Wie immer noch nicht Korrektur gelesen. Drohnald, walte deines Amtes. ;-P
---------------------------------
Unterdessen hatte Navi sich auf ihrem Weg durch die Festung wieder ein wenig beruhigt und sie wischte im Flug die letzten Tränen ab. Sie hasste es, wenn sie weinen musste. Damals, lange vor ihrem gemeinsamen Aufbruch mit Link, war sie oft von ein paar anderen Feenkindern gehänselt worden, weil sie so nah am Wasser gebaut hatte. Die Häme ihrer Altersgenossen hatte Navi zynisch und zumindest nach außen hin hart werden lassen, sodass sie sich inzwischen von ihren eigenen Emotionen beschämt fühlte – vor allem, wenn sie überdeutlich zeigten, dass die junge Fee nicht so stark und abgeklärt war wie sie gerne tat.
Während sich die spärlich beleuchteten Gänge bis zur Unendlichkeit in die Länge zu ziehen schienen, dachte Navi mit einem schiefen Lächeln daran wie ironisch das Leben manchmal war. Niemals hätte sie sich träumen lassen, dass sie den Erlebnissen ihrer Kindheit je etwas Positives würde abgewinnen können, doch nun kam es ihr zugute, dass sie schon früh gelernt hatte, ihre Gefühle weitestgehend zu kontrollieren.
Obwohl ihr Herz sich vor Sorge um Link noch immer anfühlte wie ein zersplitterter, scharfkantiger Eisklumpen, konnte sie sich glücklicher Weise genügend zusammenreißen, um ihren aufgewühlten Geist auf die Suche zu fokussieren. Andernfalls hätte sie in ihrer Aufregung womöglich die leise wispernde Stimme, die sich plötzlich in ihrer Seele zu Wort gemeldet hatte, überhört.
Navi konnte sich nicht erklären, wie es funktionierte, doch sie war sich sicher, das Band der Vertrautheit zwischen ihnen würde sie direkt zu Link führen. Ihr war fast als hätte sie blind auf seinen Aufenthaltsort deuten können, hätte man ihr eine Festungskarte vorgelegt. Mit jedem Meter, den sie zurücklegte, wurde ihr wieder wärmer ums Herz, was sie als deutliches Anzeichen dafür deutete, dass sie ihrem Schützling immer näher kam.
„Halte durch, Link! Ich bin bald bei dir!“ Sich unablässig gut zuredend eilte die Fee durch die labyrinthartigen Gänge. Dass sie inzwischen die Orientierung verloren und keinerlei Gespür mehr für ihre eigene Position hatte, störte sie dabei kein bisschen. Selbst die unermüdlich patrouillierenden Gerudo nahm sie kaum wahr. Alles, was für sie zählte, war ihren Freund zu finden.
Doch als sie am anderen Ende des Flurs eine vertraut wirkende Gestalt in blauen Pluderhosen und Brustpanzer entdeckte, blieb sie wie angewurzelt in der Luft stehen. Die Person bog hastig um die Ecke und bewegte sich mit einer katzengleichen Eleganz, die Navi bislang nur einmal gesehen hatte. Nun hatte sie keinerlei Zweifel mehr: Es war tatsächlich Shiek, der sich durch die Gerudo-Festung schlich. Aber was konnte er hier bloß wollen?!
Obwohl sie sich bewusst war, dass sie eigentlich so schnell wie möglich zu ihrem Schützling eilen sollte, nahm die neugierige Fee sofort die Verfolgung des Shiekah auf. Die Versuchung, ihn womöglich auf frischer Tat ertappen und Link endlich von der Unaufrichtigkeit des ungeliebten Geheimniskrämers überzeugen zu können, war einfach zu groß.
Kalter Schweiß klebte dem Gefangenen seine Tunika an den Leib und er fühlte sich als hätte jemand ein massives Eisenband um seine Brust gespannt. Bei jedem Luftholen schoss ein stechender Schmerz in seine Lunge und der Recke atmete noch flacher als zuvor.
Er hatte das Master-Schwert verloren! Wie hatte das bloß passieren können?! Wie hatte er so unvorsichtig sein können? Er wusste doch, wie immanent wichtig diese heilige Klinge war. Jetzt, wo Ganondorf im Besitz des Triforce-Fragments der Kraft und zum Großmeister des Bösen geworden war, konnte nur noch das Master-Schwert ihm etwas anhaben. Und Link hatte es den Gerudo direkt in die Hände gespielt!
