Ocarina of Time

  • Wie immer noch nicht Korrektur gelesen. Drohnald, walte deines Amtes. ;-P
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    Unterdessen hatte Navi sich auf ihrem Weg durch die Festung wieder ein wenig beruhigt und sie wischte im Flug die letzten Tränen ab. Sie hasste es, wenn sie weinen musste. Damals, lange vor ihrem gemeinsamen Aufbruch mit Link, war sie oft von ein paar anderen Feenkindern gehänselt worden, weil sie so nah am Wasser gebaut hatte. Die Häme ihrer Altersgenossen hatte Navi zynisch und zumindest nach außen hin hart werden lassen, sodass sie sich inzwischen von ihren eigenen Emotionen beschämt fühlte – vor allem, wenn sie überdeutlich zeigten, dass die junge Fee nicht so stark und abgeklärt war wie sie gerne tat.
    Während sich die spärlich beleuchteten Gänge bis zur Unendlichkeit in die Länge zu ziehen schienen, dachte Navi mit einem schiefen Lächeln daran wie ironisch das Leben manchmal war. Niemals hätte sie sich träumen lassen, dass sie den Erlebnissen ihrer Kindheit je etwas Positives würde abgewinnen können, doch nun kam es ihr zugute, dass sie schon früh gelernt hatte, ihre Gefühle weitestgehend zu kontrollieren.
    Obwohl ihr Herz sich vor Sorge um Link noch immer anfühlte wie ein zersplitterter, scharfkantiger Eisklumpen, konnte sie sich glücklicher Weise genügend zusammenreißen, um ihren aufgewühlten Geist auf die Suche zu fokussieren. Andernfalls hätte sie in ihrer Aufregung womöglich die leise wispernde Stimme, die sich plötzlich in ihrer Seele zu Wort gemeldet hatte, überhört.
    Navi konnte sich nicht erklären, wie es funktionierte, doch sie war sich sicher, das Band der Vertrautheit zwischen ihnen würde sie direkt zu Link führen. Ihr war fast als hätte sie blind auf seinen Aufenthaltsort deuten können, hätte man ihr eine Festungskarte vorgelegt. Mit jedem Meter, den sie zurücklegte, wurde ihr wieder wärmer ums Herz, was sie als deutliches Anzeichen dafür deutete, dass sie ihrem Schützling immer näher kam.
    „Halte durch, Link! Ich bin bald bei dir!“ Sich unablässig gut zuredend eilte die Fee durch die labyrinthartigen Gänge. Dass sie inzwischen die Orientierung verloren und keinerlei Gespür mehr für ihre eigene Position hatte, störte sie dabei kein bisschen. Selbst die unermüdlich patrouillierenden Gerudo nahm sie kaum wahr. Alles, was für sie zählte, war ihren Freund zu finden.
    Doch als sie am anderen Ende des Flurs eine vertraut wirkende Gestalt in blauen Pluderhosen und Brustpanzer entdeckte, blieb sie wie angewurzelt in der Luft stehen. Die Person bog hastig um die Ecke und bewegte sich mit einer katzengleichen Eleganz, die Navi bislang nur einmal gesehen hatte. Nun hatte sie keinerlei Zweifel mehr: Es war tatsächlich Shiek, der sich durch die Gerudo-Festung schlich. Aber was konnte er hier bloß wollen?!
    Obwohl sie sich bewusst war, dass sie eigentlich so schnell wie möglich zu ihrem Schützling eilen sollte, nahm die neugierige Fee sofort die Verfolgung des Shiekah auf. Die Versuchung, ihn womöglich auf frischer Tat ertappen und Link endlich von der Unaufrichtigkeit des ungeliebten Geheimniskrämers überzeugen zu können, war einfach zu groß.


    Kalter Schweiß klebte dem Gefangenen seine Tunika an den Leib und er fühlte sich als hätte jemand ein massives Eisenband um seine Brust gespannt. Bei jedem Luftholen schoss ein stechender Schmerz in seine Lunge und der Recke atmete noch flacher als zuvor.
    Er hatte das Master-Schwert verloren! Wie hatte das bloß passieren können?! Wie hatte er so unvorsichtig sein können? Er wusste doch, wie immanent wichtig diese heilige Klinge war. Jetzt, wo Ganondorf im Besitz des Triforce-Fragments der Kraft und zum Großmeister des Bösen geworden war, konnte nur noch das Master-Schwert ihm etwas anhaben. Und Link hatte es den Gerudo direkt in die Hände gespielt!
    Am liebsten hätte der verzweifelte Mann sich die Haare büschelweise ausgerissen. Doch als er seine Finger fest in seinen Schopf krallte und zog, ebbte der Panikanfall, der ihn in eisernem Griff hatte, allmählich ab. Offenbar half der physische Schmerz Link dabei, sich zu konzentrieren.
    Das Eisenband um seine Brust lockerte sich zunehmend und der Herr der Zeiten sog gierig Luft in seine unterversorgten Lungen. Dann stemmte er sich auf die Füße und sah sich zum wiederholten Mal in seiner Zelle um.
    „Reiß dich zusammen, Link“, ermahnte er sich selbst stumm. Dass seine innere Stimme wie Navi klang, amüsierte ihn trotz der Situation, in der er sich befand, königlich. Er war sich sicher, hätte er seiner Fee davon erzählt, sie hätte furchtbar genervt getan und ihn angeraunzt, dass sie so schlimm gar nicht sei. In Wirklichkeit hätte sie sich jedoch ungemein geschmeichelt gefühlt.
    „Das Wichtigste ist jetzt, dass du einen Weg aus diesem Loch findest. Dann kannst du dich auf die Suche nach deinem Schwert machen und diesen peinlichen Fauxpas wieder ausbügeln.“ Mit einem schwachen Anflug eines schlechten Gewissens dachte Link daran, dass er im Wassertempel bereits die Okarina der Zeit verloren und wiedergefunden hatte.
    Eigentlich hatte er sich mit dieser Erinnerung vor Augen führen wollen, dass der Verlust des Master-Schwerts vielleicht nicht endgültig war. Doch stattdessen bekam er das Gefühl, dass er zu nachlässig und nicht verantwortungsbewusst genug war. Dass er die Okarina verloren hatte, hätte ihn dafür sensibilisieren müssen, wie wichtig es war, auf seine wertvollen Relikte zu achten. Aber anstatt doppelt so vorsichtig zu sein, hatte er auch noch das Master-Schwert verloren und sich gefangen nehmen lassen.
    Vielleicht hatte Mido Recht gehabt und Link war ein Versager…
    Als ihn dieser Gedanke durchzuckte, war es wie ein Blitzschlag. Ihm war als hätte sich der Boden unter ihm aufgetan und er schien vollkommen haltlos in die Tiefe zu stürzen, während sich sein gesamtes Inneres um seine ätzenden Schuldgefühle krümmte. Er war der Aufgabe des Herrn der Zeiten nicht gewachsen! Warum bloß hatte ausgerechnet ihm eine solche Bürde aufgelastet werden müssen?! Er war ein Versager! Ein Nichts!
    Doch anstatt sich von seinem plötzlich aufwallenden Selbsthass übermannen zu lassen, klammerte sich sein Bewusstsein an die kleinen Funken Stolz und Kampfeswille, die in der tiefen Schwärze der Gewissensbisse glommen. Er war der Herr der Zeiten! Das mochte ihm vielleicht nicht gefallen, aber es war nicht zu ändern. Also hatte er Verantwortung zu übernehmen. Ganz Hyrule schaute hoffnungsvoll zu ihm auf.
    „So lange ich mich selbst als Nichtskönner sehe, werde ich nie etwas anderes sein. Ich darf nicht zulassen, dass meine Kindheitserinnerungen mich belasten.“ Gedankenversunken fuhr er mit den Fingerspitzen über sein bartstoppeliges Kinn und griff nach den Kreolen in seinen Ohrläppchen.
    Während er die Zeichen seines Erwachsenenstatus betastete, fingen die beiden Funken Feuer und ein heißes Feuer loderte in seiner Brust auf. Zeitgleich straffte Link unbewusst die Schultern und drückte den Rücken durch, bis er stolz und erhaben dastand als hätte er niemals den Hauch eines Selbstzweifels gehabt.
    In diesem Moment erst war ihm klar geworden, dass Navi sich damals, bei ihrer Rückkehr aus dem Heiligen Reich, geirrt hatte. Er war nicht mehr derselbe wie früher. Der Junge, der er einst gewesen war, war in dem Augenblick gestorben, in dem er das Master-Schwert aus dem Zeitfels gezogen hatte.
    Sieben Jahre später war er als Fremder widergeboren worden. Ein Fremder ohne jede Bindung an sein früheres Leben. Er war kein einfacher Mensch mehr, sondern vielmehr ein Sinnbild. Er war der Herr der Zeiten, ein Held, die Hoffnung Hyrules.
    Link wurde allmählich bewusst, dass es vollkommen irrelevant war, dass sich unter dieser Maske weiterhin ein menschliches Wesen verbarg. Sein Schicksal verlangte von ihm, dass er all diese Relikte seines früheren Ichs beiseiteschob. Ein Held verzweifelte nicht. Ein Held gab sich niemals geschlagen. Ein Held verlor nie den Mut.
    Der junge Mann wusste nicht, wie er dieser Rolle jemals gerecht werden sollte. Wenn er ehrlich war, wollte er seine Emotionen gar nicht aufgeben. Sie mochten ihm manchmal im Weg stehen, doch sie erinnerten ihn daran, wer er früher gewesen war und wer er auf dem Grunde seines Herzens noch immer sein wollte. Vielleicht, so hoffte er, konnte der Junge von früher, der tief in Links Seele seinen Totenschlaf schlief, in ihm wiederauferstehen, wenn Ganondorf besiegt war.
    Für den Moment hielt der Recke jedoch an dem Gedanken fest, der Herr der Zeiten zu sein und funktionieren zu müssen. Obwohl er sich damit selbst seine Persönlichkeit absprach und ein Stück weit das Menschliche nahm, erfüllte es ihn mit der Stärke, die er brauchte, um weiterzumachen. Anstatt sich weiterhin für den Verlust des Master-Schwerts zu verdammen, machte er sich mit geschäftiger Miene auf sie Suche nach einem alternativen Ausweg aus seiner Zelle.


    Je weiter Navi Shiek folgte, desto tiefer wurde der Bruch, der durch ihr Innerstes ging. Hin und her gerissen zwischen dem Bedürfnis, Link zu helfen, und der Neugierde, was der Shiekah mit den Gerudo zu schaffen hatte, tendierte sie immer wieder mal mehr zum Umkehren und mal zum Weiterfolgen. Da sie sich nicht entscheiden konnte, fuhr sie mit dem fort, was sie getan hatte, bevor die beiden Seiten ihrer Selbst zu streiten begonnen hatten.
    So pirschte sie hinter Shiek her, wobei sie penibel darauf achtete, ihm nicht zu nah zu kommen und ihren Feenglanz gedimmt zu halten. Wie der Verfolgte reagieren würde, sollte er sie entdecken, vermochte Navi beim besten Willen nicht zu sagen. Bislang hatte sich als ruhige, kultivierte Person gezeigt, doch die Fee spürte deutlich, dass irgendetwas mit ihm nicht stimmte. Er war nicht, was er vorgab zu sein. Da war Navi sich ganz sicher.
    Doch was verbarg sich hinter der Maske des mysteriösen Helfers? War er schlicht und ergreifend eine zurückhaltende Persönlichkeit, die ihr wahres Ich prinzipiell nicht gerne zeigte, oder war er womöglich ein Spion Ganondorfs? Immerhin schien er sich in der Festung frei bewegen zu können, auch wenn er direkte Aufeinandertreffen mit den Gerudo mied. Aber warum hätte er sich als Frau verkleiden sollen, wenn er mit Ganondorf im Bunde und von dem Diebesvolk akzeptiert war?
    Navi schwirrte der Kopf von all den Fragen, die durch ihren Geist wirbelten. Dass sie das Rätsel, das Shiek umgab, nicht lösen konnte, verursachte ihr regelrecht körperliche Schmerzen. Es ärgerte sie, dass sie im Schattentempel nicht daran gedacht hatte, Impa nach Shiek zu fragen. Die Fee konnte sich nicht vorstellen, dass die Beiden sich nicht gekannt hatten. Immerhin gab es kaum noch Angehörige ihres Volkes!
    Womöglich hatte die viele Grübelei Navi unaufmerksam gemacht oder Shiek hatte ein zu feines Gespür, das konnte die Fee nicht sagen. Jedenfalls führte er sie in eine Sackgasse, wirbelte blitzartig herum und fixierte sie mit einem so festen Blick, dass es keinen Zweifel daran gab, dass er schon vor der Kehrtwende gewusst hatte, dass sie sich hinter ihm befand.
    „Wieso verfolgst du mich?“ Bislang war Navi gar nicht aufgefallen, wie hell die Stimme des Shiekah wirklich klang. Wie sein androgyner Körperbau war auch sie nicht eindeutig einem Geschlecht zuzuschreiben. Aber vielleicht bildete Navi sich das auch nur ein, weil er Frauenkleider trug und sogar geschminkt war, wie sie aus der Nähe nun erkennen konnte.
    „Ich wollte wissen, warum du dich in der Gerudo-Festung herumtreibst“, gab die kecke Fee ehrlich zu. Dabei fixierte sie trotzig Shieks unverdecktes Auge, das sie zornig anzufunkeln schien.
    „Ich suche etwas.“ Der Shiekah verschränkte abwehrend die Arme, wobei ihn die Brustausbeulungen seines Panzers ein wenig zu behindern schienen. Obwohl seine gesamte Körpersprache überdeutlich machte, dass er nicht mehr verraten würde, hätte Navi gerne nachgebohrt und ihm auf den Zahn gefühlt. Doch ihr Gegenüber kam ihr zuvor: „Aber sag mal: Wo hast du deinen Begleiter gelassen?“
    Einen kurzen Moment lang zweifelte Navi, ob sie dem mysteriösen Mann erzählen sollte, warum Link nicht bei ihr war. Dann zuckte sie leicht mit den Schultern und fasste zusammen, wie die Beiden in die Festung eingedrungen waren und warum sie sich aufgeteilt hatten.
    Shiek schien mit den Zähnen an der Unterlippe zu zupfen, als er murmelte: „Die Göttin des Sandes ist ein uralter, längst verlassener Tempel tief in der Wüste.“ „Na, besten Dank auch, dass du uns das auch mal mitteilst!“ Die Stimme der Fee troff vor Sarkasmus, doch der Shiekah hörte ihr offenbar kaum noch zu. Er wirkte auf einmal als wäre er mit den Gedanken ganz weit weg.
    Navi stemmte die Hände in die Hüften und musterte abwartend Shieks schwarzumrandetes Auge, das unruhig hin und her zuckte als würde es eine für sie unsichtbare Szenerie verfolgen. Bis ihr Gegenüber seine Aufmerksamkeit wieder auf Navi richtete, hatte sich deutliche Besorgnis in der rotbraunen Retina breit gemacht. Die Fee wusste nicht, warum, doch bei diesem Anblick war ihr als griffe eine eiskalte, mit scharfen bewehrte Hand nach ihrer Brust.
    Am liebsten hätte sie sich bei Shiek erkundigt, wieso er so ängstlich dreinsah, doch ihre Zunge schien an ihrem Gaumen festgeklebt zu sein und sie bekam keinen Ton heraus. Sekunden später bekam sie trotzdem eine Antwort auf die unausgesprochene Frage: „Vielleicht ist Link der Gefangene, von dem alle hier reden…“
    „Was?!“ Navi fühlte sich als hätte der Shiekah sie mit einer massiven Holzlatte geschlagen. Dieser erklärte in betont ruhigem Ton: „Ich habe vorhin einige Gespräche der Gerudo belauscht. Die Frauen unterhielten sich darüber, dass eine ihrer Kriegerinnen einen Eindringling niedergeschlagen und in das Dachverließ gebracht hätte. Wenn ich gewusst hätte, dass Link hier ist, hätte ich…“
    Anstatt nachzuhaken, was Shiek dann getan hätte, legte die Fee ihre Handflächen an einander und presste die Zeigefinger gegen ihre zitternden Lippen. Der Hauch eines schlechten Gewissens legte sich über die geflügelte Frau und ein Wasserschleier verzerrte ihre Sicht. Ja, sie hatte ihrem Schützling eine Niederlage gegen eine Gerudo gewünscht. Aber doch nicht so!
    Die Tränen wegblinzelnd, wirbelte die Fee herum und wollte sich blindlings wieder in die Suche nach Link stürzen, doch Shiek hielt sie zurück: „Warte, Navi!“ Es war das erste Mal, dass er sie beim Namen nannte, und obwohl sie diese Vertraulichkeit hasste, musste sie gestehen, dass es ihr gefiel wie er die Laute der beiden Silben formte. Naviiii.
    Als sie ihn über die Schulter hinweg ansah, machte er einen Schritt auf sie zu und sagte erstaunlich sanft: „Ich weiß, du willst ihn retten. Aber ich bezweifle, dass du viel ausrichten kannst.“ Sein Blick glitt vielsagend über ihren zierlichen, schwachen Körper. Doch bevor sie sich darüber echauffieren konnte, fuhr er fort: „Möglicherweise gibt es jedoch trotzdem eine Möglichkeit, wie du Link helfen kannst. Ich hab da eine Idee.“
    Er winkte sie mit einem knappen Fingerzeig zu sich herunter. Einen Herzschlag lang fragte Navi sich, ob er ihr womöglich eine Falle stellte. Was, wenn er sie schnappte und ebenfalls einsperrte, sobald sie sich in seine Reichweite wagte? Dann wäre Link vollends verloren. Doch nach einem letzten Blick in Shieks noch immer besorgt und aufrichtig wirkendes Auge schwebte die Fee zu dem Shiekah herab und fragte im Flüsterton: „Wie sieht dein Plan aus?“

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    Avatar-Artwork von mokke; Signatur-Artwork von Kamui Fujiwara (official artwork)

  • Wie immer wirklich toll geschrieben, Labrynna. Es macht richtig Spaß, zu lesen und sich in die Situation hineinzuversetzen - inbesondere mit dem Hintergrundwissen über die "echte" Spielstory.
    Toll, dass du das Ganze so ausschmückst und viele Elemente hereinbringst, die so nicht vorkommen. Einige davon hätte ich mir auch gut im Spiel vorstellen können, was deine Fanfiction für mich ganz besonders auszeichnet. Das Verhältnis zwischen Navi und Shiek finde ich sehr interessant, denn du stellst es gut dar, dass sich Navi zwischen Vertrauen und Misstrauen gegenüber Shiek hin- und hergerissen fühlt.


