Live by Honor. Kill by Stealth.
Es ist kein Geheimnis, dass ich mich kürzlich wieder in eine Spielereihe verliebt habe, die nicht gerade brandaktuell ist. In Tenchu schlüpft man im feudalen Japan in die Rolle von Rikimaru und Ayame aus dem Azuma Ninja Clan. Rikimaru ist in Kämpfen ausdauernder, Ayame wiederum geschicklicher. Ziel der Spiele ist es, seine Gegner heimlich zu töten, denn falls sie einen vorher nicht bemerken, dann werden sie mit einem einzigen Schlag erledigt. Ansonsten kommt es zum Duell und sobald man mehreren Gegner gleichzeitig ausgeliefert ist, sollte man wegrennen oder es ist bereits zu spät und man stirbt. Die beiden besitzen definitiv keine übernatürlichen Fähigkeiten wie beispielsweise Ryu Hayabusa aus Ninja Gaiden, der seit drei Jahren mein Profilbild prägt und mein Lieblingsvideospielcharakter aller Zeiten ist. Stattdessen ist hier Beobachtung und Geduld gefragt. Wie verhalten sich die feindlichen Wachen? Wie kann ich meine Umgebung zu meinem Vorteil nutzen? Mit Hilfe eines Greifhakens kann man sich an höhergelegene Orte wie Dächer oder Kanten ziehen. Außerdem stehen diverse Items wie Wurfmesser, Rauchbomben etc. in begrenzter Zahl zur Verfügung. In jeder Mission gibt es ein Ziel, welches man theoretisch binnen weniger Minuten erreichen kann. Oftmals steht am Ende des Levels ein Boss. Zuerst gilt es jedoch den Level zu erkunden und dabei stirbt man auch gerne mal, weil man die Positionen der Feinde nicht verinnerlicht hat. Dann muss man von neuem beginnen, denn innerhalb der Missionen gibt es keine Zwischenspeicherungen. Doch mit der Zeit weiß man, wie man vorzugehen hat. Ein sechster Ninja-Sinn sorgt dafür, dass man in der Nähe eines Feindes die ungefähre Entfernung angezeigt bekommt. Ebenfalls ist an einem Symbol erkennbar, ob man gesehen oder nicht gesehen wird und die Wachen misstrauisch oder gar alarmiert sind. Dies stellt eine große Hilfe dar. Von jeder Mission gibt es aber drei Varianten, bei denen die gegnerischen Positionen minimal abweichen oder von z.B. einem Schwertkämpfer und Bogenschützen vertauscht wurden. Das bringt ein wenig Abwechslung in die Spiele.
1998 wurde Tenchu: Stealth Assassins für die PS1 veröffentlicht, noch vor Metal Gear Solid und Dark Project: Der Meistdieb (Thief). Diese drei Spiele setzten das Stealth Genre erstmals richtig in einer dreidimensionalen Spielwelt um und gelangten zu großen Beliebtheit. In Japan wurde das Spiel dann erneut inklusive Leveleditor aufgelegt sowie eine Sammlung der 100 besten Fan-Level veröffentlicht. Letztere würde ich mir wohl auch zulegen, wenn meine Konsolen sie abspielen könnten, denn teuer ist sie nicht. Stealth Assassins unterliegt in Deutschland leider bis heute einer Indizierung, weshalb man auf einen Import zurückgreifen muss. Grund dafür ist das hinterhältige Töten, denn Gegnern schlitzt man bei einem unentdeckten Kill meistens die Kehle auf, mit einer geringen Wahrscheinlichkeit werden sie sogar geköpft. Erst Tenchu 2: Birth of the Stealth Assassins hat eine Freigabe erhalten und ebenfalls den Leveleditor in den Rest der Welt gebracht. Das Spiel erzählt die Vorgeschichte von Rikimaru und Ayame und besitzt gegenüber seinem Vorgänger leicht offenere Level mit neuen Möglichkeiten.
