann kommt er denn wieder?"

    "Wird wohl länger dauern. 2 Monate vielleicht?"

    Sebariell und Eren drehten sich um und besprachen, was sie als nächstes tun konnten.

    Während sie so da standen, wartete Papriko an der Tür, unschlüssig darüber, was er jetzt machen sollte. War es unhöflich, wenn er die Tür einfach wieder schloss? Da kam ihm plötzlich ein Gedanke: "Meister Robelo hat mir erzählt, dass es eine Schmiede in der Akkala-Festung gab."

    Sebariell und Eren drehten sich sofort um.. Seine eigene Scheu vergessend, fragte Sebariell direkt: "Hat er auch gesagt, wo genau?"

    Papriko dachte nach. "Äh, das nicht... nein. Aber er sagte, er hätte noch immer einen Schlüssel für eine geheime Tür, die unter anderem auch zur Schmiede führte..."

    Ein Geheimgang... das war gut! Die Festung war nämlich von oben bis unten bewacht von aktiven Wächtern. Da gab es unter normalen Umständen kein Hineinkommen. Doch ein Geheimgang wäre eine Chance...

    "Danke für die Auskunft", sagte Sebariell, nickte und ging davon. Eren eilte ihm nach.

    "Was hast du vor? Nein, lass mich das anders sagen: Vergiss was du gerade denkst!", sagte Eren.

    Sebariell schaute Eren ernst an. "Ich werde nach Kakariko reisen und dort mit diesem Robelo reden!"

    "Selbst wenn du den Schlüssel bekommst, alles weitere wäre Selbstmord!"

    "Aber ich muss es tun! Ich wollte euch helfen. Als Schmied, nicht als Trainer. Nur das kann ich wirklich gut!"

    Eren sparte sich die nächsten Worte, denn er wusste, dass Sebas Entschluss feststand... Stattdessen sagte er: "Ich kann dich nicht begleiten. Ich muss bei meinen Männern bleiben und Akkala weiter beschützen."

    "Das verstehe ich. Du musst tun, was du für richtig hältst. So wie ich!"

    "Und wie willst du nach Kakariko kommen?"

    "Der Stall am Fuße des Todesbergs. Dort fährt regelmäßig eine Kutsche, die Richtung Zwillingsberge fährt. Dort werde ich zuerst hingehen."

    "Dann bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als dir viel Glück zu wünschen!" Eren nickte Sebariell zu und reichte ihm die Hand. Sebariell nahm sie, drückte fest zu und sagte: "Danke! Ich werde zurückkommen und dann kann ich euch endlich nützlich sein."

    Eren grinste. Hauptsache, du stirbst mir nicht unterwegs. "


    Sebariell war wieder in seiner kleinen Hütte, die er seit einem halben Jahr sein Zuhause nannte. Er packte seine Sachen und nahm, was er brauchte. Neben seinem Schwert und Schild, packte er noch seinen Speer ein. Außerdem Proviant, den er von Eren erhalten hatte. Gebratenes Fleisch, Obst und einige Tränke.

    Als er alles verstaut hatte, schaute er sich nochmals um. Sein Blick blieb bei dem Königsschwert hängen, das sein Großvater Uller im vermacht hatte. Die schwarze Klinge glänzte im Schein der nachmittäglichen Sonne. Kurz überlegte er, ob er das Erbstück mitnehmen sollte, entschied sich aber dagegen. Es war zu kostbar, als das er es unvernünftig einsetzen sollte...

    Nun konnte die Reise beginnen!


    >>>>> reist zum Stall am Todesberg

    "Smile, my Dear. You know, you're never fully dressed without one!"




  • Zoltan blutete. Das an sich war nicht sonderlich erwähnenswert; er hatte sich in den vergangenen Jahren deutlich schlimmere Verletzungen zugezogen als eine Schramme. Nein, das eigentlich ärgerliche war sehr wohl der Riss am Knie seiner Hose, die er gestern erst an ebenjener Stelle mühsam geflickt hatte. Sein neuestes Hobby, das durchstöbern verfallener Hausruinen, brachte es mit sich, dass er täglich verdreckt, zerkratzt und mit Löchern in der Kleidung zum Lager zurückkehrte. Anya hatte sich einige Male bereit erklärt, seine Sachen zu nähen, doch irgendwann war ihr Maß voll. Und so beschloß sie kurzerhand, Zoltan diese Hohe Kunst selbst näherzubringen, auf dass er seine zerrissenen Hosen und Hemden künftig allein wiederherstellen konnte.

    Sieh es nicht als Strafe, sondern als Belohnung dafür, dass du mir das Lesen und Schreiben beigebracht hast!, sprach sie in einem Ton, der offenbar aufmunternd klingen sollte. Unter einer Belohnung stellte er sich wahrlich besseres vor, denn das Nähen war ihm verhasst. Während die geflickten Sachen nach Anyas Behandlung so aussahen, als hätte man sie eben erst aus dem Laden geholt, wirkten seine Versuche wie das Handwerk eines grobmotorischen Kindes. Und so verbrachte er die meisten Abende damit, mürrisch Nadel und Faden durch den Stoff zu treiben und zwischendurch hoffnungsvolle Seitenblicke auf Anya zu werfen, die jedoch stets so tat, als sei sie zu sehr in eine eigene Arbeit vertieft, um ihn zu bemerken.


    Abgesehen davon, dass aus Zoltan nie ein Nähmeister werden würde, waren die letzten Wochen ruhig und angenehm verlaufen. Die aufwühlenden Ereignisse am Stall der Orni kamen ihm nunmehr vor wie ein längst vergangener Fiebertraum, und endlich konnten sie beide aufrichtige und klärende Gespräche miteinander führen. Während Zoltan zugab, dass seine Wahnvorstellungen vielleicht doch nur durch den Stress der vergangenen Tage ausgelöst wurden und er keineswegs vorhatte, durchzudrehen, eröffnete ihm Anya, dass sie es wertschätzen würde, des öfteren einmal Ausflüge allein zu unternehmen, ohne, dass er wie ein Schatten hinter ihr herjagte. Anfangs machte ihn das nervös. Wie ein stummer Wächter lief er vor dem Eingang des Zeltes auf und ab und blickte sich ständig nach ihr um, wenn sie wieder einmal für ein paar Stunden unterwegs war. Seine Sorgen, dass sie die Flucht ergreifen oder einer Bande von Monstern als Abendessen dienen würde, blieben jedoch unbegründet. Sie kehrte stets zurück, munter und davon schwärmend, welche wunderbaren, entlegenen Orte sie aufgestöbert hatte. Er beobachtete sie beim erzählen genau, und ihr strahlendes Gesicht löste dabei immer eine nie gekannte, wohlige Wärme in ihm aus. So gewöhnte er sich an ihre zwischenzeitliche Abwesenheit und genoß statt der Sorge die Vorfreude, sie wiederzusehen und ihren Ausführungen zu lauschen. Dies hatte nur zur Folge, dass er sich bald begann, allein an ihrem Lager zu langweilen, und so entdeckte er seine Leidenschaft zur Erkundung verlassener Häuser.


    Er hatte das Lager erreicht, doch von Anya oder Seven war noch nichts zu sehen. Einzig sein Pferd Atreyu, ehemals "Pferd", graste in einiger Entfernung friedlich vor sich hin. Damit hätte er noch Zeit, am nahegelegenen See ein Bad zu nehmen, um bei Anyas Rückkehr halbwegs präsentabel auszusehen. Ihr Zelt war mittlerweile recht wohnlich. Sie hatten sich dort nahezu häuslich eingerichtet, und all ihr Hab und Gut hatte einen angestammten Platz. Für gewöhnlich blieben sie mehrere Tage an einem Ort, da sie sich zu nichts gedrängt fühlten und es durchaus wohl tat, diese oder jene Gegend ausführlich erkunden zu können. Einzig äußerst schaurige Unwetter brachten sie meist dazu, ihre Sachen zu packen und auf der Suche nach trockeneren Gefilden weiterzureiten. So fand er im fein säuberlich sortierten Zelt sogleich neue Anziehsachen und etwas Seife, mit denen er sich auf den Weg zum nahegelegenen See machte.


    Ein wichtiges Kriterium bei der Wahl ihrer Standorte war nämlich ein nahes Gewässer zum baden, welches vom Lager aus nicht sichtbar war. Denn auch, wenn sie sich mittlerweile in zahlreichen Nächten unbekleidet gesehen hatten, herrschte doch die stillschweigende Übereinkunft, dass man dem anderen bei der Körperhygiene die nötige Privatsphäre einräumte. Er ließ sich für die Wäsche nicht allzu viel Zeit, denn auch, wenn die Gegend reichlich abgelegen war, so konnte es doch immer sein, dass ein neugieriger Spaziergänger des Wegs kam und mit dem Anblick eines sich abseifenden Zoltan belohnt wurde. Nachdem er sich gewaschen, sein Knie verarztet und in saubere Kleidung geschlüpft war, trabte er zurück zum Lager. Obwohl nicht viel Zeit vergangen war, hatte die Szenerie sich nun verändert: Anyas Stute Seven hatte sich zu Atreyu gesellt, und ihre Besitzerin selbst blickte ihm entgegen und winkte ihm mit etwas zu, das wie eine knallbunte Flickendecke aussah. Bei näherer Betrachtung jedoch erwies sich die "Decke" als Plakat, und er beschleunigte seine Schritte, um sich die neueste Entdeckung seiner Freundin präsentieren zu lassen.

  • Es war ja nicht so, dass Anya dieses Freiheitsgefühl gegen irgendetwas anderes eintauschen wollte. Nein, es war genau das, was sie immer wollte: Ein Leben selbstbestimmt ohne Ängste, Zwänge und irrwitzige Traditionen führen. Jeder Tag fühlte sich für sie wie ein Geschenk an; jeder Tag war lebenswert. Und doch fragte sie sich manchmal, ob es nicht doch noch eine Aufgabe in ihrem Leben gab. Irgendeine Pflicht oder irgendeinen Sinn.

    Die meisten Menschen in Hyrule gingen einem routinierten Tagesablauf nach. Viele waren Bauern, Handwerker, Händler oder einfach Eltern. Manche waren Krieger oder Abenteurer. Zoltan und Anya waren nichts davon. Imgrunde waren sie obdachlose Streuner.


    Zoltan war ihr gegenüber deutlich offener geworden. Er lächelte häufiger oder schaute auch mal genervt drein. Als sich beide vor Jahren kennenlernten, war sein Gesicht immer nur eine Maske aus Stein gewesen. Auch seine Art zu Sprechen war distanziert; er redete in seltsamen Worten und fast ohne Betonung. Nur hin und wieder hob er mal eine Augenbraue oder so, aber das war selten gewesen. Inzwischen jedoch durfte Anya erfreut feststellen, dass er wie jeder andere auch die Nase rümpfen, die Stirn in Falten legen oder die Augen rollen konnte. Und das tat er sogar sehr häufig.

    Besonders vielfältig waren seine Gesichtszüge immer dann, wenn sie wieder eines der Holzschwerter zerstört hatte, die er ihr so mühsam anfertigen musste. "Wenn ich dir sage, du sollst die Beinarbeit üben, wie kann es dann sein, dass das Schwert kaputt ist?", raunte er ihr erst kürzlich entgegen, wobei er ein Gesicht wie 100 Tage Regenwetter machte. Es amüsierte sie.

    Sobald sie jedoch auf andere trafen, legte Zoltan sein "Du interessierst mich einen Scheiß"-Gesicht auf und ließ sich die Leute an sich abarbeiten. Erst vor wenigen Tagen waren sie einer kleinen Gruppe von Zora begegnet, die an einem Flussufer rasteten und einer von ihnen schien es sich zur Aufgabe gemacht zu haben, Zoltan zu nerven. Der Zora bombadierte ihn mit Fragen über seine Herkunft, sein Alter, seinen Lieblingswitzen, seinen Lieblingswaffen - Zoltan jedoch trank ohne jede Reaktion darauf dieses seltsame Gesöff, dass die Fischtypen pfeilgeboten hatten. Es war jedesmal ein Fest, dem zuzusehen.


    Anya wusste ganz genau, dass sich das wohl nie ändern würde. Aber ein Problem hatte sie damit nicht. Denn aus irgendeinem Grund ertrug er es mit einer Engelsgeduld, wenn sie regelmäßig einen Stall ansteuerte, sich mit den dortigen Leuten unterhielt und für ein paar Tage in Gesellschaft badete. Was das anging, waren Anya und er einfach extrem unterschiedlich - doch es schien sich perfekt zu ergänzen.


    Und nun hatte sie das Plakat entdeckt. Obwohl sie schon die Buchstaben kannte und einige Worte lesen konnte, wollte sie Zoltan unbedingt fragen, was dadrauf stand. Denn es gab da ein Wort, dass sie noch nie gesehen hatte. Es begann mit einem C, aber danach kam kein H oder K, sondern ein I. Dann ein R und dann wieder ein C. Sie hatte keine Ahnung, wie man das aussprach und was das heißen sollte.

    "Circus", meinte Zoltan. "Das schreibt man eigentlich ein bisschen anders, aber es könnte eine veraltete Schreibweise sein."

    "Ein Zirkus? Was ist das?", fragte sie verdutzt.

  • Großartig verwundert darüber, dass Anya sich unter dem Begriff "Zirkus" nichts vorstellen konnte, war Zoltan nicht. So etwas gab es in Hyrule alle paar Jahrzehnte mal, und die meisten Leute hatten von solch einem Spektakel vermutlich nie gehört oder bestenfalls mal davon erzählt bekommen. Da für gewöhnlich an den Ställen das eine oder andere Unterhaltungsprogramm geboten wurde, lohnte es kaum, so etwas im großen Stil aufzuziehen.

    Also, es ist im Grunde eine Versammlung von Schaustellern. Die sieht man zwar immer mal in Dörfern oder an Ställen, aber hier wird ein großes Ding daraus gemacht. Sie bauen ein riesiges Zelt mit einer Manege mittendrin auf, und da führen sie dann nacheinander ihr Programm auf. Meist geht es über mehrere Tage, und drumherum werden noch Läden, Stände mit Essen und Getränken und sowas aufgebaut. Es ist ein richtiges Volksfest. Wundert mich nicht, dass sie es ausgerechnet nach Akkala bringen. Hier gibt es ja sonst so gut wie nichts zu sehen... die Stallbesitzer werden sich den Umsatz nicht entgehen lassen wollen...

    Sie hatten sich ins Gras gesetzt und blickten auf das Plakat zwischen sich. Kleine, bunte Bilder rund um die Zirkuswerbung versprachen alle möglichen Attraktionen, die man sich vorstellen konnte. Anya hatte das Gesicht auf ihre Hand gestützt und nickte langsam.

    Tja, klingt nicht schlecht. Hoffen wir mal, dass wir um unser Lager herum nicht allzu viel Gesellschaft kriegen, wenn halb Hyrule hier hinpilgert, murmelte sie.


    Zoltan zupfte an einem Grasbüschel. Er überlegte, wann Anya und er zum letzten Mal außerhalb ihrer ständig wechselnden Lager gemeinsam etwas unternommen hatten. Es war tatsächlich eine ganze Weile her: Damals hatten sie auf dem Vergessenen Plateau Ruinen und die alte Zitadelle erkundet, und dabei hätte es beinahe einen unerfreulichen Vorfall mit einem herabstürzenden Dachbalken gegeben. Nicht sehr erheiternd. Er würde gern einmal mit Anya zusammen unter Leute gehen, auch, wenn er alles andere als ein Freund großer Veranstaltungen war und auch Anya sich eher damit begnügte, sich an den verschiedenen Ställen ein wenig mit Leuten auszutauschen und zu hören, was in den anderen Gegenden des Landes so vor sich ging. Dies schien ihr zwar zu gefallen, aber einen Wunsch nach mehr Trubel konnte er da bei ihr nie heraushören. Aber vielleicht würde ein netter Tag auf so einem Fest sie beide ein wenig mehr vergessen lassen, dass die Welt da draußen eher trist war und nur dann Aufregung zu bieten hatte, wenn man einen dringenden Todeswunsch verspürte. Er räusperte sich.


    Ich dachte... wenn sich das hier schonmal anbietet... hättest du Lust, dass wir dort hingehen? Ich würde gerne mal wieder mit dir zusammen etwas da draußen erleben, etwas.... - er stutzte kurz - ...etwas, woran wir uns noch länger erinnern können und uns ein wenig amüsieren.

    Fast hätte er etwas, bei dem niemand verletzt oder getötet wird gesagt, aber er konnte diese Worte gerade noch runterschlucken. Ihm war bewusst, dass die zurückliegenden Ereignisse Anya nach wie vor nicht losließen - es vielleicht nie tun würden - und es keinen Sinn machte, sie mit der bloßen Erinnerung daran zu quälen. Sie hatte nie viel darüber gesprochen, wie sehr all die Kämpfe und ihr Beinahe-Tod ihr zusetzten. Doch Zoltan erinnerte sich an ihre ungewöhnlich ausgelassene Reaktion, als sie die Zwillingsberge durchquert hatten und Ost-Necluda samt seinen Geistern und Dämonen hinter sich ließen. Dies hatte mehr gesagt als tausend Worte. Und nun waren sie hier, in Sicherheit und ohne Sorge um das, was morgen sein würde, aber wem hatte ein wenig Abwechslung je geschadet?


    Anya blickte ihn noch eine Weile an und schien in seinem Gesicht nach einer Spur davon zu suchen, ob er sie gerade auf den Arm nahm. Doch war es einzig ein wenig Hoffnung, die in seinen Zügen lag. Schließlich erhob sie sich und klopfte ihre Hose ab.

    Also gut. Wenn du das tatsächlich möchtest. Ich bin zwar überrascht, aber...

    Sie schenkte ihm ein Lächeln, nahm das Plakat auf und hatte nach kurzem studieren scheinbar die Information gefunden, nach der sie gesucht hatte.