Am liebsten hätte der verzweifelte Mann sich die Haare büschelweise ausgerissen. Doch als er seine Finger fest in seinen Schopf krallte und zog, ebbte der Panikanfall, der ihn in eisernem Griff hatte, allmählich ab. Offenbar half der physische Schmerz Link dabei, sich zu konzentrieren.
Das Eisenband um seine Brust lockerte sich zunehmend und der Herr der Zeiten sog gierig Luft in seine unterversorgten Lungen. Dann stemmte er sich auf die Füße und sah sich zum wiederholten Mal in seiner Zelle um.
„Reiß dich zusammen, Link“, ermahnte er sich selbst stumm. Dass seine innere Stimme wie Navi klang, amüsierte ihn trotz der Situation, in der er sich befand, königlich. Er war sich sicher, hätte er seiner Fee davon erzählt, sie hätte furchtbar genervt getan und ihn angeraunzt, dass sie so schlimm gar nicht sei. In Wirklichkeit hätte sie sich jedoch ungemein geschmeichelt gefühlt.
„Das Wichtigste ist jetzt, dass du einen Weg aus diesem Loch findest. Dann kannst du dich auf die Suche nach deinem Schwert machen und diesen peinlichen Fauxpas wieder ausbügeln.“ Mit einem schwachen Anflug eines schlechten Gewissens dachte Link daran, dass er im Wassertempel bereits die Okarina der Zeit verloren und wiedergefunden hatte.
Eigentlich hatte er sich mit dieser Erinnerung vor Augen führen wollen, dass der Verlust des Master-Schwerts vielleicht nicht endgültig war. Doch stattdessen bekam er das Gefühl, dass er zu nachlässig und nicht verantwortungsbewusst genug war. Dass er die Okarina verloren hatte, hätte ihn dafür sensibilisieren müssen, wie wichtig es war, auf seine wertvollen Relikte zu achten. Aber anstatt doppelt so vorsichtig zu sein, hatte er auch noch das Master-Schwert verloren und sich gefangen nehmen lassen.
Vielleicht hatte Mido Recht gehabt und Link war ein Versager…
Als ihn dieser Gedanke durchzuckte, war es wie ein Blitzschlag. Ihm war als hätte sich der Boden unter ihm aufgetan und er schien vollkommen haltlos in die Tiefe zu stürzen, während sich sein gesamtes Inneres um seine ätzenden Schuldgefühle krümmte. Er war der Aufgabe des Herrn der Zeiten nicht gewachsen! Warum bloß hatte ausgerechnet ihm eine solche Bürde aufgelastet werden müssen?! Er war ein Versager! Ein Nichts!
Doch anstatt sich von seinem plötzlich aufwallenden Selbsthass übermannen zu lassen, klammerte sich sein Bewusstsein an die kleinen Funken Stolz und Kampfeswille, die in der tiefen Schwärze der Gewissensbisse glommen. Er war der Herr der Zeiten! Das mochte ihm vielleicht nicht gefallen, aber es war nicht zu ändern. Also hatte er Verantwortung zu übernehmen. Ganz Hyrule schaute hoffnungsvoll zu ihm auf.
„So lange ich mich selbst als Nichtskönner sehe, werde ich nie etwas anderes sein. Ich darf nicht zulassen, dass meine Kindheitserinnerungen mich belasten.“ Gedankenversunken fuhr er mit den Fingerspitzen über sein bartstoppeliges Kinn und griff nach den Kreolen in seinen Ohrläppchen.
Während er die Zeichen seines Erwachsenenstatus betastete, fingen die beiden Funken Feuer und ein heißes Feuer loderte in seiner Brust auf. Zeitgleich straffte Link unbewusst die Schultern und drückte den Rücken durch, bis er stolz und erhaben dastand als hätte er niemals den Hauch eines Selbstzweifels gehabt.
In diesem Moment erst war ihm klar geworden, dass Navi sich damals, bei ihrer Rückkehr aus dem Heiligen Reich, geirrt hatte. Er war nicht mehr derselbe wie früher. Der Junge, der er einst gewesen war, war in dem Augenblick gestorben, in dem er das Master-Schwert aus dem Zeitfels gezogen hatte.
Sieben Jahre später war er als Fremder widergeboren worden. Ein Fremder ohne jede Bindung an sein früheres Leben. Er war kein einfacher Mensch mehr, sondern vielmehr ein Sinnbild. Er war der Herr der Zeiten, ein Held, die Hoffnung Hyrules.
Link wurde allmählich bewusst, dass es vollkommen irrelevant war, dass sich unter dieser Maske weiterhin ein menschliches Wesen verbarg. Sein Schicksal verlangte von ihm, dass er all diese Relikte seines früheren Ichs beiseiteschob. Ein Held verzweifelte nicht. Ein Held gab sich niemals geschlagen. Ein Held verlor nie den Mut.
