Sie ist noch lange nicht fertig (bei Gelegenheit wird weiter geschrieben) und voller Fehler (Das kommt davon, wenn man hauptsächlich nachts schreibt. ^^), aber ich hoffe, ihr mögt sie trotzdem ein wenig.
-----------------------------------------------------------------------------------------------------
Prolog
Blitze zuckten über den tiefschwarzen Horizont und der Regen peitschte über die weite Ebene. Der Himmel war so mit Wolken verhangen, dass kein einziger Stern zu sehen war. Sämtliche Bauern der Umgebung hatten ihr Vieh in die sicheren Ställe gebracht und auch die wildlebenden Tiere hatten Schutz im Unterholz gesucht. Kein Lebewesen wagte sich freiwillig in diesen Sturm hinaus – und trotzdem stemmte sich ein etwa zehnjähriger Junge mit aller Kraft gegen Wind und Wasser.
Trotzig bot er den Elementen die Stirn und kämpfte sich mühselig Richtung Hyrule-Stadt. Ein gleißender Blitz erhellte für einige Sekunden die Ebene und wurde fast augenblicklich von einem krachenden Donnergrollen abgelöst. Der Junge schlang sich die Arme um die Brust und zwang sich tapfer weiter vorwärts. Die sintflutartigen Regenfälle hatten das Erdreich inzwischen so aufgeweicht, dass die kniehohen Lederstiefel des Jungen beinah vollständig in den Schlamm einsanken.
Eine Windböe fegte über das Land und riss dem einsamen Wanderer seine lange, grüne Mütze, deren Zipfel ihm fast bis in den Rücken reichte, vom Kopf. Leise fluchend eilte der Junge so schnell wie es der Schlamm unter seinen Füßen zuließ seiner Kopfbedeckung hinterher, die sich glücklicher Weise in den Zweigen eines Baumes verfing. Mit einem grimmigen Blick auf die weißen Türme Schloss Hyrules, das hinter der prächtigen Stadt mit den mächtigen Mauern aufragte, setzte er seine völlig durchnässte Mütze wieder auf. Seine braunen Haare, die mit feinen blonden Strähnen durchzogen waren, hingen ihm ins Gesicht und waren ebenso nass als wäre er in den in der Nähe fließenden Fluss gesprungen. Eine weitere Windböe streifte den Jungen und ließ ihn frösteln. Der Stoff seiner grünen Tunika, die ihm bis zu den Kniekehlen reichte, hatte sich mit Regenwasser vollgesogen und bot keinen Schutz mehr vor der beißenden Kälte des Windes. Seufzend setzte der Junge sich wieder in Bewegung.
Nur noch ein paar hundert Meter... Er sprach sich selber Mut zu, während der Sturm um ihn herum immer wilder tobte. Dabei wusste er nicht einmal, was er in Hyrule-Stadt wollte. Er spürte nur den beinah magischen Sog, der an ihm zerrte. Er musste dorthin. Warum würde er noch erfahren.
Es waren nur noch wenige Meter bis zu den schützenden Mauern der Stadt, als der Junge entdeckte, dass die Zugbrücke hoch gezogen war. Frustriert blieb er stehen und blickte missmutig an den hohen Mauern hinauf. Regenwasser tropfte ihm aus Haaren und Kleidung und er fror bitterlich. Gerade als er noch überlegte, wie er nun in die Stadt gelangen sollte, wurde die Zugbrücke krachend herunter gelassen und ein strahlend weißer Schimmel jagte über die Bretter. Mit einem beherzten Sprung hechtete der Junge aus dem Weg des Pferdes. Erstaunlich elegant rollte er sich auf dem schlammigen Untergrund ab und blickte irritiert den beiden Reitern hinterher.
Eine junge Frau mit kurzem weißblonden Haar hielt die Zügel des edel aufgezäumten Pferdes in den Händen. Ihr schimmernder, silberner Brustpanzer blitze im Mondlicht, doch durch ihre kurzen nachtblauen Hosen und ihren langen, dunklen Umhang wurde sie beinah von der Dunkelheit verschluckt. Vor ihr saß ein ängstlich blickendes Mädchen, das seine Hände in die lange Mähne des galoppierenden Pferdes krallte.
Als sein Blick auf den Jungen fiel, schien in seinen Augen Erkennen aufzuflackern und es wandte den Kopf, um den Jungen nicht aus den Augen zu verlieren. Es sah ihn so eindringlich an, dass der Junge den Blick nicht von den großen blauen Augen wenden konnte, die so dunkel waren, dass sie fast lila wirkten. Der Junge spürte, dass dieses Mädchen ihm etwas mitteilen wollte, doch er konnte sich keinen Reim darauf machen, schließlich kannte er es doch gar nicht!
Er war verwirrt und irritiert. Die Reiter waren schon längst hinter dem nächsten Hügel verschwunden, doch er starrte ihnen trotz des Unwetters, das mit ungebrochener Intensität tobte, noch immer hinterher. Warum hatte dieses Mädchen ihn so eindringlich angesehen? Und vor was hatte es solche Angst?
Plötzlich riss ihn ein Schnauben hinter ihm aus seinen Gedanken. Erschrocken drehte er sich um und blickte in die funkelnden Augen eines riesigen, schwarzen Pferdes. Das helle Braun der Iris hatte einen Rotstich, der den Augen einen dämonischen Glanz verlieh. Unruhig trat der Rappe auf der Stelle, wobei seine gewaltigen Hufe ein schauriges Donnergrollen erzeugten. Mit weit aufgerissenen Augen starrte der Junge das wilde Tier an.
Es sah aus als wäre es direkt der Hölle entsprungen. Ängstlich ließ er den Blick über die festen Muskelstränge unter dem glänzenden Fell an Hals, Schultern und Rücken gleiten, bis er an einem in dunkles Leder gehülltes Bein des Reiters hängen blieb, das sich an den Bauch des Pferdes drückte.
Der Reiter war ein hünenhafter, breit gebauter Mann, dessen muskulöser Körper in einem Anzug aus schwarzem Leder und einem eben so dunklen Brustpanzer steckte. Langsam richtete der Junge seinen Blick auf das Gesicht des Mannes. Der stechende Ausdruck in den kalten, dunklen Augen, die seinen Blick auffingen, ließ den Jungen schaudern. Die roten Haare, die wild im Wind flatterten erinnerten an loderndes Feuer. Auf den schmalen Lippen lag ein hartes, leicht ironisches Lächeln und die lange Hakennase war leicht kraus gezogen.
Ohne Eile hob der Mann den linken Arm und richtete seine Handfläche auf den Jungen, der wie erstarrt da stand. Das Herz des Jungen schlug ihm bis zum Hals und Panik schnürte ihm den Hals zu. Der Drang fortzulaufen wurde allmählich unerträglich, als helles Licht die Szene zerriss. Heftig atmend schlug der Junge, Link, die Augen auf. „Wieder dieser Traum...“, murmelte er, während er sich langsam aufsetzte.
Kapitel 1 – From zero to hero?
Alltag im Kokiri-Dorf
Was ein miserabler Start in den Tag...
Der Traum steckte Link noch immer in den Knochen und hatte sich als dumpf pochende Kopfschmerzen hinter seiner Stirn eingenistet. Während er lustlos mit dem Löffel in seinem aus frischen Waldbeeren und Nüssen bestehenden Frühstück herum rührte, überlegte er wieder einmal wie so oft in den letzten Tagen, warum ihn dieser immer wiederkehrende Traum plagte.
Was mochte der Auslöser dafür sein? Hatte der Traum eine Botschaft – und wenn ja, welche? Er seufzte und schob sich einen Löffel seines selbstgemischten Frühstücks in den Mund. Er kaute langsam und genoss den leicht säuerlichen Geschmack auf der Zunge, während seine Gedanken wieder zu dem Mädchen aus seinem Traum wanderten. Obwohl er es nicht kannte, fühlte er sich mit ihm irgendwie verbunden, so als müsste er wissen, weshalb es ihn so eindringlich angeschaut hatte.
Erst ein Klopfen aus Richtung der Tür riss ihn wieder aus seinen Grübelein. Wer mochte das sein? Er runzelte die Stirn und warf einen Blick aus dem Fenster. Die Sonne kam gerade erst hinter den Wipfeln des Kokiri-Waldes hervor und leichter Morgennebel schwebte noch über die Wiesen und durch die Wege zwischen den Baumhäusern des Walddörfchens. Mit Salia war er erst für den Vormittag verabredet.
Langsam stand er auf, lief durch die karge Wohnung, die aus einem einzelnen Zimmer bestand, zu seinem Schrank, der direkt aus der Wand geschnitzt war. Wie alle anderen Kokiri auch bewohnte Link das Innere eines hohlen Baumes. Link zog seine Tunika aus dem Schrank und ließ den grünen Stoff über seinen Kopf gleiten. Hastig band er sich noch seinen alten, abgenutzten Ledergürtel um und eilte barfuss zur Tür.
Er schob den Vorhang, der als Tür diente, zur Seite und blickte sich fragend um, da niemand zu sehen war. Schließlich entdeckte er das grotesk geformte Knäuel aus Holz und Fell auf dem Boden. Irritiert hob er es auf und betrachtete es von allen Seiten. Es war eine schreiend hässliche Satire einer Fee, die aus einer Wurzel geschnitzt und mit Flügeln aus Tierfell versehen war. Sie grinste fratzenhaft und entblößte dabei eine Reihe langer, bedrohlich wirkender Zähne.
Hinter einem Busch in der Nähe begannen ein paar Jungen prustend zu lachen. „Sehr witzig, Mido!“, rief Link über das Gelächter hinweg. Langsam und sich den Bauch vor Lachen haltend kam der rötlich blonde Mido aus seinem Versteck. „Du solltest mal dein Gesicht sehen! Einfach zu herrlich!“ „Freut mich, dass du deinen Spaß hast.“, erwiderte Link eisig. „Ach komm, Link, jetzt sei nicht gleich so eingeschnappt. Wir wollten dir nur eine Freude machen. Wir haben gedacht, du könntest einen Fee-Ersatz gebrauchen, Loser.“ Hinter dem Busch begann das Gelächter von Neuem. „Wirklich... zu nett von euch.“, presste Link zwischen den Zähnen hervor und warf mit der schauerlichen Feenparodie nach Mido, der sich vor Lachen bog. Mit versteinerter Miene zog sich der Außenseiter des Dorfes wieder in sein Zimmer zurück und ließ sich auf sein Bett unter dem Nordfenster fallen.
Er zog seine Beine an, bis er mit den Knien an die Brust stieß, schlang die Arme um die Beine und stützte das Kinn auf die Knie. Missmutig ließ er den Blick durchs Zimmer schweifen. Mit dem kleinen Regal, dem gedrungenen Schrank, dem niedrigen Tisch mit den zwei Hockern und dem schmalen Bett war sein Zimmer ziemlich spartanisch eingerichtet. Link versuchte sich darauf zu konzentrieren, Pläne zu schmieden, was er als nächstes für seine Wohnung bauen könnte. Er könnte zum Beispiel den alten Schrank ausbessern oder ein größeres Regal schreinern.
Doch so sehr er sich bemühte, er konnte sich nicht auf diese harmlosen Dinge konzentrieren. Midos Streich hatte ihm zu deutlich vor Augen geführt, dass er nicht nur nachts in seinen Träumen von Dämonen gejagt wurde. Jeden Tag vor die Anderen zu treten erforderte sehr viel mehr Mut als sich dem diabolischen Mann aus seinen Träumen zu stellen, da sie ihm immer wieder aufs Neue zeigten, wie unerwünscht und wie wenig akzeptiert er war – und alles nur, weil er aus unerfindlichen Gründen als Einziger keine Fee bekommen hatte.
Jeder Kokiri lebte mit einer Fee zusammen, die ihn begleitete und mit Rat und Tat zur Seite stand. Die kleinen, geflügelten, leuchtenden Mädchen waren die besten Freundinnen ihrer Schutzbefohlenen, doch ausgerechnet der Junge, der so dringend einen treuen Freund gebraucht hätte, hatte vom Deku-Baum keine Fee bekommen. Manchmal hasste Link den Wächter der Wälder dafür – und schämte sich im selben Augenblick für seine Gefühle.
Der Schutzpatron der Kokiri war immer gut und freundlich zu ihm gewesen. Er hatte kein Recht, seine Wut über die Ungerechtigkeit des Schicksals auf ihn zu fokussieren. Außerdem war er ja gar nicht so allein wie er sich manchmal fühlte.
Mit einem glückseligen Lächeln dachte er an Salia. Das Mädchen mit den treuen grünen Augen war seine beste Freundin, seine Vertraute, seine bessere Hälfte. Salia war die Einzige, die ihn akzeptierte wie er war – feenlos – und ihn vor den Anderen verteidigte. Link wusste nicht, was er ohne sie getan hätte.
Salia
„Warum machst du so ein missmutiges Gesicht?“ Salia trat von hinten an Link heran, der an dem seichten, sich durch das Kokiri-Dorf schlängelnden Bach saß, und legte ihm in einer freundschaftlichen Geste die Hand auf die Schulter. „Ach, es ist nichts.“ Link zwang sich zu einem Lächeln und schaute zu seiner Freundin auf. Langsam ließ sie sich neben ihm ins hohe, dunkelgrüne Gras sinken.
Wie alle Kokiri trugen auch Link und Salia Kleidung aus grünem Leinen, sodass sie sich in den Wiesen und Wäldern beinah unsichtbar machen konnten. Bis auf Salia, die kurze hellgrüne Hosen, sowie einen passenden Pullunder über einem dunkelgrünen, langärmeligen Shirt trug, kleideten sich die Kokiri in die gleichen groben Tuniken wie Link. Man konnte eben schon von Weitem erkennen, dass Salia etwas besonderes war.