    20 Rubine Eintritt pro Person. Wenn dich demnächst das Bedürfnis quält, etwas mit mir zu unternehmen, belassen wir es aber bei einem Picknick im Wald oder gehen im See schwimmen, ja? Ist ja nicht so, als wären wir arm an Möglichkeiten.

    Be ihren Worten erleichterte sich etwas in Zoltans Brust. Ja, er hatte schon länger das Bedürfnis, sich ihr einmal wieder anzuschließen, wenn sie ihre Ausflüge unternahm. Allerdings... ihre Bitte, ihr mehr Freiraum zu lassen, hallte noch in ihm nach. Er erinnerte sich zu gut daran, wie ungenießbar sie auf dem Plateau oder am Stall der Orni auf seine offenbar in dem Moment unerwünschte Anwesenheit reagiert hatte. Andererseits... vielleicht nahm er sein Versprechen, ihr ihre Ruhe zu lassen, ein wenig zu ernst und sie wünschte sich, dass er sich ihr ab und an anschloss? Er würde das bei einer guten Gelegenheit vielleicht einmal ansprechen.

  • "Doch bevor wir uns das angucken... Du kennst das. Also, darf ich bitten?"

    Zoltan schaute sie einen Moment fragend an. Er war wohl in Gedanken und wusste nicht, worauf sie hinaus wollte. Doch dann klingelte es und er zog sich seufzend das Hemd aus. "Achja, natürlich."


    Anya ging zum Zelt und holte das Fläschen mit der Salbe hervor, dann hockte sie sich hinter seinen Rücken. Die Salbe zeigte gute Wirkung. Fast alle Narben waren schon verheilt und hell, nur an der einen Stelle unter seinem rechten Schulterblatt war eine sehr großflächig und kreisrund. Sie war immer noch ziemlich rot und dick. Sorgfältig rieb die das ölige Zeug vorsichtig ein. Zoltan ertug das wie immer schweigend.

    Woher nur diese vielen Wunden kamen? Anya konnte es sich denken, aber... Der Gedanke daran, wie das alles zustande gekommen war und wer ihm das angetan hat, ließ sie jedes Mal erschaudern. Zoltan sprach nie wirklich darüber und sie wollte ihn auch nie fragen. Vielleicht sollte man manche Dinge einfach sein lassen. Auch Anya hatte Narben von den unzähligen Auseinandersetzungen der letzten Monate davongetragen und würde sie jemand danach fragen, würde sie sich nicht sehr wohl dabei fühlen.

    Das Ganze dauerte nur wenige Minuten und Anya drehte das Fläschen wieder fest zu, während sie es in das Zelt zurücklegte und Zoltan das Hemd wieder anzog.


    Ein Zirkus also. Es gab schon verrückte Dinge. Einen Moment lang hatte Anya überlegt, wozu sowas überhaupt gut sein sollte. Doch ihr fiel ein, dass es wahrscheinlich einfach etwas Gutes für die Leute war, wenn sie einen Zirkus besuchen konnten. Sie konnte sich vorstellen, dass es für so ziemlich jeden Gast eine willkommende Abwechslung vom Alltag war, wenn man Kunststücke von anderen betrachten konnte. Und sie befand, dass auch Zoltan und sie sich mal so eine Auszeit nehmen durften.

    Ihre Rubine neigten sich allerdings langsam dem Ende entgegen. Sie hatten sehr sparsam gelebt, abgesehen von den seltenen Aufenthalten an den Ställen, wo sie es sich mal gegönnt hatten, in weichen Betten zu schlafen und gute Getränke zu genießen. Und als sie am Stall am Berge waren, konnte Anya es sich nicht verwehren, die Heißen Quellen in der Nähe zu nutzen und der Stallbetreiber ließ sich das gut bezahlen.

    Früher oder später mussten sie sich Gedanken machen, wie sie wieder an Geld kamen. Anya konnte gut kochen und es war in der Theorie möglich, die gekochten Gerichte an Reisende und Wanderer zu verkaufen. Allerdings gab es davon nicht so viele, dass sich der Aufwand wirklich lohnen würde.

    Zoltan war ein ausgezeichneter Schwertkämpfer und gäbe es dadraußen irgendjemanden, der ein paar Lehrstunden benötigte, könnte er sich natürlich gegen ein paar Rubine darauf einlassen. Doch dazu müssten sie besser besiedelte Gegenden aufsuchen, als Akkala.


    Akkala war von der Landschaft her ein wunderschönes Land. Wenn man den richtigen Platz fand, konnte man kilometerweit gucken, sofern das Wetter mitmachte. Vom nahen Meer wehte unablässig eine verführerische Salzluft ins Land und die Bäume mit den bunten Blättern sorgten für ein einmaliges Bild. Doch hier lebte kaum jemand. Es gab zwei Ställe und ganz weit im Nordosten stand ein seltsames Haus. Wahrscheinlich lebte jemand dadrin. Doch das war alles. Es war schwer zu sagen, wieso sich hier kaum jemand niederließ. Vielleicht war es der Todesberg, der direkt daneben lag und eine andauernde Gefahr ausstrahlte. Sehr wahrscheinlich war es aber wohl die schlimme Geschichte dieses Landes. Die Akkala-Festung, die mal der Stolz von Hyrule gewesen sein musste und neben dem Schloss das wohl imposanteste Bauwerk des gesamten Landes war, war ein mahnendes Symbol für einen fürchterlichen Krieg und erinnerte jeden, der hinsah, an unzählige Tote. Sie hatten einen aussichtslosen Krieg geführt. Sogar im abgeschiedenen Tabanta-Dorf, Anyas Heimat, kannte man die Geschichten um die Festung und ihre letzten Stunden. Nun war sie eine Ruine.


    "Weißt du denn eigentlich, wo wir hinmüssen?", fragte sie Zoltan. "Ich habe mir das Plakat nicht gut genug durchgelesen." Anya konnte zwar schon ganz gut lesen, aber brauchte immer noch ihre volle Konzentration dafür und es strengte sie an. Dass auf dem Plakat unzählige Bilder waren, sorgte nicht gerade für die nötige Ruhe beim Lesen.

    "Hier steht: Halbinsel im Akkala-See. Das sollte nicht so schwer zu finden sein."


    Anya nickte und Zoltan auch. Dann räumten sie ihre Sachen zusammen und holten die Pferde.

  • Ihre Habseligkeit zu verstauen und das Lager abzubauen, war eine Sache von wenigen Minuten. Sie arbeiteten gemeinsam und mit einstudierten Handgriffen, und ehe sie es sich's versahen, saßen sie auf dem Rücken ihrer Pferde und trabten gen Süden. Ein wenig würde Zoltan diese kleine, abgelegene Stelle am Rotlaubsee vermissen - es war einer der idyllischeren Orte, an denen sie bisher Halt gemacht hatten. Nach wenigen Minuten bereits erreichten sie den östlichen Stall, und ab hier war es auch keine Frage mehr, in welche Richtung sie mussten, um ihr Ziel zu erreichen: Zu Pferd und zu Fuß strömten bereits Leute über die Ebene. Zoltan glaubte, ungefähr zu wissen, wo exakt die Halbinsel lag. Selbst wenn sie gemächlich ritten, wären sie seiner Schätzung nach innerhalb von drei Stunden dort. Dies passte gut: Es war nun Nachmittag, und gegen Abend wären sie pünktlich am Zirkus, um das volle Programm erleben zu können.


    Während sie still dahinritten, hing Zoltan, wie üblich bei diesen Gelegenheiten, seinen Gedanken nach. Er dachte an Anya und wie fürsorglich sie die Wunden an seinem Rücken behandelte, die er nach dem Vorfall in Kakariko nicht bemerkt hatte, weil er zu sehr auf seine Kopfverletzung fixiert war. Scheinbar waren sie auch Malkus nicht aufgefallen, der damals zwar notdrüftig sein Gesicht zusammengeflickt hatte, aber wohl zu sehr seine Intimsphäre respektierte, um den restlichen Schaden zu begutachten. Doch es war auch Anya, die danach an seiner Seite saß und ihn sogar zum lachen bringen konnte, während er zerschunden dalag und sich erst nicht einmal wagte, ihr sein demoliertes Gesicht zu präsentieren. Und obendrein begann alles damit, dass sie ihn tödlich verwundet hinter Angelstedt vorfand und ihre eigene Reise nach Hateno um Tage verzögerte um ihn, damals einen Wildfremden, mit dem sie kurz zuvor noch angeeckt war, zu pflegen. Und es war Anya, die sich ohne nachzudenken in die Kämpfe in Hateno und Kakariko gestürzt hatte und mittendrin beinahe ihr Leben verlor. Sein Herz wurde bei diesen Gedanken schwer. Womit hatte ein Mensch, der so fürsorglich und selbstlos war, es verdient, selbst Narben am Körper und in der Seele tragen zu müssen, die vielleicht irgendwann verheilen, aber nie verblassen würden? Dies war einer der vielen Gründe, warum er sie liebte: Dass sie all das erduldet und auf sich genommen hatte, bloß weil sie einst diesem Fremden begegnet war, und anstatt weit wegzulaufen, bevor ihr noch mehr Elend wiederfahren konnte, blieb sie an seiner Seite und schenkte ihm ihre Liebe. Er zog sich aus seinen Gedanken und blickte auf ihren Rücken und ihr lodernd rotes Haar wenige Meter vor ihm, und die Wolken in seinem Kopf lichteten sich.


    So war die Zeit rasch vergangen, und die Sonne stand bereits tief, als sie an einer Anhöhe um eine Ecke bogen und sich ihnen ein imposanter Anblick bot. In der Mitte der runden Halbinsel stand ein gigantisches, festlich beleuchtetes Zelt in bunten Farben. Nicht knallig, sondern geschmackvoll aufeinander abgestimmt. Ringsherum strahlten kleinere Lichter von zahlreichen Handelsständen. Zoltan hatte nur von so etwas gehört, es aber nie gesehen. Es war tatsächlich etwa so, wie er es Anya beschrieben hatte - nur überwältigender. Sie stoppten ihre Pferde und ließen das Bild auf sich wirken. Auf der natürlichen, steinernen Brücke hatte sich bereits eine lange Schlange von Besuchern gebildet. Die Schätzung, dass halb Hyrule sich zu diesem Spektakel versammeln würde, war nicht ganz richtig, aber es war trotzdem eine enorme Schar aus Angehörigen aller Völker Hyrules. Die aufgeregten Gespräche, die sie miteinander führten, erhoben sich zu einem einzigen Summen wie von einem riesigen Bienennest. Weiter gegenüber von der Brücke befand sich eine kleine Siedlung aus Wagen und Zelten, die momentan verlassen schien. Zoltan kam zu dem Schluss, dass dies die Unterkünfte der Händler und Artisten waren, die sich nun auf dem Rund zusammengefunden hatten, um den großen Abend vorzubereiten.


    Herrje, sagte er zu Anya, die mit ihrem Pferd nun direkt neben seinem stand. Ich bin ja eigentlich nicht leicht zu beeindrucken, aber das hat sich anscheinend gelohnt, findest du nicht?

  • Es sah schon recht beeindruckend aus. Etwas Nervosität machte sich in Anya breit. Eigentlich, so schien es, war es erstmals nichts anderes als ein Stall zu besuchen oder eine Siedlung zu betreten. Doch die ganze Aufmachung machte gehörigen Eindruck auf sie. Wie machte man das jetzt? Würde man da einfach so hingehen, Eintritt bezahlen und sich dann alles angucken? Nun, das galt es herauszufinden.

    Sie erinnerte sich an ihr altes Leben als Händlerin zurück. Es gab hin und wieder Kunden, die seltsam reserviert wirkten und nur sehr zögerlich an sie herantraten und Anya hatte sich oft gefragt, woher die Scheu kam. Vielleicht verstand sie es jetzt besser. Es war komisch, wenn man etwas nicht kannte und nicht absehen konnte, was einen erwartete.


    Ein fordernder und zugleich bittender Blick an Zoltan und er verstand. Er drückte seine Beine gegen den Bauch von Atreyu und dieser setzte sich in Bewegung. Anya und Seven setzen sich dahinter und gemächlich trotteten sie die restlichen Meter bis zur Brücke, wo ein kleiner Stand aufgebaut war. Hier musste man dann also den Eintritt bezahlen. Erfreulicherweise gab es für die Reit- und Lasttiere der Gäste einen provisorischen Unterstand, dessen Nutzung im Eintrittsgeld enthalten war. Anya und Zoltan stiegen von den Pferden ab und verstauten ihre Sachen. Hoffentlich machte sich niemand über ihr Hab und Gut her. Das alles zusammenzukaufen war nicht nur teuer sondern aufwendig gewesen und in Anya machten sich die Erinnerungen an Angelstedt bemerkbar, als sie dort wegen der Flucht vor den Yiga und der Rettung Zoltans ihre Habe zurückließ. Nicht noch einmal.


    Nach der Bezahlung kribbelte es in Anyas Körper. Das war wirklich mal etwas komplett neues für sie. Ihre Hand suchte Zoltans und gemeinsam gingen sie über die Brücke.

    "Es wird dir gefallen", murmelte Anya zu sich selbst.

  • Es war ziemlich hilfreich, dass die Brücke an beiden Seiten durch Geländer abgesichert war, welche zudem hell erleuchtet waren. Eine von Zoltans wenigen Schwächen war die, dass er absolut nicht schwindelfrei war. Und besäße dieser naturgeschaffene Übergang, der sich "Brücke" schimpfte, nicht diese Absicherung, so hätte ihn sicherlich ein Taumel ergriffen und in die Tiefe unter ihnen gerissen. Ob es daran lag, dass der Gang über diesen einzigen Weg auf die Halbinsel ihm so lang vorkam oder schlicht an der Tatsache, dass sie mit der drängenden Menge nur schleppend vorankamen, vermochte er im Nachhinein nicht zu sagen. Er konzentrierte sich auf Anyas Hand in seiner, blickte stur geradeaus, und endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, waren sie auf der anderen Seite angekommen.


    Er atmete tief durch. Nun, da sie auf dem sicheren Plateau waren, gab er sich völlig dem hin, was seine Sinne ihm offenbarten. Von überall her drangen Geräusche. Musik, Gespräche, Gelächter. Gerüche lagen in der Luft. Von Menschen, von Speis und Trank, ein wenig von der Salzluft des nahen Meeres. Und vor seinen Augen, direkt gegenüber der Brücke, gähnte breit der Eingang in das nun noch riesiger wirkende Zelt. Obschon das Innere hell erleuchtet war und eine weitläufige Manege erkennen ließ, war dieser Eingang noch durch ein Absperrband gesichert. Links und rechts der breiten Öffnungen standen zwei kräftig gebaute Männer in identischer Kleidung: Weiße Hemden mit kurzem Kragen, schwarze Samthosen, auf Hochglanz polierte Lederschuhe. Sie hatten die Arme hinter dem Rücken verschränkt und blickten der anströmenden Besuchermenge ausdruckslos entgegen.


    Sie flankierten einen fülligen Mann mit ordentlich zurückgekämmtem blonden Haar, einem Schnauzbart, der zu groß für sein mondförmiges Gesicht wirkte und von Kopf bis Fuß tadellos elegant gekleidet war. Er blickte den Ankömmlingen mit unverhohlenem Stolz in den Augen entgegen, deutete den Vorbeigehenden eine Verbeugung an und rief ihnen ein herzliches "Willkommen!" entgegen. Es bestand gar kein Zweifel: Dies musste der Veranstalter, der Zirkusdirektor, höchstpersönlich sein.


    Langsam begann Zoltan, sich zu entspannen. Seine auf Gefahr geschärften Sinne verrieten ihm nichts dergleichen. Er spürte nichts Böses in der Luft, in der Atmosphäre, von irgendeinem in der heiteren Schar um sie herum ausgehend. Mehr brauchte er nicht. Er umgriff Anyas Hand fester und verschränkte seine Finger mit ihren, als könne er so etwas von seiner eigenen Inneren Ruhe auf sie übertragen, denn auch sie war sichtlich nervös. Diese Berührung war nicht nur angenehm und sorgte dafür, dass sie sich gegenseitig Zuversicht schenken konnten, sondern hatte auch obendrein den vorteilhaften Nutzen, dass sie sich in dem Gedränge nicht verlieren würden. Sie blickten sich noch einmal an.

    Also dann, sprach Zoltan ihr zu und nickte. In ihrem Gesicht spiegelte sich seine eigene innere Aufregung wieder, und er versuchte sich an einem Lächeln. Los geht's!

    Und sie spazierten mit dem Strom der Menge nach rechts.


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    Johann war von einem Stolz erfüllt, den selbst die besten Dichter der Welt nicht hätten in Worte fassen können. Hinter ihm stand sein Lebenswerk, der Traum, den er seit seiner Kindheit verfolgte, ein Monument, das in die Geschichte Hyrules eingehen sollte. Die letzte Veranstaltung dieser Art hatte Hyrule vor 30 Jahren erlebt, und er hatte ihr als kleiner Junge im Alter von sechs Wintern beiwohnen dürfen. Auch damals war das immernoch von der Verheerung angeschlagene Volk aus aller Herren Länder zu diesem Spektakel aufgebrochen. Doch es war weitaus weniger pompös. Das Zelt, welches auf einer Ebene in der Nähe von Hateno aufgebaut war, war nicht größer als das der üblichen Ställe, aus billigem Stoff und wies lediglich ein langweiliges Streifenmuster aus Weiss und Rot auf. Die Artisten waren bestenfalls zweitklassig, und rundherum gab es nur wenige Buden, die Essen und Waren anboten. Doch der Zauber hatte ihn gefangen, und von diesem Tag an war er besessen davon, so etwas einmal in seinem Leben selbst auf die Beine zu stellen. Nur größer, besser, und so strahlend, dass der Satori-Berg vor Neid erblassen sollte.


