Um nicht andere Thread damit zu belasten mache ich nun einen eigenen Thread auf.
Was sind Gacha Games? Gacha ist im Grund eine simple Spielmechanik, die vor allem in Handyspiele implementiert wird. Der Begriff ist eine Vereinfachung des Japanischen Gashapon, was für eine Vielzahl an Kapsel-Automaten steht. Bei uns sind solche Automaten am ehesten als "Kaugummiautomaten" bekannt, bei denen man neben kleinen Naschereien auch oft kleine Spielzeuge oder Accessoires bekommen kann. Der Clou daran ist, dass man Geld einwirft und selbst nicht bestimmen kann, welchen Preis man erhält, es also eine Art von Glückspiel ist. Um wieder zur Gacha oder Gashapon Mechanik in Videospielen zu kommen, so sind das eben Mechaniken bei denen im Spiel Preise, Helden, Ausrüstung oder was auch immer durch Zufall freigeschalten werden und in die restlichen Spielmechaniken integriert werden. Hauptsächlich, wie erwähnt, finden solche Mechaniken in eigens dafür entwickelten Handyspielen ihre Verwendung, die mehr oder weniger um das Gacha Prinzip herum entwickelt und als Free to Play angeboten werden. Der Gedanke dahinter ist, dass man durch regelmäßiges und intensives Spielen im Game bessere Items bekommt bzw. seine Chancen auf seltene Gegenstände erhöht, aber wer die Zeit oder Geduld nicht hat, für denjenigen sind ingame Kaufmechaniken eingeflochten, die eben das eigene Glück durch Mikrotransaktionen beeinflussen können, meist schlägt sich das nieder in besonderer ingame Währung die nur durch Echtgeld bekommen werden kann und durch die eben manchmal Boni freigeschaltet werden, die ansonsten nur durch viele Spielstunden oder erst garnicht erreicht werden können, oft locken auch zusätzliche Boni oder Abomodelle den Spieler, echtes Geld zu investieren. Solche Gacha Spiele gibt es in div. Ausführungen, die sich, vereinfacht gesagt, in der Art der Gewinnchance unterscheiden, während es div. Mechaniken gibt eben durch mehrmalsiges "Rerollen" die Preise zu ändern oder bei jedem Fehlschlag die Gewinnchance erhöht wird. Gerade Rollenspiele sind auf Grund ihres Aufbaus sehr beliebt, aber Gacha Spiele gibt es beinahe in jeder Ausführung.
Warum sind Gacha Spiele bei Entwicklern so beliebt?
Das ist einfach, Gacha Spiele werden als finanzielles Standbein und "fixe Einkommensquelle" also von Entwicklern als eine Art von "Backup" gesehen. Während die Entwicklung selbst in vielen Fällen outgesorced wird und lediglich von den Entwicklern teils Engine, Teils Intellectual Property in Form von Lizenzen zur Verfügung gestellt werden, haben diese kaum Ausgaben, während die meist kleine Firma, die per outsorcing das Spiel entwickelt eben für den Handymarkt produziert, was uns zum nächsten Punkt bringt. Der Handymarkt ist je nach etabliertem System ein Markt, wo durch solche Apps bis zu mehreren hundert Millionen potentielle Kunden angesprochen werden können. Erscheint so ein Spiel also im Samsung App-Store und auch im Apple Store, kann es auf eine etablierte Hardware von geschätzt einer Milliarde Mobiltelefonen zugreifen, das sind eben Zahlen, die für ua. Konsolenspiele astronomisch sind. Selbst wenn dann nur 0,1% der Leute sich das Spiel tatsächlich auch herunterlädt, wäre das ein größerer Absatz als ihn die meisten Videospiele schaffen.
Natürlich sind diese Apps meist kostenlos, aber an den Downloadzahlen von ua. Apps wie Mario Run oder Pokemongo sieht man, dass der Markt sehr groß ist und oft auch Leute angesprochen werden, die wohl weniger eine Konsole samt zugehörigem Spiel kaufen würden.
Zusammengefasst kann man also sagen, dass Entwickler mit minimalem Kostenaufwand eine rießige Zielgruppe ansprechen und die Gewinnspanne sehr genau berechenbar ist, dh. so ein Spiel beinahe risikolos auf den Markt gebracht werden kann, denn floppt es, war der Kostenaufwand vergleichsweise gering zu dem eines ua. Konsolenspiels.