    In Beitrag 178 scheint irgendetwas nicht zu stimmen; dort fehlen Leerzeichen in regelmäßigen Abständen. Vielleicht könntest du das noch mal editieren, es ist in dieser Form etwas anstrengend zu lesen.

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    - Seit dem 06.02.2014 in einer butterwampigen Matschkuchen-Partnerschaft mit Darkshuttle123 -

  • Ja, der dusselige Beitrag... -.-
    Ich hatte einen Teil vergessen und als ich's nacheditieren wollte, meinte das Forum, es müsste die Formatierung durcheinanderbringen... Wenn ich mal Zeit hab, korrigier ich ihn.
    (Dieses Mal spinnt die Formatierung gleich... Was soll das denn?!)


    Danke fürs Feedback. Freut mich, dass dir der Teil soweit gut gefällt. :)
    Heute bin ich endlich mit der Gerudo-Festung fertig geworden. Yay!


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    Je näher die Sonne ihrem Zenit kam, desto heißer und stickiger wurde es in Links winziger Zelle. Trotz der Goronen-Rüstung stand ihm der Schweiß auf der Stirn und seine sich geschwollen anfühlende Zunge klebte an seinem ausgedörrten Gaumen. Was hätte er in diesem Moment nicht alles für ein Glas gekühlter Lon-Lon-Milch gegeben?!
    Missmutig dreinblickend lag er mit dem Gesicht zur Decke auf dem Strohlager, starrte durch die Dachluke zum Himmel herauf und beobachtete einen kreisenden Raubvogel. Obwohl er auch dann noch Wände und Boden abgetastet hatte, nachdem er sich an den scharfkantigen Steinen die Finger aufgerissen hatte, hatte er keinen Fluchtweg finden können. Anscheinend saß er tatsächlich in der Falle und musste abwarten, was die Gerudo nun mit ihm anstellen würden.
    Als der Vogel sein Blickfeld verlassen hatte, ließ der Herr der Zeiten seinen Kopf herumrollen und betrachtete müde das rostrote Muster, das seine blutigen Fingerkuppen auf den Zellenwänden hinterlassen hatten. Allmählich fragte er sich, ob die Diebinnen ihn in dieses Loch gesteckt hatten, um ihn jämmerlich verdursten zu lassen. Bilder des skelettierten Offiziers, der im Kellerverließ sein Leben gelassen hatte, tauchten vor Links geistigem Auge auf und er schauderte. Er brauchte dringend etwas, mit dem er sich ablenken konnte.
    Kaum, dass er sich auf die Füße gehievt hatte, schien der Boden wieder zu schwanken wie ein von Wellen bewegtes Boot. Ob die Kriegerin von zuvor ihm eine Gehirnerschütterung verpasst hatte? Oder kam der Schwindel durch die allmählich einsetzende Dehydrierung?
    Blinzelnd versuchte er, die taumelnde Welt zum Stillstand zu bewegen und seinen getrübten Blick wieder zu klären. Er konzentrierte sich so sehr darauf, die Kontrolle über seinen Körper zurückzuerlangen, dass er die Gerudo vor dem Fenster erst bemerkte, als sie ihn ansprach: „Wie ich sehe, bist du endlich wieder wach. Dinah scheint dir ja einen ganz schönen Schlag verpasst zu haben. Du hast da eine fiese Platzwunde an der Stirn.“
    Erschrocken wirbelte der Recke herum und fasste sich unwillkürlich an die angesprochene Schläfe. Bislang war ihm gar nicht aufgefallen, dass er verletzt war, doch nun spürte er das angetrocknete Blut, das sich wie ein langes, bräunlich-rotes Band über seine linke Gesichtshälfte verteilt hatte.
    Zornig sah er zu der Frau auf, die auf einem vor dem Verließ verlaufenden Balkon stand und die Hände auf den Fenstersims stemmte. Niemals hatte er sich schutzloser und ausgelieferter gefühlt als in diesem Moment. Um seine Unsicherheit zu überspielen, fragte er in harschem Tonfall: „Bist du nur hier, um dich zu verhöhnen?“
    Für das unbeschwerte Lachen, das aus ihrem verschleierten Mund perlte, hätte er sie am liebsten geschlagen. „Nein. Man hat mir aufgetragen, dir Essen zu bringen und zu sehen, ob du womöglich ärztliche Versorgung brauchst. Aber allem Anschein nach geht es dir ausgezeichnet.“
    „So gut wie es einem gehen kann, wenn man niedergeschlagen und in einem Backofen eingekerkert wurde…“ Link verschränkte trotzig die Arme vor der Brust und kniff die Augen leicht zusammen, um seine Besucherin besser erkennen zu können. Doch da sie die Sonne im Rücken hatte, blieb sie für ihn ein dreidimensionaler Schatten.
    Die Gerudo lachte erneut auf und warf ihm etwas zu, das sich bei genauerer Betrachtung als ein faustgroßes Stück Gebäck erwies. „Etwas Zutrinken wäre mir lieber gewesen“, murrte der durstige Mann und drehte sein karges Mahl zwischen seinen vor Dreck starrenden Fingern.
    „Zu doof, dass wir keine Gaststätte sind“, flötete die noch sehr jung klingende Diebin. Dann nahm sie die Hände vom Fenstersims und wandte sich zum Gehen, bevor sie mit einem amüsiert klingenden Unterton anfügte: „Guten Appetit, der Herr. Ich hoffe, es mundet.“
    Irritiert zog Link die Augenbrauen zusammen und betrachtete nachdenklich das ihm zugeworfene Gebäckstück. War es womöglich vergiftet? Wollten die Gerudo ihn auf diese Weise töten?
    Doch als er den unförmigen Klumpen an seine Nase hob und prüfend daran schnüffelte, wurde ihm klar, dass die Diebinnen noch viel perfider waren als er gedacht hatte. Anstatt ihm einen kleinen Brotlaib zu bringen, hatten sie ihm Salzgebäck gebracht. Ausgerechnet Salzgebäck! Als wäre er wegen der unerträglichen Hitze nicht bereits durstig genug!


    Etwa zur selben Zeit beendete Shiek zwei Stockwerke tiefer die Ausführungen zu seinem Plan. Navi blickte ein wenig skeptisch drein und fragte zweifelnd: „Und du glaubst wirklich, dass das etwas bringt?“ Der Shiekah zuckte mit einer dermaßen fließenden Bewegung die Schultern, dass die Fee ihn für seine Eleganz beneidete. „Wenn ich ehrlich sein soll, habe ich keine Ahnung, aber mir fällt nichts Besseres ein. Dir etwa?“
    Vor Überraschung blieb Navi der Mund offen stehen. Nie im Leben hätte sie gedacht, dass Shiek sie um ihre Meinung fragen würde. Bislang hatte sie eher den Eindruck gehabt, dass er in ihr lediglich Links lästiges Anhängsel sah. Dass er sie offenbar als eigenständig denkende Person betrachtete, verblüffte sie so sehr, dass sie nur stumm mit dem Kopf schütteln konnte.
    Daraufhin leuchtete Shieks Auge auf als würde er hinter seiner Verschleierung lächeln. Wie seine Lippen wohl aussahen? Trotz der Sorge um ihren Schützling, juckte es der Fee plötzlich in den Fingern, das blaue Mundtuch zur Seite zu schieben und einen Blick auf das unverhüllte Gesicht ihres Gegenübers zu werfen. Ob er eine niedliche, kleine Lücke zwischen den Schneidezähnen hatte? Navi fand, dass es zu ihm passen würde.
    Um sich nicht vollends in dem Funkeln der ungewöhnlich gefärbten Iris zu verlieren, wandte sich die geflügelte Frau schnell ab und schaute den still daliegenden Flur hinab. „Wir sollten uns auf den Weg machen, bevor uns noch jemand entdeckt.“
    Navi hatte erwartet, dass Shiek nur stumm nicken und dann auf den leisen Sohlen einer Katze im Halbdunkel verschwinden würde. Doch stattdessen hielt er ihr einen Zeigefinger entgegen und sagte: „Viel Glück,… Partnerin.“
    Wie vom Donner gerührt starrte die Fee auf den ihr dargebotenen Finger. Er war lang und schlank mit einem kurzgeschnittenen, saubermanikürten Nagel. Langsam wanderten ihre Mundwinkel wie von selbst nach oben und sie umfasste die Fingerkuppe mit ihren winzigen Händen. „Danke, dir auch.“
    Dann machte sie sich auf den Weg, ohne eine eventuelle Entgegnung abzuwarten.


    Mit ohnmächtiger Wut grub Link seine schmerzenden Finger in den harten Klumpen Salzgebäck, brach kleinere Brocken ab und warf sie in Richtung des nach Urin stinkenden Eimers. Wenn die Gerudo glaubten, ihn so leicht brechen zu können, hatten sie sich geschnitten! So lange er noch klar denken konnte, würde er Widerstand leisten. Da kam ihm diese primitive Zielübung gerade recht.
    Er hatte bereits gute drei Viertel des Klumpens zerbröselt und versenkt, als ein Schatten auf sein Gesicht fiel. Ohne aufzusehen, fragte er ironisch: „Was wollt ihr mir dieses Mal bringen? Einen Wintermantel?“
    Zu seiner großen Überraschung war ihm das unterdrückte Lachen, das er als Antwort bekam, sehr bekannt. Ungläubig rappelte er sich auf und starrte aus großen Augen zum Fenster herauf. „Shiek?! Shiek, bist du das?!“
    „Wie ich höre, bist du bester Gesundheit, Herr der Zeiten.“ Bildete Link es sich ein oder klang sein Besuchter tatsächlich erleichtert? „Naja, ich hab mich schon mal besser gefühlt“, gestand er leise. „Eines muss man den Gerudo lassen: sie wissen wie man Gefangene gefügig macht.“ „Du klingst nicht als hätten sie bei dir Erfolg gehabt.“ Das Lächeln in Shieks Stimme rührte Link und er verfluchte die Sonne, weil sie verhinderte, dass er seinen Freund besser erkennen konnte. Nur zu gerne hätte er den warmen Glanz in den Augen des Shiekah bewundert.
    Als hätte dieser seinen Wunsch erraten, sagte er: „Warte. Ich komm zu dir runter.“ Für einen augenaufschlagkurzen Moment befürchtete der Herr der Zeiten, sein Besucher könnte einfach zu ihm in die Zelle springen. Doch dann bemerkte er das Seil, das wie eine dicke Schlange die Wand herunterglitt.
    Nur Sekunden später stand Shiek vor Link und der Recke staunte nicht schlecht. „Wie siehst du denn aus?!“ Der Shiekah blickte an seinem eigenen Körper herab als wisse er nicht, von was sein Gegenüber sprach, und zuckte mit einer verschlagen wirkenden Geste die Schultern. „Ich musste mich tarnen.“
    Wie hypnotisiert streckte Link eine Hand nach dem Schleier aus, berührte ihn jedoch nicht. Stattdessen deutete er auf Shieks Haare und murmelte noch immer ein wenig fassungslos: „Das erklärt deine Kleidung. Aber wie hast du das hinbekommen?“ „Holunderbeerensaft.“ Der verkleidete Mann zog seinen Zopf nach vorn und betrachtete versonnen die Spitzen seiner eigentlich goldfarbenen, nun rötlich schimmernden Haare. „Blond wäre ich hier aufgefallen wie ein bunter Hund. Es war schwer genug, mich in die Küche zu schleichen, um den Saft und das Wallnussöl für die Haut zu klauen. Ohne diese Tarnung wäre niemals in die Nähe deiner Zelle gekommen.“
    Noch immer vollkommen perplex nickte Link und ließ seinen Blick zum vermutlich hundertsten Mal über seinen Besucher gleiten. Er sah so… so anders aus! In den weiblich geschnittenen Kleidern einer Gerudo-Kriegerin und mit den dunkel geschminkten Augen wirkte er noch anziehender auf den Herrn der Zeiten als sonst.
    Um sich von dem plötzlich aufwallenden Bedürfnis, Shiek in die Arme zu schließen, abzulenken, fragte Link: „Aber sag mal: Was machst du eigentlich hier?“ Der Shiekah schien erneut hinter seinem Mundschutz zu lächeln, als er entgegnete: „Ich rette dir den Hintern.“
    Obwohl er noch immer so durstig war, dass seine Kehle brannte und seine Sicht an den Rändern verschwamm, fühlte Link sich durch den kleinen Scherz gleich ein bisschen besser. Als er sein Gegenüber deswegen anlächelte, riss seine trockene Unterlippe auf und ein einzelner Blutstropfen quoll aus der winzigen Wunde hervor.
    Bei diesem Anblick schlug Shiek sich plötzlich mit der flachen Hand vor die Stirn und rief: „Oh, entschuldige! Das hatte ich dir sofort geben wollen. Ich hab dir etwas mitgebracht.“ Flink löste er einen Leinenbeutel von seinem Rücken und holte eine große, gefüllte Flasche hervor.
    „Ist das Wasser?“ Link beäugte gierig die klare Flüssigkeit, die im Inneren des Behältnisses hin und her schwappte. Der Shiekah nickte und reichte ihm das schlanke Gefäß. Als der Durstige ungeduldig den Korken herausriss und begann in großen, langen Schlucken zu trinken, mahnte sein Besucher: „Langsam! Langsam! Sonst bekommst du noch eine Kolik.“
    Widerwillig löste Link seine Lippen vom Flaschenhals. Er wusste, dass Shiek Recht hatte, aber es war so schwer, diesen Rat zu befolgen… Um seinen Mund anderweitig zu beschäftigen, hakte der Herr der Zeiten nach: „Weswegen bist du nun eigentlich hier? Du bist wohl kaum in die Festung eingedrungen, weil die Möglichkeit bestand, dass ich hier im Gefängnis sitzen könnte.“
    Sein Gegenüber legte den Kopf schief und antwortete mit warmer Stimme: „Ich habe gehört, die Gerudo seien im Besitz einer Pergamentrolle, auf der ein weiteres Teleportierlied überliefert ist. Ein Gefühl sagt mir, dass du diese Schrift gut gebrauchen könntest.“
    Die Fürsorge des Shiekah rührte Link und er lächelte trotz des Risses in seiner Lippe noch breiter als zuvor, bis sein Besucher eine höchst unangenehme Frage stellte: „Aber eines musst du mir verraten: Der Fensterrahmen besteht komplett aus Holz. Warum hast du dich nicht mit Hilfe deines Fanghakens selbst befreit?“
    Schlagartig verloren die Wangen des beschämten Mannes alle Farbe und er starrte den Shiekah mit einem latent panisch wirkenden Ausdruck an. Seinen Fauxpas gestehen zu müssen, war ihm unwahrscheinlich peinlich und er erwog für einen kurzen Moment, zu lügen. Vielleicht sollte er einfach behaupten, die Kette des Enterhakens sei zu kurz gewesen?
    Doch dann schluckte er seine Scham herunter und fasste knapp zusammen wie er vollkommen ausrüstungslos in der Zelle gelandet war.