    Und verdammt, es war ihm gelungen! Die letzten drei Jahre hatte er damit verbracht, alte Gefallen einzufordern, sich neue Schulden zu machen und jeden Winkel des Landes nach den besten Artisten des Landes, den qualitativ hochwertigsten Händlern und den größten Köchen und Braumeistern zu durchforsten, um seine Vision Wirklichkeit werden zu lassen. Seine Beharrlichkeit zahlte sich aus. Alles, was er sich für dieses Spektakel ausgemalt hatte, war in Erfüllung gegangen. Nun... nicht alles. Eine einzige, kleine Attraktion blieb ihm bei seiner Suche verwehrt. Für sein Hauptprogramm suchte er nach einem Mann, der ein gewisses Geschick und Talent besaß, mit dem es niemand aufnehmen konnte. Der sein größter Star sein sollte, der ihm noch mehr Geld in die Kasse bringen sollte, als es sowieso schon der Fall war. Doch es war hoffnungslos. Viele Angeber, Kraftprotze und Möchtegern-Helden hatten zwar versucht, ihn zu überzeugen, doch niemand kam an die Qualität heran, nach der er suchte. Nicht annähernd, allesamt waren es Stümper, die er nach nur wenigen Sekunden, in denen sie ihre "Begabung" zeigten, wegschickte.


    Doch nun, da die Schaulustigen von nah und fern eintrafen, konnte er diesen Wermutstropfen verkraften. So stand er nun seit einer Stunde hier, empfing die Besucher und schaute in ihre Geischter. Diese Neugier! Diese Heiterkeit! Diese Freude auf das, was sie erwartete! Sie alle waren gekommen. Von jung bis alt, von Gerudo bis Eldin, von Tabantha bis Ranelle. Dafür hatte er gelebt seit jenem Tag vor 30 Jahren. Weiter und weiter verneigte er sich vor der Schar, und plötzlich... plötzlich sah er sie.


    Ein junges, sich an den Händen haltendes Paar hatte das Gelände betreten und hielt kurz inne. Gewiss, die Frau mit dem wallenden, rotem Haar war eine Augenweide und verdiente es, beachtet zu werden, doch sein Interesse galt dem Mann an ihrer Seite. Er war groß und schlank, und sein dunkles, langärmliges Hemd verbarg nicht, dass darunter ein gut trainierter Körper steckte. Es war jedoch nicht die Attraktivität des Mannes, die seine Aufmerksamkeit erregte. Es war... etwas in seinem Gesicht. Normalerweise trugen diese jungen Burschen, die ihre Liebste ausführten, eine prahlerische, selbstgefällige Miene zur Schau. Doch auf diesem Gesicht lag eine gewisse Skepsis. Seine Blicke wanderten umher, als hielten sie nach etwas anderem als den unzähligen Attraktionen Ausschau.

    Ja, Johann kannte dieses Verhalten. Sein Vater hatte damals, als das Königreich unterging, gekämpft. Er war glücklicherweise einer der wenigen überlebenden Soldaten - doch bis zu seinem Tode vor einigen Jahren hatte er die Angewohnheit, gefühlt alle zehn Sekunden nervös über seine Schulter zu blicken. Und das letzte Indiz, das er brauchte, um zu wissen, dass er gefunden hatte, wonach er so lange und so verzweifelt suchte, lag ebenfalls im Gesicht des Mannes. Eine unschöne Narbe, die sich über sein linkes Auge zog und die so aussah, als wäre sie erst vor Kurzem verheilt. Sein Kennerblick verriet es. Dieser Mann hatte erst jüngst einen Kampf hinter sich, aus dem er als Sieger hervorgegangen war. Und wenn er diesen mit jener schrecklichen Verletzung überlebt hatte, wollte er nicht wissen, wie es dem anderen ergangen war. Perfekt. Absolut perfekt.


    Während das Paar in der Menge verschwand, widmete er sich wieder der Begrüßung der anderen Besucher, doch er hatte keinen Blick mehr für sie übrig. Seine Gedanken kreisten nur darum, noch heute Abend diesen Mann wiederzufinden und zu hoffen, dass er sein großzügiges Angebot nicht ausschlagen würde.


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    Das Festgelände war, wie Zoltan feststellte, in vier Bereiche unterteilt, die jeweils ein Viertel des Kreises um das Zelt herum ausmachten. Zuerst kam eine Strecke, die ganz offensichtlich darauf ausgelegt war, Familien mit Kindern das Geld aus der Tasche zu locken: Die Lichter waren viel bunter und heller als sonstwo. Es gab Luftballons in allen Farben und Formen und Stände mit Spielzeugen aller Art und handgenähten Puppen. Über allem lag ein solch schwerer Duft nach Süßigkeiten, dass es ihm beinahe übel wurde. Da es hier nichts von Interesse für sie gab, ließen sie diesen Abschnitt ziemlich schnell hinter sich. Danach wurde es schon interessanter: Hier befanden sich die Spielbuden. Sie verlangsamten ihren Schritt, um dabei zuzusehen, wie junge und nicht ganz so junge Leute versuchten, einander beim Dosenwerfen, Bogenschießen oder "Hau den Lukas" zu imponieren. Zu ihrer Belustigung mit mäßigem Erfolg.


    Es folgte das Händlerviertel, und hier wimmelte es bisher von den meisten Besuchern. Kaufleute aus allen Ecken des Landes boten ihre Ware feil, und die Leute kramten und wühlten in Kleiderbergen, Schmuck und Kuriositäten. Sie passierten einen Stand, an dem eine ältere Shiekah selbstgetöpferte Krüge verkaufte. Als Zoltan hinsah, begegnete sie seinem Blick, und jähes Erkennen zog über ihr Gesicht. Sie lächelte wissend und nickte ihnen zu, besaß jedoch den Anstand, sie nicht weiter zu belästigen. Also war ihr Heldenruf in Kakariko noch immer nicht abgeebbt. Er betete, dass niemand sonst sie hier erkannte und sich ein kleiner Aufruhr um sie herum bildete. Danach kamen sie in den letzten Bereich, der den Kreis schloss und in dem das allermeiste Getümmel herrschte: Die Gastronomiebuden.


    Nun saßen sie nebeneinander auf einer Holzbank vor einem Stand, der mit Fleisch gefüllte, gebackene Fladenbrote und helles Bier anbot. Obwohl dies das günstigste Angebot hier war, blutete ihr Geldbeutel einmal mehr, aber was machte das schon? Wenn sie sich an diesem Abend schon etwas Gutes tun wollten, dann auch ganz. Außerdem konnten sie ihre Mägen nicht länger ignorieren, die sich unsanft darüber beklagten, dass sie in ihrer Aufbruchstimmung das Mittagessen hatten ausfallen lassen.


    Zoltan persönlich fand, dass sie sich mit dem Besuch dieses Festes durchaus etwas Gutes getan hatten. Was ihn mehr überwältigte als die unzähligen Eindrücke, die hier auf ihn herabprasselten, war das Gefühl, sich frei und unbeachtet im Bad der Menge bewegen zu können. Nie zuvor hatte er unter vielen Menschen sein können, ohne wie ein Außenseiter schräg beachtet zu werden. Hier war er nur einer unter Hunderten. Viel hatten Anya und er sich bisher nicht über das bisher Erlebte austauschen können. Zu sehr waren sie jeder für sich mit der überwältigenden Umgebung beschäftigt, als dass es für mehr als ein gelegentliches "Sieh mal, dort!" oder "Guck mal, hier!" gereicht hätte. Und nun waren ihre Münder zu voll mit Brot und Fleisch, um eine zivilisierte Unterhaltung führen zu können. Doch auch Anya wirkte insgesamt entspannter als noch bei ihrer Ankunft; den Appetit hatte es ihr zumindest nicht verdorben, was schonmal ein gutes Zeichen war. Dass sie hier friedlich beieinander saßen und weiterhin interessiert dem bunten Treiben zusahen, sagte auch ohne viele Worte genug darüber aus, dass diese Unternehmung kein Fehler gewesen war.


    Zoltan blickte zum von hier aus einsehbaren Eingang zum Gelände. Der Direktor hatte mittlerweile seinen Platz vor dem Zelt geräumt, einzig die beiden stummen, adrett gekleideten Wächter hielten immernoch reglos ihre Stellung. Bis zum Hauptprogramm des Abends würde es noch eine Weile dauern. Mehr als genug Zeit, die sie nutzen konnten, um eine zweite Runde über das Gelände zu ziehen und es ausgiebiger zu erkunden. Er freute sich darauf. Sie hatten ihr Mahl beendet, und Zoltan befand, dass es eher fad geschmeckt hatte. Andererseits: Seit geraumer Zeit war er einzig Anyas Kochkünste gewohnt, und es mochte nicht viele Leute in Hyrule geben, die damit mithalten konnten. Es war eigentlich ein Jammer, dass nicht allerorten Hylianer und andere Völker in den Genuß ihrer Küche kommen konnten.

    Findest du wirklich?, kam die sehr vertraute Stimme rechts von ihm. Er schüttelte irritiert den Kopf. War er so in Gedanken versunken, dass er ohne es zu merken....

    Habe ich das etwa laut gesagt?, fragte er. Ein Lächeln und ein Nicken waren seine Antwort.

    Ja, hast du. Und ich fasse das mal als Kompliment auf. Wie sieht's aus? Wollen wir weiter? Sie erhob sich und hielt Zoltan ihre Hand hin, der sie ergriff und ebenfalls aufstand. Ein weiteres Mal schlossen sie sich der Menge an, und Zoltan entging nicht, dass sich nun endgültig ein leichtes Lächeln auf Anyas Gesicht gelegt hatte. Ob sie nun richtig von der Stimmung ergriffen war oder es an seinen Worten lag, wusste er nicht genau.

    Doch für diesen Moment war die Welt durch und durch in Ordnung.

  • Es war irgendwie befremdlich. Anya schaute sich das Treiben an, sah in die Menge und erspähte lachende Gesichter der Gäste und angespannte Minen der Mitarbeiter. Sowas hatte sie noch nie gesehen oder wenigstens von sowas gehört. Dabei war sie jahrelang im ganzen Land unterwegs gewesen. Es war doch wirklich seltsam, dass sie noch nie zuvor etwas von einem Zirkus mitbekommen hatte, zumal dieser ja nicht an Ort und Stelle blieb, sondern offensichtlich nur für einige Tage Station machte und dann weiterzog. Anya wusste das ohne zu fragen, denn als sie vor Jahren in Akkala war und dort auf Tristan traf, war es hier auf dieser Halbinsel eindeutig leer gewesen, da war sie sich sicher. Und auch als sie danach immer wieder in Akkala unterwegs war, hatte sie nichts dergleichen gesehen.

    Aber irgendwie machte es ja doch Spaß. Es hatte was. Über die finanzielle Situation wollte sie nicht nachdenken, obwohl sie zugeben musste, dass der Aufenthalt hier eigentlich gar nicht wirklich drin war. Schon jetzt kostete das hier zu viel Rubine und tief drinnen überlegte sich Anya bereits, was denn nach diesen paar Stunden Heiterkeit für Aufwand auf sie und Zoltan warten würde. Die erste Idee von ihr war, einen der beiden Ställe in der Nähe zu besuchen und dort zu fragen, ob sie für ein paar Tage bei der Bewirtung der Gäste helfen konnte. Denn irgendwo mussten ja die ganzen Zirkusbesucher übernachten und da würden sich die Stallbesitzer sicher über helfende Hände freuen. Das war jedenfalls ihre Hoffnung.


    Für einen ruhigen Augenblick schlenderten Zoltan und sie umher und sahen sich die Stände an. Es gab handgemachte Holzskulpturen, Puppen und kleine Spielzeuge, Duftkerzen, kleine Trommeln und Schmuck. Und gerade beim Schmuck bekam Anya sehr große Augen. Das war ebenfalls handgemacht und aus Federn, Muscheln, Murmeln und Holz gefertigt. Es sah so wunderschön aus, doch ohne sich nach den Preisen zu erkundigen wusste sie, dass sie sich das wohl alles nicht leisten konnte. Dennoch nahm sie einige Stücke in die Hand und betrachtete sie sorgfältig. Als sie eine Haarspange wieder verlegen und etwas traurig zurücklegte, bemerkte sie, wie die beiden Verkäuferinnen sie mit großem Interesse betrachteten. Beide hatten etwas getuschelt und hörten in dem Moment auf, als Anya sie ansah.

    Anya war sowas gewöhnt. Sie fiel eigentlich überall sofort auf, da sie sehr blass war und ihre Haare wie poliertes Kupfer aussahen. Dennoch war ihr es peinlich, als sie bemerkte, dass schon wieder über sie getuschelt wurde. Gerade wollte den Stand verlassen, als sie eine der beiden Frauen ansprach: "Hey guten Abend. Haben Sie kein Interesse, etwas zu kaufen? Ich habe es in ihren Augen gesehen, dass sie unsere Stücke wirklich schön fanden."

    "Ähm, sie gefallen mir wirklich sehr, allerdings sitzt der Geldbeutel gerade nicht besonders gut. Tut mir leid, gern ein anderes Mal."

    Anya drehte sich bereits wieder weg, doch die Frau sprach erneut: "Nun, ich verstehe das sogar ziemlich gut. Doch, ja wie soll ich das sagen?!" Die Frau kaute verlegen auf ihrer Unterlippe herum und sie strich sich eine Strähne von ihrem kurzen schwarzen Haar von der Stirn. "Wir reisen sehr viel herum, aber ich habe noch nie jemanden gesehen, der so aussieht wie Sie. Ein paar dieser Stücke sind wie für Sie gemacht. Ich finde zum Beispiel, dass Ihnen die Farbe Grün ausgezeichnet stehen sollte. Und diese Haarbrosche hier ist genau das, was ich meine."

    "Ja, da haben Sie sicher recht und ich garantiere Ihnen, dass ich das sofort kaufen würde. Aber wie ich bereits sagte, geht es nicht wirklich."

    Och man, war das unangenehm. Was mussten diese beiden Verkäuferinnen nun wohl denken? Wer kommt schon ohne Rubine zu einem Markt? Sie konnten ja nicht wissen, dass es eine spontane Entscheidung war, den Zirkus zu besuchen und sie konnten auch nicht wissen, dass Anya und Zoltan im Prinzip heimatlos durch die Gegend zogen keiner geregelten Tätigkeit nachgingen. Es war so peinlich irgendwie.


    "Schmuck zu verkaufen ist wirklich nicht einfach", fing die andere Frau an zu sprechen. Sie war etwas älter und hatte bereits einige graue Haare, dafür aber ein starkgeschminktes Gesicht und war offensichtlich sehr schlank und sportlich. "Die Ware liegt hier immer einfach nur so rum und kann ihre echte Wirkung auf die Kundschaft nicht richtig entfalten. Schon länger haben wir mit den Gedanken gespielt, einige der Stücke an einer echten Person zu präsentieren. Aber bis eben gerade haben wir niemand geeignetes gesehen. Doch nun sind Sie hier wie aus heiterem Himmel aufgetaucht."

    Anya stand etwas sprachlos da und musste ein dämliches Gesicht haben. Beide Frauen lachten.

    "Ich heiße Raja und ich bin die Frau des Zirkusdirektors", sagte die ältere Dame. "Und ich werde Sie jetzt nicht einfach weiterziehen lassen, ohne Sie meinem Mann vorgestellt zu haben."

  • Euphorie kam und ging. Dies musste Zoltan schmerzlich feststellen, als er Anya dabei beobachtete, wie sie am Stand mit den Schmuckwaren Teile begutachtete, wieder zurücklegte, und ihre Miene bei jedem Mal bekümmerter wurde. Es half ihm kein Stück, dass die jüngere der beiden Verkäuferinnen ihn mit einem missbilligenden Blick taxierte, als würde sie ihn dazu auffordern wollen, nun endlich ein Gentlemen zu sein und der Dame in seiner Begleitung eine der offensichtlich begehrten Waren zu kaufen. Nur leider war dies gerade absolut nicht möglich, und dass wussten Anya und er besser als die ihm feindlich gesinnte Frau hinter dem Verkaufsstand.


    Von einer nie gekannten Scham erfüllt, drückte er sich etwa zwei Meter hinter Anya herum und gab sein Bestes, die Menge zu beobachten. Eine aufwendig geschminkte und verkleidete Gestalt mischte sich unter das Publikum und trieb mit lachenden Leuten ihren Schabernack, aber das amüsierte ihn nicht mehr so sehr wie noch vor ein paar Minuten. Sein Hochgefühl schien verflogen. Bis einige Gesprächfetzen vom Stand her an seine Ohren drangen, und darunter befand sich auch Anyas Stimme. Über den Lärm der Besucher hinweg verstand er gerade so, dass die beiden Verkäuferinnen gern eine dritte Person ins Boot holen würden, um das Geschäft anzukurbeln, und allen Anscheins nach sollte diese Person Anya sein. Es wäre sicherlich nicht verkehrt, denn sie besaß selbst einen Faible für handgemachten Schmuck. Unbewusst berührte Zoltan den Armreif, den Anya ihm kurz vor ihrer Ankunft am Stall der Orni angerfertigt hatte. Sein wertvollster irdischer Besitz. Bewusst jedoch registrierte er ein bekanntes Gesicht in der Menge: Es war der Zirkusdirektor, der sich auf den Schmuckstand zubewegte, an dem Anya mittlerweile in ein angeregtes Gespräch vertieft war. Unter anderem ging es darum, dass die ältere der beiden Frauen, eine elegante Erscheinung mit von grauen Strähnen durchzogenem braunen Haar, Anya ihrem Gatten vorstellen wollte: Dem herannahenden Veranstalter höchstpersönlich.