Der junge Mann wusste nicht, wie er dieser Rolle jemals gerecht werden sollte. Wenn er ehrlich war, wollte er seine Emotionen gar nicht aufgeben. Sie mochten ihm manchmal im Weg stehen, doch sie erinnerten ihn daran, wer er früher gewesen war und wer er auf dem Grunde seines Herzens noch immer sein wollte. Vielleicht, so hoffte er, konnte der Junge von früher, der tief in Links Seele seinen Totenschlaf schlief, in ihm wiederauferstehen, wenn Ganondorf besiegt war.
Für den Moment hielt der Recke jedoch an dem Gedanken fest, der Herr der Zeiten zu sein und funktionieren zu müssen. Obwohl er sich damit selbst seine Persönlichkeit absprach und ein Stück weit das Menschliche nahm, erfüllte es ihn mit der Stärke, die er brauchte, um weiterzumachen. Anstatt sich weiterhin für den Verlust des Master-Schwerts zu verdammen, machte er sich mit geschäftiger Miene auf sie Suche nach einem alternativen Ausweg aus seiner Zelle.
Je weiter Navi Shiek folgte, desto tiefer wurde der Bruch, der durch ihr Innerstes ging. Hin und her gerissen zwischen dem Bedürfnis, Link zu helfen, und der Neugierde, was der Shiekah mit den Gerudo zu schaffen hatte, tendierte sie immer wieder mal mehr zum Umkehren und mal zum Weiterfolgen. Da sie sich nicht entscheiden konnte, fuhr sie mit dem fort, was sie getan hatte, bevor die beiden Seiten ihrer Selbst zu streiten begonnen hatten.
So pirschte sie hinter Shiek her, wobei sie penibel darauf achtete, ihm nicht zu nah zu kommen und ihren Feenglanz gedimmt zu halten. Wie der Verfolgte reagieren würde, sollte er sie entdecken, vermochte Navi beim besten Willen nicht zu sagen. Bislang hatte sich als ruhige, kultivierte Person gezeigt, doch die Fee spürte deutlich, dass irgendetwas mit ihm nicht stimmte. Er war nicht, was er vorgab zu sein. Da war Navi sich ganz sicher.
Doch was verbarg sich hinter der Maske des mysteriösen Helfers? War er schlicht und ergreifend eine zurückhaltende Persönlichkeit, die ihr wahres Ich prinzipiell nicht gerne zeigte, oder war er womöglich ein Spion Ganondorfs? Immerhin schien er sich in der Festung frei bewegen zu können, auch wenn er direkte Aufeinandertreffen mit den Gerudo mied. Aber warum hätte er sich als Frau verkleiden sollen, wenn er mit Ganondorf im Bunde und von dem Diebesvolk akzeptiert war?
Navi schwirrte der Kopf von all den Fragen, die durch ihren Geist wirbelten. Dass sie das Rätsel, das Shiek umgab, nicht lösen konnte, verursachte ihr regelrecht körperliche Schmerzen. Es ärgerte sie, dass sie im Schattentempel nicht daran gedacht hatte, Impa nach Shiek zu fragen. Die Fee konnte sich nicht vorstellen, dass die Beiden sich nicht gekannt hatten. Immerhin gab es kaum noch Angehörige ihres Volkes!
Womöglich hatte die viele Grübelei Navi unaufmerksam gemacht oder Shiek hatte ein zu feines Gespür, das konnte die Fee nicht sagen. Jedenfalls führte er sie in eine Sackgasse, wirbelte blitzartig herum und fixierte sie mit einem so festen Blick, dass es keinen Zweifel daran gab, dass er schon vor der Kehrtwende gewusst hatte, dass sie sich hinter ihm befand.
„Wieso verfolgst du mich?“ Bislang war Navi gar nicht aufgefallen, wie hell die Stimme des Shiekah wirklich klang. Wie sein androgyner Körperbau war auch sie nicht eindeutig einem Geschlecht zuzuschreiben. Aber vielleicht bildete Navi sich das auch nur ein, weil er Frauenkleider trug und sogar geschminkt war, wie sie aus der Nähe nun erkennen konnte.
„Ich wollte wissen, warum du dich in der Gerudo-Festung herumtreibst“, gab die kecke Fee ehrlich zu. Dabei fixierte sie trotzig Shieks unverdecktes Auge, das sie zornig anzufunkeln schien.