    Als er geendet hatte, leuchteten seine Wangen in einem dunklen Rot und er blickte stur auf seine Stiefelspitzen hinab. Die Angst für sein Versagen verachtet zu werden, war so groß, dass er sich nicht traute sein Gegenüber anzusehen. Also wartete er mit heftig schlagendem Herzen darauf, angeschrien und getadelt zu werden.
    Zu Links großer Überraschung blieb der große Ärger jedoch aus. Stattdessen klang Shiek lediglich nachdenklich, als er murmelte: „Das verkompliziert die Sache ein wenig. Du musst deinen Lederbeutel unbedingt zurückbekommen – vor allem, weil das Master-Schwert darin ist.“
    „Du glaubst also nicht, dass sie meine Waffen schon längst aussortiert und auf den Weg nach Kakariko geschickt haben, um sie dort zu verkaufen?“ Link hasste wie zittrig seine Stimme klang. Der Shiekah schüttelte geistesabwesend den Kopf. „Ich denke nicht, dass sie wissen, wie man mit dieser Art von Zauber umzugehen hat. Vermutlich halten sie das Säckchen für leer und wundern sich, warum du ihn überhaupt bei dir getragen hast.“
    „Woher weißt du eigentlich, wie Feenzauber funktioniert?“, platzte Link ohne nachzudenken heraus. Seit Navi ihm erzählt hatte, dass sie Shiek dabei beobachtet haben wollte, wie er angeblich die Okarina der Zeit stehlen wollte, hatte er sich das Hirn darüber zermartert, ob der geheimnisvolle Mann überhaupt wissen konnte wie man mit dem Wunderbeutel umzugehen hatte.
    Dieser blickte bei der unerwarteten Frage überrascht auf, winkte dann aber mit einer knappen Geste ab. „Ich glaube, wir haben Wichtigeres zu besprechen.“ Mit diesen Worten wühlte er erneut in seinem Leinensack herum und zog eine kleine Flasche aus dunklem Glas hervor.
    Als er sie dem Herrn der Zeiten reichte, runzelte jener irritiert die Stirn. „Was ist das?“ „Walnussöl.“ „Und was soll ich damit?“ „Dich einreiben.“
    Noch verwirrter als zuvor gaffte Link seinen Freund mit leicht offenstehendem Mund an. Dieser seufzte theatralisch auf, wodurch sich sein Gesichtsschleier blähte wie ein kleines Segel, und erklärte: „Es färbt die Haut dunkler und verleiht ihr einen natürlich wirkenden Braunton.“ Als Beleg streckte er seinen behandelten Arm vor. Erst auf den zweiten Blick fiel auf, dass die vermeintliche Sonnenbräune gar nicht echt war. „Durch das ewige Patrouillieren unter der Wüstensonne haben alle Gerudo dunkle Haut. Mit deinem hellen Teint fällst du in dieser Gegend sofort auf.“
    „Du willst, dass ich mich als Frau verkleide?!“ Verblüfft starrte Link dem kleineren Mann in das verschleierte Gesicht. Zwar sah Shiek in seiner Tarnung einer Gerudo-Kriegerin wirklich verblüffend ähnlich, doch sich selbst konnte er sich beim besten Willen nicht in diesem Weiberfummel vorstellen.
    Entsprechend erleichtert war er, als der Shiekah verneinte: „Das können wir vergessen. Dein Körperbau ist viel zu männlich.“ „Warum soll ich mich dann mit diesem Öl einschmieren?“ „Damit du zumindest ein bisschen besser mit der Umgebung verschmilzt.“


    Wenige Minuten später hatten die beiden Männer das gesamte Wallnussöl auf Links Körper verteilt. Irgendwie war es für den jungen Recken eine sehr merkwürdige Erfahrung gewesen, die Hände des Shiekah auf seiner Haut zu spüren. Die Sanftheit, mit der die fremden Finger über die Muskeln seiner Oberarme gestreichelt hatten, hatte ihn erstaunt. Noch verwirrender war allerdings, dass seine Haut dort, wo Shiek ihn berührt hatte, nicht aufhören wollte, auf eine angenehme Art zu kribbeln. Am liebsten hätte er die Hand des anderen genommen und sie sich auf die unbekleidete Brust gelegt.
    Stattdessen zog er seine Handschuhe wieder an und fragte: „Wie sieht der Plan aus?“ „Ich bezweifle, dass du dich noch einmal unerkannt in die Festung schleichen kannst. Die Wachen sind deinetwegen noch immer in Alarmbereitschaft. Deswegen habe ich uns ein wenig Unterstützung besorgt.“ Link musste das Gesicht seines Gegenübers nicht sehen, um zu wissen, dass er bis über beide Ohren grinste.
    Interessiert hakte der Recke nach: „Unterstützung?“ „Lass dich überraschen. Hör lieber weiter zu. Ich habe mir das Ganze so vorgestellt: Du kletterst an dem Seil nach draußen und springst vom Balkon. Der Fall ist tief, aber nichts, was du nicht bewältigen könntest. Unten wartet die Unterstützung auf dich. Dein Auftauchen ist für sie das Zeichen, ordentlich Krawall zu schlagen. Die entstehende Verwirrung nutzt du aus, um dich erneut in die Festung zu schmuggeln. Unterdessen schleiche ich mich über den Balkon davon, mische mich unter die Gerudo und suche deine Ausrüstung. Anschließend treffen wir uns im Kellerverließ und befreien gemeinsam die Zimmerleute.“
    Obwohl ihn Shieks amüsierter Unterton bezüglich der Unterstützung irritierte, nickte Link zustimmend und schnappte sich seine auf dem Boden abgestellte Wasserflasche, um sie zu leeren. Dann klopfte er seinem Freund mit einer vertraulichen Geste auf die Schulter und wandte sich dem Seil zu.
    Doch gerade als er den Aufstieg beginnen wollte, hielt Shiek ihn noch einmal zurück: „Warte! Mir ist nicht wohl dabei, dich unbewaffnet gehen zu lassen.“ Mit diesen Worten hob der Verkleidete das linke Bein seiner Pluderhose an und entblößte neben einem leicht behaarten Unterschenkel eine mit Lederriemen befestigte Dolchscheide.
    Bevor Link protestieren konnte, dass Shiek genauso gut eine Waffe brauchte, um sich im Ernstfall verteidigen zu können, hatte jener die kurze Klinge bereits hervor gezogen und hielt sie nun mit dem Heft voran dem Herrn der Zeiten entgegen. Dieser erkannte den silbernen Dolch als diejenige Waffe, mit der der Shiekah in der Eishöhle den Schneewolf erlegt hatte.
    „Du wirst es nicht akzeptieren, wenn ich ihn ablehne, oder?“ Link lächelte den kleineren Mann an und hielt prophylaktisch die Hand auf. „Niemals!“ Shiek schien hinter seiner Verschleierung zurück zu grinsen, als er die dargebotene Hand ignorierte und den gut ausbalancierten Dolch unter Links Gürtel schob. Dann trat er einen Schritt zurück und forderte in schon fast herrschaftlich klingendem Ton: „Und jetzt beeil dich. Ich will endlich raus aus diesen albernen Kleidern!“
    Der Recke lachte stumm in sich herein, bevor er sich wieder umwandte und an den Aufstieg machte.


    Navi saß stocksteif zwischen Eponas aufmerksam aufgestellten Ohren und kaute nervös auf einem Fingernagel. Ob Shieks Plan aufgehen würde? Irgendwie hatte sie ihre Zweifel daran, doch etwas Besseres wollte ihr auch nicht einfallen. Mit einem aufgeregten Grummeln im Magen schaute sie zum gefühlten hundertsten Mal zu Links Zellenfester auf. Herrje, bei den Göttinnen! Warum dauerte das alles so lange?!
    Die unbarmherzig brennende Sonne zog sich bereits hinter den im Westen liegenden Gebirgsausläufern zurück, als endlich eine rotgekleidete Person im Fensterrahmen auftauchte. Angesichts der flüssigen, geschmeidigen Bewegungen des Mannes schwappte eine Welle der Erleichterung durch den Körper der wartenden Fee. Offenbar hatten die Gerudo ihrem Schützling nichts Schlimmes angetan.
    Vor Dankbarkeit hätte Navi fast ihren Einsatz verpasst. Erst mit Verzögerung wurde ihr wieder bewusst, dass Links Auftauchen das vereinbarte Zeichen war. Schnell packte sie Eponas Ohren und zog leicht an ihren langen, fellbewachsenen Muscheln, während sie mit der Zunge schnalzte. Hoffentlich würde die Stute sich dieses Mal einfacher bewegen lassen als auf dem Weg zur Festung!
    Schaudernd dachte Navi an die Schwierigkeiten, die sie damit gehabt hatte, das störrische Pferd zum Aufbruch zu überreden. Anstatt brav den Befehlen der Fee zu folgen, hatte Epona lange stur an genau der Stelle verharrt, an der Link sie zurückgelassen hatte. Navi hatte mit aller Kraft an den Zügeln zerren, an ihren Ohren reißen und ihr direkt in den Gehörgang schreien müssen, bevor die Stute sich dazu bequemt hatte, ihr zu folgen.
    Dieses Mal jedoch schien sie genau zu wissen, war von ihr erwartet wurde. Navi hatte kaum an den löffelförmigen Lauschern des Pferdes gezogen, als Epona auch schon nach vorn preschte. Mit donnernden Hufschlägen hastete sie die schmale, steile Treppe nach oben und schnaufte dabei vor Anstrengung. Doch anstatt nach dem Aufstieg zu verschnaufen, galoppierte das wild geworden wirkende Tier schnurstracks auf eine Gruppe Gerudo zu. Die Frauen stoben kreischend auseinander und blickten den Kaltblüter mit einer Mischung aus Überraschung, Ratlosigkeit und Angst an.
    Epona stieß ein lautes Wiehern aus, bevor sie sich aufbäumte, buckelte und auskeilte. Von einem durchdringenden Krachen begleitet, gingen mehrere der herumstehenden Kisten splitternd zu Bruch und sogar das nächststehende Gebäude wurde in Mitleidenschaft gezogen. Dort, wo die Hufe der Stute gegen die Wand schlugen, platze der Putz ab und fiel bröckelnd zu Boden.
    Die Gerudo sahen sich eine Weile hilflos an, doch dann zückten sie ihre Piken und gingen auf das anscheinend von Raserei befallene Pferd los. Die Stute schnaubte abfällig, legte drohend die Ohren zurück und bleckte angriffslustig die Zähne, bevor sie ihre Hufe knapp am Kopf einer besonders mutigen Frau vorbeisausen ließ. Die Diebin wich erschrocken zurück und fasste ihre Waffe fester.
    Link, der das Spektakel vom Balkon aus beobachtete, hielt vor Anspannung die Luft an. Was, wenn eine der Wachen Epona verletzte? Am liebsten hätte er sich eingemischt, um seine Stute zu beschützen. Doch was hätte er tun sollen? Die Gerudo waren in der Überzahl und die einzige Waffe, die er hatte, war Shieks Silberdolch.
    Der Dolch! Womöglich hätte er Epona die Flucht ermöglichen können, wenn er die geliehene Waffe gezückt und auf eine der Frauen geschleudert hätte. Das hätte die Wachen zumindest kurzfristig abgelenkt, da war er sich sicher.
    Stattdessen passierte jedoch etwas Unvorhergesehenes. Link hatte die Hand bereits am Dolchheft, als vom rückwärtigen Teil der Festung plötzlich lauter Tumult zu hören war. Irritiert wandten die Gerudo den Kopf und auch der Herr der Zeiten verharrte mitten in der Bewegung, um zu sehen, was hinter dem immer näher kommenden Krachen, Schaben und Trommeln steckte.
    Wenige Sekunden später wurde klar, was geschehen war: Mehrere mit buntem Zaumzeug geschmückte Pferde galoppierten einen hinter der Festung entlang auf eine Anhöhe führenden Pfad herab und hielten genau auf den Vorplatz zu. Eines der Reittiere zog an einem langen Strick ein abgebrochenes Stück Holzplanke hinter sich her. Offenbar war Eponas Aufstand bis zu den Ställen der Gerudo zu hören gewesen und hatte die dort untergestellten Artgenossen so sehr in Panik versetzt, dass sie sich von ihren Pflöcken losgerissen hatten.
    Als die Wachen ihre davonpreschenden Pferde bemerkten, brach Chaos aus. Einige der Frauen ließen sofort ihre Piken fallen und rannten ihren Reittieren hinterher, während die Verbliebenen einen unschlüssigen Eindruck machten. Sollten sie sich um die fremde, wilde Stute kümmern oder ihre Freundinnen beim Einfangen der entlaufenen Zossen unterstützen?
    Diese allgemeine Verwirrung ausnutzend ließ Link sich vom Balkon fallen. Obwohl der Sturz, wie von Shiek vorausgesagt, recht tief war, landete der Recke leichtfüßig und schlich sich flink in die Festung zurück.


    Dieses Mal gestaltete sich der Weg in den Keller wesentlich einfacher, da die meisten Wachen vom Lärm angelockt auf den Vorplatz geströmt waren. So bestand die größte Schwierigkeit vermutlich in der Überwindung, sich noch mal in den Müllschacht zu stürzen. Einen anderen Weg ins Kerkerverließ kannte Link jedoch nicht. Also atmete er tief durch und zwängte sich zähneknirschend durch die schmale Klappe.
    Als er schließlich vor der Zelle der Zimmerleute ankam, johlten diese begeistert auf. Ringo umfasste zwei Eisenstangen mit seinen großen Händen und zog sich so dicht an das Gitter wie es sein stattlicher Bauch zuließ. „Du bist tatsächlich wieder da! Unglaublich!“ Die Bewunderung war der Stimme des Handwerkergesellen deutlich anzuhören. „Ich hätte nie gedacht, dass es jemals jemand schaffen würde, aus einem Gerudo-Gefängnis auszubrechen!“
    „Ich hatte Hilfe von einem guten Freund“, gestand Link mit einem warmen Lächeln und dachte mit einem sonderbar leichten Gefühl im Herzen an die intime Atmosphäre, die in der Zelle zwischen ihm und Shiek geherrscht hatte. Sofort begann seine Haut dort, wo der Shiekah ihn berührt hatte, wieder zu kribbeln und der Drang, den zierlichen Mann fest in die Arme zu schließen, kehrte mit neuer Intensität zurück.
    Von den Reaktionen seines Körpers beschämt, wandte der Recke sich schnell der Zellentür zu. „Leider habe ich meinen Hammer nicht dabei“, murmelte er entschuldigend, „aber vielleicht kann ich das Schloss anders knacken. Mit etwas Glück ist die Klinge meines Dolchs schmal genug…“
    Ob dies der Fall gewesen ist, sollte Link jedoch nie erfahren. Er hatte die Hand kaum nach dem Dolchheft ausgestreckt, als einer der Zimmerleute entsetzt rief: „Pass auf! Hinter dir!“
    Blitzartig wirbelte der Herr der Zeiten herum und verzog bei dem sich ihm bietenden Anblick die Lippen zu einem schiefen Grinsen, während er spöttelte: „Ich glaube, ich habe ein Déjà-Vu.“ Eine Gerudo-Kriegerin stand mit gezückten Schwertern vor ihm und machte einen angriffslustigen Eindruck. „Da muss ich dich enttäuschen, mein Lieber. Beim letzten Mal hast du gegen meine große Schwester Dinah gekämpft.“
    Tatsächlich. Beim genaueren Hinsehen fiel Link auf, dass die erste Kriegerin ein wenig anders ausgesehen hatte als die Kämpferin, die sich ihm nun genähert hatte. Diese hier war noch sehr jung – fünfzehn, sechszehn Jahre vielleicht – und trug ihr dunkelrotes Haar zu einem Zopf geflochten. Zudem war ihre cremefarbene Kleidung nicht ganz so offenherzig wie die ihrer Schwester. Anstatt ihren unbekleideten Bauch zu präsentieren, hatte sie mit Hilfe von kleinen Eisenringen einen etwa bis zur Hüfte reichenden, in der Mitte geschlitzten Schleier unter ihren gepanzerten Brustkörbchen befestigt.
    Grübelnd zog der Herr der Zeiten die noch immer leicht nach Blut schmeckende Unterlippe zwischen die Zähne. Er hätte schwören können, dass er das Mädchen noch nie zuvor gesehen hatte. Doch irgendwoher kannte er seine Stimme, da war er sich ganz sicher!
    Als er nicht antwortete und sie stattdessen nur nachdenklich ansah, rümpfte die Gerudo, die seine Miene missdeutete, die Nase und patzte: „Ich mag zwar noch jung sein, aber ich werde dich trotzdem besiegen! Mach dich auf die Niederlage deines Lebens gefasst!“
    „Kunststück“, lachte Link höhnisch. „Ich bin vollkommen unbewaffnet.“ Er hob die Hände über den Kopf und hoffte, dass die Kriegerin beim Anschleichen den Dolch, der in seinem Rücken unter dem Gürtel steckte, nicht bemerkt hatte.
    Ein zartes Kichern perlte unter dem Gesichtsschleier der Kriegerin hervor und plötzlich fiel es dem Herrn der Zeiten wie Schuppen von den Augen. Anstatt sie nach dem Grund für ihr Amüsement zu fragen, platzte er heraus: „Du bist das Mädchen, das mir das Salzgebäck gebracht hat!“
    Von einem Klirren ihrer Silberohrringe begleitet, nickte die Kämpferin: „Stimmt. Ich bin Zeherasade, die jüngste Gerudo, die es je in die kleine Gruppe unserer Elitekriegerinnen geschafft hat.“ Ihre Augen blitzten bedrohlich auf, als sie ihre Krummsäbel hob. Dann fügte sie in einem irritierend verlockenden Ton hinzu: „Und ich werde dich das Fürchten lehren.“
    Man sah dem Mädchen deutlich an, dass es keinerlei Zweifel an seinem Sieg hatte. Doch Link ließ eine Hand zu seinem gut verborgenen Dolch schnellen und warf die gut ausbalancierte Waffe so kraftvoll, dass Zeherasade ins Taumeln geriet, als sie die tödlich scharfe Klinge mit ihren Säbeln abwehrte.
    Dieser kleine Moment der Unachtsamkeit, war alles, was Link brauchte. Bevor die Gerudo reagieren konnte, war der erfahrene Recke schon um sie herum gesprintet, um sie von hinten zu packen und ihr die Hände zu schmerzhaft zu verdrehen, dass sie die Schwerter fallenlassen musste.
    „Aua, du tust mir weh!“ Wild strampelnd versuchte die junge Kriegerin sich aus Links Klammergriff zu befreien. Doch selbst als sie ihm mit voller Wucht die Hacke in den Fuß rammte, ließ der Herr der Zeiten nicht locker.
    Für einen Moment erwog er, sich für ihren Spott beim Überbringen des Salzgebäcks zu rächen und sie damit aufzuziehen, wie es sein könnte, dass sie jetzt um Gnade bettelte, wo sie ihn doch das Fürchten lehren wollte. Stattdessen rief er sich jedoch ins Gedächtnis, dass sie noch ein halbes Kind war und von ihm mehr Reife zu erwarten war. Ein kleiner Schock lies Stromimpulse durch seine Adern wandern, als er sich fragte, seit wann er sich selbst als Erwachsenen sah, obwohl er sieben Jahre im Heiligen Reich geschlafen hatte und eigentlich noch auf dem Erfahrungsstand eines Zwölfjährigen war.
    Den Gedanken flugs beiseite schiebend, herrschte er Zeherasade an: „Du wirst jetzt diese Zelle öffnen und die Zimmerleute freilassen. Dann werde ich dich verschonen.“ „Ich kann sie nicht gehen lassen! Dinah würde ausflippen!“ Um ihr zu zeigen, wie ernst ihm die Angelegenheit war, verdrehte Link ihr den Arm noch ein wenig mehr, was sie aufschreien ließ. Er hasste sich dafür, so brutal sein zu müssen, doch er wusste nicht, wie er sonst handeln sollte.
    „Aua! Aua! Schon gut!“ Der Stimme des Mädchens war seine Angst deutlich anzuhören. „Ich würde dir ja helfen, aber ich kann nicht. Ich hab den Zellenschlüssel nicht.“ „Wer hat ihn dann?“ „Meine Schwester. Sie leitet alles hier, solange Naboru fort ist.“ Dankbar für die anscheinende Informationsbereitschaft lockerte Link seinen Griff ein wenig und hakte nach: „Wer ist Naboru?“ „Unsere Anführerin.“
    Irritiert zog der Herr der Zeiten die Augenbrauen zusammen. „Ich dachte, Ganondorf wäre euer König.“ „Ist er ja auch.“ „Sagtest du nicht gera–“ „Ja, ja“, fiel Zeherasade ihm ins Wort, „ich weiß, was ich sagte. Die Sache ist die: …“ Bevor die junge Gerudo ihm die Herrschaftsverhältnisse ihres Volkes erklären konnte, donnerte plötzlich eine laut hallende Stimme durch den Zellentrakt: „Lass sofort meine Schwester los, du dreckiger Hund!“