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    Die große Stunde der Eröffnungsshow rückte näher, und Johann hatte es eigentlich eilig, noch ein Wort mit den auftretenden Artisten zu wechseln, bevor er selbst in die Mitte der Manege treten und mit großen Worten dem erwartungsvollen Publikum verkünden würde, welche Wunder sie an diesem Abend erwarteten. Doch erstens kam es immer anders, und zweitens als man denkt. Als er sich auf die Ecke mit den Handelsständen zubewegte, winkte seine Frau Raja, die dort selbst einen Stand mit handgerfetigtem, qualitativ hochwertigen Schmuck betrieb, ihm eilig zu. Direkt vor ihr befand sich eine junge Frau mit ihm zugekehrten Rücken. Zum ersten Mal an diesem Tag erschlafften die Mundwinkel unter seinem prachtvollen Schnauzbart. Nun also so etwas. Der Zirkus war seit nicht einmal zwei Stunden im Gange, und schon trieb sich eine Diebin auf dem Gelände herum. Oder warum sonst sollte Raja ihn so rasch zu sich bestellen, wenn nicht, damit er der Übeltäterin höchstselbst einen Platzverweis erteilte? Doch beim näherkommen erkannte er, dass der Ausdruck auf dem Gesicht seiner Gattin keineswegs Verärgerung aufwies, sondern tiefe Zufriedenheit. Neugierig trat er an sie heran, ohne die Unbekannte eines Blickes zu würdigen.

    Mein Lieber, erinnerst du dich, dass ich mir gewünscht habe, eine perfekte junge Dame zu finden, die während dem Zirkus meine Waren anpreisen könnte? Ich glaube, ich habe sie gefunden. Schau nur, ist sie nicht bezaubernd?

    Raja lächelte breit und wies mit der linken Hand auf die junge Frau vor dem Stand. Johanns Blick folgte kurz ihrer Geste, und er wollte ihr gerade erklären, dass er im Moment wichtigeres zu tun hatte, als ein Schwätzchen mit ihrer neuen Angestellten zu halten, als er noch einmal innehielt und sich die Frau genauer ansah. Hatte er sich nicht kürzlich schon einmal gesehen? Und zwar... tatsächlich. Er blickte über die Schulter der rothaarigen Dame, und dort stand er. Im Moment wirkte der junge Kerl, der vorhin so sehr sein Interesse geweckt hatte, gar nicht so anmutig. Eher so, als würde er aus irgendeinem Grund gern im Boden versinken. Doch das würde Johann so leicht nicht geschehen lassen. Er spürte, dass er den Fisch an der Angel hatte und ihn bloß noch einzuholen brauchte. Daher wandte er sich, nun wieder strahlend, zunächst an die Frau vor ihm.

    In der Tat bezaubernd, Raja, in der Tat! Eine reizende Frau durch und durch, die deiner Schmuckstücke mehr als nur würdig ist!

    Äußerste Ergriffenheit vortäuschend, umschloß er mit seinen eigenen Händen die Anyas. Es fehlte nur noch, dass er falsche Tränen der Freude aus seinen Augenwinkeln presste.

    Meine Gnädigste, auf jemanden wie Sie hat meine Gattin gewartet, gar lange nach ihr gesucht! Gestatten Sie mir die Ehre, mir Ihren Namen zu nennen?

    Die Angesprochene rang sich zu einem Lächeln durch, offenbar nicht wissend, ob all das gerade wirklich geschah, oder ob sich jemand einen seltsamen Scherz mit ihr erlaubte.

    Anyanka. Kurz Anya. Es freut mich sehr, Ihre Bekanntschaft zu machen, Herr...?

    Er schenkte ihr sein großzügigstes Lächeln.

    Johann, Gnädigste. Nennen Sie mich einfach Johann. Stets zu Ihren Diensten, solange Sie hier verweilen!

    Noch einmal strahlte er sie an, als hätte er seiner liebsten Enkeltochter soeben ein vorzügliches Geschenk gemacht, dann tat er so, als würde er den Mann hinter ihr, der das Schauspiel mit zusammengekniffenen Augen verfolgte, gerade erst bemerken.

    Und, oh - wie ich sehe, sind Sie nicht allein hier. Natürlich. Eine solch entzückende junge Dame würde sich wohl kaum ohne einen starken Mann an ihrer Seite in solch ein Getümmel wagen, nicht wahr?

    Es geschah, bevor Johann auch nur blinzeln konnte. Mit einer einzigen, fließenden Bewegung überbrückte der große Bursche die knappen zwei Meter und stand dicht neben seiner Freundin - oder Frau? - und wirkte für den Bruchteil einer Sekunde so, als wolle er etwas sagen, doch dann blieb seine Miene weiterhin ausdruckslos. Johann ließ sich davon nicht irritieren. Er war von dieser blitzschnellen Regung beeindruckt, und nun wusste er endgültig, dass kein anderer für seine Pläne infrage kam.


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    Zoltan hielt sich die ganze Zeit im Hintergrund und beobachtete scharf, wie dieser Direktor - der sich im Verlaufe des Gesprächs als 'Johann' vorstellte - Anya umschmeichelte, dabei aber immer wieder einen Blick auf ihn warf. Hatte er nicht vorhin schon, als sie das Gelände betraten, den Eindruck, dass dieser Kerl ihn einen Augenblick länger als angebracht gemustert hatte? Doch bevor er sich einen Reim auf das Verhalten des Mannes machen konnte, übergoß er Anya mit einem unangebrachtem Kommentar, dass sie einen starken Mann bräuchte, um sich auf ein Fest zu wagen. Zoltan sprang rasch hervor, bereit, Anyas Ehre zu verteidigen. Niemand wusste besser als er, dass sie durchaus ein der Lage war, sich selbst zu verteidigen, und auf diese ihrer Fähigkeiten wollte er nichts kommen lassen. Doch im selben Moment besann er sich eines besseren. Es wäre wahrscheinlich ziemlich unklug, einen Steit mit dem Direktor des Zirkus anzufangen, vor allem jetzt, da seine Frau anscheinend drauf und dran war, Anya eine bezahlte Tätigkeit für die nächsten Tage in Aussicht zu stellen. Einen Platzverweis fürchtete er weitaus weniger als Anyas Groll, wenn er ihr diese Gelegenheit mit seinem ungezügelten Temperament vermasseln sollte. So verharrte er einfach nur neben ihr und wartete ab, was als nächstes geschehen würde. Auch Anya neben ihm wirkte, als würde sie sich nur mit Mühe einen Kommentar verkneifen. Dieser Zirkusdirektor - Johann - jedoch vollbrachte es, diesen unmerklichen, stillen Augenblick zu überspielen, indem er sich jovial an Zoltan wandte.

    Mein lieber Junge, warum lade ich Sie nicht auf einen herrlichen Umtrunk ein, während die Frauen ihre Geschäfte unter sich ausmachen? Kein besserer Augenblick als dieser, um eine solche Zusammenkunft zu feiern, nicht wahr? Kommen Sie, nur hier entlang...

    Er fasste Zoltan unterhalb der Schulter - der höchste Punkt, den der kleine, feiste Mann an ihm erreichen konnte - und zerrte ihn in die Menge. Der sich entführt fühlende Braunhaarige warf einen letzten, hilfesuchenden Blick auf Anya, die jedoch nur ein Schultzerzucken andeutete und mit den Lippen ein "Ich warte hier auf dich!" formte. Vielleicht hatte sie es auch laut gesagt, denn die Worte hallten in Zoltans Kopf und wurden nur durch das Getöse um ihn herum abgeschwächt. Dann versperrte ihm eine vorbeitrömende Traube aus Zirkusbesuchern die Sicht auf sie, und er ergab sich seinem Schicksal.

  • Ja, und das war wieder einmal Beweis genug, dass solche Veranstaltungen und Orte einfach nichts für Anya waren. Sie hielt sich gerade mal für eine Stunde oder so hier auf und schon musste ihr deutlich gemacht werden, dass sie eben nicht Teil der grauen Masse war. Sie war über ihren Schatten gesprungen und beim Anblick des Zeltes aus der Ferne nur zaghaft hinter Zoltan hergeritten, hatte sich die ganze Zeit an ihm festgehalten, eben weil sie fast ängstlich darauf gewartet hatte, dass entweder wieder irgendetwas schreckliches passieren würde oder sie von irgendwem angesprochen wurde, weil sie und Zoltan nun mal auffielen. Und gerade, als sie ihre Scheu etwas verlor, passierte genau das. Ehe sie sich versah, hielt ihr ein fremder schmieriger Mann die Hände, eine Frau bezirzte sie mit Worten und Blicken und Zoltan sprang auch direkt an ihre Seite.


    Sie hasste es so sehr.


    Am liebsten wäre sie einfach davongelaufen, auf Sevens Rücken gesprungen und nach Gerudo-Stadt galoppiert, so weit weg wie möglich. Aber nein, Zoltan wurde von diesem Johann fortgeführt. Noch vor einiger Zeit wäre das für Anya kein Grund gewesen, die Flucht nicht trotzdem anzutreten, aber nun war eben alles anders. Er war jetzt aber auch noch weg und nun stand sie allein vor den zwei Frauen, die sogleich auf sie zukamen. Die jüngere der beiden drehte einfach so und ungefragt ihren Zeigefinger in Anyas Locken, während Raja sie begutachtete. Ihre Augen wanderten zu ihrer Taillie, während sie etwas Unverständliches murmelte. Schließlich umfassten die langen Finger der jüngeren Frau mit festem Griff ihren linken Unterarm. Sie hatte die Narbe an der Armbeuge entdeckt und drehte Anyas Arm grob nach innen, um diese besser begutachten zu können.

    "Hm, das werden wir verdecken müssen", murmelte sie vor sich hin.

    "Wie bitte?"
    "Ach nichts, Liebes. Narben sind keine Schande."
    Während sie das sagte, setzte sie ein übernatürlich breites Grinsen auf und ihre Augen verschwanden in einer riesigen Gesichtsfalte. "Hast du noch weitere Narben?"
    Für Anya wurde das jetzt hier wirklich unangenehm. Sie hatte entgültig genug! "Meine Damen, ich danke Ihnen sehr für die Freundlichkeit und das Interesse, aber es ist langsam Zeit für mich zu gehen." Anya versuchte, so freundlich wie möglich zu klingen. Langsam aber bestimmt befreite sie ihren Arm aus dem Griff der seltsamen Frau und machte einen Schritt zurück. Ihre Augen suchten bereits die Menge nach Zoltan ab, aber sie sah ihn nicht.

    "Was? Nein, ach um Gottes Willen! Manu, wir waren mal wieder viel zu aufdringlich", quietschte es aus Raja heraus. "Bitte Frau Anyanta, natürlich verstehen wir, dass es Ihnen unangenehm ist. Ich entschuldige mich aufrichtig. Doch bleiben Sie doch einfach bei uns und einer Tasse heißen Apfeltee, wenigstens so lange ihr Mann zurück ist, ja?"

    "Anyanka."

    "Natürlich. Ich habe diesen Namen nur noch nie zuvor gehört. Kommen Sie vielleicht aus Phirone oder so?"
    "Nein. Hebra."
    Anyas Augen suchten immer noch fortwährend die Umgebung nach Zoltan ab, aber ohne Erfolg. Verdammt!

    Es war klar, dass diese beiden Frauen nicht locker ließen, selbst wenn sie einfach weggehen würde. Auf jeden Fall würde diese Raja ihr einfach hinterlaufen. Anya seufzte. "Apfeltee haben Sie gesagt?"

    "Ja, ganz frisch und selbstgemacht! Ich habe die Äpfel selbst gepflückt heute morgen."


    Es entging Anya nicht, dass die andere Frau, Manu, Raja einen vielsagenden Blick zuwarf. Wahrscheinlich war wohl sie es, die die Äpfel beschafft hatte und nicht Raja. Mussten diese Leute selbst bei sowas so unehrlich sein? Erneut schickte Anya ein Stoßgebet zu Hylia, dass Zoltan zeitig zurückkommen würde. Doch vorerst ließ sie sich eine Tasse bringen und setzte sich auf einen der Holzstühle, die ihr hingestellt wurden. Der Tee schmeckte tatsächlich und seine Wärme tat gut.


    Leider bedeutete das auch, dass Anya nun von den beiden Frauen ausgefragt wurde. Wie alt sie doch sei, ob sie Kinder habe, wo sie leben würde und ob Zoltan ihr Ehemann oder nur ihr Freund wäre. Oder ihr Bruder. Sie hatte kein großes Interesse daran, mit fremden und unangenehmen Personen über ihr Privatleben zu plaudern und gab nur einsilbige und undetaillierte Antworten. Sie selbst fragte nichts. Doch Raja und Manu schien das gar nicht zu stören; unbeirrt fragten sie weiter.

    Und dann endlich, nach einer unerträglich langen Zeit des Wartens, tauchte Zoltan in der Menge auf. Endlich war es so weit, endlich konnten sie diesen Ort des Grauens verlassen, dachte Anya. Sofort stand sie von ihrem Stuhl auf, stellte ihre Tasse ab, verabschiedete sich von den Frauen und war bereit zu gehen.


    Auch Zoltan sah fertig mit der Welt aus. Anya beschloss also, den Aufenthalt hier als ein nettes Abenteuer zu verbuchen und sah sich in ihrem geistigen Auge bereits auf den Rücken von Seven davonreiten.

  • Eines musste Zoltan dem kleinen Typen lassen: Er war recht flink. Vielleicht lag es aber auch nur an seinem Status als Direktor, dass er sich durch die zähe Menge wühlen konnte wie ein Fisch im Wasser. Jedenfalls dauerte es gefühlt keine fünf Augenblicke, da saß er Johann auch schon an einem Holztisch gegenüber. Zwischen ihnen zwei große Becher, aus denen es dampfte und so penetrant nach Alkohol roch, dass selbst Zoltan Zweifel daran hegte, ob es gesund sein würde, auch nur einen Schluck von dem Gebräu zu sich zu nehmen. Jetzt starrte er sein Gegenüber an, auf eine Erklärung wartend, weshalb er ihn so überschwänglich von Anya und den beiden Verkäuferinnen weggerissen hatte. Mit Sicherheit nicht aus höflicher Rücksichtnahme. Irgendetwas wollte dieser Kerl von ihm, und Zoltan mochte dreimal verflucht sein, wenn sich dieser Verdacht nicht innerhalb der nächsten Minuten bestätigen würde. Doch noch spannte er ihn auf die Folter, und statt einer Erklärung wies er auf den Becher vor Zoltan.

    Nur zu, junger Freund, nur zu! Kosten Sie! Dies ist der feinste Branntwein von ganz Hyrule! Wärmt ordentlich auf und ist stark genug, einen Mann aus den Schuhen zu hauen! Aber, -er kicherte affektiert - Sie scheinen mir ein Mann zu sein, der den einen oder anderen ordentlichen Schluck verträgt, nicht wahr? Also, nicht so verdrossen schauen - runter damit!

    Das wurde immer seltsamer. War dieser Kerl vom anderen Ufer und hatte ihn von Anya isoliert, um ihn abzufüllen? Nun, da würde er wohl eine bittere Enttäuschung erleben. Aber was soll's? Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. Also hob Zoltan den Becher an seine Lippen und nahm einen Zug von dem heißen Gebräu. Und hätte es dem Zwerg vor ihm fast ins Gesicht gespuckt.

    Der feinste Branntwein von ganz Hyrule? Wohl eher das feinste Desinfektionsmittel von ganz Hyrule!

    Aber Zoltan beschloss, für's Erste seine Manieren beizubehalten und schluckte das Zeug herunter. Seine Eingeweide flehten jetzt schon um Gnade. Also beschloss er, zum Punkt zu kommen, wenn Johann es schon nicht tat.

    Nun, ich bin hier, um mit meiner Freundin einen netten Abend zu verbringen, und nicht, um mich in ihrer Abwesenheit zu besaufen. Was wollen Sie von mir?

    Johann reagierte nicht empört, sondern tatsächlich... zufrieden? Die Arme vor der Brust verschränkend lehnte er sich zurück und bedachte Zoltan mit einem geschäftstüchtigem Lächeln.

    Einer von der ganz schnellen Sorte, was? Ich habe es mir gedacht. Ich habe es gewusst. Von dem Augenblick an, als ich sie auf das Gelände treten sah. Sie, mein junger Freund, sind genau das, wonach ich jahrelang gesucht habe! Ein Mann von Ihren Fähigkeiten. Den brauche ich noch für mein Programm. Schauen Sie nicht so! Ich bin gewissermaßen ein Talentsucher. Ich erkenne einen Mann mit einem geschickten Schwertarm, wenn er vor mir steht!


    Zoltan unterdrückte ein Grollen. Hatte er etwa auf der Stirn stehen, dass er die Schwertkunst beherrschte? Oder aber.... vielleicht hatte sich in den letzten Wochen herumgesprochen, was in Kakariko geschehen war. Er erinnerte sich an die Shiekah, die Anya und ihn in der Menge zu erkennen schien. Hatte sie geplaudert? Hatte sie eine exakte Beschreibung der sechs Möchtegern-Recken geliefert? Insbesondere dessen, der es als Einziger geschafft hatte, ernsthaft verletzt zu werden? Aber nein. Die Shiekah waren stets diskret und ganz und gar nicht dafür bekannt, Fremden gegenüber ihre Angelegenheiten zu erläutern. Also musste er dem Direktor irgendwie entlocken, was sein Anliegen war.

    Was soll ich jetzt tun? Einen Ihrer Konkurrenten ausschalten? Tut mir leid, solche dreckigen Arbeiten erledige ich nicht mehr.

    Für das 'nicht mehr' hätte Zoltan sich am liebsten die Zunge abgebissen. Das verriet doch etwas zu viel darüber, wer er war und woher er kam. Doch Johann schien sich daran nicht zu stören, er lehnte sich zurück und lächelte ihn gewinnend an.

    Nicht doch, junger Freund. Ich bin ein Mann von Ehre. Niemals würde ich einen Henkersdienst verlangen. Ich mache es kurz und präzise: Sie sollen für mich auftreten. Innerhalb des Hauptprogramms einen Schaukampf veranstalten. 50 Rubine Einsatz von jedem, der beherzt genug ist, gegen Sie anzutreten und sich innerhalb von zwei Minuten nicht entwaffnen zu lassen. Das Doppelte seines Einsatzes zurück, falls es ihm gelingt, seine Waffe nicht zu verlieren oder gar, Sie zu entwaffnen. Eine halbe Stunde im Rampenlicht für all diese waghalsigen Prahlhänse dort. Wäre das nicht etwas?

    Um nicht selbst reden zu müssen, nahm Zoltan zwischendurch Schlücke von dem scheußlichen Gebräu. Nun lockerte es aber doch seine Zunge.