Während laienhaft geschätzt rund 99% der Gacha Games, die es im Appstore gibt, wirklich nur Müll im wahrsten Sinne des Wortes sind, entwickelt von chinesischen Shovelwarefirmen wo man bereits nach wenigen Sekunden aufgefordert wird, irgendwie Echtgeld zu bezahlen und die nicht einmal besonders gut verstecken, dass es sich um einarmige Bandigen in Appform handelt, sind es eher die 1% der Spiele, die man dann wirklich an der Oberfläche sieht und wo nicht selten große Firmen dahinterstehen und diese Spiele entweder beauftragen oder auch selbst entwickeln.
Aber jeder ist doch für sein eigenes Geld verantwortlich?
Jein. Im Grund zwar schon, weil von jedem mündigen Erwachsenen erwartet werden sollte, dass er weiß, wofür er sein Geld ausgibt. Gacha Spiele sind aber oft sehr geschickt versteckte Glückspiele, bei denen eben der Erfolgsfaktor gekonnt verschleiert und mit bunten Zahlen, Leveln, Items oder sonstigem Eyecandy verhüllt wird. Der Spieler sieht nur Level und Items - am Beispiel eines RPGs - und möchte natürlich seine Helden aufleveln und in der Kampagne weiterkommen. Meist bekommt man zu Beginn auch recht schnelle Erfolge und der Spieler hat das Gefühl, dass es gut möglich ist, auch ohne Echtgeld an div. seltene Items zu kommen, aber das Erfolgssystem ist genau so programmiert, dass die Erfolgschance dann ab einem Punkt rapide abnimmt und je näher dieser Punkt an einem bestimmten Punkt angenähert ist - ich nenne ihn einfach "Bereitschaftspunkt" - desto größer ist die Bereitschaft des Spielers, Geld auszugeben. [Es gibt, wie eingangs erwähnt, einige unterschiedliche Gacha Systeme die eben auf geschickte (und unterschiedliche) Art und Weise diesen Bereitschaftspunkt ausreizen.]
Erstmals war das Spiel ja gratis und die meisten kleineren Pakete kann man um 3-4 Euro kaufen. Bei 4 Euro ist die Bereitschaft noch groß und die Hemmung gering, denn es ist ja nicht viel Geld und ein "richtiges" Spiel kostet ja mitunter 50 Euro und mehr, was soll also bei 4 Euro schon kaputt sein? Und so werden die ersten ingame Einkäufe getätigt. Übrigens ist das ein ganz ähnliches System das bei vielen Spielen mittels Lootboxen implementiert wurde, hier gibt es aber schon erste Länder, die hier Verbote fordern oder diese Art von System als Glückspiel eingestuft und für unter 18-Jährige verboten haben, weitere Verbote sind innerhalb der EU bereits Inhalt von Debatten.
Aber wieder zurück zum Gacha. Das System ist so programmiert, dass man bei den ersten Verkäufen kaum große Chancen hat das gewünschte Item zu erhalten. Und so wird der "Bereitschaftspunkt" vom Spiel ausgereizt, bei manchen Spielern ist das schon bei 15 Euro der Fall, bei anderen erst bei 40 Euro. Danach, kurz bevor der Spieler dann kein Geld mehr ausgeben will, bekommt er das gewünschte Item oder wird mit zusätzlichen Boni belohnt, die ihm das Weiterkommen im Spiel immens erleichtern. Zu diesem Zeitpunkt hat der Spieler dann schonmal Geld ausgegeben. Dann kommt das nächste Austesten des "Bereitschaftspunktes" und der Spieler gibt wieder Geld aus oder nicht, wenn er das Spiel nicht schon vorher deinstalliert hat.
Manche Spieler geben also kein Geld aus, andere 4 Euro und andere widerum 200 Euro. Je geschickter das System programmiert ist und besser der "Bereitschaftspunkt" gewählt ist, desto weniger bemerken die Spieler, dass sie hier eigentlich einen einarmigen Bandigen bedienen, der als Rollenspiel getarnt ist, weil je bunter und besser das Item, oder je cooler und seltener der Held (hier punkten gerade Lizenzspiele) desto größer die Bereitschaft zu bezahlen.
Das führt uns wieder zum Anfang zurück, zu den 0,1% der hundert Millionen etablierten Geräten. So kann also eine Firma recht einfach und zielgenau kalkulieren, wie viele Leute sich die App herunterladen und wie viele davon bereit sind, echtes Geld zu bezahlen. Hat man also 500 Millionen potentielle Kunden braucht es nur einen Bruchteil und man kann locker 10 Millionen Apps an den Kunden bringen. Wenn davon jetzt "nur" rund 50.000 Kunden Echtgeld bezahlen und im Durchschnitt 15 Euro ausgeben, habe ich einen reingewinn von 750.000 Euro für ein Appspiel, dessen Entwicklungskosten bei vielleicht 100.000 Euro und weniger liegen, die laufenden Kosten sind sehr gering und die Chance, dass zusätzliche Kunden anbeißen sehr hoch, dh. für eine Firma ist diese Art des Spiels eine sehr risikoarme Variante Geld zu verdienen.