    Dinah stand von zwei weiteren Kriegerinnen flankiert im Eingang des Zellentraktes und durchbohrte Link mit funkensprühenden Blicken. „Wenn du ihr auch nur ein Haar krümmst, zieh ich dir bei lebendigem Leib die Haut vom Fleisch und nähe mir einen Mantel daraus!“ Unbändiger Zorn und Sorge machten Dinahs melodische Stimme schrill und disharmonisch.
    „Ich werde ihr nichts tun, wenn du die Zimmermanngesellen gehen lässt“, hielt der Herr der Zeiten in ruhigem Ton dagegen, obwohl er nicht daran glaubte, dass die Gerudo ihm zuhören würden. Er war vielmehr davon überzeugt, dass sie ihn zu dritt anfallen und in Stücke reißen würden.
    Wo blieb Shiek bloß? Wenn er den Hauch einer Chance gegen drei vollausgebildete Kriegerinnen haben wollte, brauchte er dringend seinen Schild und das Master-Schwert!
    Doch entgegen Links Erwartungen gab Dinah keinen Angriffsbefehl, sondern stutzte: „Du bittest um das Leben dieser Würmer, anstatt deine eigene Freilassung zu fordern?“ „Ja.“ Link blickte herausfordernd zu der Gerudo herüber, die daraufhin in lautes Gelächter ausbrach.
    Nachdem sie sich ein wenig beruhigt hatte, sagte sie mit einem listigen Glitzern in den Augen: „Du hast mehr Mut als alle anderen Männer, die ich bislang getroffen habe, zusammen. Also gut, ich mache dir ein Angebot. Du darfst erneut um deine Freiheit kämpfen. Dieses Mal musst du jedoch nicht nur gegen mich antreten, sondern auch gegen Miccahia und Aveil.“ Bei diesen Worten deutete sie zunächst auf die Kämpferin zu ihrer Linken, dann auf die rechts neben ihr stehende Frau.
    Ein ironisches Lächeln huschte über Links Gesicht und er spottete: „Welch großzügiges Angebot! Vor allem, wenn man bedenkt, dass ich unbewaffnet bin und du bereits bewiesen hast, dass ich dir zumindest im Umgang mit den Krummsäbeln unterlegen bin.“
    Dinah legte den Kopf ein wenig schief und sah ihn für ein paar Sekunden mit dem Ausdruck einer lauernden Raubkatze an. Dann schien sie hinter ihrer Verschleierung zu lächeln und antwortete in honigsüßem Ton: „Ich gebe zu, die Anforderungen sind dieses Mal weitaus höher. Aber dafür steht dir auch ein größerer Preis in Aussicht. Solltest du uns wider Erwarten bezwingen, werde ich nicht nur dich gehen lassen, sondern auch die Zimmerleute und unseren neuesten Gefangenen.“
    Mit diesen Worten zerrte sie eine weitere Person, die Link bisher nicht bemerkt hatte, hinter ihrem Rücken hinweg nach vorn und dem Herrn der Zeiten stockte der Atem. Shiek!
    Der Shiekah sah beschämt zu Boden und schien Links Blicken bewusst auszuweichen. Die Gerudo hingegen fragte süffisant: „Gehe ich bei deinem geschockten Gesichtsausdruck recht in der Annahme, dass ihr Beide euch kennt?“
    Die Zeit schien um ihn herum stehen geblieben zu sein, als Link wie betäubt nickte. „Dachte ich’s mir doch“, murmelte Dinah. „Ich hätte es auch zu merkwürdig gefunden, wenn ein Fremder sich die Mühe gemacht hätte, in deine Zelle einzusteigen, um dir zur Flucht zu verhelfen.“ „Ihr… ihr habt davon gewusst?“ Der junge Held war von dieser Eröffnung dermaßen perplex, dass er seinen Griff um Zeherasade soweit lockerte, dass sie sich befreien und leichtfüßig zu ihrer Schwester laufen konnte.
    Diese nahm sie in einer fürsorglichen Geste an die Hand und nickte. „Nichts, das in dieser Festung geschieht, entzieht sich unseren wachsamen Augen.“ „Das stimmt so nicht ganz.“ Es war das erste Mal seit seinem Eintreten in den Zellentrakt, das Shiek sich bemerkbar machte.
    „Halt den Mund!“ Aveil hob die Hand, um ihren Gefangenen zu schlagen, doch Dinah hielt sie zurück. „Wie meinst du das?“ Anstatt zu antworten, hob der Shiekah den Kopf und fixierte Links Augen. Dann nickte er ihm flüchtig zu und warf ihm dermaßen schnell etwas zu, dass seine Wachen keine Gelegenheit zum Reagieren hatten.
    Zur Strafe wurde er von Miccahia niedergeschlagen, doch der Herr der Zeiten war trotzdem heilfroh, dass sein Freund so viel Mut bewiesen hatte. Denn das vor seinen Füßen gelandete Etwas entpuppte sich als sein Wunderbeutel.
    So schnell wie möglich hob er seinen schmerzlich vermissten Ledersack auf und knurrte den Gerudo entgegen: „Also gut. Ich nehme die Herausforderung an. Wer will die Erste sein?“


    Es war die komplett in Braun gekleidete Aveil, die sich ihm daraufhin entgegenstellte. Die Goldstickereien ihrer Uniform schimmerten sanft im Fackelschein und bildeten einen skurrilen Kontrast zu den bedrohlich scharfen, blitzenden Schneiden ihrer Krummsäbel.
    Die Kriegerin machte einen selbstsicheren Eindruck und die feste Muskulatur ihrer gestählten Oberarme vermittelten Link einen leisen Eindruck dessen, was ihn erwarten würde, sollte er sie zu nah an sich heranlassen. Um sie gar nicht erst in Schlagweite kommen zu lassen, griff der listige Recke flink in seinen Wunderbeutel und holte den Bogen hervor.
    Aveils Gesicht zeigte bereits deutliche Verblüffung, als er die Waffe aus dem kleinen Säckchen zerrte. Doch erst nachdem er sie mit mehreren geschickten Pfeilschüssen wie einen Schmetterling an die nächste Wand geheftet hatte, sah sie wirklich überrascht aus. „Das ist unlauterer Wettbewerb!“, kreischte sie und versuchte verzweifelt, sich loszumachen – jedoch ohne Erfolg.
    „Wir haben keinerlei Regeln abgesprochen“, wandte Link sich an Dinah. „Also bin ich dazu berechtigt, mein komplettes Waffenarsenal zu nutzen, wenn ich will!“ Zähneknirschend nickte die Angesprochene ihm zu. „Du bist klug. Das habe ich unterschätzt.“ Dann wandte sie sich an ihre Kämpferinnen: „Gesteh es dir ein, Aveil. Du bist besiegt. Jetzt bist du an der Reihe, Miccahia. Sei vorsichtig. Du hast gesehen, wozu er in der Lage ist.“
    Miccahia, die für sich die Farbe Gelb gewählt hatte, war das genaue Gegenteil von Aveil. Sie war nicht nur wesentlich kleiner und zierlicher, auch ihr Kampfstil unterschied sich sehr. Anstatt ihn frontal anzugreifen, tänzelte sie um Link herum und versuchte, durch Schnelligkeit zu punkten. Immer wieder bemühte sie sich, in seinem toten Winkel zu verschwinden und ihn unbemerkt von hinten anzugreifen.
    Zunächst versuchte der Herr der Zeiten auch ihr mit Pfeilen beizukommen, doch sie war so flink, dass sie die Geschosse mit Leichtigkeit abwehrte. Während er die Gerudo im Blick zu behalten versuchte, ging Link fieberhaft seine Ausrüstung durch. Womit könnte er Miccahia gefährlich werden?
    Einen Moment lang erwog er, Dins Feuerinferno einzusetzen. Doch da dadurch auch Zeherasade und die Zimmerleute verletzt worden wären, nahm er von dieser Idee schnell Abstand. Auch der Einsatz von Bomben war indiskutabel – schließlich wollte er die Gerudo nicht töten, sondern nur außer Gefecht setzen.
    Allerdings brachte ihn der Gedanke an Bomben auf einen vielversprechenden Ansatz. Flugs steckte er die Hand in den Wunderbeutel und holte sie zusammen mit mehreren Deku-Nüssen wieder heraus. Bevor Miccahia ausmachen konnte, was er sich gegriffen hatte, schleuderte er die Nüsse direkt vor ihre Füße.
    Sofort brachen grelle Lichtblitze aus den geborstenen Schalen hervor und die geblendete Gerudo riss einen Arm hoch, um ihre Augen zu schützen. Link, der gewusst hatte, was passieren würde, und vorsorglich weggesehen hatte, nutze diese Gelegenheit, um sich seiner Kontrahentin gefahrlos zu nähern und sie mit einem gezielten Schlag auszuknocken.
    Dinah applaudierte abfällig und zog dann ihre Klingen hervor. „Ich gratuliere dir, mein Hübscher. Du hast es tatsächlich geschafft, meine besten Kriegerinnen auszuschalten. Aber bilde dir nicht ein, dass du auch mich besiegen kannst. Bei mir ziehen deine Taschenspielertricks nicht.“ „Dann freue ich mich auf einen ehrlichen Kampf.“ Link bewaffnete sich geschwind mit Master-Schwert und Hylia-Schild, bevor er einen Schritt auf seine Gegnerin zu machte.
    Diese wich ihm geschickt aus und führte ihm deutlich vor Augen, warum sie das Kommando hatte. Ihre Technik war brillant, ihre Bewegungen hatten etwas Raubkatzenhaftes und auch in puncto Kraft konnte sie es vermutlich mit den meisten Männern aufnehmen.
    Obwohl Link seine vertraute Waffe in der Hand hielt und Dinahs Schläge mit dem Schild abblocken konnte, hatte er arge Probleme. Egal, wie sehr er sich auch bemühte, er konnte keine Schwachstelle in der Verteidigung der Kriegerin entdecken. Jeden seiner Vorstöße parierte sie mit einer Leichtigkeit, die ihm Angst machte. Was, wenn sie ausdauernder war als er?