    Ich habe Männer, die wesentlich fähiger sind als ein betrunkener Zirkusbesucher, innerhalb einer Sekunde entwaffnen können. Wo ist da für mich die Herausforderung?

    Johann zeigte sein Haifisch-Grinsen.

    Die Herausforderung, junger Freund, ist, dich zurückzuhalten. Du kämpfst in der Manege nicht um Leben und Tod, sondern zur Unterhaltung. Du sollst deine Herausforderer locken. Sie denken lassen, sie hätten eine Chance gegen dich. Du sollst sie nicht einschüchtern, bevor sie ihre Rubinbörsen gezückt haben.

    Zoltan war nicht entgangen, dass sein Gegenüber in einen vertraulichen Ton gewechselt hatte und zum 'Du' übergegangen war. Zweifelsfrei in der Annahme, er hätte ihn am Haken. Und wenn er ehrlich zu sich selbst war - das Angebot klang nicht schlecht. Er müsste nur für eine halbe Stunde seine Fähigkeiten zur Schau stellen, und das für -

    Von wie viel Rubinen reden wir hier eigentlich? Ich mache diesen Unsinn ja nicht bloß für Speis und Trank, oder?

    Johann lächelte, Zoltan trank. Ohne Alkohol war es für ihn schwer zu glauben, dass dieser Kerl vor ihm überhaupt echt war.

    Von einer Menge Rubinen. Wie ich sagte, jeder mutige Herausforderer setzt 50. Für jedes erfolgreiche Duell erhälst du von mir 20. Rechne dir selbst aus, wie viel du innerhalb einer halben Stunde verdienen könntest!

    Zoltan rechnete, und kam auf etwa 600 Rubine, wenn alles gut lief und sich tatsächlich alle zwei Minuten ein neuer Kontrahent an ihn wagen würde. Verflucht, das war eine Menge. Wenn Anya in diesem Moment ein ähnlich attraktives Angebot bekam, hätten sie für die nächsten Wochen ausgesorgt. Wenn nicht sogar für die nächsten Monate.

    Und das soll ich an den kommenden zwei Abenden machen, ja?, hakte er nach.

    Johann nickte.

    Natürlich nicht gleich heute. Die Show beginnt bald, und da heute der Eröffnungstag ist, haben wir einen sehr straffen Zeitplan. Die Artisten wären sehr... ungehalten, wenn ich ihnen jetzt mit einer Programmänderung kommen würde. Und sicherlich möchtest du den Abend mit deiner reizenden Freundin genießen. Von daher... Schlaf eine Nacht darüber, und teile mir morgen deine Entscheidung mit, sofern du dann noch hier bist. Glaub mir, junger Freund - ich wäre äußerst erfreut darüber, wenn wir in dieses Geschäft kämen. Es wäre für uns beide eine wahre Bereicherung, nicht wahr?

    Er beugte sich vor, und in seinen Augen glomm etwas, das Zoltan zuletzt bei Malkus gesehen hatte, wenn dieser eine leichte Beute witterte. Nur... gieriger. Er setzte erneut seinen Becher an, um diesen zu leeren. Der feine Branntwein war mittlerweile völlig abgekühlt und schmeckte fieser denn je. Irrsinnigerweise sorgte er sich darum, was Anya wohl davon halten mochte, wenn er zurückkehrte und aus dem Mund schlimmer roch als eine Hafenkneipe. Dann stand er auf.

    Nun, ich werde bis morgen darüber nachdenken. Und nur für's Protokoll, junger Freund.... er beugte sich zu Johann, der nun doch zurückwich. Mein Name ist Zoltan. Diese vertraulichen, pseudoväterlichen Anreden lassen wir bleiben, ja?

    Der feiste Mann schluckte kurz, fing sich dann aber wieder und nickte, sein übliches Grinsen zeigend.

    Natürlich. wenn du... also, wenn Sie es so wünschen. Wie gesagt, suchen Sie mich gern morgen auf, wenn Sie eine Entscheidung getroffen haben. Sie finden mich...

    Doch Zoltan hatte ihm bereits den Rücken gekehrt und verschwand in der Menge, um Anya zu suchen.


    Diese fand er auch schnell, sie stand unweit des Standes, an dem sie sich getrennt hatten, und blickte unruhig in der Menge umher. Als sie ihn sah, wirkte sie erleichtert. Doch etwas stimmte nicht. Zoltan hatte im Laufe der Zeit die Körperhaltung und Mimik seiner Partnerin studiert, und er wusste: Ihr Fluchtinstinkt hatte eingesetzt. Während seiner Abwesenheit war etwas geschehen, das sie sichtlich aufgewühlt hatte. Auch, wenn sie ihre Gesichtszüge unter Kontrolle hielt. Er trat schneller auf sie zu.

    Was ist los? Ist irgendetwas...?

    Sie schüttelte den Kopf.

    Lass uns irgendwo hingehen, wo es ruhiger ist. Bitte, antwortete sie nur.

    Er folgte ihr durch die wühlende Menge zum Eingang des Geländes, über die Brücke zur anderen Seite des Geländes. Was immer sie so erschüttert hatte, er hoffte, es bald zu erfahren. Auch, wenn er bereits eine vage Vermutung hatte. Sie passierten die Brücke, das kleine Kassenhaus, und er ließ sich von Anya weiter über die Ebene führen. Bis zu einem Fleck, an dem der Lärm des Festes nur noch dumpf zu ihnen herüberwehte. Dort ließ sie sich mit einem erschöpften Seufzer nieder, und Zoltan setzte sich neben ihr ins Gras. Eine Weile schwiegen sie. Schließlich brach Anya das Schweigen.

    Hast du eine Zigarette für mich?

    Schweigend drehte Zoltan ihr eine, und für sich eine mit. Er selbst rauchte in letzter Zeit nur noch selten, und Anya eigentlich überhaupt nicht. Außer, das Gebot der Stunde verlangte dieses kleine Nervengift. Er nahm die Enden beider Zigaretten in den Mund, entzündete sie, indem er einmal kurz an ihnen zog. Sein Lieblingstrick, den er jedoch nie jemandem verriet. Er hatte ihn von einem übel aussehenden Burschen mit einer schwarzen Kapuzenjacke, dem er einmal bei einer wilden Schlägerei half. Zoltan diesen nahezu übernatürlichen Kniff zu verraten, war sozusagen die Belohnung für die Aktion. Er reichte Anya ihren Glimmstängel. Sie nahm ihn an, und eine weitere Weile saßen sie nur still da und rauchten. Bis sie wieder sprach.


    Ich weiß, du wolltest mir mit diesem Zeug hier einen Gefallen tun. Etwas Gutes, damit ich mal etwas anderes als unser olles Zelt sehe. Und das weiß ich zu schätzen. Wirklich. Aber irgendwie... sie stieß einen erneuten Seufzer aus und schüttelte mit dem Kopf.

    Das ist nicht meine Welt. So viele Leute. Überall, wohin man sieht. Du hättest diese beiden Frauen mal erleben sollen. Als du weg warst, haben sie sich auf mich gestürzt wie die Wölfe. Mich begrabscht, als wäre ich eine Puppe, und mir tausend Fragen gestellt. Ich dachte, dieses Angebot von ihnen wäre etwas für mich. Aber ich konnte nicht. Und als mir der Kragen geplatzt ist, haben sie mir zur Entschuldigung einen verdammten Tee angeboten. Sie drückte ihre Zigarette im feuchten Gras aus und wandte ihren Blick ab von ihm, in Richtung des vor ihnen liegenden Meeres.

    Warum können wir nicht normal und unauffällig sein? Warum zieht uns immer etwas oder jemand an den Haaren heraus aus dem Trubel und in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit? Ich hasse es. Ich möchte einfach meine Ruhe. Und du doch auch, oder nicht? Ich habe dein Gesicht gesehen, als du wiederkamst. Dieser Direktor, er hat dir auch irgendwie zugesetzt, nicht wahr?

    Zoltan schwieg. Irgendwie hatte er geahnt, dass es nicht nur für Anya, sondern für sie beide ein Sprung ins kalte Wasser wäre, sich einem solchen Spektakel auszusetzen. Sie waren beide nicht für so etwas gemacht. Ihre Heimat war die Abgeschiedenheit. Ein Platz, wo sie für sich waren und niemand sie belästigte. Aber so konnten sie nicht für immer leben. Irgendwann käme die Zeit, zu der sie erkennen würden, dass sie einen Ort brauchten, an dem sie sich dauerhaft niederließen. Einen Ort, an dem sie ihre Bestimmung fanden. Aber... vielleicht war diese Zeit noch nicht jetzt. Doch er wollte Anya nicht ihrem Kummer überlassen. Er rang nach Worten, die ihr Zuversicht schenken würden. Nach einer weiteren Weile des Schweigend glaubte er, sie gefunden zu haben.

    Sieh mich an, bat er sie sanft. Sie drehte sich zu ihm und ließ zu, dass er ihre Hände in seine nahm. Er sah ihr in die Augen und setzte zu seiner improvisierten Ansprache an.


    Wenn du meine Theorie hören willst: Die Leute dort draußen sind irgendwie einfach so. Sie wollen alles anfassen, alles wissen, mit allem in Berührung kommen. Wir leben in einer ziemlich entvölkerten Welt. Die Menschen, die wie treffen, stürzen sich aufgrund dieser Öde auf alles, was auf sie aufregend und neu wirkt. Und das sind Menschen wie wir für sie. Mich belästigen sie, weil sie mich für einen verwegenen Abenteurer halten, der tausend gute Geschichten auf Lager hat. Aber sie interessieren sich nicht dafür, dass die meisten dieser Geschichten nicht gut sind. Sie denken nicht darüber nach, was es in mir auslöst, wenn sie mich zwingen, all das Schlechte, das mir wiederfahren ist, hervorzuholen. Und dir... dir muss es ähnlich gehen. Von dir geht eine Art Leuchten aus. Man sieht dich an und hat das plötzliche Bedürfnis, mit dir zu reden. Dich kennenzulernen. Genau so ging es mir, als ich dich zum Ersten Mal gesehen habe. Und man hat es dir angesehen, du fandest es lästig. Weil du es tausend Mal schon erlebt hast und noch tausend Male erleben würdest. Uns haftet einfach etwas an. Wir können uns nicht dagegen wehren. Wir können nur lernen, damit umzugehen.

    Er richtete nun seinerseits seinen Blick auf das weite Meer. Anyas Gesicht war bei seinen Worten ruhiger und nachdenklicher geworden. Nun erzählte er ihr noch in knappen Worten von Johanns Angebot.

    Es ist sehr verlockend, aber... ich habe mich noch nicht entschieden. Ich wollte erst deine Meinung hören. Und wir sollten vielleicht tatsächlich über all das erst einmal schlafen und schauen, wie wir morgen darüber denken. Das war ein langer und anstrengender Tag, und es kam alles sehr plötzlich. Möglicherweise möchtest du dann doch noch einmal mit diesen Frauen reden. Sie wollten dir sicher nichts böses, sondern waren nur... sehr eingenommen von dir. Ich habe es vorhin gesagt. Etwas an dir treibt Leute offenbar dazu. Ich denke, sie mochten dich einfach, hatten aber nur eine ziemlich verquere Art, das auszudrücken. So geht es mir mit Johann, und wenn morgen alles anders aussieht, betrachte ich ihn vielleicht auch mit anderen Augen.


    Er beendete seine ausgesprochen lange und seriöse Ansprache mit einem Verziehen seiner Mundwinkel und ganz und gar unflätigen Worten.

    Wenn er nur nicht so ein beschissener Schleimbeutel wäre.


    Ein weiteres Mal seufzte er auf und wartete mit seinem Blick gen Sternhimmel gerichtet Anyas Antwort auf all seine Worte ab.

  • Der Wind wehte und ein paar Haarsträhnen flogen in ihr Gesicht.

    "Da sag ich dir gerade, dass ich diese beiden Frauen echt schrecklich fand und du meinst, sie taten es, weil sie mich mögen könnten? Ich habe Mühe, dir zu folgen." Sie machte eine Pause, denn sie hatte absolut nicht damit gerechnet, dass dieser Tag so eine Wendung nahm. Anya dachte eigentlich, sie kennt Zoltan gut. Es war noch gar nicht so lange her, da bat sie ihn in Hateno um Hilfe, weil das Gasthaus angegriffen wurde und sie erinnerte sich daran, dass er nur widerwillig dazu bereit gewesen war. Und auch vorher war er stets ein Eigenbrödler gewesen, den sie oft tagelang nicht gesehen hatte, obwohl er nur ein paar Meter weit weg hauste. Sie erinnerte sich daran, dass er immer allein am Tisch gesessen hatte damals und die Gäste stets abwimmelte, wenn sie ihn zum Kartenspielen auffordern oder plaudern wollten. Doch plötzlich schien sich seine Prioritäten verschoben zu haben?

    Was auch immer der Grund dafür war, war ihr schlicht entgangen.


    Sie überlegte. Konnte es sein, dass es ihm jetzt eben doch zu zu anstrengend geworden war, Tag ein Tag aus in der Wildnis zu leben? Es war ja nicht immer schön; erst vor kurzen waren sie in ein schlimmes Unwetter geraten, kauerten sich frierend und zittend in ihr Zelt zusammen, in der Hoffnung, die Zeltplane würde nicht davonfliegen. Und wenn man mal ehrlich war, bestand ihr Alltag eigentlich nur aus Nahrungsbeschaffung, Trainingseinheiten und Lagerfeuern. Für Anya war das ihr Traumleben, aber war es das auch für Zoltan?


    Ihr Blick wanderte zum Zelt. Sie seufzte. Ob sie nun die fröhliche Köchin an einem Stall spielte oder für einige Zeit die Schmuckstücke dieser beiden Damen trug; es machte eigentlich keinen Unterschied. Aber dass sich Anya über kurz oder lang damit abfinden musste, dass sich Zoltan dann doch nach mehr Gesellschaft sehnte, lag auf der Hand. "Lass es uns versuchen. Wenn wir hier ein paar Leute um uns herum haben und dabei noch etwas verdienen, dann kann das ja nicht schlecht sein", sagte sie schließlich. Ihr graute es bei dem Gedanken, noch ein weiteres Wort mit diesen Frauen wechseln zu müssen. Doch wenn das bedeutete, dass sie wenigstens vorrübergehend etwas Geld verdienen konnten und in Sicherheit waren, dann würde es das wert sein.


    Völlig begeistert war Anya davon nicht, aber sie spürte, dass Zoltan das vielleicht wollte. Und dem wollte sie nicht im Wege stehen. Schließlich hatte er es ihr vorgemacht; er hätte sie nicht zu ihren Eltern begleiten müssen, tat es aber. Er hätte auch mit Sebariell und den anderen mitziehen können, aber er blieb bei ihr. Jetzt war sie es, die seinem Instinkt folgen sollte. Und als sie so darüber nachdachte, fühlte es sich auch schon besser an.


    "Dann... dann bist du einverstanden?", hörte sie Zoltan fragen. Er klang etwas erstaunt.

    "Ja bin ich. Lass die Spiele beginnen!"

    Beide kiecherten, erhoben sich, nahmen sich an die Hände und gingen zurück zum Festplatz.

  • Es war nicht so, als wäre es Zoltan eine Herzensangelegenheit, die kommenden drei Tage in dieser Umgebung zu verbringen. Ihm war sehr wohl bewusst, dass er in den nächsten 48 Stunden nichts aufregenderes erleben würde als je eine halbe Stunde im Rampenlicht pro Abend. Dem Zirkusprogramm, welches es nun anzuschauen galt, blickte er auch nicht mit glühender Vorfreude entgegen, aber es hätte doch einen praktischen Nutzen: Er könnte sich vielleicht ein wenig abschauen, wie man sich vor einem großen Publikum verhielt, ohne sich völlig zum Narren zu machen. Die restliche Zeit würde er Gott weiß wie totschlagen müssen, denn sollte Anya sich tatsächlich dazu entscheiden, noch einmal auf das Angebot der Schmuckverkäuferinnen einzugehen, hätte sie wesentlich mehr zu tun als er. Es war ja durchaus nicht so, als könne er sich nicht selbst beschäftigen. Ein wenig mit Atreju die Gegend unsicher zu machen erschien ihm weitaus verlockender, als irgendwelche Hände zu schütteln und sich mit Zirkusartisten anzufreunden. Es war nicht so, als hätte er die Zusammenkunft mit Sebariell, Malkus, Brom und Symin damals als gänzlich unangenehm empfunden, aber auf Dauer war dieses "Wir sind hier alle gute Freunde"-Gehabe nichts für ihn.


    Nun aber war auch Anya von neuem Mut erfasst, die Sache anzugehen, und wie sie sagte: Dabei käme immerhin eine gute Stange Geld herum. Auch wenn er sich - wie so manches mal - darüber wunderte, wie ihre Stimmung so schnell die Richtung wechseln konnte. Manches Mal gäbe er doch gern seine linke Hand für ihre Gedanken. Ein Wunsch, der in diesem Moment jedoch eher unangebracht war, denn gerade befand sich seine linke Hand in Anyas rechten, und so kamen sie wieder vor dem Zelt an, wo gerade - milde ausgedrückt - die Hölle los war. Die Show war offenbar kurz davor, zu beginnen, und es wirkte, als hätten die Hundertschaften der Festbesucher sich dazu verabredet, sich alle gleichzeitig hineinzudrängen. In dem Getümmel konnte Zoltan das Gesicht eines der beiden Sicherheitsmänner ausfindig machen, der nun jedoch gar nicht mehr stumm und ausdruckslos wirkte. Sein Gesicht war vor Anstrengung, die Massen zurückzuhalten, verzerrt, und er brüllte Worte, die jedoch im Stimmgewirr untergingen.

    Himmel hilf, sagte er zu Anya. Lass uns lieber warten, bis das Chaos sich beruhigt hat. Lieber stehe ich auf einem der billigen Plätze, als mich da jetzt dazuzuquetschen.