„Ich suche etwas.“ Der Shiekah verschränkte abwehrend die Arme, wobei ihn die Brustausbeulungen seines Panzers ein wenig zu behindern schienen. Obwohl seine gesamte Körpersprache überdeutlich machte, dass er nicht mehr verraten würde, hätte Navi gerne nachgebohrt und ihm auf den Zahn gefühlt. Doch ihr Gegenüber kam ihr zuvor: „Aber sag mal: Wo hast du deinen Begleiter gelassen?“
Einen kurzen Moment lang zweifelte Navi, ob sie dem mysteriösen Mann erzählen sollte, warum Link nicht bei ihr war. Dann zuckte sie leicht mit den Schultern und fasste zusammen, wie die Beiden in die Festung eingedrungen waren und warum sie sich aufgeteilt hatten.
Shiek schien mit den Zähnen an der Unterlippe zu zupfen, als er murmelte: „Die Göttin des Sandes ist ein uralter, längst verlassener Tempel tief in der Wüste.“ „Na, besten Dank auch, dass du uns das auch mal mitteilst!“ Die Stimme der Fee troff vor Sarkasmus, doch der Shiekah hörte ihr offenbar kaum noch zu. Er wirkte auf einmal als wäre er mit den Gedanken ganz weit weg.
Navi stemmte die Hände in die Hüften und musterte abwartend Shieks schwarzumrandetes Auge, das unruhig hin und her zuckte als würde es eine für sie unsichtbare Szenerie verfolgen. Bis ihr Gegenüber seine Aufmerksamkeit wieder auf Navi richtete, hatte sich deutliche Besorgnis in der rotbraunen Retina breit gemacht. Die Fee wusste nicht, warum, doch bei diesem Anblick war ihr als griffe eine eiskalte, mit scharfen bewehrte Hand nach ihrer Brust.
Am liebsten hätte sie sich bei Shiek erkundigt, wieso er so ängstlich dreinsah, doch ihre Zunge schien an ihrem Gaumen festgeklebt zu sein und sie bekam keinen Ton heraus. Sekunden später bekam sie trotzdem eine Antwort auf die unausgesprochene Frage: „Vielleicht ist Link der Gefangene, von dem alle hier reden…“
„Was?!“ Navi fühlte sich als hätte der Shiekah sie mit einer massiven Holzlatte geschlagen. Dieser erklärte in betont ruhigem Ton: „Ich habe vorhin einige Gespräche der Gerudo belauscht. Die Frauen unterhielten sich darüber, dass eine ihrer Kriegerinnen einen Eindringling niedergeschlagen und in das Dachverließ gebracht hätte. Wenn ich gewusst hätte, dass Link hier ist, hätte ich…“
Anstatt nachzuhaken, was Shiek dann getan hätte, legte die Fee ihre Handflächen an einander und presste die Zeigefinger gegen ihre zitternden Lippen. Der Hauch eines schlechten Gewissens legte sich über die geflügelte Frau und ein Wasserschleier verzerrte ihre Sicht. Ja, sie hatte ihrem Schützling eine Niederlage gegen eine Gerudo gewünscht. Aber doch nicht so!
Die Tränen wegblinzelnd, wirbelte die Fee herum und wollte sich blindlings wieder in die Suche nach Link stürzen, doch Shiek hielt sie zurück: „Warte, Navi!“ Es war das erste Mal, dass er sie beim Namen nannte, und obwohl sie diese Vertraulichkeit hasste, musste sie gestehen, dass es ihr gefiel wie er die Laute der beiden Silben formte. Naviiii.
Als sie ihn über die Schulter hinweg ansah, machte er einen Schritt auf sie zu und sagte erstaunlich sanft: „Ich weiß, du willst ihn retten. Aber ich bezweifle, dass du viel ausrichten kannst.“ Sein Blick glitt vielsagend über ihren zierlichen, schwachen Körper. Doch bevor sie sich darüber echauffieren konnte, fuhr er fort: „Möglicherweise gibt es jedoch trotzdem eine Möglichkeit, wie du Link helfen kannst. Ich hab da eine Idee.“
Er winkte sie mit einem knappen Fingerzeig zu sich herunter. Einen Herzschlag lang fragte Navi sich, ob er ihr womöglich eine Falle stellte. Was, wenn er sie schnappte und ebenfalls einsperrte, sobald sie sich in seine Reichweite wagte? Dann wäre Link vollends verloren. Doch nach einem letzten Blick in Shieks noch immer besorgt und aufrichtig wirkendes Auge schwebte die Fee zu dem Shiekah herab und fragte im Flüsterton: „Wie sieht dein Plan aus?“