Sie legte den Kopf schief und sah Link eindringlich an. „Okay.“, sagte sie langsam und gedehnt. „Und warum bringt dich dieses Nichts dazu, ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter zu ziehen?“ Statt zu antworten, kickte Link mit der Spitze seiner Stiefel einige kleine Steinchen ins Wasser. Salia rückte ihren grünen Haarreifen auf ihrem dichten, kinnlangen Haar zurecht und musterte Link von der Seite. „Es war wieder einmal Mido, oder?“ Link zuckte mit den Schultern und starrte weiter auf das klare Wasser, das in glitzernden Bahnen an ihnen vorbei floss. „Wenn ich den erwische!“, grummelte Salia und ihre Augen funkelten so sehr, dass sie für einen Moment trotz ihres sanften Wesens wirklich furchteinflößend wirkte.
„Lass es gut sein, Salia.“, beschwichtige Link sie müde. „Er hat ja irgendwo Recht. Es muss doch einen Grund geben, warum ausgerechnet ich als Einziger keine Fee vom Deku-Baum bekommen habe. Ich bin anders! Das fühle ich.“ Er blickte auf und Salia musste plötzlich an einem Klos in ihrem Hals schlucken, der ihr die Kehle zuschnürte. In Links blauen Augen spiegelte sich all der Schmerz, den er über die Jahre unter Midos Schikane hatte erleiden müssen.
„Ach Link...“, vorsichtig legte Salia ihm die Hand auf den Oberschenkel. Die folgenden Worte hatte sie ihm schon so oft gesagt, doch aus irgendwelchen Gründen fanden sie ihren Weg nicht in sein Bewusstsein – im Gegensatz zu Midos Gemeinheiten. „Natürlich bist du anders als die Anderen. Du bist etwas Besonderes. Du bist so ein toller Freund. Die Anderen sind doch nur neidisch auf dich.“ Ihm den wahren Grund für seine Andersartigkeit verschweigen zu müssen, versetzte ihrem Herzen einen Stich, doch sie hatte genau wie die anderen Kokiri geschworen, Stillschweigen zu bewahren. Irgendwann würde Link sein wahres Schicksal offenbart und auch wenn ihr vor diesem Tag graute und allein der Gedanke daran sie traurig stimmte, würde sie sich mit Link freuen, wenn es endlich so weit wäre.
Er schaute wieder in Richtung des Flusses, doch seine Augen waren glasig und er schien mit den Gedanken weit entfernt zu sein. Salia betrachtete sein kinnlanges, verwuscheltes Haar, das er ausnahmsweise nicht unter seiner geliebten Mütze verbarg, sondern sanft vom Wind bewegt wurde. Irgendwie erschien es ihr ein wenig stumpfer als normal. Alles an ihm wirkte müde und abgespannt, sogar seine Schultern zog er verkrampft nach vorne. Was mochte bloß mit ihm los sein? Sie bemerkte diese Veränderung schon länger, doch so kraftlos wie an diesem Tag hatte er noch nie gewirkt.
Seine leise Stimme riss sie aus ihren Gedanken: „Du, Salia? Hast du schon mal etwas von einem Schloss Hyrule gehört?“ Ein heißer Schmerz schoss durch ihr Herz. Sollte er näher an seinem Schicksalstag sein als ihr lieb war?
Als sie ihm zaghaft antwortete, war ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern: „Es ist irgendwo außerhalb des Waldes. Der Deku-Baum hat einmal davon erzählt. Es soll ein prächtiger Bau aus weißem Sandstein mit vier hohen Türmen und schönen, liebevoll bepflanzten Innenhöfen sein. Die Königsfamilie Hyrules lebt dort. Aber ich habe es nie selbst gesehen. Wir Kokiri können ohne diese von den Göttinnen geheiligten Wälder nicht überleben. Wir sind durch unsichtbare Wurzeln mit diesen Wäldern verbunden wie die Bäume mit dem Erdreich.“ „Hm...“ „Warum fragst du?“ „Ich träume seit einigen Wochen jede Nacht davon, dass ich unbedingt zum Schloss müsste. Ich weiß nicht, was ich dort will, aber ich spüre, dass es dringend ist.“ Link seufzte. „Das ist total verrückt. Ich kenne diesen Ort nicht. Ich hatte bis eben nicht einmal etwas davon gehört und trotzdem weiß ich in meinen Träumen ganz genau, wo sich das Schloss befindet und wie es aussieht – auch wenn ich nur die Türme zu sehen bekomme.“ Salia schluckte. Das Ganze klang bedrohlich und sie spürte deutlich, dass der Tag, an dem sie Link verlieren würde, näher war als sie bisher geglaubt hatte.
Während er seinen Traum in allen Einzelheiten vor ihr ausbreitete, erklärte, wie er sich im Laufe der Wochen von einzelnen kurzen Bildfetzen zu dem immer gleichen Film entwickelt hatte, und über mögliche Bedeutungen philosophierte, beobachtete Salia geistesabwesend wie die untergehende Sonne das glitzernde Nass zu ihren Füßen langsam in einen Strom aus flüssigen, feuerroten Rubinen verwandelte. Als Link schließlich verstummte, hatte sich bereits feuchtklamme Dämmerung über sie herab gesenkt. Abendlicher Tau kroch in die Maschen ihrer Kleidung und ließ die Beiden frösteln.
„Und? Was denkst du?“, hakte Link nach. „Vielleicht solltest du mit dem Deku-Baum darüber reden.“ Salia gab sich große Mühe, Zuversicht in ihre Stimme legen, doch sie klang selbst für ihre eigen Ohren irgendwie hohl. Doch Link schien so mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, dass er es gar nicht wahrnahm, was ungewöhnlich für ihn war. Dieser Traum musste ihn wirklich sehr belasten. „Ja... Ja, vielleicht hast du Recht. Danke.“
Er lächelte sie an und sprang dann auf die Beine. „Es ist schon spät. Wir sollten zu Bett gehen.“ Langsam nahm Salia seine dargebotene Hand und ließ sich aufhelfen. Während sie den kurzen Weg zu ihrem Haus zurück legten, sagte keiner ein Wort. Beide hingen ihre eigenen Gedanken nach. An Salias Haustür schloss Link sie kurz in die Arme und wünschte ihr eine gute Nacht.
Salia blieb noch eine Zeit lang am Durchgang stehen und schaute Link nach, der zu seinem benachbarten Baum schlenderte und behände die Leiter zu seinem höher gelegenen Eingang herauf kletterte. Nachdem er seinen Balkon erklommen hatte, drehte er sich noch einmal um, lächelte und winkte ihr zu. Mit Tränen in den Augen erwiderte sie sein Winken und verschwand dann in ihrem Zimmer. Sie würde Link schrecklich vermissen.
Eine unerwartete Einladung mit Hindernissen
Unruhig warf Link sich auf dem weißen Laken hin und her, während er sich in seinem Traum mal wieder Richtung Schloss Hyrule kämpfte. Auf seiner Stirn glitzerten kleine Schweißtropfen im Mondlicht und die dünne, verschwitzte Decke klebte an seinem nackten Oberkörper. Ein leises Wimmern entwich tief aus seiner Brust als er den Kopf ruckartig zur linken Seite warf.
Inzwischen kannte er den Traum so gut, dass den Moment, in dem das dämonische Pferd in seinem Rücken schnauben würde, vorausahnen konnte. Er spürte die Spannung, die dem Schockmoment voraus ging, und sie jagte ihm sowohl im Traum als auch auf seinem Bett liegend eine Gänsehaut über den Körper. Alles in ihm strebte danach zu aufzuwachen, um nicht den kalten Augen dieses Mannes ausgesetzt zu sein, doch auch diese Nacht war ihm ein frühzeitiges Erwachen nicht vergönnt.
Er sah sich selbst mit weit aufgerissenen Augen diesem berittenen Teufel gegenüberstehen und langsam zurückweichen. In der Handfläche des Mannes sammelte sich Energie, die sich zu einem blitzenden Elektrizitätsball formte. Link wollte einfach nur noch davon laufen und strampelte wie wild mit den Beinen, doch sein Traum-Ich blieb einfach wie angewurzelt stehen.
Mit einer lässigen Handbewegung schickte der Mann das tödliche Energiebündel los, das wie in Zeitlupe auf den Jungen zuzukommen schien. Link sah deutlich die kleinen Blitze, die über die Oberfläche der Kugel zuckten, und spürte panische Angst in sich aufsteigen. Gerade als er schützend die Arme hoch reißen wollte, zerplatzte der zuckende Ball kurz vor seinem Gesicht und eine aufgeregte, aber dennoch zarte Stimme drang an sein Ohr: „Hey! Link! Hey! Jetzt wach endlich auf! Hey, Link!“
Langsam öffnete Link die Augen und wurde sogleich von einem hellen Licht geblendet. Mit einem unterdrückten Stöhnen riss er den Kopf zur Seite und versuchte so der grellen Lichtquelle zu entkommen, die in seinen Augen schmerzte. „Bei den Göttinnen! Was für eine Schlafmütze!“, grummelte die fremde Stimme empört. Link blickte mit pochendem Herzen gegen die Wand. Wer oder was konnte dieses sprechende Glühwürmchen sein? Es konnte doch nicht etwa...
Als sich seine Augen ein wenig an das Licht gewöhnt hatten, das von dem seltsamen Besuch ausging, setzte Link sich auf und schaute den Eindringlich neugierig an. Tatsächlich! Eine Fee! Link traute seinen Augen kaum. Er musste noch immer träumen. Es konnte doch nicht die Wahrheit sein, dass auch er endlich eine Fee bekommen haben sollte.
„Bist du endlich wach?“ Das kleine, geflügelte Mädchen stemmte die Hände in die Hüften und sah ihn prüfend an. Link setzte zu einer Antwort an, doch sein Mund war zu trocken und er musste schlucken, bevor er neu ansetzen konnte. „Ja, ich bin wach.“ Dabei kniff er sich heimlich in den Oberarm, um sicher zu gehen, dass er wirklich nicht mehr träumte. „Fein.“ Mit einem Mal lächelte die Fee und wirkte um einiges entspannter.
„Ich bin übrigens Navi. Der Deku-Baum schickt mich. Ich soll dich zu ihm bringen.“ Überrascht schaute Link die flimmernde Erscheinung vor sich an. Was konnte der Deku-Baum nur von ihm wollen? Hatte er sich etwas zuschulden kommen lassen? Vielleicht hätte er gestern doch nicht mit der Schnitzerei nach Mido werfen sollen... Entnervt rollte Navi mit den Augen. „Wir sollten uns beeilen...“
Bei dem folgenden Versuch, sich möglichst schnell anzukleiden und das Haus zu verlassen, stolperte Link gleich mehrere Male über seine achtlos in die Ecke geworfenen Stiefel und schürfte sich den Ellenbogen am Regal auf als er noch mit der Tunika über dem Kopf in Richtung Tisch laufen wollte, um seinen dort abgelegten Gürtel zu holen. Als er endlich vollständig bekleidet war, entwich Navi ein erleichterter Seufzer. „... ich dachte schon, er schafft es eher, sich umzubringen, als sich anzuziehen...“, murmelte sie vor sich hin, während sie ungeduldig mit den Flügeln schlagend an der Tür wartete.
Als Link vor sein Haus trat, kam die Sonne gerade hinter den Wipfeln der Bäume hervor und tauchte das Dorf in ein mildes Licht. Eine kühle Brise wehte zu Link herüber und ließ ihn leicht frösteln. „Was stehst du hier wie angewurzelt rum?“ Navi packte ihn am Kragen und versuchte verzweifelt, ihn vorwärts zu ziehen. „Der Deku-Baum wartet!“ Link nickte und sprang beherzt von seinem Balkon hinunter. Die bereitstehende Leiter ignorierte er einfach. Navi blickte verdutzt dem Jungen hinterher, der in einen lockeren Lauf verfiel und zielstrebig Richtung Deku-Baum trabte. „Wenn der Kleine sich Mühe gibt, ist er ja direkt zu etwas zu gebrachen...“
Mido stand mit zur Seite geneigtem Kopf vor Link und verschränkte die Arme. „Nur noch mal fürs Protokoll: Du willst zum Deku-Baum, weil er dich angeblich zu sich gerufen hat?“ „Jaaaaaa doch!“ Link schaute hilfesuchend zu Navi, die Grimassen schneidend hinter Mido schwebte und entnervt mit den Augen rollte. Der rotblonde Anführer der Kokiri zog die rechte Augenbraune in die Höhe und blickte Link geringschätzig an. Link guckte flehend zu Navi hoch, die voller Arbeitseifer so schnell an Mido vorbei geschossen war, dass er sie nicht hatte sehen können. Mit einem resignierenden Seufzer zuckte diese die Schultern und flog vor Mido, der plötzlich gar nicht mehr so selbstsicher wie sonst wirkte und erschrocken drein blickte. „Wir stören ja wirklich nur ungern, aber der Deku-Baum hat diesen Jungen zu sich befohlen.“, flötete Navi fröhlich mit ihrer zuckersüßen Stimme.
Mido warf einen argwöhnischen Blick auf Link, der leicht verlegen hinter der funkelnden Fee stand. Er konnte ahnen, was gerade in seinem Gegenüber vor sich ging. Zum Waldwächter gerufen zu werden, war eine große Ehre, die nur selten einem Kokiri zuteil wurde. Dass dieses Privileg nun ausgerechnet dem Außenseiter und Rivalen gewährt wurde, musste Mido rasend vor Wut und Neid machen. „Was will der Deku-Baum ausgerechnet von DEM da?“ Link zuckte angesichts des harschen Tons ein wenig zusammen, doch Navi blieb völlig unberührt und erklärte mit einem lieblichen Lächeln: „Das, mein Lieber, weiß nur der weise Deku-Baum allein. Aber er wird seine Gründe haben, da kannst du sicher sein. Also würdest du jetzt bitte die Freundlichkeit besitzen und zur Seite treten, sodass wir passieren können?“ Link grinste verstohlen, während er Midos Mienenspiel beobachtete. Es missfiel ihm ganz offensichtlich, seinen Erzrivalen durchzulassen, doch die kluge Fee hatte ihn matt gesetzt. Jegliche Weigerung würde einer Missachtung eines direkten Befehls gleichkommen, was eine grobe Beleidigung des Deku-Baumes gewesen wäre.