    Sie nickte bestätigend. Als wären wir auf dieser ganzen Veranstaltung die einzigen vernunftbegabten Lebewesen, dachte Zoltan grimmig. Doch nach einiger Zeit schien auch den restlichen zahllosen Besuchern ein Licht aufzugehen. Endlich kam Ordnung in das Gewühl, und sie sortierten sich in Schlangen, die langsam, aber stetig ins Innere verschwanden. Na bitte, warum nicht gleich so? Aber es lag schon den ganzen Abend in der Luft: Das hier war nun einmal nichts alltägliches, sondern ein Ereignis, über das viele der hier Versammelten noch in Jahren sprechen würden.


    Weitere endlose Minuten später hatten auch sie es ins Zelt geschafft und Plätze ergattert, die zwar recht weit hinten lagen, aber dennoch einen guten Blick auf die Manege boten. Sie befanden sich sogar in guter Nähe zum Ausgang - was im Notfall nicht verkehrt war. Das Verhalten der Leute vorhin gab einen guten Vorgeschmack darauf, wie diese Idioten sich aufführen würden, sollte ein Feuer ausbrechen oder so etwas in der Art. Anya und er wären schnell genug draußen, um nicht von einer verängstigten Herde niedergetrampelt zu werden. Aber er wollte nun nicht den Teufel an die Wand malen, und mittlerweile, da jeder seinen Platz hatte und das laute Gerede abnahm, trat aus einer Öffnung am hinteren Ende der Manege die mittlerweile vertraute Gestalt Johanns. Der Lärm schwoll erneut an. Beifall erhob sich, Pfiffe schrillten durch die Luft, und der Direktor schien es - wie sollte es auch anders sein? - äußerst zu genießen. Er strahlte umher, verbeugte sich in jede Richtung, und man bekam fast den Eindruck, er selbst wäre die Hauptattraktion des Abends. Er musste sich wahrlich lange auf diesen Moment vorbereitet haben. Nach etlichen "Willkommen!"-Rufen folgte eine inbrünstige Rede darüber, wie sehr er den Zirkus als Kind zu lieben gelernt hatte, und welch großer Traum für ihn damit in Erfüllung geht, heute hier zu stehen und sie allesamt zu einem nie dagewesenem Spektakel begrüßen zu dürfen. Man musste es diesem Mann lassen, er war gut, und seine Leidenschaft absolut glaubwürdig.


    Mit einigen weiteren großen Gesten überließ er die Manege nun der ersten Gruppe von Künstlern. Drei junge Frauen, die zu Musik, die aus allen Richtungen zu kommen schien, eine wohlchoreografierte Tanzeinlage darboten. Zoltan hätte zum Auftakt etwas spektakuläreres erwartet, doch die Menge verstand es, die Stimmung mit anzuheizen und die Instrumente klatschend und stampfend zu begleiten. Schon nach kurzer Zeit war dieser Auftritt beendet, und die Damen überließen die Show einem Ensemble von Clowns, die sich pointiert mit Wasser aus an ihren breiten Krägen angebrachten Blumen bespritzten, mit Gummiknüppeln aufeinander eindroschen und sich zum Finale im Zuge einer Rangelei gegenseitig die Pappnasen und Perücken herunterzerrten, um diese in das seh- und hörbar amüsierte Publikum zu werfen.


    Nachdem auch sie Spaßmacher abgezogen waren und der letzte Applaus verklungen war, legte sich Stille um die Manege, und wie von Zauberhand erloschen die Fackeln, die ringsherum bisher für Licht gesorgt hatten. Die Spannung war im Zelt greifbar, und schließlich, begleitet von dröhnenden Paukenschlägen, trat im Dunkel die gerade noch sichtbare Silhouette eines Mannes in die Mitte. Ein Trommelwirbel erklang, während der Artist einen langen Stab in seiner Hand entzündete. Er führte das brennende Ende langsam, wie um die Erwartung der Besucher auszukosten, an seinen Mund. Eine Stichflamme loderte auf, und der Mann begann, sich rasend schnell um die eigene Achse zu drehen. Ein immer größer werdender Feuerring breitete sich um ihn herum aus, und gerade, als dieser drohte, das zurückweichende Publikum in der ersten Reihe zu versengen, entzündeten sich die im Kreis aufgestellten Fackeln erneut, und der Feuerspucker beendete seinen Tanz. Dieser dramatische Einstieg in seine Show wurde lautstark honoriert, und nun, im Schein des Feuers, war auch der Urheber des Spektakels gänzlich sichtbar. Ein überraschend junger Bursche, vermutlich gerade einmal ins Mannesalter übergetreten. Er trug eine offenbar feuerfeste Rüstung, die der, die Zoltan bis vor einer Weile bevorzugte, nicht unähnlich war. Um jedoch die Leidenschaft für sein Element zu betonen, war diese mit Intarsien in kräftigem Orange versehen. Mit erhobenem Kinn und einem arroganten Lächeln auf dem Gesicht, das nicht ganz seine Augen erreichte, nahm der Jüngling seinen Beifall entgegen. In seiner Miene verriet nichts Dankbarkeit oder Freude darüber, dort zu stehen und mit Jubel übergossen zu werden, es schien für ihn eine Selbstverständlichkeit. In den darauf folgenden Minuten gab er sich ganz seiner Einlage hin. Er wirbelte und sprang, den brennenden Stock wirbelnd, umher, hielt hier und da inne, um das Feuer zu schlucken und in einer gewaltigen Stichflamme wieder auszuspucken. Obwohl er gut sichtbar immer wieder kleine Schlucke einer klaren Flüssigkeit in den Mund nahm, um das Feuer anzuheizen, wirkte es trotzdem so, als würde er es geradewegs aus seinem Körper speien wie ein Drache. Zoltan bemerkte, dass der junge Künstler scheinbar einige begeisterte Bewunderer unter den Zirkusbesuchern hatte - immer und immer lauter skandierten sie den Namen "Janosz!", der offensichtlich zu dem Mann in der Manege gehörte. Als sein Programm schließlich endete, ließ er noch einmal mehr die Gunst des Publikums über sich hereinbrechen. Falls möglich, wirkte er noch überheblicher als zu Beginn. Ein letztes Mal warf er ein vom Flackern seiner kalten Augen begleitetes Lächeln in die begeisterte Runde, bevor er wieder hinter die Kulissen verschwand.


    Zoltans Entschluss, nicht zu viel mit den Künstlern zu tun haben zu wollen, wurde mit diesem Auftritt bekräftigt. Die Haltung des jungen Mannes erinnerte irgendwie stark an ihn selbst, und er fürchtete, sollte er diesem Kerl als eine Art Konkurrent im Buhlen um die Gunst des Publikums begegnen, käme es zu unschönen Reibereien. Nicht, dass er sich vor einem feuerspuckenden Knirps, so talentiert er auch sein mochte, fürchtete - aber er würde den weiteren Aufenthalt in Akkala lieber ohne unnötige Scherereien hinter sich bringen.


    Die nächste Nummer konnte mit der voherigen nicht mithalten. Ein Zauberkünstler führte allerlei Taschenspielertricks auf, die man so oder so ähnlich an jedem Stall vorgeführt bekam. Im Gegensatz zu Zoltan selbst, der während eines besonders ausladendem Kartentrick ein Gähnen unterdrücken musste, war das Publikum doch sehr angetan und quittierte jede Pfuscherei des Zauberers mit einem kollektiven "Ooooooooh!"


    Doch auch dieser Akt fand bald ein Ende, und gerade, als Zoltan sich fragte, ob nun wieder etwas interessantes folgen würde, trat Johann in die Manege. Er verkündete, dass die erste Hälfte der Show nun um war und dem Publikum eine viertelstündige Pause gegeben war, um sich zu verköstigen und über das Erlebte auszutauschen. Sein Blick wanderte anschließend noch einmal langsam durch die Menge, bis er dem Zoltans begegnete. Er wank ihm kurz so freudestrahlend zu, als hätte er die Schroffheiten während ihrer letzten Begegnung vergessen. Die Luft im Zelt war nun doch recht stickig, und seine Beine sehnten sich danach, nach all der Steherei ein wenig in Bewegung gebracht zu werden.

    Lass uns an die Luft gehen, schlug er Anya vor. Und hoffen, dass uns niemand diese Plätze klaut.

  • Obwohl der Ausgang nicht so weit weg war, dauerte es noch einen Moment, bis Anya und Zoltan das Freie erreicht hatten. Am Auslass war es nochmal richtig eng geworden und das unfreiwillige Gruppenkuscheln war zum Glück binnen weniger Augenblicke vorbei.


    Draußen war es inzwischen deutlich kühler geworden; jedenfalls fühlte es sich so an. Aber die angenehme Salzluft des nahen Meeres tat sehr gut. Beide überlegten kurz, ob sie sich nun irgendetwas zu Essen oder Trinken holen sollten, doch sie entschieden sich schnell dagegen. Zum einen drängten die Massen auf jeden Verkaufsstand zu, sodass innerhalb von Sekunden lange Schlangen entstanden und außerdem hatten Anya und Zoltan vor der Show eigentlich schon genug gegessen und getrunken. Mal abgesehen davon, dass sie es nicht einsahen, nun mal eben 10 Rubine für einen Becher Wasser zu bezahlen. Säfte und alkoholische Getränke kosteten entsprechend noch mehr.

    Also standen beide da und atmeten die frische Luft ein. Anya bemerkte etwas seltsames: Ihr Körper bebte irgendwie. Sie hatte weiche Knie und schnellen Herzschlag. Doch es fühlte sich fantastisch an! So etwas ähnliches hatte sie schon mal gespürt; vor nicht all zu langer Zeit in Hateno und Kakariko, doch da hing es mit der Gefahr zusammen. Doch hier gab es das nicht, hier gab es das Gegenteil. Schnell wurde ihr klar, was sie fühlte: Aufregung! Nervenkitzel! Begeisterung!

    "Ich habe in meinem ganzen Leben noch niemals soetwas gesehen!", prustete es schlagartig aus ihr heraus. "Der Typ mit dem Feuer! Wie macht man denn sowas? Wie kann er sich nicht alles verbrennen? Ich würde mir sowas niiiiiiiemals zutrauen. Lieber springe ich vom Sturmkap ins Meer!"

    Anyas Äußerungen wurden von Zoltan mit einem prüfenden Blick samt hochgezogener Augenbraue erwidert. "Soso. Vom Sturmkap. Wollen wir es mal testen?"

    "Ähm, ach weißt du, mir ist der Weg gerade etwas zu lang dorthin. Sollten wir mal zufällig in die Nähe kommen, dann beweise ich es dir!", entgegnete sie und kratze sich am Kopf, wohl wissend, dass sie niemals auch nur in die Nähe des Sturmkaps gehen würde, da Daskida nebenan war und sie für den Rest ihres Lebens einen großen Bogen darum machen würde. Auch Zoltan wusste das und sah sie schelmisch grinsend an, während er sie in den Oberarm boxte. "Kleines Großmaul!", neckte er sie.


    Unbeeindruckt davon quasselte Anya weiter: "Und jetzt gleich geht es sogar noch weiter. Ich kann mir gar nicht vorstellen, was jetzt noch kommen soll. Wie kann man das steigern? Was wird wohl als nächstes passieren? Ich bin schon so aufgeregt! Ehrlich, ich hatte keine Vorstellung davon, was uns hier erwartet. Und ich bin froh, dass wir hierhergekommen sind. Obwohl wir es uns eigentlich nicht leisten können, ist es jeden Rubin wert. Ich war schon lange nicht mehr so hin und weg."

    "Du erstaunst mich die ganze Zeit", unterbrach sie Zoltan. "Du hast Stimmungsschwankungen und machst es mir unmöglich, dich einzuschätzen. Aber es fühlt sich gut, wenn du glücklich bist." Er machte eine kleine Pause und schaute in den Sternenhimmel. Dann fuhr er fort. "Der Feuerspucker, Janosz oder so, war ganz gut. Aber hast du seinen Gesichtsausdruck bemerkt?"

    "Nö, was war denn mit ihm?"

    "Ach, nichts besonderes. Ich fand nur, dass er etwas überheblich wirkte."

    "Also, wenn ich sowas Außergewöhnliches könnte, wäre ich auch stolz auf mich. Und würde dann wohl auch so gucken."

    "Du kannst außergewöhnlich gut kochen und guckst trotzdem nicht so."
    Anya lachte und schüttelte mit dem Kopf. Zoltan wieder. Naja, wenn sie ehrlich war, war sie genauso wie er. Normalerweise. Wenn sie irgendwo Rast machten, leuchtete Anya auch stets die Gesichter der anderen ab. Aber hier war sie so von den Aufführungen und überhaupt von allem so begeistert, dass sie ganz andere Dinge im Kopf hatte.


    Es war wahrlich etwas wirklich schönes, daran bestand kein Zweifel. Wenn es sowas früher auch schon gegeben hätte, als Anya noch ein Kind war, dann hätte sie sicher ihre Berufung darin gefunden. Sie merkte, wie sie die ganze Zeit nur grinste und sah auch in den Gesichtern der anderen Heiterkeit.


    Eine kurze, aber steife Brise bließ aus Richtung Küste über die Halbinsel und auf Anyas Armen entstand eine kleine Gänsehaut.

    "Lass uns reingehen. Die Pause ist eh gleich um und dann strömen die Leute wieder alle gleichzeitig ins Zelt. So haben wir noch Chancen, unsere Plätze wieder zu bekommen."

    Gesagt, getan. Und tatsächlich waren ihre Plätze noch frei. Freudig erwartete Anya den Beginn des zweiten Teils.

  • Während der Zeit, die sie außerhalb des Zeltes verbracht haben, hatte sich im Inneren der Manege etwas getan: Zu beiden Seiten waren nun mit Leitern versehene Plattformen aufgestellt, und unterhalb der Zirkusdecke, etwa fünf Meter über dem Boden, baumelten an beiden Seiten mit starken Seilen befestigte Stangen von der Decke herab. Zoltan warf einen kurzen Seitenblick auf Anya und lächelte kurz: Wenn der wagemutige Feuerspucker in der ersten Hälfte sie schon so sehr beeindruckt hatte, würde sie das hier lieben. Er hatte von Trapezkünstlern gehört, aber nie welche in Aktion gesehen. Wie auch? So etwas ließ sich nirgendwo sonst so einfach bewerkstelligen.


    Unter dem tosenden Applaus der nun gefütterten und gewässerten Menge, die nach mehr Attraktionen dürsteten, betraten drei in enge Kostüme gekleidete Menschen die Manege: Zwei Frauen und ein Mann mit feinen Gesichtszügen, die mit ihrem silberblondem Haar und ihren zierlichen Gestalten einander so sehr ähnelten, als wären es Drillinge. Wie aufeinander abgestimmt verbeugten sie sich elegant vor dem Publikum, bevor sie ihre Plattformen bestiegen. Die allgegenwärtige, aber für das Publikum unsichtbare Zirkusband spielte dramatische, melancholische Musik. Perfekt darauf abgestimmt, wie die Akrobaten in der Luft sich drehten, mehrfach überschlugen und einander auffingen. Zoltan vermutete, dass sie sich nicht in allzu großer Lebensgefahr befanden - fünf Meter waren nicht unbedingt hoch genug, um bei einem Fall tödlich zu sein, und sicherlich beherrschten sie die Kunst, sich im Falle des Falles mit einer gekonnten Rolle bei Bodenkontakt abfangen zu können. Aber dennoch war der Tanz, den die agilen Körper in der Luft vorführten, ein beeindruckender Anblick. Der Abschluss und Höhepunkt der Show war, als sich der Mann inmitten der beiden Plattformen an zwei Ringe klammerte und begann, sich daran zu überschlagen. Immer und immer wieder, immer schneller. Während seine beiden Schwestern - Zoltan vermutete einfach, dass es sich um Geschwister handelte, so eingespielt, wie das Trio war - auf jeweils einer gegenüberliegenden Plattform Stellung bezog. Ihre Hände umklammerten die Trapezstangen, und sie bereiteten sich auf den Absprung vor. Und sprangen ab. Im hohen Bogen, sich in der Luft überschlagend, segelten sie über ihren sich nun schwindelerregend wirbelnden Bruder - und landeten unter den "Ooooh"-Rufen des Publikums leichtfüßig auf dem Boden der anderen Plattform. Der schwingende Mann kam abrupt zum Halt, seine Beine gen Boden zeigend, ließ seine Ringe los und sich zu Boden fallen. Wie eine Katze landete er auf allen Vieren, um sich sogleich zu erheben und sich mit ausgebreiteten Armen verbeugte. Das Publikum raste.


    Und Zoltans Unterarm schmerzte, denn Anya hatte ihn bei diesen halsbrecherischen Aktionen so oft mit der Hand umklammert, als befände er sich in einem Schraubstock. Scheinbar merkte sie es gar nicht einmal, denn ihr Blick war so fasziniert auf das Treiben in der Manege gerichtet, als würde ein Magnet ihre Augen dorthin ziehen. Dem atemberaubenden Spektakel folgte eine Verschnaufspause. Anscheinend wohldosiert, um die klopfenden Herzen der Menge zu beruhigen, spielte sich als nächstes ein Puppentheater ab. Ein ziemlich pikantes, wie Zoltan befand. Denn die Hauptfiguren spielten veralberte Versionen der sagenhaften Recken und Prinzessin Zelda, die eine noch viel veralbertere Version der Verheerung verdroschen und siegreich davonzogen. Diese absurde Verzerrung der Ereignisse schien jedoch die Menge nicht davon abzuhalten, lauthals zu lachen. Anscheinend genossen diese gebeutelten Menschen die Wunschvorstellung, dass es so hätte enden können und die kargen Verhältnisse, in denen sie nun zu leben hatten, nicht existieren würden. Zoltan verdachte es ihnen nicht. Träumen sollte in diesen Zeiten erlaubt sein, vor allem an diesem magischen Abend.