In der nächsten Konsolengeneration brachte die Reihe mit Tenchu: Wrath of Heaven ihren dritten Ableger raus, der ein Jahr nach den Ereignissen des ersten spielt und einen dritten Charakter sowie Multiplayer eingeführt hat. Unter den Namen "Return from Darkness" und "Tenchu 3 Portable" wurde er anschließend für Xbox bzw. PSP veröffentlicht. Mit dem Spin-Off "Fatal Shadows" für PS2, in welchem Rikimaru nicht mehr spielbar war, wurde so langsam die geringe Abwechslung zwischen den Titeln kritisiert. Auch "Time of the Assassins" für PSP hat sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert. "Dark Secret" für DS erhielt sogar so schlechte Kritiken von Magazinen und Fans gleichermaßen, dass es überhaupt keine Beachtung mehr geschenkt bekommt.
Tenchu Z für Xbox360 konnte wieder ein wenig die Kurve kriegen. Zwar war Ayame nicht spielbar, aber hier bekam man ganze 50 Missionen und somit den bislang umfangreichsten Teil der Reihe geboten. Tenchu: Shadow Assassins für Wii und PSP erzielte dann wieder relativ gute Kritiken und kehrte vemehrt zum alten Konzept zurück. Die Story bezog sich auf vorherige Geschehnisse, weshalb man hier nach "Wrath of Heaven" vom vierten Ableger der Hauptreihe spricht. Aber durch die Wii-Steuerung wurden zugleich auch mehrere Innovationen ins Gameplay eingebaut. Dennoch sind in vielerlei Hinsicht die ersten drei Tenchu Spiele unerreicht und nach Shadow Assassins hat man nie wieder etwas gehört. Im vor der Tür stehenden Sekiro: Shadows Die Twice werden ein paar Parallelen gesehen und Fans hatten sich zuerst einen neuen Teil erhofft. Letztendlich wird Sekiro mehr Dark Souls sein, aber diverse Mechaniken und Elemente wie der Greifhaken, das Setting, die Gewalt oder das Schleichen erinnern an das gute alte Tenchu.
Zwar ist Stealth quasi Pflicht, um ein Level zu bestehen (es gibt auch vereinzelte Ausnahmen), aber es ist nicht verboten entdeckt zu werden. Dadurch wird lediglich die Endbewertung verringert, die es für jede Mission gibt:
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Ab 400 Punkte: Grand Master
Ab 300 Punkte: Master Ninja
Ab 200 Punkte: Ninja
Ab 100 Punkte: Novice
0-99 Punkte: Thug
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Sofern man in einem Level nicht entdeckt wird, gibt es 400 Punkte in dieser Kategorie. Beim ersten Alarm werden 150 Punkte abgezogen und bei jedem weiteren nochmal je 30. Für unentdeckte Kills erhält man 20 Punkte, für entdeckte lediglich 5. Unschuldige zu töten gibt natürlich Abzug. Wer nicht entdeckt wird bekommt grundsätzlich Grand Master, aber durch viele Stealth Kills kann man bei einem Fehler auch die 150 Punkte Abzug kompensieren. Das Erreichen des höchsten Ranges schaltet Spezial Items frei, jedem Level ist ein eigenes zugeordnet. In Tenchu: Wrath of Heaven wurden dann auch Spezial-Techniken eingeführt, für die man in den Missionen jeweils neun Stealth Kills ausführen muss. Wer also wie ein echter Ninja vorgeht wird auch entsprechend belohnt.