Schließlich biss er sich auf die Unterlippe und sah zuerst Navi, dann Link von unten herauf mit gesenktem Kopf an. „Ich würde dich ja gerne gehen lassen, aber seit ein paar Tagen sprießen auf diesem Weg die Deku-Piranias nur so. Es wäre einfach unverantwortlich, einen Unbewaffneten gehen zu lassen. Das muss auch der Deku-Baum einsehen. Tut mir leid.“ Navi ballte die kleinen Hände zu Fäusten und sah aus als wollte sie sich jeden Augenblick auf Mido stürzen, doch Link begann zu grinsen und fragte mit gespielter Unschuld in der Stimme: „Das heißt, wenn ich irgendwo eine Waffe auftreiben könnte, würdest du mich passieren lassen?“ „Ja, ja.“, murmelte Mido verwirrt. Woher wollte Link um alles in der Welt eine Waffe auftreiben? Im ganzen Wald gab es keine einzige.
Doch als er das Leuchten in Links Augen sah, setzte er nach: „Sofern du ein Schwert und einen Schild auftreiben kannst, werde ich dich gehen lassen.“ „Alles klar.“ Link nickte Mido kurz zu und wandte sich dann zum Gehen. Navi folgte ihm aufgeregt und umschwirrte ihn wie eine Fliege an einem heißen Sommertag die Kuh. „Du hast doch etwas vor. Das sehe ich dir an der Nasenspitze an.“ Link steuerte zielstrebig auf Salias Haus zu, doch Navi flog mit in die Hüften gestemmten Händen vor ihn und sah ihn mit großen Augen erwartungsvoll an.
Er wich ihr mit einem kurzen Haken aus, begann aber seinen Plan zu erläutern. „Mido erwartet von mir, dass ich mich bewaffne – also werde ich genau das tun. Einen Schild zu besorgen, ist ein Kinderspiel. Im Shop können wir einen für vierzig Rubine kaufen. Deswegen schau ich jetzt kurz bei Salia vorbei. Sie wird mir sicherlich helfen, die Summe zusammen zu bekommen. Danach kümmern wir uns um ein Schwert. Einer Erzählung nach gibt es hier irgendwo ein verstecktes Schwert – der Schatz dieses Dorfs. Ich habe vor, es zu finden.“
Salia saß gerade auf ihrem Bett und stopfte einen Socken als Link ins Zimmer stürmte. Erschrocken ließ sie ihre Arbeit fallen und stand auf. Link hatte gerötete Wangen und leuchtende Augen, aus denen er sie unverwandt ansah. Hinter ihm schwebte eine silbrig glänzende Fee, die sich nun mit einer eleganten, fließenden Bewegung auf seiner Schulter niederließ und Salia angrinste.
Doch bevor Salia etwas dazu sagen konnte, platzte es einfach aus Link heraus: „Du wirst es kaum glauben, aber als ich heute Morgen wach wurde, war da plötzlich diese Fee – Navi – und hat mir gesagt, dass ich zum Deku-Baum gerufen wurde, aber Mido will mich nicht passieren lassen, weil es seiner Meinung nach wegen der vielen Monster zu gefährlich ist. Deswegen hat er gefordert, ich solle mich zuerst bewaffnen. Ich soll ein Schwert und einen Schild auftreiben. Hast du nicht ein paar Rubine, die du mir leihen könntest?“ Das Kokiri-Mädchen blickte ihn aus großen Augen irritiert an. „Okay, jetzt noch einmal langsam. Du sollst ein Schwert und einen Schild besorgen, damit Mido dich zum Deku-Baum gehen lässt?“ „Genau.“ Als er nickte, wippte der Zipfel seiner grünen Mütze ungeduldig in der Luft. „Und wozu brauchst du Rubine?“ Salia war noch immer verwirrt. „Damit ich im Laden einen Kokiri-Schild kaufen kann.“ Link lächelte sie nachsichtig an. Er wusste, dass er sie überfallen und überrascht hatte, weswegen es ihr schwerer fiel zu ihm aufzuschließen als gewöhnlich.
„Und woher gedenkst du das Schwert zu bekommen?“ „Erinnerst du dich an die Legende der heldenhaften Walküre, die der Deku-Baum uns vor einiger Zeit erzählt hat?“ Nachdenklich nickte Salia und schaute Link noch immer leicht irritiert an. Worauf wollte er hinaus? „Ich fand die Geschichte faszinierend und hab mir einige Gedanken darüber gemacht. Ich bin davon überzeugt, dass es mehr als nur ein schönes Märchen ist und ich glaube, ich weiß, wo das Schwert versteckt ist. Den Hinweisen der Erzählung folgend, kann es eigentlich nur ein Ort sein.“ „Und was machst du, wenn du dich irrst?“ „... Ich weiß nicht. Aber einen Versuch ist es trotzdem wert. Denkst du nicht?“ „Stimmt. Zu verlieren hast du schließlich nichts.“ „Eben. Kannst du mir denn mit ein paar Rubinen aushelfen? Ich verspreche auch, dass ich dir dein Geld zurück bringe, sobald ich kann.“
Salia warf einen Blick auf Navi, die sich auf Links Schulter räkelte und erwartungsvoll schaute. So langsam beschlich Salia der Verdacht, dass sie wusste, warum der Deku-Baum ihren besten Freund sehen wollte. „Ja, ich habe ein paar Ersparnisse, mit denen ich dir aushelfen kann.“ „Du bist die Beste!“ Link fiel ihr um den Hals und küsste sie auf die Wange. Das Blut schoss ihr in die Wangen und sie drehte sich schnell von ihm weg, damit er nicht sah, dass sie rot wurde. Jetzt, wo es so schrecklich nah schien, dass er sie verlassen musste, wollte sie ihm nicht zeigen, dass sich ihre Gefühle für ihn verändert hatten. Schon seit geraumer Zeit empfand sie mehr als bloß Freundschaft für den warmherzigen Jungen mit den strahlend blauen Augen.
„Ich hol kurz meinen Rubinbeutel.“, murmelte sie leise und lief durch den Raum. An der gegenüberliegenden Wand stand eine alte Holztruhe, deren Scharniere protestierend ächzten als Salia den Deckel anhob. Nachdem sie einige Zeit darin herum gekramt hatte, kam sie wieder auf Link zu. Während der Suche nach dem kleinen Lederbeutel hatte sie sich wieder gefasst und das Rot ihrer Wangen war wieder ihrer üblichen Elfenbeinfarbe gewichen.
„Hier drin sind zwanzig Rubine. Damit hast du die Hälfte schon zusammen.“ Sie lächelte Link an und er erwiderte dieses Lächeln mit einem breiten Grinsen. „Du bist wirklich ein Schatz!“ Erneut drückte er sie kurz an seine Brust und schickte sich dann an, ihr Haus wieder zu verlassen. „Du bekommst es bald zurück. Versprochen.“ „Behalt es. Ich schenk es dir.“ Für einen kurzen Moment guckte Link verblüfft, dann strahlte er und warf ihr eine Kusshand zu. „Danke!“ Salia blickte ihm nach, wie er aus der Tür verschwand und davon joggte. Plötzlich war ihr zum Weinen zumute.
„So, hier müsste es sein.“ Link warf Navi einen verschwörerischen Blick zu und deutete auf ein Loch in einer Felswand, die im Kokiri-Dorf aufragte. Die Fee blickte ihn skeptisch an. „Bist du dir sicher?“ „Ja, ich denke schon.“ Der Junge nickte nachdenklich, ohne den Blick von dem engen Tunnel abzuwenden, vor dem er stand. „In der Geschichte, die der Deku-Baum uns erzählt hat, trainierte die kühne Walküre hier auf diesem Platz, auf dem ihr zu Ehren dieser Trainingsparcours errichtet wurde. Der Legende nach versteckte sie ihr Schwert in der Nähe ihrer Trainingsstätte kurz bevor sie ihren Wunden, die sie in einem besonders schweren Kampf mit einem spinnenähnlichen Wesen erlitten hatte, erlag. Doch es wurde nie gefunden...“ Er schaute beschwörerisch zu Navi hoch, die abwartend eine Augenbraune in die Höhe zog. So langsam konnte der Bursche auf den Punkt kommen... „Diesen Tunnel habe ich erst vor Kurzem entdeckt als ich mich beim Sprungtraining im Winkel vertan hab und in diesem Busch gelandet bin.“ Link zeigte auf einen stacheligen Brombeerstrauch, der den Zugang zum Tunnel fast vollständig verdeckte, und verzog den Mund. Offensichtlich war die Erinnerung an die Spitzen Dornen noch sehr präsent.
Navi legte den Kopf schief und dachte nach, während sie Link musterte. Er presste die Lippen aufeinander und seine saphirblauen Augen funkelten. Er sah sehr entschlossen und zu allem bereit aus. Schließlich zuckte sie mit den Schultern und machte sich dazu bereit, herauszufinden, was hinter diesem dunklen Loch zu finden war. „Alles klar. Einen Versuch ist es wert – zu verlieren haben wir schließlich nichts.“
Die beiden Abenteurer nickten sich zu und atmeten einmal tief durch. „Nach Ihnen, der Herr.“ Navi flog neben Link und machte eine auffordernde Geste. Langsam ging dieser in die Knie und schob vorsichtig den Brombeerstrauch zur Seite. Dann kroch er entschlossen in den engen, dunklen Schacht, ohne zu wissen, was ihn auf der anderen Seite erwartete. Nach einigen Metern fiel endlich wieder Licht in den Tunnel, was Link erleichtert aufatmen ließ. Er hatte schon beinah befürchtet, sich in einer Sackgasse zu befinden. Als er endlich das Ende erreicht hatte, richtete er sich schnell auf und klopfte den Dreck aus seinen Kleidern. Der feine Staub stieg ihm in die Nase und ließ ihn niesen. „Gesundheit.“ Navi grinste Link an und schaute sich um. Sie standen in einem unzugänglichen Bereich des Waldes, der ringsherum von hohen Felsformationen eingeschlossen war, die das Eindringen beinah unmöglich machten. Die Fee pfiff leise durch die Zähne und machte große Augen. „Ich bin ehrlich beeindruckt. Wie es aussieht, haben wir hier wirklich eine große Entdeckung gemacht.“ Link grinste stolz und schritt mutig in das unbekannte Terrain voran. Langsam kämpfte er sich durch das hüfthohe Gras, das sich wie ein Meer vor ihm ausbreitete und sacht im Wind hin und her wogte. Navi flog neben seinem Kopf her und genoss die ersten Sonnenstrahlen, die über die Baumkronen hinweg auf die Wiese fielen.
Plötzlich stolperte Link und fiel mit einem gedämpften Aufschrei zu Boden. Mit grimmigem Blick rollte er sich auf den Rücken und versuchte auszumachen, was ihn zu Fall gebracht hatte. „Blöde Wurzel!“ Er versetzte dem Übeltäter einen Tritt und schwang sich wieder auf die Füße. Missmutig schaute er auf seine Hände, die er sich bei dem Versuch, seinen Sturz abzufangen, aufgeschürft hatte. Dann zuckte er mit den Schultern, rieb sich Schmutz und Blut an seiner Tunika ab und blickte sich um.
„Ich frage mich, woher diese Wurzel kommt. Der nächste Baum steht viel zu weit entfernt.“ „Da hast du Recht.“ Navi ließ ihren Blick schweifen und entdeckte weit und breit keine zu der Wurzel gehörende Pflanze. Doch irgendwoher musste sie doch kommen... Blitzschnell schoss Navi in die Höhe und grinste zufrieden als sie die Lösung des Rätsels sah. „Du stehst neben einem Baumstumpf.“ Als sie wieder neben Links Kopf schwebte, wurde ihr Grinsen noch eine Spur breiter. „Ich glaube, wir haben gefunden, was wir gesucht haben. Auf diesem Stumpf steht eine Kiste. Irgendjemand hat hier seinen Schatz versteckt. Hoffen wir, dass es wirklich die legendäre Walküre war und wir nicht bloß den geheimen Essensvorrat von einem deiner verfressenen Nachbarn entdeckt haben.“
Eiligen Schrittes schlug Link sich zu dem Baumstumpf durch, der in dem Gräsermeer vollständig unterging und so unsichtbar wurde, sofern man nicht wie Navi die Gelegenheit hatte, von einer höheren Position aus einen Blick auf die Wiese zu werfen. Mit einem Satz sprang Link auf den Stumpf und berührte geradezu ehrfürchtig die alte Truhe. Wind und Wetter hatten dem moosbewachsenen Holz über die Jahrzehnte zugesetzt und es fühlte sich seltsam weich an als der Junge mit der flachen Hand über den Deckel strich. Dann legte er beide Hände an das inzwischen verrostete Schloss, atmete tief durch und brach es einfach auf. Navi zog ungläubig beide Augenbraunen in die Höhe und applaudierte anerkennend. In den dünnen Armen dieses Kindes steckte mehr Kraft als man vermutete. Sie war sich sicher, dass Link trotz seines geringen Alters die Aufgaben bewältigen konnte, die vor ihm lagen.
Langsam und bedächtig hob Link den Truhendeckel an und schob ihn nach hinten, sodass er den Blick auf den Inhalt der Kiste frei gab. Das Innere der Kiste war mit roter Seide ausgeschlagen, die im Morgenlicht sanft schimmerte. In der Mitte des gepolsterten Bodens lag eine schlichte, blaue Schwertscheide, aus der ein goldener Griff heraus ragte. Mit einem breiten Grinsen drehte sich Link zu Navi um, die ihn verblüfft ansah. „Ich hab es gewusst!“, triumphierte der Junge, der sich freute, dass der schwierigste Teil der Ausrüstungssuche abgeschlossen war.