    Es folgte Auftritt Nummer Drei. In Vorbereitung dessen trugen drei Goronen äußerst schwer aussehnde Hanteln in die Manege. Und machten Platz für einen Mann, wie Zoltan ihn noch nie gesehen hatte. Es war ein Riese, eine andere Beschreibung gab es dafür nicht. Über zwei Meter groß, doppelt so breit wie ein normaler Mensch und mit Oberarmen so dick wie der Hals eines Pferdes. Sein dunkelbraunes Haar war bis auf die Kopfhaut kurzgeschoren, und er zeigte ein Grinsen, das Zähne von der Größe eines kleinen Backsteins entblößte. Heilige Scheisse, dachte Zoltan. Der Kerl hat doch definitiv Goronenblut in den Adern!

    Anya neben ihm schien ähnliche Gedanken zu haben.

    Ist das wirklich ein Mensch?, flüsterte sie ihm zu, ohne die Augen von dem Koloss zu richten. Und nicht bloß ein Gorone, der sich als Hylianer verkleidet?

    Er hat zumindest spitze Ohren, raunte Zoltan zurück. Und ich glaube, er will etwas sagen!

    In der Tat. Der Riese ließ sich bejubeln, winkte bescheiden umher und erhob seine Stimme. Grollend wie Donner.

    Ich bin Rasputin! Der stärkste Mann Hyrules! Und diese Hanteln, die meine Goronenbrüder unter schwerster Anstrengung hier hereintrugen - ha! Nichts als eine Fingerübung für mich! Jubelt für mich!

    Unter dem Getose des Publikums warf er lachend seinen großen Kopf in den Nacken und lachte aus vollem Herzen. Immerhin - im Gegensatz zu Janosz, dem Feuerspucker, wusste dieser Kerl seine Bewunderer aufrichtig zu schätzen.

    Die Trommeln wirbelten, und ein Dudelsack spielte eine antreibende Melodie, als Rasputin die anscheinend leichteste der Hanteln, die aussah, als würde sie nicht weniger als 100 Kilogramm wiegen, mit einem Arm hochhob und spielerisch über seinem Kopf kreisen ließ. Vielleicht war es die treibende Musik, doch zum ersten Mal an diesem Abend war Zoltan wahrlich gefangen. Er erwischte sich dabei, wie er es Anya gleichtat und sich im Takt der Klänge leicht hin und her bewegte. Der vor Freude lachende Rasputin ließ seine Hantel mit einem BUMMS!, dass den Innenraum des Zeltes erschütterte, zu Boden fallen. Der ultimative Beweis dafür, dass es sich hierbei nicht um Attrappen handelte.

    Und nun, donnerte der offensichtlich gesprächigste Künstler des Abends, zeige ich euch mal, wozu ein Nachfahre des Großen Gabora in der Lage ist! Jaaaaaaaaa!

    Er bückte sich und griff mit jeweils einer Hand nach den beiden Hantelstäben zu seiner Seite. Die Gewichte an den Enden sahen aus, als würden sie Tonnen wiegen.

    Gar... kein... DIIIIIIIIIIIIIIIING! brüllte er, und hielt beim letzten, langgezogenem Wort beide Hanteln über seinem Kopf in die Höhe.

    YAAAAAAAAAAAAAAAAAAA!, donnerte er, und ließ ein weiteres Mal die grotsek anmutenden Gewichte auf den Boden krachen. Diesmal vibrierte es nicht nur kurz, ein regelrechtes Erdbeben ging durch das Zelt. Anya stolperte gegen Zoltan, der ebenfalls kurz einige Milimeter vom Boden abhob und dessen Zähne hart aufeinanderschlugen, während seine Inneren Organe sich neu zu sortieren schienen. So, wie das restliche Publikum entsetzt aufschrie, hatten sie eine ganz ähnliche Sensation empfunden. Glücklicherweise hatten sie in der Pause auf Essen und Getränke verzichtet, sonst hätte er sich nun übergeben. Doch alle hatten sich relativ gefasst, und nun schlug dem Hünen, der mit breitem Backsteingrinsen in die Menge seine Fäuste schüttelte, Applaus entgegen, der brachialer war als die Einschläge seiner Eisenhanteln.


    Rasputin verzog sich, und nur langsam ebbte der Applaus ab. Als schließlich absolute Stille herrschte, tat sich in der Manege noch immer nichts. Dann jedoch begannen die nicht sichtbaren Musiker, exotisch anmutende Musik zu spielen. Durch das Zelt wehte plötzlich ein Wind, der den Sand innerhalb der Bühne aufwirbelte. Undurchsichtbar, wie ein tatsächlicher Sandsturm. Und während die Musik, die Zoltan nun als eine Volksmelodie der Gerudo erkannte, von Trommelschlägen untermalt wurden, kam - nein, viel mehr schwebte - eine sehr große, hagere Frau in die Manege. Der "Sandsturm" legte sich und offenbarte die Artistin. Die Frau trug kurze, dunkelblaue Plunderhosen passend zu einem seidig wirkendem Oberteil und einen gleichfarbigen Turban auf dem Kopf. Während sie still, mit vor der Brust aneinandergelgten Händen und geschlossenen Augen dastand, brachten die Zirkushelfer ihre Requisiten. Ein mannslanges Brett mit beunruhigend langen, spitzen Nägeln, einen Behälter voller armlanger, dünner Nadeln und ein gefährlich scharf aussehndes Schwert. Wobei "gefährlich scharf" noch untertrieben war. Als Experte erkannte Zoltan auf die Entfernung, dass diese Klinge fähig wäre, selbst Goronenhaut wie Butter zu zertrennen.


    Doch zunächst nutzte der braungebrannte Frau aus Gerudo - zweifellos kam sie dorther - nichts davon. Zu den Klängen der Musik, die nun eine eigene Sprache sprach, begann sie sich anmutig zu bewegen. Ihr Körper wiegte gleich dem einer Schlange anmutig umher, mit ihren Händen und Armen vollzog sie wellenartige Bewegungen, sie schien wie in einem Rausch. Die Musik steigerte sich. Ihre Bewegungen wurden schneller, heftiger, nun begannen auch ihre Beine, sich dem Tanz anzuschließen. Die Menge war stumm vor Staunen. Und so ließ sich auch vernehmen, dass die Tänzerin nun in eine Art Gesang verfiel. Kehlige, melodische Laute, die sich in die Musik des Orchesters woben. Sie stand mit dem Rücken zu jenem Nagelbett, welches zuvor hereingebracht wurde. Und ließ sich nun mit einem durchdringenden Aaaaaaaaaaaaaaayaaaaaaaah! im Rückwärtssprung, in hohem Bogen, auf eben jenes fallen. Wieder umklammerte Anya Zoltans Unterarm, so stark, wie bisher nicht. Und er selbst hielt ebenfalls den Atem an. Wurden sie hier Zeuge eines Selbstmordrituals? Vor seinem Inneren Auge sah er bereits, wie die Spitzen durch den hageren Körper der Wüstenfrau drangen und diese qualvoll röchelnd ihr Leben aushauchte. Doch nichts dergleichen geschah. Die Frau mit dem Turban landete auf den Spitzen, als hätte ihr Rücken eine solide Matratze berührt. Wenn dies kein Trick war, mussten ihre Rückenmuskeln aus Stahl sein. Anyas Griff lockerte sich, und allmählich wünschte er sich, seine Muskeln wären aus Stahl. Zumindest die an seinem Unterarm. Morgen würde es dort vorzügliche Druckstellen geben.


    Als nächstes begann diese offenbar völlig schmerzfreie Gerudo, sich lange, spitze Nadeln durch Hände, Arme und Beine zu bohren. Sie zuckte nicht mit der Wimper, nicht mit dem Mundwinkel, kein Tropfen Blut verließ ihren Körper. Im Gegenteil, sie schien putzmunter. Im Rythmus der Musik tanzte sie durch die Manege, ein menschliches Nadelkissen. Dann ein plötzliches Innehalten aller Instrumente. Seelenruhig zog sie sich eine Nadel nach der anderen aus den Gliedmaßen, und ließ sie neben sich auf den Boden fallen. Dann griff sie zu dem gefährlich scharf geschliffenem Schwert, welches ihr als Requisite diente. Und in der angespannten Stille ergriff sie erstmals das Wort. Mit einer Stimme, die außergewöhnlich sanft klang für einen Menschen, der seinen Körper großer Pein aussetzte, ohne, dass ein Schmerzenslaut über seine Lippen drang.

    Mein Name, verehrtes Publikum, ist Santiana. Ich komme aus den Weiten der Gerudowüste. Ich habe euch mit meiner Fähigkeit, dem Schmerz zu widerstehen, bisher beeindruckt. Doch nun! Nun werde ich mir diese Klinge durch den Mund bis zu meinem Magen einführen. Und manch einer mag glauben, dies wäre ein Trick!

    Herausfordernd blickte sie sich in der Menge um.

    Doch so ist es nicht. Die Geister meiner Vorfahren verraten mir, dass sich unter uns ein junger Mann befindet, der bestätigen kann, dass diese Klinge aus echtem Stahl, scharf und gefährlich ist. Doch mir liegt es fern, ihn hierher zu bitten und dies vor allen Augen zu bestätigen. Er wird noch genügend Zeit in diesem Rund verbringen. Verlasst euch, ehrenwertes Publikum - sie machte eine Kunstpause - bis dahin darauf, dass diese Klinge echt und scharf ist!

    Und mit einer raschen Bewegung fuhr sie die Schneide des Schwertes über ihren Unterarm, und diesmal spritzte in der Tat Blut. Ein kollektives Stöhnen drang druch die Menge. Santiana schien sich aus dem kollektiven Entsetzen nichts zu machen. Milde lächelnd, die Schnittwunde ignorierend, legte sie den Arm, der das Schwert hielt, zur Seite.

    Also dann. Ich erbitte die Trommeln!

    Und die Trommeln spielten einen sich langsam steigernden Takt. Santiana hob, beide Hände an den Griff gelegt, das Schwert, und lehnte ihren Kopf zurück. Bis die gefährlich spitze Klinge auf ihren geöffneten Mund zeigte. Und geöffnete Münder hatte auch das Publikum.

    Anya!, zischte Zoltan. Du brichst mir gleich den Arm!

    'Tschuldigung, antwortete die Angesprochene, und klammerte sich, ohne ihren Blick von der Manege zu richten, in den Schultersaum von Zoltans Hemd.

    Unter den entsetzten und teils angeekelten Rufen des Publikums ließ Santiana Stück für Stück die tödliche Klinge in ihrem Rachen verschwinden, bis es nur noch bis zur Parierstange aus seinem Mund ragte. Für einen kurzen Augenblick streckte sie beide Arme von sich, und führte sie dann an den Griff, um es langsam wieder herauszuziehen. Die Klinge blitzte nach wie vor im Licht der Fackeln, kein Blut war zu sehen. Das Publikum explodierte.


    Danach war die Show vorbei. Es folgte eine erneute, lange leidenschaftliche Rede Johanns, dessen Blick offenbar Zoltan erfasst hatte und ihm bedeutete, gleich danach zu ihm zu kommen. Doch für's Erste ließ er sich dazu hinreißen, gemeinsam mit der begeisterten Menge zu applaudieren. Die Ovationen schienen kein Ende zu nehmen. Schließlich beugte sich Zoltan zu Anya.

    Sieht so aus, als würde mein Arbeitgeber für die nächsten zwei Tage mich sprechen wollen. Magst du mitkommen? So dämlich, wie der schon wieder grinst, bräuchte ich vielleicht etwas moralische Unterstützung....

  • Anya hob die Hände und wiegelte ab. "Nee, lass mal. Die Freude darfst du allein haben. Ich gehe zu den Pferden und schau nach, ob alles in Ordnung ist und unsere Sachen immer noch da sind."
    "Soll ich dich begleiten?"
    "Nein, du hast eine Verabredung mit John, oder wie der heißt. Und die paar Schritte schaffe ich schon. Nun geh."

    Zoltan nickte, sah sie noch eine Sekunde lang an und ging fort. Es fiel ihm immer noch etwas schwer, Anya aus den Augen zu lassen, aber sie war ihm keineswegs böse deswegen. Er hatte sehr gute Fortschritte gemacht und inzwischen ließ er ihr genug Freiraum und traute ihr zu, mal für ein paar Minuten allein zu sein. Sie war sehr froh darüber.


    Einige Augenblicke später war sie bei dem kleinen Verschlag, auf dem die Pferde standen. Beiden ging es gut und sie grasten friedlich. Auch der Besitz, die großen prallgefüllten Taschen, waren noch an Ort und Stelle. Wenn diese weggewesen wären, wäre das eine unvorstellbare Katastrophe gewesen. Aber Anya hatte sie gut in einem Busch versteckt und bei der Dunkelheit, die inzwischen herrschte, waren sie überhaupt nicht mehr auszumachen. Wenn man nicht wusste, dass sie da sind, würde man nie drauf kommen.


    Anya öffnete ihren Rucksack und kramte ihren dicken Poncho raus. Es war so angenehm, als dieser ihre kalten Arme sofort wärmte. Inzwischen verließen auch schon viele Besucher das Gelände und gingen laut brabbelnd ihres Weges. Bis zu beiden Ställen wurde der Weg mit Fackeln erleuchtet, die in regelmäßigen Abständen von einander standen. Es würde nahezu ausgeschlossen sein, dass Anya und Zoltan für heute Nacht noch freie Betten in einer der Ställe bekamen und es gab weit und breit keine Siedlung. Die kommende Nacht würde eisig werden, denn der Wind bließ inzwischen stark und kräftig vom Meer herüber. Einige Bäume in der Nähe knarrten sogar schon.


    Vor einigen Wochen konnten sie zwei alte Pferdedecken beim Stall der Sümpfe erstehen. Anya beschloss, Atreyu und Seven damit einzuhüllen. Beide waren robuste Tiere, doch ihr war es sicherer so. Ein krankes Pferd war das Letzte, was sie gebrauchen konnten.

    Während sie die Decken auf die Pferde warf, wurde ihr bewusst, dass das Leben draußen in der Natur wirklich schön war, aber es hing alles inzwischen von so vielen Faktoren ab. Weder Zoltan noch sie konnten es sich leisten, sich ernsthaft zu verletzen, die Pferde mussten gut versorgt werden und ihre Habe durfte nicht verloren gehen. Solche Sorgen hatte Anya in all der Zeit nie wirklich gehabt, als sie jahrelang mit Tristan durch Hyrule zog. Ja, ihr treuer Esel bedurfte selbstverständlich auch eine gute Fürsorge und letztlich musste sie auch einsehen, dass er zum Schluss am Ende seiner Kräfte war, aber dennoch war es leichter, nur auf ihn und sich Acht zu geben.


    Atreyu war etwas unruhig geworden, weil die vielen Leute alle so laut waren. Er war bis vor einigen Monaten noch ein Wildpferd und so viele Menschen hatte er wahrscheinlich noch nie auf einmal gesehen. "Oh mein Süßer, ich weiß genau, wie es dir geht", sprach Anya mit ruhiger Stimme. Sie holte einen Apfel aus dem Proviantsack und hielt ihn Atreyu entgegen. Er ließ es sich schmecken. Während er fraß, kraulte sie ihm den Nacken. Das half ihm immer. Seine Augen schlossen sich und sein Kopf senkte sich. Er winkelte den rechten Hinterhuf an und man merkte, wie er sich wieder beruhigte.

    Atreyu war ihr manchmal recht ähnlich. Er ertrug Gesellschaft, aber nicht ständig und auch nicht unbegrenzt. Am besten schien es ihm zu gehen, wenn er einfach irgendwo seine Ruhe hatte. Anya summte leise eine Melodie und kraulte ihn weiter. Auch sie selbst wurde dadurch ruhiger.


    Der Abend war schon sehr besonders gewesen und sie war sich sicher, dass sie das niemals vergessen würde. Und vermutlich konnte sie die Aufführung noch ein paar Mal bestaunen, denn Zoltan war offensichtlich von dem Chef hier angeheuert worden. Anya konnte sich nicht wirklich vorstellen, was genau Zoltans Rolle hier sein würde. Auf jeden Fall, da war sie sich sicher, würde sie sehr stolz auf ihn sein, wenn sie ihn dann vor einem großen Publikum irgendwelche Kunststücke vorführen sah. Ob es den Leuten dann auch genauso gefallen würde, wie all die Attraktionen der anderen?

    Für sie selbst wäre das absolut nichts. Sofort dachte sie an die Monate in Hateno zurück, als sie jeden Tag lang vor den Gästen eine Show spielen musste - eine andere Show, nämlich die der fröhlichen und gastfreundlichen Kellnerin und Köchin, während sie innerlich immer aggressiver wurde. Schon das war ihr eindeutig zu viel Aufmerksamkeit gewesen. Zwar war ihre Aufgabe für die nächsten Tage, irgendwelchen Schmuck zu tragen und sich angucken zu lassen, aber es war ja nur für kurz. Ihr fiel ein, dass sie noch gar nicht wusste, welchen Lohn sie dafür bekommen würde. Aber das wollte sie heute nicht mehr besprechen. Im Moment war ihr es wichtiger sich zu überlegen, wo sie heute Nacht schlafen sollten. Das Zelt und die Pferde mussten einigermaßen windgeschützt stehen, aber so spontan fiel ihr hier in der Nähe nichts ein. Vielleicht neben einem der Ställe?


    Und dann hörte sie Schritte. Atreyu öffnete die Augen und schnaubte, während Anya sich den Schritten zuwandte. Es war Manu. Die bemerkte schnell, dass sie sich wohl zu sehr angeschlichen hatte und bleib direkt stehen. "Oh, verzeih mir. Ich wollte mich nicht so anschleichen."

    "Schon okay. Was gibt´s denn?"

    "Also Raja und ich wollen uns gern mit dir für morgen früh verabreden und naja, ich wollte dich fragen, ob du Zeit hast?"

    "Na klar." Anya kaute auf ihrer Lippe. Sie hoffte, dass "morgen früh" nicht kurz nach Sonnenaufgang bedeutete.

    "Perfekt. Ähm, wo können wir euch denn finden?"