Über die letzten Tage hinweg habe ich meinen Einstieg mit Stealth Assassins für PS1 gewagt, nachdem ich vor ein paar Monaten erstmals auf die Reihe über Youtube aufmerksam wurde. Die ersten beiden Tenchu Teile arbeiten noch mit Panzersteuerung, sind grafisch doch ziemlich veraltet und definitiv nicht leicht. Besonders mies fand ich anfangs, dass man Items bei Fehlversuchen sogar verloren hat, obwohl sie lediglich unbenutzt im Inventar blieben. Normalerweise kennt man es aus anderen Games, dass alle Items wieder zurückkehren oder höchstens die verbrauchten verloren gehen. Tja, Pustekuchen. Da ich für so ziemlich jedes Level mindestens einen zweiten Alauf benötigt habe, bei manchen sogar einen ganzen Haufen, wollte ich mein Inventar natürlich nicht verschwenden. Das hat dazu geführt, dass ich immer ohne Items gespielt habe. Ich wollte sie mir aufheben, bis ich sie einmal wirklich gebrauchen würde. Außerdem konnte man sie in Mission 2 sehr schnell farmen, denn hier war es möglich in unter einer Minute durchzurennen und Abschluss einer Mission wird jedes Item um eins aufgefüllt. Letztendlich war das Spiel ohne Items noch schwerer und vereinzelte Missionen anfangs frustrierend, aber ich war durchgängig sehr motiviert und hatte eine sichtlich spürbare Lernkurve. Nach ein paar Stunden wusste man dann einfach, wie das Spiel und die Gegner ticken und man am besten in Konfrontationen am Leben bleibt. Blocken und Geduld sind wichtige Stichwörter.
Der Soundtrack war bombastisch. Mehrere Level haben mich in diesem Punkt beeindruckt. Auch die Vielfalt an Regionen möchte ich betonen. Es gibt Level in kleinen Städten, in Wäldern, im Schnee, am Hafen und in Höhlen. Meine Favoriten waren die verschneite Mission 5 und der Kampf gegen die Piraten in Mission 7. Sehr frustrierend und mein einziges Thug-Level war Nummer 4. Der Anstieg des Schwierigkeitsgrades war plötzlich gigantisch und ich bin sehr, sehr oft gescheitert. Letztendlich bin ich hier immer zum Boss durchgerannt, weil ich sonst völlig chancenlos war. Allerdings sind Bosskämpfe nicht vom restlichen Level abgetrennt und normale Wachen können in den Kampf dazurennen, wenn man sie vorher nicht besiegt oder abgehängt hat. Auch das war hier immer der Fall und es hat seine Zeit gedauert, bis ich sehr gut und erfolgreich gekämpft habe. Aber der Spielfortschritt war unglaublich befriedigend. Ähnliches kam dann wieder in Level 8 vor. Zwar gab es keinen Boss, aber mehrere Abgründe und dünne Wege mit flinken Gegnern. Ich habe viele Versuche benötigt und erst den zweiten Teil des Levels dann Stealth-mäßig spielen können, weil man nicht mehr mit mehreren Angreifern zugleich konfrontiert wurde.
Der Höhepunkt war dann aber das finale Level. Nochmal länger als die vorherigen und zwei schwere Bosskämpfe, bei der Hälfte und dem Ende. Auch hier konnte ich ohne Durchrennen in der ersten Hälfte nichts reißen, die zweite ließ sich aber richtig gut spielen. Doch besonders aufgrund der Länge war jeder neue Versuch von vorne etwas schmerzhaft. Nach einigen, lediglich zweimal davon bin ich auch zum Endboss vorgedrungen, habe ich es in der ersten Sitzung aufgegeben. Stattdessen fing ich an, in meinen Lieblingsleveln den Grand Master Rang zu holen und stärkere Items freizuschalten. Meine Taktik für den zweiten Anlauf war zuerst eine Analyse des Levels in Form von wenigen Versuchen (ich wusste schließlich nicht, welche der drei Ausrichtungen mich erwarten würde) und danach alles auf eine Karte setzen und einen Haufen Items mitschleppen, die vieles stark vereinfacht hätten. Ein Game Over hätte hier eben dazu geführt, dass ich sie wieder erneut hätte farmen müssen, was aber auch nicht allzu lange gedauert hätte.