Vorsichtig hob er die Scheide aus der Truhe, um mit einer schnellen, geschmeidigen Bewegung die Klinge heraus zu ziehen. Zischend schwang er das silbrig glänzende Kurzschwert durch die Luft und wirkte dabei so selbstsicher als wäre er mit der Klinge in der Hand aufgewachsen. Schließlich steckte er die Waffe wieder in die Scheide und warf sie über die Schulter, um das dünne Lederband, das am oberen Ende der Schwertscheide befestigt war, an dem dafür vorgesehenen Ring am unteren Ende festzuknoten. Dann setzte er eine entschlossene Miene auf und wirkte mit einem Mal nicht mehr wie ein Kind, sondern wie ein Krieger, der in die Schlacht zog.
Auf dem Weg zum Dorfladen legten die Beiden noch einen kurzen Zwischenstopp bei Links Haus ein, um die fehlenden zwanzig Rubine zu besorgen. „Gut, dass ich in letzter Zeit ein wenig gespart habe. Eigentlich wollte ich davon ein Geschenk für Salia kaufen, aber sie wird es schon verstehen, dass der Schild Vorrang hat.“ Mit langen Schritten eilte Link auf den Shop zu, wobei der Zipfel seiner langen Mütze unruhig durch die Luft flatterte.
Der Kokiri-Schild, den er im Laden erstand, war aus alter, abgeplatzter Borke des Deku-Baumes geschnitzt. Das Holz war ungewöhnlich hart und strapazierfähig, doch leider auch leicht entzündlich. Sollte ein Feind mit Feuer angreifen, würde der Schild kaum Schutz bieten, doch gegen die riesigen, fleischfressenden Pflanzen, die sich auf dem Weg zum Deku-Baum breit gemacht hatten, würde er gute Dienste leisten.
Link befestigte den Schild so an der Schwertscheide, dass er sowohl Schwert als auch Schild in Windeseile ziehen konnte. Dann machte er sich im Eilschritt auf, um endlich Mido dazu aufzufordern, zur Seite zu treten.
Dieser riss überrascht die Augen auf als Link ihn mit seiner neuen Ausrüstung konfrontierte. „Woher... Woher hast du dieses Schwert?“ Link musste angesichts von Midos ungläubigem Gesichtsausdruck breit grinsen. Endlich einmal hatte er den Anführer der Kokiri vorgeführt und nicht umgekehrt. „Das tut doch gar nichts zur Sache, Mido. Die Hauptsache ist, dass ich deine Bedingung erfüllt habe – also lass mich jetzt endlich passieren. Ich habe den Deku-Baum schon viel zu lange warten lassen.“ Navi nickte anerkennend und empfand plötzlich beinah mütterlichen Stolz ihrem neuen Schützling gegenüber, der genügend Mut aufbrachte, vor seinem Erzrivalen, der ihn über Jahre hinweg schikaniert hatte, eine unerschütterliche Selbstsicherheit an den Tag zu legen.
Mido warf einen grimmigen Blick auf die Fee und verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust, trat aber zur Seite. „Ich verstehe noch immer nicht, was der Deku-Baum von SO einem will...“ „Das muss einer wie du auch nicht verstehen.“, versetzte Navi spitz mit so einer Eiseskälte in der Stimme, dass sich die milde Frühlingsluft um sie herum für einen Moment abzukühlen schien. Dann ließ sie sich auf Links Schulter nieder, der das Kinn leicht in die Luft reckte und geradezu majestätisch an Mido vorbei schritt. Kaum hatten die Beiden das Dorf so weit hinter sich gelassen, dass sie außer Hörweite waren, brachen sie in schallendes Gelächter aus. „Hast du sein Gesicht gesehen? Einfach zu herrlich! Ich danke dir, Navi. Dieser Blick hat mich für die zurückliegenden Jahre mehr als entschädigt.“ Amüsiert grinsend schritt Link weiter, während Navi eine Strähne ihres langen, goldenen Haares auf einen ihrer Zeigefinger wickelte.
Plötzlich schnellte neben ihnen das riesige, blaue Maul einer Deku-Pirania hoch und schnappte nach Links Bein, doch dieser sprang zur Seite und schlug dem Angreifer mit einem gezielten Schwertstreich den Kopf ab, bevor eine zweite Attacke möglich war. „Na, das nenn ich mal schnelle Reflexe.“, murmelte Navi, die bei Links blitzschnellem Ausweichmanöver von dessen Schulter gefallen war und sich ängstlich an eine Falte in Links grüner Tunika klammerte.
Nachdem die Fee ihren Platz auf der Schulter des Jungen wieder eingenommen hatte, setzten die Beiden ihren Marsch weiter fort. Auf dem weiteren Weg zum Deku-Baum begegneten sie noch mehreren angriffslustigen Pflanzen, die ein ähnlich schnelles Ende fanden wie der erste Angreifer.
Schließlich durchbrach Link die dichten Baumreihen und trat auf eine weite Lichtung, in deren Mitte der majestätische Deku-Baum aufragte. Sein Stamm war mehrere hundert Meter dick und das Astwerk, das die Baumkronen aller anderen Bäume um einige Meter überragte, erstreckte sich über die gesamte Lichtung, sodass das Licht, das durch die Blätter fiel, einen zarten Grünstich bekam. Ehrfürchtig näherte sich Link dem riesigen Schutzpatron der Wälder, der sanftmütig auf seinen Besucher herab blickte.
„Da bist du wieder, Navi. Und du hast den Jungen mitgebracht, wie ich dich gebeten habe. Ich danke dir.“ Die Fee flog auf den riesigen Baum zu und machte in der Luft ehrerbietig einen Knicks. „Und du, Link, fragst dich sicherlich, warum ich dich hierher bestellt habe. Nun, ich habe eine Bitte an dich. Vor einiger Zeit war ein düsterer Mann aus der Wüste hier und forderte den heiligen Schatz des Waldes von mir. Als ich nicht kooperierte, hat mich dieser Dämon mit einem Fluch belegt. Deswegen brauche ich dich und die Reinheit deiner Jugend, um diesen Fluch zu brechen. Wirst du diese Aufgabe auf dich nehmen?“ Link schluckte, um das flaue Gefühl in seinem Magen zu vertreiben und eine feste Stimme zu haben, als er dem Waldwächter antwortete: „Ja, weiser Deku-Baum. Ich werde alles tun, um dich von deinem Leiden zu befreien.“ „So sei es denn... Tritt ein.“
Mit lautem Knacken und Krachen öffnete sich ein Zugang zu dem Inneren des Wächterbaumes, dessen unheilverkündende Finsternis Link einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Er atmete tief durch, um gegen das steigende Unwohlsein anzukämpfen, und wollte gerade einen Schritt über die Schwelle ins Innere setzen als Navi ihn zurückhielt. „Warte!“ Link wandte ihr den Kopf zu und schaute die lächelnde Fee mit großen Augen an. „Ich werde dich begleiten, aber vorher möchte ich dir noch etwas geben.“
Flink schoss sie in die Höhe und verschwand für einige Augenblicke zwischen den Ästen des Deku-Baumes, um dann plötzlich wieder neben Link aufzutauchen. „Hier. Ich denke, das könnte sehr nützlich sein.“ Navi reichte ihm einen kleinen Lederbeutel, den Link sogleich an seinem Gürtel befestigte, auch wenn er nicht genau wusste, warum Navi ihm diesen Beutel gegeben hatte. „Öhm, danke.“ Navi grinste breit und stemmte die Hände in die Hüften als sie den Oberkörper zu ihm beugte. „Du wirst schon sehen, wozu dieses Wunderding gut ist.“ Sie zwinkerte ihm zu und wies dann in das Innere des Deku-Baumes. „Wir sollten uns nun auf den Weg machen. Die Zeit drängt.“ Link nickte, zog sein Schwert aus der Scheide und trat über die Schwelle.
Im Deku-Baum
Im Inneren des Deku-Baumes herrschte ein schwummriges Licht, das nach dem hellen Frühlingsmorgen auf der Lichtung eine grobe Umstellung war, und Link brauchte einige Zeit, bis sich seine Augen an den Helligkeitswechsel gewöhnt hatten und er seine Umgebung erkennen konnte. Überrascht stellte Link fest, dass der Wächter der Wälder vollkommen hohl war.
Der Junge schritt langsam weiter in den Raum hinein und ließ den Blick schweifen. Im hinteren Bereich brannten zwei Fackeln, deren Feuer in einem leichten Luftzug flackerten, dicke, weiße Spinnenweben hingen von Vorsprüngen und die Wände waren von Moos und Ranken überzogen. Link legte den Kopf in den Nacken und schaute zur Decke des runden Raumes, wobei er zwei Stockwerke zählte. „Wow, das ist riesig.“, murmelte er, während er sich langsam um die eigene Achse drehend weiter in den Raum bewegte.
Plötzlich schoss Navi auf ihn zu und stieß ihn an. „Vorsicht, Link! Pass auf!“ Erschrocken riss Link den Kopf herum und entdeckte im letzten Augenblick die Deku-Pirania, die nach seinem Schwertarm schnappte. Reflexartig sprang er zur Seite, wo plötzlich der Boden unter seinem linken Fuß nachgab. Mit einem spitzen Schrei knickte er um, stürzte, rollte sich über den Boden ab und... blieb kleben. „Verflucht, was...?“ Unter Aufbietung all seiner Kraft stemmte er sich wieder hoch, wobei seine Kleidung leise, reißende Geräusche von sich gab. Nachdem er sich auf die Knie gehievt hatte, begutachtete er den sonderbaren Boden, auf dem er gelandet war, eingehender und staunte nicht schlecht.
Er kniete auf einem riesigen Spinnennetz, das sich über den Zugang zu den Katakomben in den Wurzeln des Deku-Baumes spannte. „Bei den Göttinnen! Kannst du dir die riesige Spinne vorstellen, die solch ein Netz spannt, Navi?“, stieß er hervor, während er die dicken Fäden begutachtete, aus denen das Netz gewoben war. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich mir so ein Riesenvieh überhaupt vorstellen MÖCHTE. Ich konnte Spinnen noch nie ausstehen.“ Link warf ihr einen überraschten Blick zu. „Ich dachte immer, ihr Feen wärt sanftmütig und würdet alle Lebewesen ehren.“ Navi zuckte mit den Schultern und verzog die Lippen zu einem entschuldigenden Lächeln, als Link aus den Augenwinkeln eine Bewegung ausmachte.
Ein riesiger Schatten bewegte sich durch die Katakomben und zog sich aus seinem Blickfeld zurück. „Ich glaube, wir haben unseren Übeltäter.“, triumphierte Link, Navi jedoch, die seinem Blick gefolgt war, als dieser den Kopf herum gerissen hatte, seufzte und ließ die Schultern hängen. „Na klasse... Warum ausgerechnet eine mutierte Riesenspinne? Warum kein knuffiges Rieseneichhörnchen?“ Doch Link hörte ihr gar nicht mehr zu und versuchte stattdessen mit kurzen, harten Schwerthieben das Netz zu zerteilen.
Es hatten sich bereits Schweißflecken unter seinen Achseln gebildet und sein langer Pony klebte ihm schon an der Stirn, doch das Netz hatte noch immer keinen Schaden genommen. Missmutig verzog Link das Gesicht und seufzte: „Das hat keinen Sinn. Ich muss einen anderen Weg finden.“
Nachdenklich ließ er seinen Blick durch den Raum schweifen, bis er an einem der Vorsprünge hängen blieb, der so weit in den Raum reichte, dass man bei einem Sprung hinab direkt auf dem Spinnennetz gelandet wäre. Link legte die Stirn in Falten und dachte nach, wie er diese Gegebenheit nutzen konnte. „Vielleicht, wenn ich von ganz oben springe... Ja, das könnte möglich sein.“ Entschlossen kämpfte er sich auf die Füße und marschierte auf eine rankenbewachsene Wand zu. „Hey! Du hast etwas vergessen!“ Navi zog und zerrte an seiner Mütze, die noch immer an der Stelle klebte, an der Link sie verloren hatte, als er sich abgerollt hatte. Fast schockiert griff er sich in das volle, lange Haar und lächelte Navi dann zu. „Ich danke dir. Ohne diese Mütze fühle ich mich irgendwie nackt.“
Nachdem er seine Mütze wieder eingesammelt hatte, kletterte er behände die Ranken hinauf in den ersten Stock. Vorsichtig balancierte er über den schmalen Steg, der zu den nächsten Kletterpflanzen führte. „Noch mehr Spinnen!“ Navi, die auf seiner Schulter saß, schüttelte sich vor Ekel. „Jetzt sei kein Hasenfuß.“ Wild entschlossen umfasste Link die Pflanzen und zog sich hoch. Doch kaum hatten seine Füße den Boden verlassen, schossen die Spinnen auf ihn zu und attackierten ihn so lange, bis er den Griff um die Ranken löste und stürzte.
Vor Schmerzen ächzend quälte Link sich wieder auf die Füße. Sein rechter Arm war mit Spinnenbissen übersät und er hatte vom Aufprall auf den Boden eine kleine Platzwunde an der Stirn. „Hasenfuß, hm?“ Navi verschränkte die Arme vor der Brust und zog die Augenbraunen in die Höhe. Link warf ihr einen entnervten Blick zu. „Ja, ist ja gut. Du hattest Recht: Spinnen sind scheußlich. Zufrieden?“ Navi zuckte kurz mit den Schultern und schaute dann die Wand hoch. „Wie kommen wir denn nun hier hoch?“ „Das ist eine gute Frage...“ Link legte den Kopf in den Nacken und beobachtete die Spinnen, die in engen Kreisen über das Flechtwerk der Ranken krabbelten, während Navi die nähere Umgebung untersuchte. „Hey, Link! Hier drüben ist eine Tür!“ „Eine Tür? Im Deku-Baum?!“ Der Junge riss die Augen auf und starrte irritiert zu der Fee herüber, die eine wegwerfende Handbewegung machte, als ob eine Tür im Inneren eines Baumes das Selbstverständlichste der Welt wäre. Resignierend schüttelte Link den Kopf, schwor sich, sich in Zukunft über rein gar nichts mehr zu wundern, und machte sich auf den Weg zu seiner wartenden Begleiterin.