    Der Kampf zog sich bereits eine gute Dreiviertelstunde, als Link bei einem Ausweichmanöver auf Shieks Dolch trat und ausrutschte. Die kurze Waffe war nach dem Wurf auf Zeherasade auf den Boden gefallen und dort unbeachtet liegen geblieben. Nun kam er dem Herrn der Zeiten wie gerufen.
    Anstatt seinen Sturz abzufangen, ließ der tapfere Recke sich fallen, rollte sich über den Boden fallen und schnappte sich mit der rechten Hand den Dolch. Dass er den Hylia-Schild dafür fallenlassen musste, kam ihm zwar nicht gerade gelegen, aber er nahm den Verlust seiner Deckung dennoch in Kauf. Dieser Kampf dauerte schon zu lange und seine Kräfte schwanden zunehmend dahin. Dieses Gefecht musste schnell beendet werden.
    Obwohl er mit seinem Schildarm nicht so gut werfen konnte, schleuderte er Dinah ohne zu zögern den Dolch entgegen und betete zu Farore, der Göttin des Mutes, sie möge sein Wagnis mit einem Sieg belohnen. Als wäre sein Gebet erhört worden, sauste die Waffe in kerzengerader Linie auf die Gerudo zu und schlitzte ihr das Handgelenk auf, woraufhin einer ihrer Säbel scheppernd zu Boden fiel.
    Sofort kam Link wieder auf die Beine, packte Dinahs unverletzte Hand und zwang ihr das zweite Krummschwert aus der Hand, während er sie gegen die nächste Wand warf und ihr drohend die Klinge des Master-Schwerts an die Hand hielt. Panik machte sich in den Augen der Frau breit, doch in ihrer Stimme schwang Hohn und Spott mit, als sie Link lobte: „Glückwunsch, mein Hübscher. Du bist seit vielen Jahrzehnten der erste Hylianer, der es mit den besten unserer Kriegerinnen aufnehmen kann.“
    Dann verdunkelten sich die Iriden der Gerudo und sie sah ihren Bezwinger mit unverhohlener Verachtung an. „Nur zu“; forderte sie ihn auf, „töte mich. Dann wird keine meiner Soldatinnen mehr wagen, dich und deine Gefolgschaft anzurühren.“
    Als hätte er sich plötzlich an ihr verbrannt, wich Link schlagartig zwei Schritte zurück und starrte sie angewidert an. „Sind das die Gesetze von euch Gerudo? Wer im Kampf unterliegt, wird getötet oder gefoltert?“ Es war die wieder zu sich gekommene Miccahia, die ihm vor die Füße spuckte und dagegenhielt: „Es sind doch eure Gesetze! Ihr Männer ward es doch, die uns gelehrt haben, wie grausam Sieger sein können!“
    Verständnislos blickte der Herr der Zeiten zu ihrer auf dem Boden kauernden Gestalt herunter, bis Aveil traurig erklärte: „Es ist noch gar nicht so lange her, ein paar Jahrhunderte vielleicht, da fielen hylianische Truppen in unserem Land ein. Sie warfen uns vor, wir hätten immer wieder Karawanen überfallen und so ganze Händlergilden in die Armut gestürzt. Der Angriff kam so überraschend, dass unsere Vorfahrinnen kaum Gelegenheit hatten, zu reagieren. Natürlich haben sie verloren. Die Soldaten plünderten ihre Heime und nahmen sogar Schätze mit, die schon seit Generationen im Familienbesitz gewesen waren. Doch damit nicht genug…“
    Aveils Stimme verlor sich zu einem tonlosen Flüstern und Link winkte ab. Er wollte nicht mehr hören. Er konnte sich auch so gut genug vorstellen, was die Soldaten den niedergeworfenen Frauen angetan hatten. Der generationenalte Schmerz hatte sich so tief in die Züge der anwesenden Gerudo gegraben, dass es ihm das Herz schwer machte.
    Betont langsam steckte er sein Schwert zurück in die Scheide und versprach: „Es war ein schreckliches Unrecht, das euren Vorfahrinnen widerfahren ist. Aber ich versichere euch: Nicht alle Männer sind so. Ich zumindest will weder eure Körper, noch eure Leben. Ich beanspruche nur den mir versprochenen Preis: Freiheit für all eure Gefangenen.“
    Shiek, der seit einigen Minuten wieder bei Bewusstsein war, hatte sich aufgesetzt und nickte dem Herrn der Zeiten mit einem stolzen Glänzen in dem sichtbaren Auge zu. Dinah musterte ihr Gegenüber zweifelnd, dann griff sie in die Tasche ihrer Pluderhose und holte einen kleinen eisernen Schlüssel hervor.
    Aveil, die inzwischen von Miccahia aus ihrer misslichen Lage befreit worden war, nahm ihn entgegen und trat an die Zellentür heran, um die Zimmermanngesellen freizulassen. Link verstaute unterdessen seinen fallengelassenen Bogen im Wunderbeutel und schnallte sich Schild und Schwert um.
    Zeherasade beobachtete ihn dabei aufmerksam und fragte wie aus dem Nichts: „Sag mal, gehört dieser Teufel von Pferd da draußen eigentlich dir?“ Überrascht aufsehend hob Link den Kopf und begegnete dem halb neugierigen, halb bewundernden Blick des Mädchens. „Meinst du Epona? Ja. Ich habe sie auf der Lon-Lon-Farm bei einem Rennen gewonnen.“ „Du bist wirklich mutiger als die meisten Männer!“ Miccahias Bemerkung brachte alle Anwesenden zum Lachen und plötzlich schien sich die angespannte Atmosphäre zu lösen. Nur Dinah hielt sich das verletzte Handgelenk und schien tief in Gedanken versunken zu sein.
    Als Link sich gemeinsam mit den Zimmerleuten und Shiek, der noch immer ein wenig wackelig auf den Beinen war, auf den Weg machen wollte, klärte sich ihre nachdenkliche Stimmung jedoch auf: „Ich möchte, dass du das hier bekommst.“ Sie griff erneut in ihre Hosentasche und zog ein etwa Hand großes Stück Pergament hervor, um es Link zu reichen.
    „Was ist das?“ Verwirrt blickte dieser auf die ihm dargebotene Urkunde. „Es ist ein Gerudo-Pass“, erklärte Zeherasade fröhlich. „Er macht dich zu einem Ehrenmitglied unseres Volkes.“ Link keuchte überrascht und auch Shiek, der sich vom Herrn der Zeiten stützen ließ, riss verblüfft die Augen auf. Die Zimmerleute hingegen schienen sich nicht für den ominösen Zettel zu interessieren und machten sich lieber schnell auf den Heimweg.
    „Eigentlich darf nur Naboru, unsere Anführerin, eine so wichtige Entscheidung treffen. Doch ich bin mir sicher, dass sie zustimmen würde.“ Dinah zog ihren Gesichtsschleier herab und schenkte dem Mann neben ihr ein scheues Lächeln ihrer schönen, vollen Lippen. Dieser nahm den Pass ein wenig zögerlich entgegen und verstaute ihn in seinem Wunderbeutel.
    Ehrenmitglied der Gerudo… Er wusste nicht, was er davon halten sollte, zukünftig zum Volk seines Erzfeindes zu gehören.
    „Danke.“ Er erwiderte Dinahs Schmunzeln und hakte dann nach: „Zeherasade hat diese Naboru vorhin schon erwähnt. Wer genau ist sie eigentlich? Ich meine, Ganondorf ist euer König. Wie kann Naboru da eure Anführerin sein?“
    Die vier Gerudo zogen bei der Erwähnung ihres Regenten unisono die Nasen kraus und stießen knurrende Laute aus. „Ganondorf ist nur deshalb unser König, weil ein uraltes Gesetz es vorschreibt und die schwachköpfigen Regenten der anderen Völker sich weigern, eine Frau als unser Oberhaupt zu akzeptieren“, murrte Zeherasade. „Aber wir wollen nicht seine Untertanen sein“, bestätigte Aveil. „Wenn es hart auf hart käme, würden wir Naboru folgen.“
    „Aber als du mich niedergeschlagen hast, Dinah, sagtest du, Ganondorf würde sich über meine Gefangennahme sicherlich freuen.“ Link blieb kurz vor dem Ausgang in einem breiten Strahl rötlichen Lichts stehen und sah die Angesprochene neugierig an.
    „Ich weiß“, gab diese zerknirscht klingend zu. „Die Sache ist kompliziert. Früher war Naboru Ganondorfs schärfste Kritikerin. Sie war inspirierend! Niemals hat sie sich von ihm etwas vorschreiben lassen. Sie hat immer ihre Meinung gesagt und sich nie verbiegen lassen. Doch dann brach sie vor sieben Jahren zum Geistertempel auf, weil sie dort eine besondere Waffe vermutete. Sie hoffte, mit Hilfe dieses Relikts Ganondorf besiegen und seine Regentschaft vollends übernehmen zu können. Doch sie kam nie zurück und die Botschaften, die wir von ihr erhalten, sind erschreckend pro-Ganondorf. Wir fürchte, dass sie den Zwillingen in die Hände gefallen ist.“
    „Den Zwillingen?“ Link lehnte sich gegen die raue Wand hinter ihm und nahm den Arm von Shieks Hüfte, als dieser von ihm abrückte, um wieder ohne Stütze auf eigenen Beinen zu stehen.
    „Im Geistertempel leben zwei alte Hexen, Koume und Kotake. Die Beiden haben Ganondorf großgezogen und sind ihm absolut loyal. Angeblich verstehen sie sich wie niemand sonst auf die Kunst der Geistmanipulation“, erklärte Miccahia, wobei sie ein leichtes Schauern in ihrer Stimme nicht verbergen konnte. Offenbar hatte die Gerudo Angst vor den Zwillingen.
    Draußen schnaubte ein Pferd, als Shiek sich erkundigte: „Wo liegt der Geistertempel?“ „Weit draußen, noch hinter der Geisterwüste.“ Zeherasade deutete in Richtung Westen, während Shiek und Link einen schnellen Blick tauschten. „In der Nähe der Göttin des Sandes?“, hakte der Shiekah nach. Ein mildes Lächeln huschte über Dinahs müde wirkende Züge, als sie antwortete: „Ich wusste nicht, dass außer uns noch jemand den alten Namen des Geistertempels kennt. Die Göttin des Sandes ist der Tempel.“
    Ohne darüber nachzudenken, was er dort tat, schnappte Link sich Dinahs schmale Hände und versprach: „Ich werde Naboru finden und ihr helfen, zu ihrem wahren Ich zurückzufinden.“ Als er die große, schon fast erdrückende Dankbarkeit in den Augen der Frauen sah, fügte er mit einem verschmitzten Grinsen an: „Schließlich ist das meine Pflicht als guter Gerudo, oder nicht?“
    Dinah drückte sachte seine Finger und flüsterte: „Danke.“ Anschließend fuhr sie in normalem Ton fort: „In die Wüste gelangst du durchs westliche Tor. Sprich mit der Turmwächterin, sie kann dir Tipps zur Durchquerung geben.“
    Link nickte knapp und wandte sich dann zum Gehen, ohne sich noch einmal umzusehen oder zu schauen, ob Shiek ihm folgte.

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  • Sapperment, ein Zucht von Geschichtsteil!


    Da hast du ja eifrigst geschrieben die letzten Tage, supergut!
    Eigentlich hat Silberregen ziemlich genau meine Meinung geschrieben, ich mag die kleinen Abweichungen vom Spiel, das ist nicht so vorhersehbar (Eigtl. weiß man ja was passieren wird...).
    Wirds denn noch ein paar Side-Quests geben, das Biggoron-Schwert z.B.?


    Ich freu mich schon aufs neue Jahr mit hoffentlich noch viel mehr Geschichten :)


    P.s.: Meines Amtes hab ich natürlich wie immer brav gewaltet.

  • Nacht in der Fremde


    Kaum dass Link aus dem Gebäude heraustrat, schoss ein silbriger Lichtball auf ihn zu und warf sich gegen seinen Hals. Die Arme weit ausgestreckt kuschelte Navi sich an seinen Adamsapfel und frohlockte: „Du bist wieder da! Ich hab mir solche Sorgen um dich gemacht.“ Ein kleines Schluchzen drückte sich ihre Kehle hinauf und sie schmiegte ihre Wange gegen seine weiche Haut.
    Rührung breitete eine warme Decke über dem Herzen des Recken aus, bis die Fee plötzlich die Nase rümpfte und ihn mit einem angewiderten Blick ansah. „Bäh! Was hast du denn gemacht?! Du stinkst!“ Sofort schoss dem jungen Mann das Blut in die Wangen und ließ sie in einem samtigen Rot leuchten. „Ich… äh… bin in einen Haufen Küchenabfälle gefallen. Zweimal.“
    Navi riss verblüfft die Augen auf und starrte ihren Schützling irritiert an. Wie konnte man denn so blöd sein und zweimal hintereinander in einen Müllhaufen fallen?! Doch bevor sie deswegen eine spitze Bemerkung machen konnte, tauchte Zeherasade auf und wandte sich an den Herrn der Zeiten: „Das Glühwürmchen hat Recht, du riechst wirklich etwas streng.“
    „Ich bin eine Fee!!!“ Navi plusterte sich zu ihrer vollen Größe auf und warf der jugendlichen Gerudo einen erbosten Blick zu, den diese jedoch getrost ignorierte. „Wie auch immer… Ich wollte eigentlich nur sagen, dass du dich vor deinem Aufbruch in unserem Bad säubern kannst. Du darfst auch gern über Nacht bleiben und dich ausruhen. Nimm’s mir nicht übel, aber du siehst aus als könntest du das gebrauchen.“
    Ein schiefes Lächeln zog einen seiner Mundwinkel in die Höhe, als Link zustimmte: „So fühle ich mich auch.“ „Wunderbar, dann sag ich Dinah Bescheid.“ „Warte!“ Der Abenteurer streckte die Hand nach der Kriegerin aus, um sie zurückzuhalten. Sie drehte sich ihm wieder zu und sah ihn aus großen Augen an. „Was ist denn noch? Ach, geht’s um deinen Freund?“ Amüsement blitzte in den Retinae des Mädchens auf. „Der kann natürlich auch hier schlafen. Der Gästesaal ist groß genug für euch Beide.“
    Bei dem Gedanken, eine Nacht im selben Zimmer mit Shiek zu verbringen, lief es Link heiß und kalt den Rücken runter und er warf einen flüchtigen Seitenblick auf den Shiekah, der noch immer im Durchgang stand und sich mit Dinah unterhielt. In den geraubten Frauenkleidern wirkte er noch schmaler und zerbrechlicher als sonst und es juckte den Herrn der Zeiten in den Fingern, den anderen Mann zu berühren. Wie sollte er ruhig schlafen, wenn er Shiek neben sich wusste?!
    Doch vielleicht würde der einzelgängerische Eigenbrötler gar nicht zustimmen, bei den Gerudo zu übernachten. Womöglich machte Link sich zu viele Gedanken um ungelegte Eier. Seinen Geist wieder auf Konkretes lenkend fragte er Zeherasade: „Wo ist eigentlich Epona? Ich dachte, ich würde sie hier irgendwo auf dem Vorplatz entdecken, aber ich sehe sie nirgends.“
    „Nach einigen Schwierigkeiten konnten wir sie einfangen und in unseren Stallungen festbinden.“ Es war die kräftige Aveil, die sich zu der kleinen Gruppe gesellte und zur Anhöhe hinter der Festung deutete. „Wenn du möchtest, bringe ich dich zu ihr. Dann beruhigt sie sich vielleicht ein wenig und lässt sich in einer unserer Boxen unterbringen.“
    Link nickte und erwartete, dass seine Fee sich auf seiner Schulter niederlassen würde, damit sie Beide zu Epona gehen konnten. Stattdessen flog Navi zu Shiek herüber, der ihr nur einen kurzen Seitenblick zuwarf – so als wäre es das Normalste der Welt, dass die Fee sich auf sein Schlüsselbein setzte.
    Dem Herrn der Zeiten blieb vor Überraschung der Mund offenstehen. Was war bloß während seiner Gefangenschaft passiert?! Navi hasste Shiek, der ihr wiederum mit unterkühlter Ignoranz begegnete. Seit wann waren die Beiden Freunde?!
    Hätte Aveil sich nicht geräuspert, um die Aufmerksamkeit des Kriegers wieder auf sich zu ziehen, hätte er vermutlich den Rest des Tages damit verbracht, seine Fee und den Shiekah anzustarren. Stattdessen schüttelte er nur ungläubig den Kopf und wandte sich dann zu der wartenden Gerudo um, damit diese ihn zu seinem Pferd brachte.


    Der Weg hinauf zu den Stallungen verlief in einem weiten Bogen und stieg sanft an. Vom Scheitelpunkt der Kurve aus hatte man einen herrlichen Ausblick über das gesamte Tal. Link fragte sich, ob die Zimmermannsgesellen inzwischen bei Mutoh angekommen waren und wann die Hängebrücke über der Schlucht wohl repariert sein würde.
    „Wieso habt ihr eigentlich die Brücke zerstört?“ Der junge Recke sah zu Aveil herüber, deren Kleider mit den kleinen Einschusslöchern seiner Pfeilspitzen übersäht waren. Ohne ihn anzuschauen antwortete sie: „Um es Ganondorfs Schergen möglichst schwer zu machen, zu uns zu gelangen.“
    Im ersten Moment blinzelte Link überrascht, doch je länger er darüber nachdachte, desto mehr Sinn machte dieses Bild für ihn. Die Gerudo waren durch ein altes Gesetz und die Übermacht Ganondorfs dazu verdammt, einem Mann zu folgen, dem sie nicht dienen wollten. Also suchten sie nach Wegen, um seinen Befehlen entgehen zu können. Wenn seine Boten niemals die Gerudo-Festung erreichten, kamen sie nicht in die Verlegenheit, ihrem König offen den Gehorsam verweigern oder gegen die eigenen Überzeugungen handeln zu müssen.
    Die Stallungen waren in einem langen, rechteckigen Gebäude untergebracht, neben dem sogar ein kleiner Trainingsparcours angelegt worden war. Fasziniert betrachtete der Recke eine Gerudo, die auf ihrem bunt aufgezäumten Pferd über eine Rennstrecke galoppierte und dabei mit einem Kurzbogen auf mehrere, die Strecke säumende Zielscheiben schoss. Zu Links Überraschung trafen die meisten Pfeile genau ins Schwarze – und das, obwohl die Gerudo ohne Sattel ritt. Der Herr der Zeiten fragte sich, wie sie sich überhaupt auf dem Rücken ihres Zossen halten konnte.
    „Hier geht’s rein.“ Aveil legte ihm eine Hand auf den Rücken und schob ihn durch ein breites Tor. Das Innere war von dem goldenen Schein der Abendsonne erhellt und feine Staubpartikel schwebten durch die duftgeschwängerte Luft. Link atmete tief durch und versuchte, die unterschiedlichen Gerüche zu isolieren. Heu, Pferdeschweiß, Lederöl und Huffett.
    Aveil dirigierte den jungen Mann den Gang herab und begrüßte jedes Pferd, an dem sie vorbeikamen, mit Namen. Link lächelte in sich hinein und stellte sich die Gerudo beim Umgang mit ihrem Reittier vor. So liebevoll wie sie die anderen Zossen beim Namen nannte, musste sie einen guten Draht zu Tieren haben.
    Als hätte sie seinen Schritt erkannt, stieß Epona ein lautes Wiehern aus, noch bevor ihr Herr in Sichtweite kam. Dieser beschleunigte seine Schritte und eilte zu seiner Stute herüber, um ihr den Hals zu tätscheln und sie hinter den Ohren zu kraulen. „Da bist du ja.“ Er streichelte ihr über ihr samtiges Maul und drückte ihr einen Kuss auf die breite Stirn. „Danke, dass du mir geholfen hast.“
    Unterdessen lehnte Aveil an der Wand und beobachtete die Beiden mit einem warmen Leuchten in den Augen. Dann, nachdem sie ihnen einen Moment zur Begrüßung gegeben hatte, deutete sie auf die massiven Eisenringe und die dicken Stricke, mit denen die Beine des Pferds am Boden befestigt waren. „Tut mir leid, dass wir dazu gezwungen waren. Doch anders war sie leider nicht ruhigzustellen. Wenn wir sie nicht festgebunden hätten, hätte sie womöglich sich selbst oder eine von uns verletzt.“
    Link warf ihr über die Schulter hinweg ein Lächeln zu. „Schon okay. Ich bin mir sicher, sie trägt es euch nicht nach. Und ich verspreche, dass sie euch keinen Ärger mehr machen wird.“ Mit diesen Worten löste er die Seile und nahm Epona am Zügel, um sie zu der von Aveil ausgewiesenen Box zu bringen.
    Dort zäumte er sie ab, kraulte sie ein letztes Mal hinterm Ohr und versprach: „Ich hol dich morgen wieder ab.“ Die Gerudo, die Eponas Zaumzeug auf dafür vorgesehene Wandhaken gehängt hatte, schüttelte jedoch den Kopf. „Ich denke, es ist besser, wenn du sie hierlässt. Die Gespensterwüste ist von einem breiten Gürtel Treibsand umgeben. Kein Pferd der Welt kommt da durch.“
    „Aber Epona hat es auch über die Schlucht geschafft“, wandte Link ein. Ihm missfiel der Gedanke, seine treue Stute zurücklassen zu müssen. Aveil zuckte mit den Schultern und fixierte ihn mit einem gezwungen gleichgültig wirkenden Blick. „Es ist dein Pferd. Wenn du es in den sicheren Tod schicken willst, kannst du gerne versuchen, mit ihm die Gespensterwüste zu durchqueren.“
    Der Recke wusste selbst nicht genau, warum, doch seine Lippen verzogen sich zu einem breiten Lächeln. Irgendwie empfand er Aveils Versuch, ihre deutliche Sorge um Epona zu verstecken, als unsagbar süß. Grinsend knuffte er ihr in einer freundschaftlichen Geste gegen die Schulter und versicherte: „Ich werde Epona keiner unnötigen Gefahr aussetzen.“
    Dann drehte er sich zu seiner Stute um und sagte: „Hörst du, mein Mädchen? Du wirst etwas länger hierbleiben müssen. Ich komm irgendwann und hol dich wieder ab. Mach den Gerudo bis dahin keinen Ärger, ja?“ Das Pferd schnaubte und warf den Kopf hin und her als wolle es verneinen.
    Link lachte leise, dann klopfte er ein letztes Mal mit den Fingerknöcheln gegen die Stalltür und folgte Aveil nach draußen.