Gestern Abend war es soweit, ich startete den zweiten Versuch in der letzten Mission, wie immer ohne Items zu Beginn. Tatsächlich war die Ausrichtung anders, aber der Zwischenboss lief gut. In der zweiten Hälfte kam ich teils etwas in die Bredouille, aber plötzlich stand ich wieder beim Endboss, wenn auch nur mit einem einzigen Heiltrank, der im Level lag. Das ist nicht sehr viel. Ich habe mich unglaublich vorsichtig in den Kampf gewagt und sehr gut geschlagen. Nach wenigen Angriffen meinerseits waren alle erfolgreich und die Hälfte schon geschafft. Zwar konnte mich der Endboss dann auch zweimal schwer treffen und ich habe meinen Trank verbraucht, aber letztendlich habe ich ihn beim ersten Versuch in der zweiten Sitzung geschlagen. Das ganze Level ohne mitgenommene Items und mit einer Dauer von 20 Minuten! Brutal, aber ihr hättet mich jubeln hören sollen! Das Ende der Handlung hat zudem neugierig auf den Nachfolger Wrath of Heaven gemacht, den ich direkt im Anschluss begonnen habe. Gespielt hatte ich übrigens mit Rikimaru und wann ich mich an Ayame noch versuche werde ist unklar. Grand Master konnte ich in den Missionen 1, 2, 5, 7 und dem Training erhalten, also in 5 von 11 Herausforderungen. Keine üble Quote behaupte ich mal.
Tenchu 3: Wrath of Heaven spielt sich durch PS2-Verhältnisse wieder leicht anders. Im Kampf kamen neue Mechaniken dazu und die Panzersteuerung wurde durch analoge dank des Control Sticks ersetzt. Persönlich bin ich allerdings Fan der Panzervariante und muss mich jetzt wieder neu gewöhnen. Kämpfe empfinde ich tatsächlich schwerer als im Vorgänger, da auch die Feinde agiler geworden sind, aber vielleicht krieg ich die Übung noch. Grafisch ist es um einiges hübscher, dafür war der Soundtrack bisher noch nicht ganz so einprägsam wie im ersten Teil. Die Items gehen hier aber endlich nicht mehr verloren, selbst wenn man sie bei Fehlversuchen eingesetzt hat kehren sie ins Inventar zurück! Der neue Schwierigkeitsgrad Leicht ist dennoch kein Spaziergang, das dritte Level habe ich nach ein paar Versuchen noch nicht gepackt und auch in den ersten beiden wars vereinzelt knapp. Ansonsten ist es vom Prinzip weiterhin ganz klassisch Tenchu. Den dritten Charakter erhält man, sobald man die Story sowohl mit Ayame als auch Rikimaru beendet hat. Bringt jedenfalls noch mehr Motivation, auch mal Ayame zu spielen.
Tenchu 2 hab ich zwar im Auge, aber nicht vor Beendigung des dritten Teils. Tendenziell haben mir in Stealth Assassins die Häuserlevel besser gefallen und ich habe gehört, dass der Nachfolger mehr außerhalb spielt. Vielleicht hole ich die Vorgeschichte nicht sofort, aber in baldiger Zukunft nach. Es würde mich schon interessieren, um was sich die Story dreht, deren Erzählung hier im Vergleich zu anderen Ablegern gelobt wird. Zwar sind die alten Tenchu Teile manchmal ein wenig frustrierend, aber zugleich auch echt spaßig. Die Atmosphäre ist dank des Soundtracks super, ich bin sowieso ein Ninja Fan, und durch das Stealth Gameplay kommt wirklich Spannung auf. Definitiv nichts für Jedermann, aber von meiner Seite aus auf jeden Fall ein Geheimtipp. Früher schien es ja eine nicht allzu kleine Fangemeinde zu geben, aber durch den eventuellen Tod der Reihe seit zehn Jahren sind bis heute nur noch die Nostalgiker zurückgeblieben. Schließlich kommt es kaum vor, dass die alten Klassiker noch nachgeholt werden, wie es bei mir der Fall ist. Trotzdem würde ich gerne wissen, ob hier weitere Leute Erfahrungen mit Tenchu gemacht haben!
Kennt ihr Tenchu? Was gefällt euch an den Spielen und wie empfindet ihr den Schwierigkeitsgrad? Was sind eure Lieblingsmissionen und habt ihr den Grand Master Rang als Ziel?