Sobald er die Tür geöffnet hatte, wurde er von einem Laubkerl angegriffen, der dem Eindringling kopfgroße Deku-Nüsse entgegen schleuderte. Doch jedes Mal, wenn Link versuchte, eine Gegenattacke zu starten, zog sich der Angreifer in sein mit Laub geschütztes Versteck zurück. Link stand kurz davor, verrückt zu werden, als er beobachtete wie eine der Nüsse, die ihn verfehlt hatten, von der Wand abprallte. „Das ist DIE Idee!“, jubelte er und hielt bei der nächsten Attacke den Holzschild fest vor seinen Körper, anstatt auszuweichen. Die Nuss prallte ab und schoss mit fast ungeminderter Geschwindigkeit auf den Laubkerl zu, der so schnell gar nicht reagieren konnte. Das Geschoss knallte ihm mit voller Wucht gegen die lange, rüsselartige Nase und er ging ohnmächtig zu Boden. Vorsichtig stieg Link über den leblosen, kugelförmigen Körper, der mit orange gefärbten Laub bedeckt war, und schlich zu der nächsten Tür, die ihn weiter in den hohlen Ast führte.
Der nächste Raum, den er betrat, war durch einen tiefen, klaffenden Graben zweigeteilt. Vorsichtig näherte sich Link dem steilen Abhang und schaute hinab. Von hier oben hätte ein Sturz tödlich sein können, doch auf der gegenüberliegenden, tiefer gelegenen Ebene stand eine große Holzkiste, die verdammt verlockend aussah.
Link holte tief Luft, ging ein paar Schritte zurück, nahm Anlauf und setzte mit einem beherzten Sprung über den Graben. Geschmeidig wie eine Katze landete er und rollte sich ab, wobei er mit dem rechten Fuß gegen die Kiste stieß. „Autsch...“ „Hihi, sehr elegant.“, spottete Navi, die ohne Mühe den Graben überflog. Link verengte die Augen zu schmalen Schlitzen und streckte ihr die Zunge raus. „Sehr witzig...“
Dann wandte er sich der Truhe zu, deren Deckel sich bereitwillig öffnen ließ. In ihrem Innern lag auf einem mit dunkelblauen Samt bezogenem Kissen eine Schleuder und ein kleiner, prall gefüllter Lederbeutel. Aufgeregt schaute Link zu Navi hoch und verzog die Lippen zu einem schelmischen Grinsen: „Ich glaube, ich weiß, wie wir die Spinnen davon überzeugen können, uns die Ranken hoch klettern zu lassen.“ Neugierig zog er den Lederbeutel auf, um dessen Inhalt zu überprüfen. „Das sind Deku-Kerne.“, erklärte Navi. „Klein und ungewöhnlich hart. Du kannst sie bestimmt gut als Munition für die Schleuder benutzen.“
Glücklich wegen dieses neuen Hoffnungsschimmers drehte Link sich beschwingt um und erstarrte. Navi, die neben ihm schwebte, sah ihn geringschätzig an: „Jetzt sag nicht, du hast dir bei deinem Sprung nicht vorher überlegt, wie du wieder zurück kommst.“ Betreten zog Link die Schultern hoch und machte ein verlegenes Gesicht, während ihm das Blut in die Wangen schoss. „Bei den Göttinnen!“ Navi rollte mit den Augen und schüttelte den Kopf. „Ich glaub das nicht.“
Mit brennenden Wangen starrte Link an die gegenüberliegende Wand, um Navis Blick nicht zu begegnen. Er wusste, dass sie Recht hatte, dass er mal wieder gehandelt hatte, ohne vorher über die Folgen nachzudenken. Einige Momente blickte Link unbewegt an die Decke über dem Graben, ohne etwas zu sehen, doch mit einem Mal wurde ihm bewusst, auf was er da so starr schaute. „Navi! Sieh mal – da oben hängt eine Leiter. Meinst du, du kriegst sie da runter?“ Nachdem die zierliche Fee fast eine Minute an der untersten Sprosse gezerrt hatte, gab sie auf. „Keine Chance. Und jetzt?“ Link kaute nachdenklich auf der Unterlippe und drehte die Schleuder zwischen den Händen, als ihm eine Idee kam. „Vorsicht, Navi, geh mal zur Seite. Ich glaub, ich weiß, wie ich das Ding da runter hole.“
Nachdem die Fee sich auf Links Schulter nieder gelassen hatte, holte er einen Kern aus dem Lederbeutel, legte ihn an das breite Gummiband der Schleuder, zog daran und zielte auf den Nagel, mit dem die Leiter befestigt war. Als das Geschoss gegen den eisernen Bolzen knallte, gab es ein plingendes Geräusch, das von einem lauten Krachen abgelöst wurde, als die Leiter auf den schmalen Felsvorsprung auf der gegenüberliegenden Seite fiel. Die Länge passte perfekt, sodass der Junge jetzt nur noch an die Leiter springen und hoch klettern musste. „Heureka!“ Link grinste Navi an, die ihre Lippen zu einem abschätzigen, schiefen Lächeln verzog. „Reine Glückssache...“
Mit einem Schulterzucken tat Link diesen Seitenhieb einfach ab und nahm Anlauf, um zur Leiter zu springen, als ihm bewusst wurde, dass er gar nicht beide Hände frei hatte. „Verflixt, wenn ich nur eine freie Hand habe, wird der Sprung doppelt riskant...“ Hilfesuchend sah er Navi an, die triumphierend grinste. „Zeit für den Lederbeutel, den ich dir draußen gegeben hab.“ Link betrachtete den kleinen Beutel nachdenklich. „Und was soll ich damit? Er ist viel zu klein.“ Er legte die Schleuder, die einige Zentimeter länger und breiter als der Beutel war, auf das Leder und hielt beides seiner Begleiterin unter die Nase. „Steck sie trotzdem in den Beutel. Vertrau mir.“ Navi zwinkerte ihm zu. Link hob den Kopf und sah Navi zweifelnd an, kam aber dennoch ihrer Aufforderung nach.
Entgegen seiner Erwartung verschwand die Schleuder vollständig im Inneren des Beutels. „Jetzt noch der Munitionsbeutel!“ Link bekam große Augen als auch dieser in dem kleinen Ledersäckchen verschwand und sah Navi, die sichtlich amüsiert war, ungläubig an. „Feenzauber.“, erklärte sie. „Einige andere Feen und ich haben diesen Beutel verzaubert. Du wirst es nicht glauben, aber sein Fassungsvermögen ist jetzt unendlich. Du kannst alles hinein stecken, ohne dass er voll oder schwerer wird.“ „Das ist unglaublich!“, stieß Link hervor und starrte noch immer mit großen Augen auf den kleinen Beutel in seiner Hand.
Es dauerte einige Zeit, bis er sich von seinem Schock erholt hatte, doch dann befestigte er das Säckchen wieder an seinem Gürtel und nahm erneut die Leiter ins Visier. „Ich hoffe nur, sie ist nicht so morsch, wie sie aussieht...“, flehte Link leise, als er sich vom Boden abstieß und über den Graben sprang. Er bekam eine der Sprossen mit der linken Hand zu fassen und zog sich schnell ran, um festen Halt zu finden, doch als er seine Füße auf eines der unteren Hölzer stellte, brach es und Link wäre beinah doch noch in die Tiefe gestürzt. „Doch, sie ist so morsch wie sie aussieht.“, bemerke Navi lakonisch, während Link sich unter Aufbietung all seiner Kraft wieder hoch zog und den Rest der Leiter erklomm. „Wirklich? Hätte ich jetzt gar nicht gemerkt.“ Mit einem grimmigen Gesichtsausdruck klopfte er Schmutz und Spinnenweben von seiner Tunika und begutachtete eine frische Schürfwunde an seinem rechten Knie. Navi kicherte leise und setzte sich auf seine Schulter. „Du weißt doch, dass ich das nicht so meine. Wenn ich auch nur eine Sekunde lang geglaubt hätte, dass du es nicht schaffen würdest, hätte ich... Ich weiß nicht, was ich dann getan hätte. Sieh mich an: Ich bin nur eine schwache Fee. Ich kann nicht viel tun.“ Link lächelte sie versöhnt an: „Du tust schon eine ganze Menge. Zum Beispiel treibst du mich in den Wahnsinn.“ Er grinste und die Fee kuschelte sich zufrieden in sein weiches, braunes Haar.
Im Raum nebenan lag der Laubkerl noch immer bewusstlos auf dem Boden. Link schlich um ihn herum und grinste: „Den hat’s ganz schön erwischt.“ Als sie endlich wieder bei der von Spinnen bewachten Wand ankamen, steckte Link seine Hand in den Wunderbeutel und erbleichte. „Ey, was soll denn das?! Der Beutel ist leer! Toller Zauber!“ „Du weißt eben einfach noch nicht damit umzugehen. Steck deine Hand wieder rein und denk dabei an deine Schleuder – am besten stellst du sie dir gleich geladen vor. Das spart Zeit.“ Link tat wie ihm geheißen und plötzlich spürte er die Schleuder und einige Deku-Kerne in der Hand. „Wow, abgefahren...“
Eine der Spinnen kam gefährlich weit nach unten gekrabbelt und machte Anstalten, Link erneut in den Arm zu beißen, sobald er die Ranken ergreifen würde. Link legte mit der Schleuder an und zielte dem riesigen Ungeziefer genau zwischen die Augen. Der Kern flog zischend durch die Luft, durchschlug den knöchernen Schutzpanzer der Spinne und tötete sie auf der Stelle. Mit einem dumpfen Geräusch prallte sie vor Links Füßen auf, der keine Zeit verlor und auch noch die anderen Achtbeiner niederstreckte. Geschwind erklomm er das Rankenwerk, näherte sich vorsichtig dem Ende des Vorsprungs und warf einen Blick runter.
Tief unter ihm schimmerte das riesige, weiße Netz und die Deku-Pirania, die ihn angegriffen hatte, als er den Raum betreten hatte, döste gemütlich neben dem Zugang zu den Katakomben. Link atmete noch einmal tief durch, nahm all seinen Mut zusammen und sprang. Wie ein Meteor raste er zu Boden, bis er schließlich auf das Netz traf. Sein Körper wurde für einen kurzen Moment schmerzhaft zusammen gestaucht, doch dann gab das Netz tatsächlich nach und riss.
Mit einem lauten Platschen landete Link in einem Wasserbassin. Als er wieder auftauchte und sich die nassen Haare aus der Stirn strich, schwebte Navi vor ihm und blickte ihn erleichtert an: „Na, alles noch dran?“ Link nickte und schwamm ans Ufer. „Okay, wo geht es hier jetzt weiter?“ Die beiden Abenteurer blickten sich um und entdeckten eine von Spinnenweben verdeckte Tür. „Die mutierte Riesenspinne ist aber in diese Richtung verschwunden.“ Navi deutete auf eine höher gelegene Ebene auf der anderen Seite des Wasserbassins. „Ich weiß. Aber kannst du mir mal verraten, wie ich da hoch kommen soll? Ich hab weder Sprungfedern unter den Stiefeln, noch kann ich fliegen. Wir müssen einen anderen Weg finden – und unser Feind hätte sich sicherlich nicht so viel Mühe damit gegeben, diese Tür unpassierbar zu machen, wenn sie uns nicht näher an unser Ziel bringen würde.“ „Oder es ist eine Finte und soll uns in eine Falle locken.“ Link zuckte mit den Schultern und untersuchte das Netz nach Schwachstellen. „Das werden wir herausfinden. Ich mach mir jedenfalls wegen eines dahergelaufenen Ungeziefers nicht ins Hemd.“
Nachdem jegliche Versuche, das Netz zu zerreißen und zu zerschlagen missglückt waren, ließ Link frustriert den Blick durch den Raum gleiten. In der hinteren Ecke entdeckte er schließlich eine brennende Fackel. „Hey, Navi, du hast hier nicht zufällig einen Ast oder etwas Ähnliches gesehen?“ Die Fee schüttelte verwirrt den Kopf, als plötzlich das Maul einer Piraniapflanze aus einem nah stehenden Gebüsch hervor schnellte. Geschickt drehte Link sich der Gefahrenzone und schlug der Pflanze den Kopf ab. Während er auf die toten Überreste der Angreiferin schaute, kam ihm eine Idee. Er ließ sich auf die Knie fallen und schlug den langen, einst mal beweglichen, aber im Tod steifen Hals der Pflanze kurz über dem Blattansatz ab.
Navi beobachtete ihn irritiert, wie er mit dem Pflanzenhals durch den Raum lief, den Stab an der Fackel entzündete und zu dem über die Tür gespannten Netz eilte. Das Feuer erfasste das Netz in Windeseile und brannte es vollständig ab, während Link seinen brennenden Stab auf den Boden warf und mit den Stiefeln das Feuer austrat. Den gelöschten Stab ließ er in seinem Wunderbeutel verschwinden und trat dann durch die Tür in den nächsten Raum, wo er erneut von einem angriffslustigen Laubkerl in Empfang genommen wurde. Schnell schleuderte er die heranrasende Deku-Nuss mit dem Schild auf den Angreifer zurück und lauschte dem schmerzerfüllten Quieken des Laubkerls, das ihm verriet, dass die Nuss ihr Ziel getroffen hatte.