    "Ehrlich gesagt, keine Ahnung", seufzte Anya. "Mal schauen, wo wir heute übernachten können. Die Ställe fallen als Möglichkeit wohl weg und ich überlegte gerade, wo wir unser Zelt aufschlagen können."

    "Euer.... Zelt? Habt ihr... also... verzeih meine Neugier, aber habt ihr keine Hütte oder so?"

    "Unser Zuhause ist die Wildnis." Dann klang direkt bescheuert und Anya musste schmunzeln. So, wie sie es gerade formuliert hatte, musste Manu jetzt denken, Zoltan und sie seien Wildlinge. "Naja, ganz so furchtbar wie es klingt, ist es auch nicht."

    "Also, ich finde, so lange du Teil meines Teams bist, will ich auch sicher gehen, dass es dir gutgeht! Du schläfst heute Nacht nicht in einem Zelt! Ich kümmere mich, Moment." Sofort machte Manu kehrt und lief zurück zum Festplatz, ehe Anya irgendwie reagieren konnte.


    Das war jetzt schon direkt sehr unangenehm irgendwie. Jetzt stand sie da und sie kam sich komisch vor. Sie beschloss, beiden Pferden nochmal einen Apfel zu geben und die Rucksäcke zu überprüfen und bald war Manu wieder zurück.

    "So, ich habe euch beiden einen Planwagen organisiert. Wir nutzen diese als Unterkünfte und wir haben noch einen übrig gehabt. Ihr könnt dort schlafen und eure Sachen dort sicher verstauen. Jeder Planwagen verfügt über eine eigene Kochstelle und eine eigene Waschmöglichkeit. Komm, ich zeig ihn dir!" Manu streckte ihre Hand Anya entgegen und lächelte freundlich. Diese stand perplex schauend da.

    "Ähm, d..danke, aber... ich mein... ihr kennt uns ja gar nicht. Wieso solltet ihr...?"

    Manu lachte und griff einfach nach Anyas Hand. "Na weil ihr jetzt zu uns gehört und weil jeder hier in einem Planwagen schläft! Los, stell dich nicht so an! Ich lasse eh keine Widerworte zu." Dann zog sie Anya ein paar Schritte mit, ehe diese Halt fand und dagegenhielt. "Warte, ich muss doch die Rucksäcke mitnehmen!"


    Manu half beim Tragen, obwohl die Säcke wirklich groß und schwer waren. Anya war nicht im Stande, irgendetwas zu sagen. War das ein Spiel von Manu, oder war sie ernsthaft so nett? Es war ihr suspekt, aber ehrlich gesagt kam ihr das Angebot von Manu sehr entgegen.

    "Was kostet uns denn der Aufenthalt?"

    "10 Rubine am Tag; das wird aber gleich vom Lohn abgezogen. Dafür kannst du Wasser und Feuerholz frei mitbenutzen. Und wenn ihr wollt: Wir frühstücken alle gemeinschaftlich jeden Morgen um 10. Dabei besprechen wir oft den Tagesplan oder wir reden auch mal über allgemeine Dinge. Das Frühstück müsst ihr nicht bezahlen, aber wir haben einen kleinen Spendentopf, wo jeder etwas reinwerfen kann, wenn er möchte."

    "Wow, ihr seid ja echt durchorganisiert."

    Manu lachte. "Ach glaub mir, es gibt genug Chaos jeden Tag. Aber ja, es gibt auch Strukturen. Hier leben ganz schöne Egos, das kannst du mir glauben. Und wenn alle so dicht aufeinander hocken, dann kann es auch mal krachen. Ohne Regeln klappt die Gemeinschaft eben nicht."

    Manus Stimme war ein bisschen rau und tief, aber sie klang freundlich. Irgendwann blieb sie stehen. "Da wären wir!" Zufrieden zeigte sie auf den Planwagen direkt vor ihnen. Der war ziemlich groß und in einem abgetrennten Bereich vom Festplatz, wo sich noch einige Gäste aufhielten. Hier waren auch die Wägen der anderen abgestellt.

    Manu zeigte Anya die Kochstelle und den Waschbereich. Am Rand stand ein großes Gemeinschaftszelt. "Dort versammeln wir uns immer und frühstücken", sagte sie. Anschließend half sie noch dabei, die Säcke hineinzutragen.

    "Wir haben einen Platzwächter. Der wird auch eure Pferde im Auge behalten. Und das tollste -" - Manu zwinkerte und lehnte sich leicht gegen Anya - "er kümmert sich auch um warmes Wasser, so dass die morgendliche Dusche auch nicht zu unangenhm wird!"


    Anya konnte das alles gar nicht glauben. Nie und nimmer hätte sie jemals mit so etwas hier gerechnet! Sie kam sich komisch vor, bittstellend, aber andererseits fühlte sie auch Dankbarkeit. Es kam zögerlich, aber schließlich lächelte sie. "Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Außer Danke!"

    "Wir sehen uns morgen beim Frühstück, okay?" Während Manu das sagte, war sie schon dabei, zum Gästebereich des Zeltplatzes zu gehen, aber sie winkte noch.


    Es dauerte einige Augenblicke, bis Anya wieder einatmete. Das Innere des Planwagens war sehr funktional, aber gemütlich eingerichtet. Es gab ein großes Doppelbett mit weißem Bettbezug, das sehr kuschlig aussah. Dazu standen dort kleine Komoden, es gab einen Kleiderständer mit 5 Bügeln, einen Holztisch mit drei Klappstühlen und sogar eine kleine Truhe mit Brettspielen drin.

    Zoltan würde riesige Augen machen, dachte sich Anya.


    Apropos, sie sollte zu ihm zurückkehren. Sie kiecherte und freute sich schon auf seine Reaktion. Also machte sie sich auf den Weg zurück zum Festzelt.

  • Für einen kurzen Moment fühlte sich Zoltan durch Anyas Reaktion ein wenig abgewimmelt, aber dann beschloss er, dem nicht allzu viel Bedeutung beizumessen. Die letzten Stunden waren für sie offenbar eine emotionale Berg- und Talfahrt, und es war üblich, dass sie dann ein paar Momente für sich brauchte. Und andererseits: Vielleicht würde sie die Zeit auch nutzen, eine Idee zu entwickeln, wie und wo sie die Nacht verbringen würden. Denn dummerweise war dieses Thema bisher nicht zur Sprache gekommen, und es wäre vermutlich ziemlich aufdringlich, wenn sie ihr Lager in direkter Nähe zu den Wagen der Schausteller aufbauen würden. Nun, es würde sich schon irgendwie ergeben. Bei dem Leben, das sie derzeit führten, ging es einem in Fleisch und Blut über, sich spontan zu organisieren.


    Also trabte er zunächst einmal Johann entgegen, der die Arme ausbreitete und ihn empfing wie einen lang vermissten Freund.

    Sehr schön, da bist du ja! Nun, wie hat es dir und deiner Dame gefallen? Sind das nicht ein paar erstaunliche Talente, die ich da für mich gewinnen konnte? Zoltan zuckte mit den Schultern.

    Habe schon langweiligeres gesehen. Der Feuerspucker war ziemlich spektakulär. Warum ist er bei der leichten Unterhaltung im ersten Block? Er könnte mit den Puppenspielern tauschen.

    Für einen Augenblick schien Johanns immerwährendes Grinsen in sich zusammenzufallen, doch dann fing er sich wieder.

    Nun, ja... ich wollte das Programm etwas ausgewogen halten. Janosz ist noch jung und etwas ungestüm... vielleicht besser, wenn der Erfolg ihm nicht zu sehr zu Kopf steigt, in seinem zarten Alter... aber das lass meine Sorge sein. Also... hast du dir mein Angebot bereits durch den Kopf gehen lassen? Zoltan nickte.

    Ich denke, ich mach's. Wir sind uns zwar noch uneinig, wie wir die Nacht verbringen, aber... Johann winkte ab.

    Notfalls kümmere ich mich selbst darum, dass ihr eine vernünftige Unterkunft habt. Ihr seid meine Gäste, und seinen Gästen gewährt man doch einen gewissen Komfort! Nun denn, nun denn... komm doch mit. Ich möchte dich mit ein paar Leuten bekannt machen...


    Bevor Zoltan sich wehren konnte, hatte ihn Johann auch schon - wieder einmal - am Arm ergriffen und bugsierte ihn durch den Manegeneingang. In ein angrenzendes Zelt, das wohl als Aufenthaltsraum diente. Die Artisten lümmelten vereinzelt herum, führten leise Gespräche miteinander, aßen und tranken. Nun, da sie hier wie eine Festgesellschaft zusammensaßen, wirkten sie weniger glamourös als noch während der Show. Sogar der Gewichtheber Rasputin wirkte weniger hünenhaft, wenngleich immernoch beeindruckend.

    Meine Herrschaften, rief Johann in den Raum, und die Gesichter wandten sich ihm zu.

    Zunächst einmal möchte ich euch allen meinen Dank und mein Lob für eure formidablen Leistungen heute Abend aussprechen! Die Menge war wahrlich aus dem Häuschen, und jeder von euch hat seinen kräftigen Applaus hart verdient! Er grinste in die Runde, und vereinzelt klatschten die Artisten in die Hände und prosteten ihrem Direktor zu.

    Hört, hört, sagte Janosz, der ihnen am nächsten stand, leise, und Zoltan glaubte, einen spöttischen Unterton aus seiner Stimme herauszuhören. Falls es auch Johann aufgefallen war, schenkte er dem jedoch keine Aufmerksamkeit.

    Ich kann euch nun mit großer Freude verkünden, dass unser Programm morgen und am folgenden Tag um eine sehenswerte Attraktion bereichert wird. Und zwar von diesem netten, jungen Mann an meiner Seite!

    Rasputin sprang auf, und auch die anderen Künstler gaben ein Raunen von sich.

    Was soll'n das heißen?, donnerte der Riese. Du hast gesagt, es wäre ein verdammtes Privileg, bei deinem Zirkus mitzumischen! Jetzt schleppst du hier irgendeinen dahergelaufenen Kerl an und wirfst ihn einfach dazu?

    Die anderen im Raum nickten kräftig und bekundeten ihre Zustimmung. Janosz hatte die Augen aufgerissen und starrte Johann mit einem unerklärbarem Gesichtsausdruck an. Die Clowns, die ohne ihre Schminke und grellen Kostüme nun ohnehin schon weniger lustig aussahen, zeigten alle die gleichen, grimmigen Mienen. Einzig die Schwertschluckerin - Santiana, erinnerte Zoltan sich - stand ruhig und zusammengefalteten Händen da und blickte Zoltan mit einer Art gelassener Neugier entgegen.

    Bitte, meine Herrschaften, bitte! So beruhigt euch! Es hat sich herausgestellt, dass Zoltan über ein Geschick verfügt, nach dem ich lange gesucht habe! Ich kann euch versprechen, dass er unsere Show in keinster Weise ruinieren wird! Und dass niemandem von euch die Zeit gekürzt wird! Wir hängen einfach eine halbe Stunde an den zweiten Block dran!

    Janosz trat vor.

    Das ist ja ganz hervorragend. Und was, wenn ich fragen darf, hat dieser Wunderknabe zu bieten? Er musterte Zoltan so abfällig von oben bis unten, als wäre dieser gerade aus einem stinkenden Loch gekrochen. Johann sah nun ziemlich nervös aus, er wirkte, als stünde er einem Lynchmob gegenüber. Und fast alle Artisten sahen tatsächlich aus, als wären sie bereit, ihren Brötchengeber am nächsten Baum aufzuknüpfen für diesen Frevel. Er schluckte, bevor er erklärte.

    Zoltan ist ein begnadeter Schwertkämpfer, und er wird einen halbstündigen Schaukampf mit Freiwilligen veranstalten, die bereit sind, Rubine auf ihre Überlegenheit ihm gegenüber zu wetten. Es ist für niemanden von uns ein Verlust, sondern sogar eine zusätzliche Einnahmequelle! Rasputin lachte, und es klang kein bisschen fröhlich.

    Das ist ja ganz wunderbar! Und dazu braucht es ihn unbedingt? Lass die Leute doch wetten, ob sie es schaffen, meine Gewichte zu heben! Wir brauchen keinen Niemand in unserer Mitte, um für Unterhaltung zu sorgen! Einer der Clowns lachte ebenfalls hämisch.

    Sprich du nur von Unterhaltung! Du kannst froh sein, dass bei deiner Nummer mit dem herunterkrachenden Gewicht niemandem im Publikum das Herz stehengeblieben ist! Das ganze Zelt hat gebebt, du Angeber! Rasputin wandte sich ihm zu.

    Ha! Was willst'n du? Was hattet ihr zu bieten mit euren Rangeleien? Wie lange habt ihr dafür geübt, fünf Minuten?

    Nun brach ein kleiner Tumult los, die Stimmen wurden laut, die Artisten warfen sich Anschuldigungen an den Kopf oder ergriffen füreinander Partei. Du liebe Güte, dachte Zoltan. das ist ja das reinste Hornissennest an aufgeblasenen Egos.

    Ruhe bitte!, rief Johann, und er wirkte nun etwas selbstsicherer.

    Niemand hier ist mehr oder weniger wert als der andere! Ich weiß, jeder von euch ist stolz auf seine Künste, aber wir müssen hier zusammenarbeiten! Insofern verlasse ich mich darauf, dass ihr auch Zoltan akzeptiert und ihm keine Scherereien macht! Das war mein letztes Wort! Nun ließen die aufgebrachten Knstler voneinander ab und wandten ihre zornigen Gesichter wieder Johann zu. Nun ergriff der Zauberer das Wort.

    Wie du meinst, sagte er hitzig. Es ist und bleibt eine Beleidigung für uns, die wir jahrelang hart gearbeitet haben, um uns einen Ruf zu erwerben! Sei froh, wenn morgen überhaupt noch jemand von uns mitmacht! Dann kann dein feiner Herr Schwertkämpfer die Show alleine schmeißen, und ihr könnte säckeweise Rubine zusammen verdienen! Er machte kehrt und stürmte aus dem Zelt. Einige, darunter Janosz, die Trapez-Drillinge und Rasputin, folgten ihm. Übrig blieben nur der Trupp Puppenspieler, die Tänzerinnen und die schmerzfreie Gerudo, die noch immer nicht das Wort erhoben hatte oder sonstwie eine Miene verzogen hatte. Wenn man ihr Talent bedachte, lag es wohl einfach in ihrer Natur, die Ruhe selbst zu sein. Seufzend wandte sich Johann an Zoltan.

    Es tut mir sehr leid, dass du das mitansehen musstest. Du musst verstehen... die Nerven liegen heute bei allen anscheinend etwas blank. Mach dir keine Sorgen, morgen haben wir alle darüber geschlafen und die Wogen werden sich geglättet haben... komm, ich begleite dich ein Stück hinaus...

    Sie traten vor das Zelt, und erstmals sprach Zoltan.

    Das war ja ein schöner Empfang. Darf ich davon ausgehen, dass die nicht morgen bei meinem Auftritt alle zusammen auf mich losgehen und mich mit Holzschwertern verdreschen? Johann lachte nervös.

    Keineswegs, keinesweg... wie ich sagte.... morgen sieht die Welt anders aus... oh, und bevor ich es vergesse... Er griff in seine Tasche und fischte zwei kleine, lilane Karten hervor, die er Zoltan entgegenhielt.

    Die sind für deine Freundin und dich. An den Ständen mit Essen und Getränken könnt ihr euch damit als Mitarbeiter ausweisen und bekommt alles umsonst. Nun denn... ich wünsche eine angenehme Nacht! Damit entfernte er sich, und Zoltan wandte sich dem Eingang zum Festgelände zu, wo ihm auch schon eine vertraute Gestalt entgegenkam.


    Anya lächelte, wirkte aber auch etwas zerstreut.

    Und? Wie ist es gelaufen? , fragte sie.

    Ganz unterhaltsam, antwortete Zoltan. Zuerst wollten diese Artisten Johann und mich zerfleischen, dann sind sie sich gegenseitig fast an die Kehle gegangen, und dann sind sie unter Androhung, die Show zu verlassen, fast geschlossen herausgestürmt. Anscheinend wurde da der ein oder andere Stolz verletzt... Es gelang ihm tatsächlich, belustigt zu klingen. Und was gab es bei dir? Johann hat angedeutet, dass er eine Möglichkeit für uns hätte, zu übernachten... Anyas Gesicht hellte sich auf.

    Oh, ja. Das will ich dir zeigen. Komm mit!

    Sie gingen in Richtung der Künstlerwagen, und unterwegs erzählte ihm Anya von ihrer Begegnung mit Manu. Ganz offenbar hatte sie einen freundlicheren Empfang erlebt als er. Nun, vermutlich waren Händler etwas gastfreundlicher als aufgeblasene Schausteller. Sie führte ihn in das Innere eines der Planwagen und sah ihn erwartungsvoll an. Zoltan zeigte selten nach außen hin Begeisterung, konnte sich aber einen leisen Pfiff durch die Zähne nicht verkneifen. Ihre bisherigen Übernachtungsmöglichkeiten hatten so ihre Vor- und Nachteile. In ihrem Zeltlager waren sie zwar ungestört, dafür war es aber nicht immer allzu gemütlich. Beispielsweise, wenn in den frühen Morgenstunden die Kälte zu ihnen hereinkroch oder Steine und Wurzeln sich in ihre Rücken bohrten. Die Ställe boten zwar Heizungen und Betten, dafür war es doch recht unangenehm, mit einer unterschiedlichen Anzahl von fremden Leuten in einem Raum zu schlafen. Hier hatten sie nun also das beste aus beiden Welten: Komfort und Privatsphäre. Dies war ihnen tatsächlich zuletzt in Hateno vergönnt gewesen, als Anya im Gasthaus und er in der Mühle lebten. Eine gewisse Freude über den lang vermissten Luxus machte sich in ihm breit, aber etwas nagte dennoch an Zoltan. Irgendwie fiel ihnen an diesem Abend ein bisschen zu viel in den Schoß. Er hoffte sehr, dass das Blatt sich nicht doch wieder plötzlich gegen sie wenden würde.