    Dort wartete bereits Zeherasade auf ihn, um ihn in den Privatbereich der Festung zu führen. Die Gemächer der Kriegerinnen waren in einem rückwärtigen Teil untergebracht, dessen Gebäude nur aus Richtung Stallungen zu betreten waren.
    Wie der Herr der Zeiten feststellte, unterschieden sich diese Bauten deutlich von denen, die er bislang von der Festung gesehen hatte. Zum einen gab es wesentlich mehr Fenster, sodass die breiten Gänge von der Abendsonne in rotgoldenes Licht getaucht wurden. Zum anderen war der Boden mit dicken Webteppichen ausgelegt und die Wände mit unterschiedlichen Malereien verziert.
    Während die junge Gerudo Link durch die langen Flure führte, fragte sie ihm unermüdlich ein Loch in den Bauch. „Wo hast du eigentlich so kämpfen gelernt?“ Der Recke zuckte ein wenig beschämt die Schultern. „Ehrlich gestanden, bin ich nie ausgebildet worden. Dort, wo ich herkomme, war das nie nötig. Ich schätze mal, dass ich es trotzdem kann, liegt daran, dass es mir einfach im Blut liegt.“
    „Wo kommst du denn her?“ Zeherasade sah ihn von unten herauf aus leuchtenden Augen an. Offenbar hatte er sie durch seinen Sieg über ihre Schwester stärker beeindruckt als er wollte. „Ich bin im Kokiri-Wald im Südosten aufgewachsen.“ Stutzend legte das Mädchen den Kopf schief. „Heißt es nicht, die Kokiri wären ein Volk von Kindern?“
    Link kratzte sich verlegen am Hinterkopf und sah, Blickkontakt vermeidend, an die Wand als wolle er die angemalte Unterwasserlandschaft bewundern. „Das stimmt.“ „Du bist aber kein Kind mehr“, strich Zeherasade in ihrer unbarmherzigen Neugierde heraus. „Ich weiß.“ Der junge Mann kreiste mit den Schultern als wollte er eine störende Last abschütteln.
    Warum nur fiel es ihm dermaßen schwer, zu seiner wahren Herkunft zu stehen? Vielleicht, so sagte er sich, lag es nur daran, dass er so lange in dem Glauben, ein Kokiri zu sein, aufgewachsen war, dass die Wahrheit sich nun anfühlte wie ein Märchen, eine Lüge. Vermutlich hatte er sie selbst noch nicht ganz verdaut. Doch es war Zeit, sich ihr zu stellen.
    Tief Luft holend fügte er an: „Ich bin Hylianer.“ Wie an unsichtbaren Fäden gezogen riss die Gerudo den Kopf herum: „Ich dachte, niemand außer den Kokiri kann im Wald überleben! Die Verlorenen Wälder gelten als verflucht.“ Link wagte ein schüchternes Lächeln. „Ich schätze, ich bin anders als der Rest…“
    Bevor er sagen konnte, dass er selbst nicht verstand, wie er den Fluch hatte überleben können, nahm Zeherasade seine Hand und drückte sie sachte. „Das stimmt allerdings.“ Dann warf sie einen schnellen Blick den Gang hinunter und presste sich anschließend an Link, der bis zur Wand zurückwich. In ihren funkelnden Augen stand eine Vernarrtheit geschrieben, die dem jungen Mann Angst machte und ihm die Kehle zuschnürte.
    „Du bist ganz anders als die Männer, die ich bislang getroffen habe“, nahm Zeherasade den Faden wieder auf. „Du bist mutig und edel und stark. Wusstest du, dass ich mir immer einen Gatten gewünscht habe, der es mir ebenbürtig ist?“ Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, zog ihren Schleier herunter und öffnete erwartungsvoll die Lippen, während Link von Panik ergriffen wurde.
    Wie sollte er bloß reagieren? Ob die Gerudo ihm die Gastfreundschaft aufkündigen würden, wenn er ihr Nesthäkchen von sich stoßen würde? Doch er konnte sie doch nicht einfach küssen… Es war schlimm genug, dass er sich versehentlich mit Ruto verlobt hatte. Er würde sich sicher nicht kopflos in eine Liaison mit einer Gerudo stürzen, bloß weil sie sich in ihn verguckt hatte.
    Gerade als er sich so sanft wie möglich aus Zeherasades Umklammerung lösen wollte, ertönte vom anderen Ende des Gangs Dinahs Stimme: „Was genau soll das werden, wenn es fertig ist?!“
    Link blickte panisch zu der stellvertretenden Anführerin hinüber und rechnete fest damit für ungebührliches Betragen getadelt und hinausgeworfen zu werden. Zeherasade hingegen grinste ihn noch einmal an, schob ihren Mundschutz zurecht und murmelte: „Zu schade.“ Dann trabte sie beschwingt zu ihrer Schwester hinüber, drückte sich an ihr vorbei und verschwand.
    Vollkommen perplex starrte der Herr der Zeiten ihr hinterher, bis Dinah an ihn herantrat: „Das tut mir leid. Nimm es ihr nicht übel. Meine kleine Schwester hat ihr Temperament manchmal nicht im Griff.“ Erleichtert aufatmend löste Link sich von der Wand und hakte nach: „Du beschuldigst mich also nicht, sie verführt zu haben oder so?“
    Die Gerudo winkte mit einer knappen Handbewegung ab. „Wir bekommen hier so selten Männer zu Gesicht, die keine Halunken sind. Es war klar, dass Zeherasade sich in den Erstbesten verlieben würde. Aber mach dir deswegen keine Sorgen. Ich bin mir sicher, ihre Schwärmerei wird sich genauso schnell legen wie sie entflammt ist.“
    Den Mund verziehend sah der Recke zu seinem Gegenüber hinunter. Er wusste nicht, ob er erleichtert oder verprellt sein sollte, weil Dinah glaubte, er sei für ihre Schwester nicht mehr als ein austauschbares Gesicht. Bevor er sich darüber Gedanken machen konnte, deutete Dinah jedoch auf die Tür neben ihm. „Das ist übrigens das Bad. Während du bei deinem Pferd warst, habe ich veranlasst, dass man dir Wasser einlässt. Fühl dich frei, so lange zu baden wie du möchtest. Handtücher liegen bereit und dein Zimmer ist genau gegenüber. Falls du später etwas essen willst, folge einfach diesem Gang, dann kommst du direkt in die Küche.“
    Sie nickte ihm noch einmal zu und verschwand dann in einem der nahegelegenen Räume.


    Das heiße Wasser war ein Segen für Links geschundenen Muskeln und er schloss genießend die Augen. Er wusste nicht, wie lange er schon in der Kupferwanne lag, doch das war ihm auch vollkommen egal. Zwischenzeitlich war eine Gerudo-Wache hineingekommen und hatte, eine Hand beschämt vor die Augen gehalten, seine Goronen-Rüstung an sich genommen. Als er nachgefragt hatte, was sie mit seiner Tunika wollte, hatte sie geantwortet: „Dinah hat befohlen, dass wir deine verdreckten Kleider waschen.“ Dann war sie so schnell wie möglich verschwunden.
    Link grinste in sich herein und fragte sich, ob die Gerudo glaubten, er würde nackt durch die Festung laufen – immerhin konnten sie nicht ahnen, dass er Ersatzkleider dabei hatte. Oder hatten sie ihn bereits beobachtet, als er von der Kokiri- zur Goronen-Rüstung gewechselt hatte? Obwohl er sich von diesem Gedanken peinlich berührt fühlte, beschloss er schulterzuckend, dass es egal war. Hier im Wasser war es viel zu schön und entspannend, um sich wegen solcher Kleinigkeiten zu stressen. Ja, vielleicht hatten ihn Frauen beim Umziehen beobachtet. Na und?
    Als sich die Tür erneut öffnete, dachte der Herr der Zeiten sich nichts dabei. Möglicherweise brauchte eine der Gerudo ein Handtuch oder seine Tunika war bereits gewaschen und wurde zurückgebracht. Er hätte nicht einmal aufgeschaut, hätte nicht auf einmal eine wohlvertraute Stimme ausgerufen: „Oh, bei den Göttinnen! Das tut mir leid!“
    Sofort schnellte Links Kopf herum und er riss erschrocken die Lider hoch. In der Tür stand Shiek und starrte mit geweiteten Augen seinen unbekleideten Körper an. Obwohl dem Herrn der Zeiten augenblicklich das Blut in die Wangen schoss, konnte er sich nicht rühren, um seinen Schoß mit den Händen zu bedecken. Stattdessen starrte er seinerseits den Shiekah an.
    Shiek trug noch immer die Gerudo-Kleider und hatte seinen Zopf gelöst, sodass seine rötlich eingefärbten Haare in einem seidigen Wasserfall über seine Schultern fielen. Dies war jedoch nicht das Einzige an ihm, das anders war als sonst. Er hatte den Mundschleier abgenommen und zeigte sein Gesicht zum ersten Mal unverhüllt. Irgendetwas an den feinen, delikaten Zügen des anderen Mannes kam Link vage vertraut vor, doch genau wie im Feuertempel entzog sich ihm die Erkenntnis, bevor er sie zu fassen bekam.
    Mit feuerroten Wangen wirbelte Shiek herum und beteuerte immer wieder: „Das tut mir leid! Ich wusste nicht, dass du immer noch hier drin bist!“ Link wollte ihm versichern, dass die Angelegenheit nicht schlimm und er nicht sauer sei, doch der Shiekah eilte beeindruckend schnell aus dem Raum und warf die Tür krachend ins Schloss.

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  • Wirklich hübsch geschrieben. Besonders der Teil in den Stallungen gefällt mir. Ich finde, du beschreibst die Schauplätze deiner Geschichte sehr lebhaft, sodass man richtig das Gefühl bekommt, man wäre selbst dort. Auch der Charakter, den du Link gibst, ist etwas Besonderes. Da man im Spiel nur interpretieren kann, wie manche Dinge gemeint sind, ist es schwer, ihm Dialoge zu verpassen, doch ich finde, es gelingt dir sehr gut. Den Moment, in dem er zum Abschied mit den Knöcheln gegen die Stalltür klopft, kann ich mir sehr gut bei ihm vorstellen. Vor allem das enge und treue Verhältnis zu Epona hast du super geschildert. Weiter so!

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    - Seit dem 06.02.2014 in einer butterwampigen Matschkuchen-Partnerschaft mit Darkshuttle123 -

  • Dankeschön. :) Hier der Rest vom - recht kurzen - Kapitel.


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    Link saß noch eine Weile im sich allmählich abkühlenden Wasser und starrte zum Ausgang herüber. Das Türblatt vibrierte schon lange nicht mehr, doch dem Recken kam es noch immer vor als wäre Shiek gerade erst aus dem Bad verschwunden. Warum nur hatte der Shiekah geradezu panikartig die Flucht ergriffen?
    Der Herr der Zeiten warf einen flüchtigen Blick über seinen nackten Körper und erinnerte sich daran, wie die anderen Kokiri früher zusammen im Fluss gebadet hatten – Jungen und Mädchen gemeinsam. Ihm selbst war es immer unangenehm gewesen, sich vor den anderen zu entblättern, doch der Anblick entblößter Leiber war ihm dennoch wohlvertraut. Ob es Shiek anders ging?
    Vielleicht, so überlegte Link, waren alle Angehörigen seines Volkes so verschlossen wie er und hatten immer sorgsam darauf geachtet, sich nie unbekleidet vor anderen zu zeigen. Womöglich war Nacktheit unter den Shiekah verpönt und galt als obszön und unanständig. War Impa auch dermaßen verklemmt gewesen?
    Obwohl er rational betrachtet wusste, dass ihn keine Schuld für das Geschehene traf, verspürte Link auf einmal den drängenden Impuls, sich bei seinem Freund zu entschuldigen. So schnell er konnte, stieg er aus der Kupferwanne, trocknete sich flüchtig ab und zog sich fix an. Mit seinem Kettenanzug und dem weißen Hemd unter der Kokiri-Tunika fühlte er sich endlich wieder vollständig bekleidet und wohl.
    Mit langen Schritten eilte er aus dem Bad und über den breiten Flur. Doch vor der Tür zum Gästesaal hielt er plötzlich inne und zögerte. Was sollte er bloß sagen? Würde Shiek überhaupt mit ihm darüber reden wollen? Oder wäre es das Beste, den Vorfall zu ignorieren und so zu tun als wäre nichts geschehen?
    Tief durchatmend schob der junge Krieger seine Bedenken beiseite. Shiek war sein Freund und kein Unmensch. Wenn er nicht über das unfreiwillige Aufeinandertreffen im Bad reden wollen sollte, würde er das einfach sagen, anstatt Link den Kopf abzureißen. Dennoch zitterte die Hand des Recken leicht, als er sie auf die Klinke legte und die Tür aufdrückte.
    Der saalartige Raum hatte eine runde Form und wurde von einer Feuerstelle in seiner Mitte dominiert. Noch lagen die Kohlen wie schwarze Eier auf dem engmaschigen Metallrost über der Aschewanne, doch schon bald würde vermutlich eine Gerudo kommen und sie entzünden. Wie Link in Mutohs Zelt hatte feststellen müssen, wurden die Nächte in der Wüste bitterkalt.
    Um die Feuerstelle herum waren bunte Webteppiche und gepolsterte Sitzkissen verteilt, die Gästen ein gemütliches Zusammensitzen ermöglichen sollten. Die bequem aussehenden Betten waren mit den Kopfenden an die Wände geschoben worden, sodass sie einen großen Kreis bildeten.
    Beim Anblick der aus dicken Stoffen bestehenden Himmel musste Link ein wenig grinsen. Die Gerudo hatten sich wirklich große Mühe gegeben, damit sich eventuelle Gäste bei ihnen wohlfühlen konnten – sogar an ein wenig Privatsphäre beim Schlafen hatten sie gedacht. Der Recke fragte sich, woher wohl das Gerücht stammte, die Gerudo würden Besuch nicht schätzen. Vielleicht waren die Hylianer, die bislang hergekommen waren, die Sache ganz falsch angegangen, überlegte er. Womöglich galten die Gerudo nur deswegen als feindselig, weil sie stets das Gefühl hatten, in dieser männerdominierten Welt nicht ernstgenommen zu werden und sich Respekt erkämpfen zu müssen.
    An einem der Betten waren die Kordeln, welche die Stoffbahnen des Himmels zusammenhielten, gelöst worden, sodass man keinen Blick auf die Liegestätte werfen konnte. Da der restliche Raum leer war, trat Link mit einem flauen Gefühl im Magen an das fragliche Bett heran und flüsterte: „Shiek, bist du da drin?“
    Hinter dem Stoff war ein unwilliges Knurren zu hören und der Herr der Zeiten fürchtete, er habe einen unbekannten Gast geweckt. Doch dann drang die gereizt klingende Stimme des Shiekah an seine Ohren: „Was willst du?“ „Mit dir reden.“ Link schluckte an einem Kloß in seinem Hals. Vielleicht hätte er die Sache doch auf sich beruhen lassen sollen…
    Vom Bett aus erklang leises Getuschel und der junge Mann horchte auf. War das Navi, mit der Shiek sich da austauschte?! Link überlegte gerade, ob er seine Ohrmuschel gegen den Stoff lehnen sollte, um besser hören zu können, als der Himmel beiseite gerissen wurde und Shiek ihn grimmig ansah. Er hatte wieder den Schleier angelegt und in seinen Augen funkelte etwas, das Link nicht einordnen konnte. Am ehesten schien es eine Mischung aus ohnmächtiger Wut und brennender Scham zu sein, die sich zu akuter Ablehnung verbanden.
    Mit einer knappen Handbewegung forderte der Shiekah sein Gegenüber zum Reden auf, doch die Kehle des Herrn der Zeiten fühlte sich auf einmal wie zugeschnürt an. „Ich… äh…“, stammelte er, „… also… ähm… das vorhin im Bad tut mir leid.“ „Es war nicht deine Schuld. Ich hätte klopfen müssen.“ Shiek durchbohrte den anderen Mann vor sich mit einem stechenden Blick, ohne ihm dabei in die Augen zu schauen. Dann stand er ruckartig auf. „Aber da du jetzt hier bist, ist das Bad ja endlich frei.“ Mit diesen Worten drückte er sich an Link vorbei und verschwand flugs aus dem Zimmer.
    Der Recke blieb verwundert zurück und kratzte sich ratlos am Hinterkopf. Wie sollte er Shieks Verhalten interpretieren? Obwohl der Shiekah gesagt hatte, dass er Link keine Schuld gab, verhielt er sich dennoch so als würde er es tun. Der Herr der Zeiten war verwirrt.
    „Gib ihm ein bisschen Zeit. Der Anblick deines nackten Körpers hat den armen Jungen überfordert.“ Navi saß auf dem aufgeschüttelten Kopfkissen und lächelte ihren Schützling beruhigend an. „Aber wieso?“ Kraftlos ließ Link sich auf die Bettkante sinken, stützte die Ellbogen auf die Knie und ließ den Kopf hängen. Seine Fee zuckte elegant die Schultern und sagte: „Ich weiß es nicht genau. Vielleicht hat er ein Trauma oder ist einfach prüde.“
    Als der Recke daraufhin langgezogen seufzte, flog seine Begleiterin zu ihm herüber und kuschelte sich in seine Halsbeuge. „Jetzt mach kein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter. Der Kleine kriegt sich wieder ein, ganz bestimmt.“ „Hm-mh.“
    So saßen sie eine Weile, bis der Herr der Zeiten mit einer Frage herausplatzte, die ihm seit dem frühen Abend unter den Nägeln brannte: „Seit wann seid ihr Zwei eigentlich so gut befreundet?“ Falls er ein schlechtes Gewissen erwartet hatte, weil Navi zuvor Shieks Gesellschaft der seinen vorgezogen hatte, wurde er enttäuscht. Stattdessen erklärte die Fee heiter: „Seit wir zusammen einen Plan ausgeheckt haben, um dich aus deiner Zelle zu befreien.“