Link steckte seinen Schild wieder zurück und schaute mitleidig auf das jammernde Bündel Laub, das versuchte, sich mit seinen kurzen Ärmchen die schmerzende Nase zu halten. Vorsichtig näherte er sich dem Laubkerl, der daraufhin ängstlich zurück sprang. „Hab keine Angst. Ich will dir nicht weh tun. Ich kann nur nicht zulassen, dass du mich angreifst. Verstehst du?“ Ganz langsam und mit ausgestreckter Hand ging er weiter auf seinen Gegenüber zu. Navi, die ihm auf der Schulter saß, rutschte nervös hin und her. „Du tust mir nicht weh?“ Die Stimme des Laubkerls war schrill und klang seltsam hohl wie ein schlecht gestimmtes Blasinstrument. Link schüttelte den Kopf und blieb stehen, um den armen Kleinen nicht noch mehr zu ängstigen. „Oh, ich danke dir!“ Der Laubkerl warf sich Link zu Füßen, nur um gleich wieder aufzuspringen und um den Jungen herum zu tanzen. Navi, die sich vor dem herum wirbelnden Laubkerl fürchtete, kroch immer tiefer zwischen Links Haare und seine Mütze. „Ich weiß, wie ich mich dir erkenntlich zeigen kann!“, quäkte der Laubkerl. „Tief in den Katakomben hat sich eine riesige Spinne eingenistet, die uns Laubkerle in die Sklaverei gezwungen hat und sich von den Wurzeln des Deku-Baumes ernährt. Wenn du sie nicht bald besiegst, wird der Deku-Baum keine Chance mehr haben. Leider weiß ich nichts über ihre Schwächen, aber mein Bruder kennt sich damit aus. Er wird sein Wissen allerdings nur kund geben, wenn du vorher das Rätsel löst, das er und unsere Cousins sich ausgedacht haben. Also hör mir gut zu: Rechts vor links, aber die goldene Mitte geht vor! Merk dir diesen Satz. Ich bin mir sicher, du wirst wissen, wie du ihn zu gebrauchen hast.“ Mit diesen Worten wirbelte der kleine Laubkerl herum und eilte aus dem Raum.
Vorsichtig kam Navi wieder unter Links Mütze hervor gekrochen: „Ich hoffe, er hat die Wahrheit gesagt. Diese Laubkerle sind mir nicht geheuer.“ Die Beiden wollten ihre Suche nach der Riesenspinne fortsetzen, doch die Tür zum nächsten Raum war mit Eisenstäben blockiert. „Die kann ich definitiv nicht einfach abbrennen.“, murmelte Link, während er nach einem Weg suchte, die Tür passierbar zu machen. „Hey, Link, hier oben!“ Navi deutete auf ein steinernes Auge, das über der Tür in die Wand gelassen war. „Ich glaube, die Pupille ist ein Druckschalter.“ Navi warf sich mit voller Kraft gegen das Auge und trudelte benommen zu Boden. Link fing sie auf und betrachtete sie besorgt. „Alles okay?“ „Ja, doch, denke schon.“ Navi nickte vorsichtig mit dem Kopf. „Ich hab nur unterschätzt wie fest der Knopf sitzt.“ „Du hast dein Bestes getan. Jetzt lass mich mein Glück versuchen.“
Link setzte die noch immer leicht benommene Fee auf seine Schulter, holte Schleuder und Munition aus seinem Beutel und schoss auf den Schalter, der mit einem leisen Klacken einrastete. Sofort begannen die Stäbe zu wackeln und nur einen Moment später wurden sie hoch gezogen, sodass die Tür frei gegeben wurde.
In den nächsten Räumen gab es keine größeren Herausforderungen, doch Navi ermahnte Link immerzu, nicht nachlässig zu werden und immer wachsam zu bleiben, schließlich wisse man nie, wann der Feind zuschlägt. Schon bald musste Link am eigenen Leib erfahren, wie Recht seine Begleiterin mit diesen Warnungen hatte... Die Beiden traten in einen leeren, runden Raum, der durch einen schmalen Schacht mit dem nächsten Raum verbunden war. „Link, dieser Raum ist mir nicht geheuer.“ Ängstlich schaute Navi sich um. „Es ist zu ruhig hier.“ „Ich weiß gar nicht, was du hast. Wir sind in den vorherigen Räumen doch auch kaum Gegnern begegnet.“ Link schritt in die Mitte des Raums und wurde augenblicklich von einem schweren Gewicht auf den Boden gedrückt, während scharfe Krallen in sein Fleisch schnitten. „Iiiiiih! Eine riesige Babyspinne!“, kreischte Navi, die so die Aufmerksamkeit des Angreifers auf sich zog.
Link nutzte diesen kurzen Moment, in dem die Spinne abgelenkt war, und rollte sich auf den Rücken, wobei er sein Schwert zog, das er dem Angreifer auf sich tief in Kehle rammte. „Link, pass auf!“ Neben ihm klatschten zwei weitere Spinneneier auf den Boden, deren Schale sogleich aufgerissen wurde. Link stieß den leblosen Körper von sich, rappelte sich auf die Beine und nahm den Kampf mit den jungen Spinnen auf. „Du hattest Recht, Navi. Nie die Wachsamkeit vernachlässigen.“, keuchte er als er sein Schwert aus der letzten besiegten Angreiferin zog.
Langsam und mit schmerzenden Gliedern kroch er durch den engen Schacht, der ihn zurück in den Raum mit dem Wasserbassin führte, doch dieses Mal stand er auf der höher gelegenen Ebene. Von einigen Deku-Piranias, die ein jähes Ende fanden, umrahmt, lag der Zugang zu dem nächsten Gewölbe vor ihm. Doch wie schon befürchtet, war auch dieses Loch mit einem Spinnennetz überspannt.
Link blickte sich um. Die einzige, erreichbare Fackel stand auf der gegenüberliegenden Seite, doch von dort aus käme er nicht wieder auf die höhere Ebene. Während er noch grübelte, entdeckte er einen riesigen Felsblock, der hoch genug war, um als Zwischenebene zu fungieren. Schnell schob Link den Block, der mit einem lauten Platschen und einer großen Wasserfontäne im Bassin landete, über die Kante und sprang zu der Fackel, an der er seinen Stab entzündete. Mit dem brennenden Stab in der Hand sprang er zurück auf den Felsen, kletterte das letzte Stück hoch und lief geschwind zu dem störenden Netz. Kaum waren die letzten Fetzen verbrannt, stürzte sich Link in die Tiefe, wo er in einem natürlichen See landete.
Das kalte Wasser war ein Segen für seine schmerzenden Glieder, die sich wie geschwollen anfühlten. Er drehte ein paar Runden im kühlen Nass und schwamm dann zum Ufer, wo drei Laubkerle sich bereits versammelt hatten. „Das müssen die Cousins und der Bruder des Kleinen sein.“, mutmaßte Navi, als sie die Drei betrachtete. „Hast du eine Ahnung, was er mit diesem Spruch gemeint hat? Wie war der noch gleich?“ „Rechts vor links, aber die goldene Mitte zuerst.“ Navi und Link sahen sich ratlos an, doch als die erste Deku-Nuss auf sie zu flog, kam Link eine Idee.
Er hielt seinen Schild so, dass die abgelenkten Nüsse erst den mittleren, dann den rechten und zu guter Letzt den linken Laubkerl trafen, der quiekend auf sie zu kam. „Woher kanntest du unser Geheimnis?“ Link zuckte mit den Schultern. „Glück, würde ich sagen.“ „Nun, wie dem auch sei, du hast das Rätsel gelöst und als Belohnung werde ich dir etwas verraten: Gohmas Schwachstelle ist ihr riesiges Auge. Besonders empfindlich ist es, wenn es sich rot verfärbt.“ Mit diesen Worten machten sich die Laubkerle auf und davon.
„Ich frage mich, warum sie nicht selbst gegen die Spinne angegangen sind, wenn sie doch ihren Schwachpunkt kennen.“, wunderte sich Navi, während sie den Flüchtenden nachsah. „Womöglich ist dieses Vieh gefährlicher als wir vermuten.“ „Das werden wir gleich herausfinden.“ Link zog Schwert und Schild, straffte die Schultern und trat in das Versteck Gohmas.
Gohma
Vorsichtig wagte sich Link immer tiefer in das Spinnennest, wobei er immer wieder argwöhnische Blicke über die Schulter warf, um nicht von hinten überrascht zu werden. Als er in der Mitte des runden Raumes ankam, drehte er sich langsam um die eigene Achse. „Es ist weit und breit nichts von Gohma zu sehen...“ Angestrengt starrte er auf die vielen Säulen rings rum, von denen die kuppelartige Decke gestützt wurde, um eine eventuelle Bewegung schnell genug ausmachen zu können. „Das gefällt mir ganz und gar nicht, Link.“ Navi kroch wieder unter den langen Zipfel der grünen Mütze und guckte ängstlich zwischen Links Haarsträhnen hervor. „Mir auch nicht. Ich bin mir sicher, dass das Vieh hier irgendwo ist. Ich spüre das. Ich kann beinah seinen Atem auf meiner Haut spüren.“ Link schüttelte sich bei dem Gedanken und beschrieb sich weiterhin um die eigene Achse drehend einen engen Kreis.
Er schaute nervös von einer Seite zur nächsten und versuchte im Halbdunkeln irgendwelche Konturen eines Angreifers auszumachen, als plötzlich ein Stück vertrockneter Kletterpflanzen von der Decke rieselte. Erschrocken riss Link den Kopf in den Nacken und starrte in das riesige, grüne Auge Gohmas.
Vor Schreck ließ er seinen Schild fallen und umklammerte mit beiden Händen sein Schwert, als wäre es eine Rettungsweste auf hoher See. Navi kreischte panisch und verschwand ganz unter Links Mütze. Als sich die riesige Spinne von der Decke fallen ließ, bebte der Boden leicht beim Aufprall und Link stolperte ängstlich rückwärts.
„Was hat der Laubkerl doch gleich gesagt?“ „Ich weiß nicht? Vielleicht so etwas wie: LAUF!“ Navis Stimme klang vor lauter Panik schrill und vibrierte. „Nein, das war’s nicht.“ Link versuchte, seine Angst hinunter zu schlucken und sprang geschickt zur Seite als Gohma mit einem langen, krallenbewehrten Bein nach ihm schlug. Navi presste sich die Hände auf die Ohren, um das widerliche Kreischen, das Gohma von Zeit zu Zeit ausstieß, nicht hören zu müssen und sich besser konzentrieren zu können. „Ich hab’s! Ihr Schwachpunkt ist ihr Auge, wenn es sich rot färbt.“
Link rollte sich über den Boden ab, um einer weiteren Attacke zu entgehen. „Prima, aber wie bekomme ich das Auge dazu, sich rot zu färben?“ Der nächste Hieb traf Link an der rechten Schulter und er schrie auf. „Verdammt, ich weiß es nicht!“ Navi wimmerte tief in seiner Mütze, umschlang die angezogenen Beine mit den Armen und wiegte sich vor und zurück. So ein Kampf war definitiv nichts für sie und sie fragte sich, warum nicht eine ältere, erfahrenere Fee mit dieser Aufgabe betreut worden war. Sie kam sich so unglaublich nutzlos vor, wie sie sich zitternd wie Espenlaub verkroch und Link nicht einmal mit Ratschlägen zur Seite stehen konnte.
Durch den dünnen Stoff der Mütze drangen die Kampfgeräusche fast ungedämpft zu ihr. Noch hatte Gohma keinen Volltreffer landen können und hatte selber schon einige Schwertstreiche einstecken müssen, die sie entrüstet hatten aufquieken lassen, doch Navi spürte, dass Link schwächer wurde. Er schwankte immer mehr und seine Schwerthiebe wurden zunehmend kraftloser. Navi wurde immer verzweifelter, als ihr plötzlich eine Idee kam. „Die Schleuder!“ „Was?“ Link keuchte wie nach einem Marathonlauf und der Schweiß brannte in seinen Augen. „Versuch dem Mistvieh mit der Schleuder ins Auge zu schießen. Bisher hat sie jede deiner Attacken auf ihr Auge abgeblockt, aber ich bin mir sicher, ein Angriff mit der Schleuder wäre zu schnell für eine Abwehr.“
Link, der inzwischen beinah vollkommen entkräftet war, steckte sein Schwert griffbereit in den Gürtel und zog die Schleuder, während er rückwärtslaufend den wild schlagenden Beinen Gohmas auswich. Als er mit dem Rücken gegen die Wand stieß, richtete die Spinne sich geradezu höhnisch auf, um dann mit weit aufgerissenem Maul auf den Jungen zuzurasen.
„Jetzt oder nie!“ Link kniff die Augen zusammen, betete zu den Göttinnen, der Deku-Kern möge sein Ziel finden, und ließ das breite Gummiband los. Der Kern zerteilte zischend die Luft und traf das giftgrüne Auge der Riesenspinne, wo er Horn- und Netzhaut zerriss. Vor Schmerzen aufschreiend bäumte Gohma sich auf und versuchte, sich das schmerzende Auge zu halten, wobei sie sich selber die langen Krallen in den Augapfel schlug. Kreischend schüttelte sie den riesigen Kopf, wobei dicke Blutstropfen durch die Luft flogen und Link im Gesicht trafen. Schließlich brach die Spinne wimmernd zusammen und entblößte ihr geschundenes, rotgerändertes Auge, aus dem sie Tränen aus Blut weinte. Sie krümmte sich vor Schmerzen und sah Link durchdringend an, als wollte sie ihn bitten, ihr Leiden schnell zu beenden.
Link trat vorsichtig an sie heran, sammelte seine letzten Kräfte und trieb ihr das Schwert bis zum Heft ins Auge. Ein letztes Mal bäumte Gohma sich auf, schrie, kreischte und schlug ihre Krallen durch die Luft, doch dann brach sie endlich in sich zusammen und hauchte ihr Leben aus.
Link sackte neben ihr auf den Boden und begann vor physischer und psychischer Erschöpfung zu weinen. Er vergrub das Gesicht in den Händen und schluchzte heftig, als Navi aus ihrem Versteck kroch. „Link... es ist vorbei.“ Sanft legte die Fee ihrem Schützling eine Hand auf die Wange, als er den Kopf hob und sie ansah. Er sah fürchterlich mitgenommen und gequält aus. „So grausam... Warum musste es so grausam sein?“, flüsterte er tonlos, während er sich auf die Füße quälte.