Abgesehen davon, dass erwachsene Spieler ihr Geld verschleudern können, wie sie wollen, ist ein weiterer Faktor, dass ein guter Teil der Kernkunden, also jener, die statistisch gesehen warscheinlicher zu einer solchen App greifen 18 Jahre und jünger, dh. teilweise Jugendliche und Kinder sind und dass jene Kunden noch anfälliger für bunte Items und dicke Belohnungen sind, sollte klar sein. Ist es dann aber nicht in der Verantwortung der Eltern, das Handy für solche Apps zu sperren bzw. ingame Käufe zu verhindern? Jein, eigentlich sollte es so sein, aber viele Eltern kennen sich mit den Geräten und Apps zu wenig aus, weil sie nicht damit aufgewachsen sind und wenn der Junior erstmal wild geklickt und Geld ausgegeben hat, ist es schon zu spät. Viele dieser Gacha Spiele oder Apps an sich, das hat auch eine jüngste Studie der Stiftung Warentest ergeben, sind gänzlich nicht für Kinder geeignet, darunter aber Apps, die sich ob ihres Inhaltes direkt an Kinder und Jugendliche richten. Oft sind Kosten, Abos und Käufe nicht eindeutig gekennzeichnet, zu leicht ohne Sicherungsmechanismus abschließbar und entsprechen keinen der gängigen Geschäftsbedingungen die für einen solchen Vertragsabschluss oder Kauf erforderlich sind, kurz gesagt, es wird damit Geld gemacht, dass Kinder sich damit nicht auskennen und zu wenig informiert werden. Ob das durch die Entwickler bewusst oder gar vorsätzlich gemacht wird, kann man natürlich nicht sagen. Kein Entwickler würde hergehen und zugeben, seine Apps per geschickter Werbung an Kinder zu vermarkten mit dem Vorsatz, diese als einfachere Kunden auszunutzen.
Abgesehen davon werden durch verschleierte Versprechungen und intransparente Zufallsgeneratoren aber nicht nur unsere Jüngsten durch solche Mechaniken getäuscht oder durch geschickte Implementierung bestimmter Gewinnchancestrukturen zur ingame-Bezahlung animiert.
In wenigen Worten zusammengefasst sind diese Art von Games bzw. Mechaniken nichts anderes, als Glückspielautomaten. Anstatt Früchten und glücklichen Zahlen rattern eben Levels und Ausrüstungsgegenstände vor dem Spieler herunter, anstatt aber aufzustehen und in ein Wettlokal gehen zu müssen, kann diese Art von Glückspiel von jedem Spieler weltweit, also zig Millionen von Handybesitzern, von daheim genutzt werden, egal wie jung oder alt der Spieler ist. Dazu kommt, dass diese Art der Spiel von Entwicklern selbst als finanzielles Standbein gesehen wird, da das Risiko und der Aufwand minimal sind bei gleichzeitig sehr hohen Einkommensprognosen. Kurz gesagt, Gacha Spiele(mechaniken) sind eine faule Art von Entwicklern an Geld zu kommen, während sie durch geschickte Mechaniken Spieler darüber hinwegtäuschen, dass sie an einem einarmigen Banditen sitzen aber anstatt Geld kann man nur Fortschritt gewinnen, der den Spieler nur noch mehr an die Software bindet und die Chance auf ingame Verkäufe erhöht. Mit dieser Art von Software werden Spieler bewusst irregeleitet, meiner Meinung nach gar vorsätzlich, da sich viele solche Games an Kinder und Jugendliche richtet und mit Mechaniken ausgestattet sind, die eben genau auf das (Glück)Spielverhalten des Anwenders anspricht und bei oa. Zahlen ist es eine reine Warscheinlichkeitsrechnung, wie viele Nutzer am Ende Geld locker machen.
Warum es für mich also schwer verständlich ist, solche System mit whataboutism und "muss jeder selbst wissen" zu schützen oder zu rechtfertigen, sollte auf Grund meines leider etwas lang gewordenen Beitrags nun hoffentlich etwas verständlicher geworden sein.
Edit: Ich hoffe der Beitrag kam nicht schärfer rüber als nötig, ich weiß nämlich dass einige User hier nicht nur Gacha Games spielen sondern auch eine andere, bessere Meinung davon haben, als ich.