    Als Shiek schließlich zurückkam, hatte Navi sich auf der Fensterbank in einem Strahl Mondlicht zusammengerollt und schnarchte leise. Link lag mit geschlossenen Augen langausgestreckt auf einem der Betten. Seine Stiefel hatte er sich achtlos von den Füßen getreten, sodass sie neben einem Pfosten auf dem Boden lagen anstatt ordentlich nebeneinander zu stehen. Eine Hand auf seine Brust gebettet, die andere unter die Decke geschoben, sah er aus als würde auch er schlafen.
    Doch kaum dass der Shiekah den Raum betreten hatte, schnellte der Oberkörper des Recken hoch und er blickte aufmerksam zu seinem Freund herüber. Dieser hatte die Gerudo-Kleider abgelegt und wieder seinen Kampfanzug angezogen. Die weißen Bandagen an seinen Händen wirkten im roten Schein der zwischenzeitlich entzündeten Kohlen wie blutgetränkte Verbände.
    Einige Herzschläge lang sahen die beiden Männer sich bloß an, doch dann atmete Shiek tief durch und trat zögerlich an Links Bett heran. „Darf ich?“ Er deutete unsicher wirkend auf die Kante. „Sicher.“ Der Herr der Zeiten zog seine Beine an und machte seinem Freund, der sich sogleich niederließ, Platz.
    „Mein Ton vorhin tut mir leid. Ich weiß, dass es ganz allein meine Schuld war, dass ich in dein Bad geplatzt bin. Aber…“ Der Shiekah rang sichtlich nach Worten und knetete nervös einen besonders langen Streifen seiner Bandagen zwischen den Fingern. Link legte eine seiner Hände auf die des Shiekahs und lächelte. „Mach dir deswegen keinen Kopf. Vergessen und verziehen.“
    Als Shiek daraufhin den Blick hob, war es hörte die Außenwelt auf zu existieren. Plötzlich gab es für den Herrn der Zeiten nur noch sie Beide und das Bett, auf dem sie saßen, während der Rest der Welt hinter einer Zauberwand oder einem Wasserfall zu verschwimmen schien.
    Der Shiekah verwob seine Finger mit Links und streichelte sanft mit dem Daumen über seinen Handrücken. Ihre ineinandergeschlungenen Blicke schienen die beiden Männer immer näher zueinander zu ziehen, wie an unsichtbaren Fäden.
    Der Herr der Zeiten streckte seine zweite, zitternde Hand nach dem Gesicht seines Gegenübers aus und legte sie ihm sanft gegen die Wange. Als Shiek daraufhin sein Gesicht dagegen lehnte, leuchteten seine Augen auf als würde er breit lächeln. Nur zu gerne hätte Link ihm den Mundschutz heruntergezogen, um seine Lippen zu sehen. Doch da sein Freund offenbar ein Problem mit nackter Haut hatte, unterdrückte er diesen Impuls vehement.
    Shiek rutschte ein wenig näher an ihn heran und langte seinerseits nach Links Gesicht. Seine Finger streichelten so sanft wie eine Feder über die Haut des Recken, als er mit einem verträumten Glänzen in den Augen dessen Konturen nachfuhr. Bei der zärtlichen Berührung ging ein wohliger Schauer durch Links Körper und er fragte sich, wie sich etwas gleichzeitig so richtig und dermaßen falsch anfühlen konnte. Während sein Kopf gegen Intimitäten mit einem Mann rebellierte, jubelte seine Seele und sein Herz schien vor Glück zerspringen zu wollen.
    Den Blick fest auf Links Augen geheftet, beugte Shiek sich leicht vor und schob einen Finger unter seinen Mundschutz, um ihn herabzuziehen. Die Atmung des Recken beschleunigte sich und seine Zunge schien an seinem Gaumen festgeklebt zu sein. Seine Aufregung ignorierend lehnte er sich seinem Freund entgegen und nahm sein Gesicht sachte in beide Hände.


    Doch gerade als Shieks Zeigefinger sich krümmte und er zum Herabziehen der Vermummung ansetzen wollte, gähnte Navi laut auf. Als hätten sie sich aneinander verbrannt, stoben die beiden Männer auseinander und sahen mit schreckgeweiteten Augen abwechselnd sich und die selig weiterschlummernde Fee an.
    Was hatten sie da gerade bloß getan?!
    Während Shiek ans Fußende des Bettes robbte, versuchte Link sein inneres Chaos zu ordnen. Wieso nur fühlte er sich von diesem Shiekah so angezogen? Er war in Zelda verliebt, da war er sich sicher! Oder womöglich doch nicht…? Glaubte er bloß, in Zelda verliebt zu sein, weil sie die Prinzessin gewesen war? Hatte er sich Gefühle für dieses Mädchen eingebildet, obwohl er in Wirklichkeit nur davon geträumt hatte, später König zu werden?
    Die Gedanken überschlugen sich in seinem Kopf und alles, das er früher als sicher und unumstößlich betrachtet hatte, geriet nun ins Schwanken. An was konnte er noch glauben, auf was bauen, wenn er sich selbst nicht mehr vertrauen konnte?
    Es war Shiek, der zuerst seine Stimme wiederfand und sein Gegenüber aus dem Irrgarten seiner eigenen Gedanken lockte. Sich vernehmlich räuspernd sagte der Shiekah: „Ich habe übrigens von einer Gerudo gehört, dass du in der Gespensterwüste das Auge der Wahrheit brauchen wirst.“ Link war beeindruckt von dem fast ungezwungen klingenden Ton, den der andere Mann anschlug. Nur die verkrampft in die Decke gekrallten Finger des Shiekah verrieten, dass er innerlich genauso angespannt war wie der Herr der Zeiten.
    Dankbar stieg der Recke in die Plauderei ein: „Wie praktisch, dass ich es dabei habe.“ Er warf seinem Gegenüber ein schüchternes Lächeln zu, ohne ihn direkt anzusehen. Dann fuhr er fort: „Was wirst du machen, wenn Navi und ich uns auf die Suche nach dem sechsten Weisen begeben?“
    „Ich werde zusammen mit Dinah in der Bibliothek nach einer Schriftrolle suchen. Es heißt, die Gerudo besäßen eine Kopie des Requiems der Geister – das letzte, noch fehlende Teleportierlied. Danach werde ich dir zum Tempel folgen, um dich das Requiem zu lehren.“ Link zog die Beine an, legte die Arme um die Unterschenkel und stützte das Kinn auf die Knie. „Es gibt da etwas, das ich dich schon längere Zeit fragen wollte.“
    Shiek hob eine Augenbraue und sah seinen Freund dermaßen skeptisch an, dass dieser grinsen musste. „Keine Bange, es ist nichts Schlimmes. Ich habe mich nur gefragt, warum du nie teleportiert wurdest, wenn du mir eines der Lieder vorgespielt hast.“ Die Stirn des Shiekahs glättete sich wieder und er erklärte: „Nur die Okarina der Zeit hat die Macht, die Wirkung der Lieder zu entfalten.“
    Der Herr der Zeiten nickte und machte den Eindruck, noch etwas fragen zu wollen, doch in diesem Moment klopfte es an der Tür und Miccahia steckte ihren Kopf durch die Tür: „Hey, Jungs, das Essen ist fertig. Wollt ihr mich zum Speisesaal begleiten?“
    Die beiden Männer wechselten einen fragenden Blick, nickten sich gegenseitig zu und standen – von Links lautem Magenknurren begleitet – auf, um der Gerudo zu folgen.

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  • Geisterhafter Fremdenführer


    Dinah und Aveil erwarteten Link bereits, als er zusammen mit Navi am nächsten Morgen aus der Festung ins Freie trat. Im Osten kroch die Sonne gerade über die Gipfel der Gebirgsausläufer und malte ihre Schatten als blasse, langgezogene Schemen auf den rötlichen Sandboden.
    Die stellvertretende Anführerin der Gerudo löste sich beim Anblick des Reckens von der Wand, an der sie gelehnt hatte, und kam mit federndem Schritt auf ihn zu. „Guten Morgen, mein Lieber. Hast du gut geschlafen?“ Link unterdrückte ein Gähnen und nickte, während er an die hinter ihm liegende, unruhige Nacht dachte.


    Obwohl Shiek und er vor den anderen beim Essen normal miteinander umgegangen waren, hatte sich die gemeinsame Nachtruhe sehr seltsam angefühlt. Um möglichst viel Abstand zwischen sich zu bringen, hatten die beiden Männer Betten gewählt, die sich genau gegenüber standen. Doch trotz der herabgelassenen Himmel hatte Link die ganze Nacht über die Nähe des Shiekah gespürt. Immer wieder war er wach geworden, bloß um die ihn umgebenden Stoffbahnen auseinander zu schieben und einen flüchtigen Blick auf die gegenüberliegende Schlafstätte zu werfen.
    Irgendwann hatte der Herr der Zeiten seine innere Anspannung nicht mehr ausgehalten und war bereits im Morgengrauen aufgestanden. Eigentlich hatte er sich sofort anziehen und aufbrechen wollen, doch stattdessen war er zum Bett des Shiekah hinüber gehumpelt und hatte den Himmel ein wenig beiseitegeschoben.
    Das Loch in seinem Fuß hatte wie jeden Morgen höllisch geschmerzt, doch beim Anblick des schlafenden Shieks hatte der junge Mann dies sogleich vergessen. Der Shiekah hatte auf dem Bauch gelegen, das Gesicht halb unter dem eigenen Arm vergraben, und hatte leise geschnarcht. Sein langes, ihm wirr in die Stirn fallendes Haar hatte den Großteil seines Antlitz verdeckt und es hatte Link in den Fingern gejuckt, die Strähnen vorsichtig zur Seite zu schieben. Er hätte einiges für die Möglichkeit gegeben, die Züge des anderen in Ruhe betrachten zu können, wenigstens ein einziges Mal.
    Seit Shiek ins Bad geplatzt war, hatte der Recke gerätselt, weshalb ihm das Gesicht des anderen Mannes so vertraut vorkam, obwohl er es mit keiner Person aus seiner Erinnerung in Einklang bringen konnte. Trotzdem erinnerte er ihn an irgendjemanden… Aber an wen?
    Vielleicht an Impa? Link hatte an die anderen Völker der bekannten Welt gedacht und feststellen müssen, dass jedes körperliche Merkmale aufwies, die es von den anderen unterschied. Bei den Kokiri war es der dauerhaft kindliche Leib, der sich bei den Meisten mit einer recht pausbackigen Gesichtsform kombinierte. Gerudo hatten allesamt rötliches Haar und bernsteinfarbene oder braune Augen.
    Die Goronen waren riesige Wesen, die an zum Leben erwachte Felsbrocken erinnerten. Die fischartigen Körper der Zora waren ebenfalls ein eindeutiges Unterscheidungsmerkmal. Link hatte daran denken müssen, dass die Angehörigen dieser beiden Stämme für ihn genauso aussahen wie alle anderen ihrer Volksmitglieder. Als er sie auf seiner Reise kennen gelernt hatte, hatte es einige Zeit gedauert, bis er Details wahrgenommen hatte, die ihm dabei geholfen hatten, Individuen zu unterscheiden. Ob das auch im umgekehrten Fall galt? Sahen Hylianer für Zora und Goronen ebefalls alle gleich aus?
    Hylianer hatten besonders lange Ohren. Der Herr der Zeiten hatte sich daran erinnert, dass er auf dem Marktplatz von Hyrule-Stadt mal ein Gespräch mitbekommen hatte, in dem ein älterer Herr einem kleinen Mädchen erklärt hatte, die Göttinnen hätten den Hylianer diese Ohren geschenkt, damit sie ihr entferntes Flüstern hören könnten.
    Doch was unterschied die Shiekah von Hylianern? Soweit Link es hatte beurteilen können, ließen diese beiden Völker sich optisch nicht voneinander trennen. Der Recke hatte sich gefragt, woran Shiekah Angehörige ihres Volkes erkannt hatten und ob Impa sich vielleicht geirrt haben mochte. Womöglich gab es noch viel mehr Shiekah als sie angenommen hatte.
    Mit etwas Verzögerung war ihm jedoch etwas eingefallen, das Navi im Feuertempel gesagt hatte. Sie hatte erwähnt, dass Shiek von einer Art magischen Aura umgeben war, die nur jemand wahrnehmen konnte, der selbst ebenfalls zum Wirken von Magie fähig war. Das bedeutete, dass es ein Unterscheidungsmerkmal zwischen Shiekah und Hylianern gab, dieses jedoch nicht von jedem gesehen werden konnte.
    Für ihn gab es also keinerlei Möglichkeit, Shiekah und Hylianer auseinanderzudividieren. Womöglich erinnerte Shiek Link an einen Hylianer. Aber an wen?
    Gerade als der Recke sich entschlossen hatte, dem anderen Mann die Haare aus dem Gesicht zu streichen, hatte er jedoch Schritte auf dem Flur gehört und stattdessen den Himmel sinken lassen. Den Kopf über sich selbst schüttelnd hatte er sich seine Mission ins Gedächtnis gerufen und sich eingebläut, dass er keine Zeit für solche Spielereien hatte. Auch wenn er unbedingt wissen wollte, an wen Shiek ihn erinnerte – dieses Rätsel musste erst einmal warten. Es gab Wichtigeres zu erledigen.
    Also hatte auf dem Absatz kehrtgemacht und war zu seinem Bett zurückgehumpelt, wo er sich seine Stiefel angezogen und seine Waffen angelegt hatte, bevor er die noch immer schlafende Navi von der Fensterbank gehoben und sich auf den Weg gemacht hatte. Auf halbem Wege aus der Festung heraus war die Fee aufgewacht und hatte ihren Stammplatz auf der Schulter ihres Schützlings eingenommen.