Jede Faser seines Körpers schmerzte schrecklich, er war so erschöpft wie noch nie in seinem Leben und seine Tunika hing nur noch in Fetzen an seinem schmalen Körper. Mit einem resigniertem Gesichtsausdruck sammelte er seinen achtlos fallengelassenen Schild auf, zog das Schwert aus dem Auge des besiegten Gegners und schleppte sich aus dem Inneren des Deku-Baumes heraus. Er hoffte inständig, das seine Aufgabe hiermit erfüllt war. Er wollte sich nur noch waschen und schlafen...
Legenden und tränenreiche Abschiede
Der Deku-Baum blickte stolz auf seinen völlig erschöpften Schützling herab, als Link wieder auf die Lichtung trat. Der Junge schwankte und konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Zu gerne hätte der Deku-Baum ihn einfach ins Bett geschickt, doch vor ihm lagen noch große Aufgaben. „Ich danke dir, Link. Du hast Gohma besiegt und den Fluch, der auf mir lastete, gebrochen.“ Der Junge richtete den gebrochenen Blick seiner trüb wirkenden Augen auf den Waldwächter und berührte zaghaft das Blut der Riesenspinne, das an seiner Wange klebte. „Ich hab mein Bestes getan, ehrwürdiger Deku-Baum.“ Seine Stimme klang spröde und unendlich müde.
Erste Zweifel beschlichen den Deku-Baum, ob dieses Kind den Aufgaben gewachsen war, die vor ihm lagen. Denn neben den kommenden Gefahren würde der Kampf gegen Gohma wie ein Spaziergang wirken. Er wollte ihm ein wenig Mut zusprechen und lobte den gebrochen wirkenden Jungen: „Du bist ein wahrer Held.“
Mit einem Mal erwachte das Leben in Link wieder. Er sah den Deku-Baum aus großen, ärgerlich blickenden Augen an und protestierte mit fester Stimme: „Nein. Ich bin kein Held. Ein echter Held hätte einen Weg gefunden, den Fluch zu brechen ohne diese arme Kreatur so grausam abschlachten zu müssen.“ Navi und der Waldwächter warfen dem Jungen verwunderte Blicke zu. Link hatte Mitleid mit der Spinne, die nur wenige Minuten zuvor versucht hatte, mit ihren langen Krallen seinen Brustkorb zu zerfetzen. Sein Herz war noch weitaus reiner als sie angenommen hatten.
„Nein, Link. Ein wahrer Held, findet den Mut zu tun, was getan werden muss, auch wenn es ihm in der Seele weh tut – und Gohma musste vernichtet werden. So mitleiderregend sie in ihren letzten Momenten auch gewirkt haben muss, das ändert nichts daran, dass sie eine treue Untergebene des Dämons aus der Wüste gewesen ist.“ „Eben!“ Erneut stiegen Link Tränen in die Augen als er an den Ausdruck in diesem geschundenen Auge dachte, dass ihn so flehend angesehen hatte. „Sie war nur ein Lakai! Sie hat nur getan, wozu man sie gezwungen hat.“ „Niemand hat sie gezwungen, Laubkerle zu massakrieren... So wenig ich diese kleinen Kobolde mag, das haben sie nicht verdient.“, warf Navi ein, doch Link ignorierte ihren Einwand einfach und sprach weiter. „Ich hätte nicht sie töten sollen, sondern diesen Mann aus der Wüste, der dahinter steckt.“ „Link, lass ab von diesen Selbstzweifeln. Du hast das Richtige getan. Gohma musste gestoppt werden!“ „Aber...“ „Kein Aber. Dafür haben wir keine Zeit.“
Der Schutzpatron holte ächzend Luft und hustete trocken. Link und Navi wechselten ein paar Blicke und schauten dann besorgt zum Deku-Baum auf, während erste Blätter auf sie nieder rieselten. „Ich danke dir sehr, dass du den Fluch gebrochen hast, doch du kamst zu spät. Ich habe meine Kraft falsch eingeschätzt. Ich dachte, ich könnte länger standhalten und wollte dir so viele unbeschwerte Tage wie möglich lassen, denn dir steht noch einiges bevor. Hör mir zu: Vor vielen, vielen Jahren erschufen die drei Göttinnen Nayru, Farore und Din diese Welt. Die feurige Din formte unsere Erde, die kühle Nayru spendete Luft und Wasser und die liebliche Farore erschuf sämtliche Lebensformen. Nachdem ihr Werk vollendet war, vereinigten sie ihre Kräfte in dem heiligen Triforce und zogen gen Himmel.“ Der Deku-Baum holte erneut rasselnd Luft und Navi legte besorgt die Stirn in Falten. Inzwischen lagen beinah mehr Blätter auf dem Boden als noch an den Zweigen hingen – und dabei verlor der Deku-Baum seine Blätter nicht einmal im Winter.
„Der Dämon trachtet nach dem Triforce und um seine finsteren Pläne umsetzen zu können, benötigt er den Schatz des Waldes. Meine Aufgabe war es, über diesen Schatz zu wachen, doch nun übergebe ich ihn an dich.“ Wieder fiel ein Schwall Blätter zu Boden als der Deku-Baum hustete. „Nimm den Schatz und begib dich zum Schloss Hyrule.“ Schloss Hyrule? Link war wie vom Blitz getroffen und die folgenden Worte drangen nur undeutlich an seine Ohren. „Dort wirst du die Prinzessin treffen. Sie wird dich als einen Gleichgesinnten erkennen und dir deinen weiteren Weg offenbaren.“ „Aber ich kann den Wald nicht verlassen! Kein Kokiri kann das.“, warf Link ein, als er seine Gedanken endlich wieder ordnen konnte. „Du wirst es können. Vertrau mir. Navi wird dich begleiten. Ich glaube an dich...“ Mit letzter Kraft teilte der Deku-Baum seine mächtige Blätterkrone und gab so den Blick auf einen schimmernden, goldgefassten Edelstein frei, bevor er seinen letzten Atemzug tat.
Link schlug betreten die Augen nieder und Navi schluchzte leise an seiner Seite, bevor sie zwischen die trockenen, inzwischen fast kahlen Zweige des toten Wächterbaumes flog und den blitzenden Stein barg. Vorsichtig legte sie ihn in Links Hände und wischte sich mit der flachen Hand Tränen aus dem Gesicht. „Der Kokiri-Smaragd. Einst war er der Kettenanhänger der Göttin Farore. Ich hoffe, du bist dir der Verantwortung bewusst, die der Deku-Baum hiermit auf dich übertragen hat.“ Link nickte, warf einen letzten Blick auf den toten Körper des Waldwächters und machte sich auf den Weg zurück ins Dorf. Er musste packen und sich von Salia verabschieden, denn er würde für eine lange Zeit fort sein.
Schon auf dem Weg zurück ins Dorf kamen ihm aufgeregte Kokiri entgegen, die das rasante Welken des Deku-Baumes bemerkt hatten und nach dem Rechten sehen wollten. Link wich ihnen so geschickt aus wie es seine schmerzenden Glieder ermöglichten, wurde aber dennoch ein paar mal angerempelt und zu Fall gebracht.
Als er den ersten Schritt auf das Dorfgelände tat, wurde er plötzlich am Kragen gepackt, herum gerissen und unsanft gegen eine Felswand geschleudert. Er stöhnte vor Schmerzen leise auf und versuchte, die Sternchen, die vor seinen Augen tanzten, wegzublinzeln. „Was hast du mit dem Deku-Baum gemacht?“ Midos Stimme bebte vor Zorn, während er Link noch immer am Kragen hielt und seinen Ellenbogen auf dessen Brust presste. Halbherzig versuchte Link sich aus Midos Griff zu befreien und verteidigte sich müde: „Ich hab gar nichts getan. Das ist nicht meine Schuld.“
Mido nahm ein wenig Gewicht von Links Brust und drehte sich zu den Kokiri-Mädchen um, die in diesem Augenblick zurück kamen. Eines der Drei sank in das hohe Gras und begann heftig zu weinen, während sich die anderen Beiden schutzsuchend in den Armen hielten. „Was ist los?“ Besorgt musterte Mido die Gesichter der Mädchen, die ihn aus großen, ängstlichen Augen ansahen. „Der Deku-Baum... ist... ist... Der Deku-Baum ist tot.“, schluchzte das im Gras kniende Mädchen, dessen Fee mit hängenden Schultern neben ihm schwebte.
Blitzartig drehte Mido sich wieder zu Link und schlug ihm mit der Faust gegen das Kinn. Links Kopf schnellte herum und prallte gegen die Felswand. Für einen kurzen Moment wurde es dunkel um ihn herum, doch dann begann der Anführer der Kokiri ihn zu schütteln und wüst zu beschimpfen, bis Navi dazwischen ging. Sie nahm all ihre Kraft zusammen und schlug Mido mit der flachen Hand ins Gesicht.
Obwohl der Rotschopf die Ohrfeige kaum gespürt hatte, ließ er von Link ab, der an der Felswand zu Boden rutschte, und starrte die Fee an. Navi legte alle Autorität, die sie aufbieten konnte, in ihre zarte Stimme und schrie Mido an: „Du verfluchtes Spatzenhirn! Lass deine Tatschgriffel von Link!“ „Aber er hat den Deku-Baum umgebracht!“ „Du Idiot! Glaubst du im Ernst, ich würde ihn in Schutz nehmen, wenn ich gerade mitangesehen hätte, wie er den Deku-Baum getötet hat?“ Erste Zweifel schlichen sich in Midos Züge und er schien vor der wütend mit den Flügeln schlagenden Fee zu schrumpfen. „Ja... Nein... Aber er war der Einzige, der da war als es passiert ist...“ „Und das macht ihn gleich zum Mörder? Oh, du... du…“, Navi starrte Mido mit einem mordlustigen Gesichtsausdruck an. „Kapierst du denn gar nichts, du Dorftrottel? Der Deku-Baum wusste, dass er sterben würde und hat Link deswegen zu sich gerufen, um ihn mit einer wichtigen Aufgabe zu betreuen. Und jetzt geh uns aus dem Weg!“ Mit einer arroganten Geste warf Navi ihr langes Haar über die Schulter und reckte das Kinn in die Höhe. Link bewunderte sie für ihren Löwenmut und folgte ihr langsam, während er versuchte, das Gemurmel der inzwischen fast vollständig versammelten Kokiri zu überhören.
Niemand hatte seine zerrissenen Kleider und Wunden bemerkt, doch niemand hatte Zweifel an Midos Verdacht geäußert. Wieder einmal fühlte er sich schrecklich alleine und fragte sich, ob er tatsächlich hier her gehörte oder ob sein Platz irgendwo anders war.
Zuhause angekommen, wusch er sich schnell, aber gründlich, stopfte alle Kleider aus seinem Schrank und alles Essen, das er finden konnte, in seinen Wunderbeutel und eilte wieder aus dem Haus, um sich von Salia zu verabschieden. Doch so sehr er auch suchte, er konnte Salia nicht finden. „Vielleicht ist sie in die verlorenen Wälder gegangen. Sie hat mir mal von einer Lichtung erzählt, auf der sie sich gerne aufhält...“, überlegte er, doch Navi drängte ihn zur Abreise. „Wir haben keine Zeit zu verlieren. Wir müssen verhindern, dass dieser Mann aus der Wüste noch mehr Unheil anrichtet. Ich kann ja verstehen, dass es dir weh tut, deine Freundin so wortlos zu verlassen, aber das Schicksal Hyrules geht vor!“ Link nickte traurig und warf einen letzten Blick auf Salias Haus und verließ das Dorf.
„Hast du Angst?“, fragte Navi ihn, während sie die angrenzenden Wälder durchquerten. „Nein. Ich bin aufgeregt, was mich als nächstes erwartet und ich hab ein mulmiges Gefühl, weil ich den Wald verlassen muss. Es heißt, alle Kokiri, die den Wald verlassen, müssten sterben. Aber ich vertraue auf die Worte des Deku-Baumes. Wird schon schief gehen.“ „Mit Sicherheit.“
Für den Rest des Weges schwiegen die beiden Reisenden, bis sich die Bäume lichteten. „Nur noch über diese Hängebrücke und durch die Baumreihen da vorne, dann betreten wir die hylianische Steppe.“, erläuterte Navi, doch Link hörte ihr gar nicht zu. Sein Blick klebte wie paralysiert an Salia, die auf der Brücke stand und auf ihn wartete.
„Ich hab mir gedacht, ich geh schon einmal vor. Ich mag keine Abschiede – und schon gar nicht vor so vielen Menschen.“ Langsam ging Link auf sie zu und nahm ihre Hände in seine. „Ich hatte dich schon gesucht. Ich wollte nicht einfach so gehen, aber die Zeit drängt.“ „Ich weiß. Ich will dich auch gar nicht lange aufhalten. Ich wollte dir nur etwas geben, damit du ein Andenken an mich hast und mich nicht vergisst.“ „Ich brauche kein Andenken, um mich an dich zu erinnern.“ Link lächelte sie liebevoll an, doch Salia wandte nur das Gesicht ab, damit er nicht sah, dass Tränen in ihren Augen schimmerten. „Ich möchte es dir aber schenken. Vielleicht möchte ich auch einfach, dass du etwas von mir bei dir trägst.“ Mit diesen Worten holte sie eine tönerne Okarina aus ihrer Tasche und legte sie in Links Hände. „Wann immer du auf dieser Okarina spielst, sollst du an mich denken. Sie bedeutet mir viel. Und nun... leb wohl.“
Obwohl sie sich große Mühe gab, sich ihren Schmerz nicht anmerken zu lassen, zitterte ihre Stimme leicht. „Salia...“ Vorsichtig ging Link noch einen Schritt auf sie zu, um sie tröstend in den Arm zu nehmen, doch sie wehrte ab. “Geh!“ Noch immer stand Link wie versteinert da und sah sie an. Als sie den Kopf hoch riss, liefen ihr erste Tränen über die Wangen. „Jetzt hau endlich ab!“, schrie sie ihn an und Link spürte plötzlich deutlich ihren Schmerz. Mit Tränen in den Augen drehte er sich ruckartig um und rannte über die Brücke davon, bis er in den Bäumen verschwand. „Ich werde immer an dich denken.“, versprach er Salia flüsternd, während er sich durchs Unterholz kämpfte.
Unterwegs in der hylianischen Steppe
Als Link durch die letzten Baumreihen hindurch seinen ersten Schritt auf die hylianische Steppe tat, verschlug es ihm beinah den Atem. Vor ihm breitete sich weites Grasland wie ein dicker, grüner Teppich aus, vereinzelte Bäume schossen majestätisch in die Höhe und über ihm erstreckte sich ein endlos erscheinender, tiefblauer Himmel, über den fluffige Wolken trieben. Mit großen, staunenden Augen ließ er seinen Blick über den Horizont gleiten. In breiten, goldenen Bahnen schickte die Sonne ihre Strahlen über die endlos wirkende Ebene. „Wow, das ist ja riesig!“ Langsam trat er aus dem Schatten der Bäume heraus und genoss die prickelnde Wärme der Frühlingssonne auf seiner Haut. Er schloss die Augen und sog die duftgeschwängerte Luft tief ein. Es war als würde sich plötzlich ein fehlendes Puzzlestück einfügen und er fühlte sich plötzlich so wohl wie noch nie in seinem Leben. Er fühlte sich zuhause. Er holte noch einmal tief Luft und schaute Navi, die ähnlich überwältigt wirkte, verträumt an. „Es ist wunderschön hier.“ „Ja, da hast du Recht. Aber wir sollten uns trotzdem beeilen, damit wir die Stadt noch vor Einbruch der Dunkelheit erreichen.“ Link nickte und machte sich auf den Weg, die heimischen Wälder hinter sich zu lassen.
Mit entschlossenen Schritten marschierte er den leicht bergigen Weg entlang als er plötzlich ein lautes Rascheln in einem Baum neben ihm hörte. Erschrocken drehte er sich herum und zog instinktiv sein Schwert. „Du bist also der junge Held, der die Spinnenkönigin Gohma besiegt hat.“ Eine sprechende Eule?! Link klappte der Mund auf und er ließ beinah seine Waffe fallen, während er zur Baumkrone hoch starrte. „Du bist tatsächlich sehr jung, vielleicht zu jung... Aber das werden wir erst noch sehen. Begib dich jetzt zum Schloss. Die Prinzessin wartet sehnsüchtig auf deine Hilfe.“ Mit diesem Worten schwang sich die gigantische Eule in die Lüfte und entfernte sich mit lauten Flügelschlägen. Link blieb mit noch immer offen stehendem Mund zurück und blickte dem Vogel hinterher. „Was war das?“, fragte er Navi schließlich als er seine Stimme endlich wiedergefunden hatte. „Ich weiß es nicht genau. Aber wenn ich mich recht erinnere, erzählte der Deku-Baum einst von der Eule des Rauru.“ „Rauru?“ „Einer der sieben Weisen, die einst den Zugang zum heiligen Reich versiegelten. Als heiliges Reich bezeichnet man den Ort, an dem das Triforce aufbewahrt wird. Niemand weiß, wo es ist, und nur wenige Auserwählte wissen, wo sich der Zugang befindet.“ Ein letztes Mal warf Link einen Blick in die Richtung, in die das riesige Federvieh verschwunden war und setzte dann seinen Weg fort.
In der Ferne zeichneten sich die hellen Stadtmauern Hyrules gegen die langsam einsetzende Dämmerung ab, doch lange bevor Link das Stadttor erreichte, hatte sich Nacht über die hylianische Steppe gesenkt. Die beiden Wanderer suchten Schutz unter einer stämmigen Eiche, deren ausladenden Äste wie ein Dach gegen Regen wirkten. Link lehnte sich gegen den Baumstamm, zog seine Stiefel aus und massierte sich die Füße, während Navi sich in seiner abgesetzten Mütze einrollte. Mit einem herzhaften Gähnen legte auch Link sich hin und zog die Beine an, um der Kälte etwas entgegen zu setzen.
Er war schon in das Land der Träume abgedriftet und schnarchte leise, als ein unheimliches Klappern ihn aufschrecken ließ. Mit einem Ruck setzte er sich auf und tastete in der Dunkelheit nach seinem Schwert, während das Geräusch immer näher kam. Plötzlich trat eine Gestalt aus dem Schatten des Baumes heraus und beäugte Link, dem sich ein Schrei die Kehle hoch drückte, aus glühendroten Augen. Das wandelnde Gerippe schimmerte im fahlen Mondlicht in einem hellen Weiß, das seine Erscheinung noch unheimlicher machte.
Panisch riss Link Stiefel und Mütze an sich und zückte sein Schwert, während die überraschte Navi missbilligend aufquiekte als sie gegen den Zeh eines weiteren Skeletts rollte. Schnell schoss sie auf Link zu, der auf die Füße sprang, den Rücken gegen den breiten Baumstamm presste und das Schwert abwehrend vor sich hielt. Mit wenigen harten Schwertstreichen waren die ersten Angreifer niedergestreckt, doch die nächsten Knochengerüste rückten schon an. „Ich befürchte, das hat keinen Sinn, Link.“, murmelte Navi, während sie die nicht enden wollende Angreiferflut beobachtete. „Was schlägst du vor?“, keuchte der Junge, dem die Anstrengungen des zurückliegenden Tages deutlich ins Gesicht geschrieben waren. „Nimm die Beine in die Hand und renn.“ „Toller Plan...“ Navi zuckte mit den Schultern und flog los Richtung Hyrule-Stadt. Mit einem wilden Kampfschrei schlug sich Link eine Schneise durch die Skelettreihen und rannte seiner Fee hinterher, während die ersten Sonnenstrahlen im Morgentau glitzerten.
Laut klappernd verfolgten die Gerippe die beiden Fliehenden und Links Beine wurden vor Erschöpfung bleiern und schwer. Er begann zu straucheln und zu stolpern und stürzte in den Staub gerade als sich ein besonders großer Angreifer auf ihn stürzen wollte. Instinktiv riss er seine Klinge hoch, doch er durchschnitt nur die Luft. Resigniert kniff er die Augen zusammen und machte sich auf die Schmerzen gefasst, doch es passierte nichts. Ängstlich hob er die Lider und riss überrascht die Augen auf. Das Morgenlicht hatte das Skelett erreicht und ließ es langsam zu Staub zerfallen.
Link setzte sich auf und atmete erleichtert auf. Navi ließ sich vor ihm auf den staubigen Boden nieder und deutete hinter ihn. „Dieser nächtliche Besuch mag unangenehm gewesen sein, aber er hat uns unglaublich voran gebracht. Link drehte sich um und zuckte angesichts der Stadtmauern aus seinem Traum unwillkürlich zusammen. Laut krachend wurde gerade die Zugbrücke herab gelassen. Navi setzte sich auf Links Schulter und strahlte ihn an. „Auf, auf! Lass uns Hyrule erkunden. Vielleicht haben wir ja Glück und finden ein Hotel, in dem wir noch ein wenig schlafen und frühstücken können.“
Citylife
Die Beiden traten durch das an beiden Seiten von hohen Türmen aus weißem Stein gesäumte Tor in die Stadt. Link zog die Schultern ein wenig nach vorne und blickte sich beinah ängstlich um. In seinem ganzen Leben war er nie aus dem kleinen, beschaulichen Dorf im Wald heraus gekommen und fühlte sich angesichts der hohen Mauern Hyrules, der vielen, eng beieinander stehenden Häuser und der schieren Menschenmassen unglaublich befangen.
Von Ferne hörte man schon das laute Getümmel des Marktplatzes. „Wo wollen wir überhaupt hin gehen?“, fragte er Navi, die aufgeregt durch die Luft flatterte. Ihr schien der ganze Rummel zu gefallen, ihn machten die unzähligen Straßen und Seitengassen orientierungslos. „Ich denke, wir sollten erst einmal ins Zentrum und von da in eine Seitengasse abbiegen. Da sollten sich einige Gaststätten befinden, die nicht vollkommen überteuert sind.“ Link blieb wie angewurzelt stehen und starrte Navi an. Daran hatte er ja noch gar nicht gedacht! „Was hast du?“ Besorgt legte die Fee den Kopf schief und sah Link mit kraus gezogener Stirn an. „Nichts. Ich frage mich nur, von was wir das Zimmer bezahlen sollen. Ich hab meine ganzen Ersparnisse für den Schild ausgegeben.“ „Das ist kein Problem.“ Navi grinste wie ein Honigkuchenpferd und deutete auf den ledernen Wunderbeutel. „Da sind ein paar rote Rubine drin. Ich hatte mir gedacht, dass sie nützlich sein könnten.“ Link grinste zurück und setzte sich wieder in Bewegung. „Du überrascht mich immer wieder.“
Nach einigen Metern betraten die Beiden den riesigen auf einem runden Platz angelegten Markt. Das bunte Treiben verschlug Link die Sprache und machte ihm beinah mehr Angst als alle Monster, denen er bisher begegnet war, zusammen. An unzähligen Ständen drängten und schubsten sich die Menschen, feilschten und brüllten laut, um die anderen zu übertönen, die im Gegenzug nur noch lauter riefen. Fleißige Burschen huschten geschäftig zwischen Ständen und Lagern hin und her und schleppten schwere Säcke mit frischen Waren an, während Mägde mit geröteten Wangen und Hausfrauen in einfachen Kleidern aus bunten Stoffen von einem Stand zum nächsten huschten und versuchten, die besten Angebote zu erhaschen. Zwischen diesem Urwald aus umher flitzenden Beinen rannten und lachten Kinder, die fangen oder verstecken spielten und dabei von laut kläffenden Hunden begleitet wurden.
„Was für ein fürchterliches Durcheinander...“ Link ließ seinen Blick über den Platz schweifen und konnte nur mit Mühe den Reflex unterdrücken, schreiend davon zu rennen. „Fürchterlich? Nein. Herrlich! Ein herrliches Durcheinander. Hier pulsiert das Leben!“, widersprach Navi fröhlich und ihre Stimme klang dabei wie ein Glockenspiel. Link rümpfte die Nase, erwiderte aber nichts. Stattdessen hielt er Ausschau nach einer Gaststätte, um endlich eine anständige Mütze Schlaf nehmen zu können. Navi las ihm seine Gedanken an den tiefdunklen Ringen unter seinen Augen ab und führte ihn in eine enge Seitengasse, in der sich eine Schankstube an die nächste reihte.
Nach einigem Suchen fanden sie tatsächlich eine Gaststätte, in der sie ein Zimmer beziehen konnten. Einige andere Hotels hatten sie abgewiesen, da sie nicht an ein Kind vermieten wollten. Navi, die sehr hitzköpfig sein konnte, hatte sich mit einem Besitzer beinahe angelegt, nachdem er Links Anfrage abgelehnt hatte. Nur mit Mühe hatte Link sie fangen und aus der Stube tragen können. Doch jetzt folgten sie der molligen Wirtin, die Link sein Zimmer zeigen wollte, in den ersten Stock und lächelten zufrieden. Die alten, ausgetretenen Treppenstufen knarrten leise unter jedem Schritt als wollten sie protestieren, dass sie auch nach so vielen Jahren noch immer so viel Gewicht zu tragen hatten. Vor dem dritten Raum auf der linken Seite blieb die Wirtin, eine blonde Frau in den mittleren Jahren, stehen und lächelte Link, der sich vor Müdigkeit kaum noch auf den Beinen halten konnte, warm zu. „So, Kleiner, hier ist dein Zimmer. Hier kannst du dich von deiner langen Reise erholen. Wenn du später etwas essen möchtest, komm einfach runter in die Küche und ich zaubere dir etwas Feines.“ „Vielen Dank.“ Link lächelte zu der mütterlichen Frau hoch und verschwand dann in das ihm zugewiesene Zimmer.
„Hübsch hier.“ Navi flog direkt zur Fensterbank, wo sie sich zwischen scharlachroten Topfblumen in der Sonne niederließ und die Wärme auf der Haut genoss. Link trat vor den Kamin, in dem ein leise knisterndes Feuer brannte, und streckte die Hände aus, um sich zu wärmen. Die Müdigkeit und Erschöpfung waren inzwischen so übermächtig, dass er fröstelte. Nachdem ein wenig Wärme in seine schmerzenden Glieder zurückgekehrt war, drehte er sich um, nahm Schild und Schwert ab, öffnete den Gürtel und legte alles zusammen mit seiner Mütze auf den kleinen, runden Tisch in der Mitte des Raumes. Dann trat er langsam an das weich aussehende Bett mit dem nachtblauen Überwurf, zog sich die Tunika über den Kopf und kroch nur in Unterwäsche unter die Decke. Kaum hatte sein Kopf das Kissen berührt, sank er auch schon in tiefen, traumlosen Schlaf.
Als er die Augen wieder aufschlug, war es bereits Nachmittag. Die Sonne hatte ihren Zenit überschritten und die Schatten wurden langsam länger. Link setzte sich auf, reckte sich und sprang beschwingt aus dem Bett. „So gut habe ich lange nicht mehr geschlafen.“, verkündete er Navi, die bereits auf ihn wartete und neben seinen Waffen auf dem Tisch saß. Schnell machte er sein Bett, kleidete sich an, nahm seine Waffen wieder an sich, steckte seine Mütze griffbereit in den Gürtel und begab sich in die Küche, wo es herrlich nach frischem Essen duftete. „Ah, Link. Schon wieder wach?“ Die Wirtin lächelte ihn liebevoll an und trat neben ihn, um ihm in einer mütterlichen Geste über den Kopf zu streicheln. Link errötete leicht und versuchte, sich unter ihrer Berührung weg zu ducken, ohne unhöflich zu wirken. „Möchtest du etwas essen? Ich habe vorhin frisches Brot gebacken, das solltest du unbedingt probieren. Außerdem sind noch Kartoffeln und Schnitzel vom Mittagessen übrig.“ Sie legte ihm eine Hand auf den Rücken und schob ihn bestimmt zu einem Stuhl an einem in der Nähe stehenden Tisch. „Setz dich.“