    „Sehr schön.“ Dinah schien ihn hinter ihrem Schleier anzulächeln und der Herr der Zeiten blinzelte, um aus den Tiefen seiner Erinnerung wieder in die Realität aufzutauchen. Um nicht zu abwesend zu wirken, grinste er schwach zurück und fragte: „Die Gespensterwüste liegt hinter dem Westtor, richtig?“
    Die Gerudo nickte. „Ja. Aveil und ich begleiten dich, wenn du magst.“ „Sicher.“ Obwohl Link überzeugt davon war, dass er das Tor auch alleine gefunden hätte, stimmte er dankbar zu. Er war sich nicht sicher, ob wirklich alle Gerudo darüber informiert worden waren, dass er sich in der Festung frei bewegen durfte, und hatte sich bereits in schauerlichsten Farben ausgemalt, was passieren könnte, wenn die Torwächterin ihn für einen Eindringling hielt. Dinah dabei zu haben war auf jeden Fall beruhigend. Wenn er eines ganz sicher nicht noch einmal erleben wollte, dann war es ein Aufenthalt in einem Gerudo-Gefängnis.
    Das Tor lag etwas tiefer als die Festung und war über einen kurzen, scharf abknickenden Pfad zu erreichen. Als Link das imposante Bauwerk erblickte, blieb ihm vor Staunen der Mund offenstehen. Er hatte eine Art größere Pforte erwartet, doch stattdessen sah er sich einer Vorrichtung gegenüber, die ihn stark an das Stadttor von Hyrule-Stadt erinnerte.
    Zu beiden Seiten waren hoch aufragende Wachtürme errichtet worden und das aus massiven Holzplanken bestehende Tor hing an mehreren armdicken Eisenketten, die über erstaunlich große Winden liefen. An einem der Türme lehnte eine wackelig erscheinende Leiter, über die man auf die Aussichtsplattform gelangen konnte.
    Dinah trat an den Wachturm heran, legte den Kopf in den Nacken und rief: „Hey, Sharline, zieh das Tor hoch und dann komm runter! Hier ist jemand, der die Gespensterwüste durchqueren will.“
    Unter dem Dach des Turms wurde in einem Fenster ein weiß-roter Farbklecks sichtbar und Link fühlte sich augenblicklich angestarrt. Ein wenig unsicher zog er die Schultern hoch und blickte abwartend zu der Gerudo herauf. Diese verschwand nach wenigen Sekunden wieder und kurz darauf wurde das Tor rumpelnd in die Höhe gezogen.
    Dahinter wurde eine unendlich weit wirkende Sandwüste sichtbar, die sich über den ganzen Horizont verteilte wie achtlos ausgekippter Goldpuder. Der auffrischende Wind wirbelte die oberste Sandschicht auf und trieb sie als semimaterielle Wolkengeister vor sich her.
    Link war von diesem Anblick so fasziniert, dass er gar nicht mitbekam, dass Sharline behände die Leiter hinabstieg und sich neben ihn stellte. Dementsprechend zuckte der Herr der Zeiten heftig zusammen, als sie ihn ansprach: „Du willst also durch die Gespensterwüste?“
    Erschrocken herumwirbelnd sah er sie mit großen Augen an. Sie war ein gutes Stück älter als die anderen Gerudo, die Link bisher kennen gelernt hatte und trug überraschender Weise keinen Mundschutz. Ihre weiße Kleidung leuchtete in der Morgensonne und ihr rotes Haar war kurzgeschoren, anstatt wie bei den anderen als langer Zopf über ihre Schultern zu fallen.
    Während der verblüffte Recke noch nach seiner Stimme suchte, bestätigte Navi: „Ja, wir haben etwas im Geistertempel zu erledigen.“ „Verstehe.“ Sharline nickte und Dinah klinkte sich in das Gespräch ein: „Du kennst die Sagen über die Wüste besser als irgendjemand sonst. Kannst du den Beiden irgendwelche Tipps geben?“
    Die ältere Gerudo wiegte den Kopf hin und her, während Aveil, die sich bislang im Hintergrund gehalten hatte, sagte: „Von dem Treibsandgürtel habe ich bereits erzählt.“ Sharline lächelte der jüngeren Frau knapp zu, dann wandte sie sich an Link: „Im Zentrum der Wüste herrscht ein niemals enden wollender Sandsturm, der dir jegliche Orientierung rauben kann, wenn du nicht aufpasst. Unsere Vorfahrinnen haben deswegen Flaggen errichtet, um trotzdem den richtigen Weg finden zu können. Wenn du dich von einer Fahne zur nächsten bewegst, bist du sicher.“
    Link nickte und wollte ihr bereits für diesen Hinweis danken, als sie fortfuhr: „Wenn es dir gelingt, den Sturm hinter dir zu lassen, gelangst du in den Teil der Wüste, der namensgebend für sie war. Dort lebt ein hilfsbereiter Geist, der Wanderern den rechten Weg weist. Doch ich fürchte, er zeigt sich nur seinen direkten Nachfahren – uns Gerudo.“
    Von einer plötzlichen Erkenntnis durchzuckt, platzte der Herr der Zeiten heraus: „Deswegen brauchen wir das Auge der Wahrheit! Um den Geist sehen zu können!“ Als die vier Frauen um ihn herum ihn verständnislos ansahen, erklärte er: „Shiek hat gestern Abend gesagt, eine Gerudo habe ihm verraten, dass wir das Auge der Wahrheit bräuchten, um die Wüste durchqueren zu können. Bislang konnte ich mir keinen Reim darauf machen, warum dem so sein sollte, doch jetzt ergibt es Sinn.“
    Sharline grinste ihn erfreut an, zog jedoch sofort wieder ein ernstes Gesicht. „Das ist leider alles, was ich dir sagen kann. Ob du die Wüste durchqueren kannst, hängt einzig und allein von deinem Geschick ab.“ Link schluckte und warf einen Blick auf die trügerische Schönheit der Wüste, die sich wie ein goldenes Tuch vor ihm ausbreitete.
    Dann wandte er sich wieder um und nickte den Gerudo zu, bevor er sich verabschiedete und durch das Tor schritt. Nach ein paar Metern blieb er jedoch noch einmal stehen, drehte sich um und rief Aveil hinterher: „Aveil! Ich vertraue darauf, dass du dich gut um Epona kümmerst, so lange ich unterwegs bin!“ Die Gerudo lachte zum ersten Mal seit ihrem Kennenlernen und versicherte: „Darauf kannst du dich verlassen! Ich werde sie wie mein eigenes Pferd behandeln!“
    Beruhigt kehrte der Recke der Festung wieder den Rücken zu und machte sich an den langen Marsch durch die Wüste.

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    Avatar-Artwork von mokke; Signatur-Artwork von Kamui Fujiwara (official artwork)

  • Mit jedem Schritt, den Link tat, wurde der Boden unter seinen Füßen immer weicher, bis seine Sohlen schließlich tief im Sand versanken. Seufzend dachte er an den weiten Weg, der noch vor ihm lag und fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis seine Beinmuskeln zu schmerzen begönnen.
    Auch Navi rutschte unruhig auf seiner Schulter hin und her, während sie skeptisch die Sandwolken, die wie halbdurchsichtige, kunstvoll geschwungene Schleier durch die Luft wirbelten, beobachtete. Bereits jetzt kam es ihr vor als würden die feinen Sandkörner ihre Atemwege verstopfen. Sie wollte sich gar nicht vorstellen, wie es sein musste, sobald sie den Sandsturm erreichten.
    Die Fee warf einen kurzen Seitenblick auf ihren Schützling, dessen gebräuntes Gesicht mit feinen Schweißperlen überzogen war. Obwohl es noch früher Vormittag und die Sonne noch weit von ihrem Zenit entfernt war, herrschte bereits eine furchtbare Hitze. Der Horizont flirrte und die frisch gewaschene Goronen-Rüstung, die der Herr der Zeiten in weiser Voraussicht angezogen hatte, strahlte eine Eiseskälte aus, die Navi trotz ihrer magiebedingten, großen Temperaturresistenz unangenehm war. Sie wollte sich gar nicht vorstellen, wie ihr Begleiter sich fühlen musste.
    Während Link schnaufend durch die Wüste stapfte, erinnerte sich seine Fee an ihren Aufenthalt im Feuertempel zurück. Obwohl sie sich damals im Inneren eines aktiven Vulkans befunden hatten, hatte Navi die Verhältnisse dort als weniger unmenschlich empfunden als in der Gerudo-Wüste. Damals war wenigstens die Luft frei von Partikeln und leichter zu atmen gewesen. Außerdem hatte sich die Hitze gleichmäßig verteilt, anstatt von einem glühenden Ball am Himmel herab zu brennen.
    Wieder warf die Fee einen Blick auf das Gesicht ihres Schützlings. Von den Ohren ausgehend breitete sich allmählich eine unnatürliche Röte aus, die Navi Sorgen machte. Ein Sonnenbrand war vermutlich nicht zu vermeiden, aber das war auch gar nicht, was ihr Bauchgrummeln verursachte. Viel schlimmer erschien ihr der Gedanke, ihr Freund könnte einen Sonnenstich bekommen.
    Was, wenn Link kollabierte? Würden sie Beide dann als ausgedörrte Skelette enden, die Knochen von der Sonne ausgebleicht, vom Sand verdeckt und von der Welt vergessen?
    Sie wünschte sich, ihr Schützling würde wenigstens seine Mütze tragen. Doch diese war noch immer als Verbandsersatz um seinen durchstochenen Fußballen gewickelt.


    Nach etwa einer Stunde Fußmarsch änderte sich plötzlich die Beschaffenheit des Bodens. Anstatt auf festen Untergrund zu treten, war es als hätte Link seinen Fuß in einen Bottich mit flüssigem Brotteig gestellt. Während er sich über den seltsamen Untergrund wunderte, versank sein Stiefel bis zum Knöchel im Sand. Es war als würde sein Bein durch Unterdruck in den Boden hineingesaugt.
    Der Recke wollte sich gerade darüber wundern, als seine Fee aufschrie: „Link! Du Trottel! Du bist mitten in den Treibsandgraben gelatscht!“
    „Was?!“ Der Herr der Zeiten riss erschrocken seinen Fuß zurück – jedoch ohne Erfolg. Sein Bein steckte fest als hätten sich unsichtbare Hände oder Schlingpflanzen um seinen Knöchel geschlungen. Panik kroch dem jungen Mann das Rückgrat herauf und er zerrte immer verzweifelter an seinem Fuß. Doch je mehr er zappelte, desto stärker schien der Sog in die Tiefe zu werden.
    „Navi! Hilfe! Ich versinke!“ Inzwischen war von Links Stiefel nur noch der obere Saum zu sehen. Der Herr der Zeiten verlagerte sein Gewicht soweit möglich aufs andere Bein und sah hilflos zu seiner Fee auf. Wenn er wenigstens seinen Fuß aus dem Stiefel hätte ziehen können… Doch sein Schuhwerk saß so bombenfest wie eine zweite Haut.
    Navi sah sich mit einem panischen Gesichtsausdruck um. Am Horizont war bereits der Sandsturm zu sehen. Die Windhose drehte sich wie ein überdimensionierter Kreisel um den eigenen Mittelpunkt und der aufgewirbelte Sand wirkte wie eine massive, bebende Wand, die kurz vorm Einbrechen stand.
    Der Blick der Fee wanderte weiter und sprang unruhig hin und her. Irgendwo musste es doch etwas geben, das Link aus seinem Schlamassel helfen konnte. Sie brauchten so etwas wie einen Baum, an dem der Recke seinen Enterhaken befestigen konnte, um sich aus dem Treibsand zu ziehen. Doch wohin die Fee auch schaute – weit und breit wuchs absolut nichts.
    Links Bein versank immer tiefer und tiefer und allmählich machte sich Verzweiflung breit. Wie lange würde es dauern, bis der Treibsand ihn so weit in die Schieflage gezogen hatte, dass er das Gleichgewicht verlieren und kopfüber in den Graben stürzen musste?
    Die Unterlippe zwischen die Zähne gezogen suchte Navi fieberhaft nach einem anderen Plan. Es musste doch möglich sein, Link irgendwie aus dem Treibsand zu ziehen. Wieso nur musste sie so schwach sein?! Wenn sie nur ein bisschen stärker gewesen wäre, wäre die Lösung des Problems so einfach gewesen…
    Die Fee war drauf und dran, sich zum ersten Mal seit ihrem Kennenlernen Shiek an ihre Seite zu wünschen, als sie endlich eine Kiste am gegenüberliegenden Rand des Grabens entdeckte. Sofort schoss sie zu ihrem Schützling herab und deutete auf ihren Fund. „Sieh mal! Mit etwas Glück ist die Truhe dahinten schwer genug und du kannst dich ans Ufer ziehen!“
    Link nickte und zerrte so schnell er konnte seinen Enterhaken hervor. Das Klirren der Kette schallte ohrenbetäubend laut durch die ansonsten vollkommene Stille der Wüste, bevor das Endstück krachend das Holz der Kiste durchschlug.
    Nachdem der Herr der Zeiten den Aufrollmechanismus betätigt hatte, tat sich einige Zeit lang gar nichts. Obwohl Link bereits das Gefühl hatte, ihm würden die Arme ausgerissen, steckte sein Bein noch immer fest. Die Zähne fest zusammenbeißend umklammerte der Recke den Haltegriff des Enterhakens und kniff die Augen zusammen, um den Schmerz so weit wie möglich zu ignorieren.
    Der Schweiß lief ihm in breiten Bahnen über den geschundenen Körper und tropfte in dicken Perlen von seiner Nasenspitze, als sein Fuß sich endlich löste. Von einem schmatzenden Geräusch begleitet wurde Links Bein aus dem Treibsand gezogen und der junge Mann sauste durch die Luft auf die Truhe zu.
    Kaum dass er wieder festen Untergrund unter den Füßen hatte, gaben seine Knie nach und er sank zitternd zu Boden. Als er aus großen Augen zu seiner Fee aufsah, wirkte er dermaßen verletzlich und zerbrechlich, dass es ihr im Herzen wehtat. „Das hätte ganz schön schief gehen können. Ich hatte echt Angst, dass ich da nie wieder rauskomme.“
    Hinter seinem unteren Lid sammelten sich Tränen, die er sogleich wieder wegblinzelte. Navi zeigte ein schiefes Lächeln und bemühte sich, ihren Schützling wieder aufzumuntern: „Aber du hast es geschafft. Jetzt steh wieder auf. Die Göttin des Sandes wartet auf uns.“
    Link nickte zaghaft und hievte sich wieder auf die Füße, bevor er sich der aufgewirbelten Sandwand hinter sich zuwandte.

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    Avatar-Artwork von mokke; Signatur-Artwork von Kamui Fujiwara (official artwork)

  • Der Schreck saß dem jungen Recken noch immer in den Gliedern und seine Beine fühlten sich seltsam schwer an und brannten wie von Muskelkater. Doch der Krieger ignorierte die Rufe seines Körpers nach einer ausgedehnten Ruhepause und schleppte sich verbissen weiter vorwärts. Denn selbst wenn er die Zeit für eine ausgiebige Rast gehabt hätte, hätte die unwirtliche Umgebung ihn zum schnellen Weitermarsch gezwungen.
    Seine Kehle fühlte sich bereits rau und ausgedörrt an, obwohl er erst wenige Stunden unterwegs war. Nur zu gerne hätte er eine Flasche Milch oder Wasser aus seinem Wunderbeutel hervorgeholt und einen großen Schluck genommen, doch er fürchtete, seine Vorräte könnten zu schnell zur Neige gehen, wenn er sie nicht streng rationierte.
    Also heftete er stattdessen seinen Blick stur auf die immer näher kommende Wand aus aufgewirbeltem Sand und ignorierte seinen Durst. Navi rutschte unruhig auf seiner Schulter hin und her und klammerte sich an einer seiner langen Strähnen fest.
    „Hast du Angst?“ Links Mundwinkel zogen sich unwillkürlich in die Höhe, als er daran denken musste, wie ungern seine Fee Schwächen eingestand – selbst wenn diese offensichtlich waren. Zu seiner Überraschung nickte sie dieses Mal jedoch und verriet: „Ich hab Bedenken, dass der Sandstaub uns die Atemwege verstopft. Diese heiße Luft ist so schon schwer genug zu atmen. Außerdem…“
    „Außerdem was?“ Bei dem verlegen klingenden Unterton in Navis Stimme horchte Link interessiert auf. „Naja…“, druckste die geflügelte Frau herum, „ich bin eine Fee. Wir wiegen nun mal nicht besonders viel. Was, wenn der Sturm mich davonweht?“ „Das wäre wahrlich eine Wohltat…“ Geschockt riss Navi den Kopf herum und starrte ihrem Schützling entsetzt ins Gesicht. Das konnte er doch wohl nicht ernst meinen?! Nicht nach allem, was sie gemeinsam durchgestanden hatten!
    Als sie schließlich das Zucken seiner Mundwinkel und das amüsierte Glitzern in seinen Augen bemerkte, trat sie ihm mit voller Kraft gegen den Kieferknochen. „Du bist ein Idiot!“ Sie funkelte giftig zu ihrem Begleiter herauf und hoffte inständig, dass er ihren Tritt gespürt hatte. Dieser brach jedoch nur in Lachen aus und warf ihr einen verschmitzten Blick zu.
    Doch bevor Navi sich vollends ins Schmollen zurückziehen konnte, lenkte Link ein: „Du bist manchmal eine echte Nervensäge, aber ich würde dich vermissen. Deswegen versteckst du dich am besten in meiner Hemdstasche, bis wir den Sturm hinter uns gelassen haben. Dort drin dürfte dir auch der Sand nichts anhaben können.“ Die Fee reckte in einer schnippischen Geste die Nase gen Himmel und verschwand wortlos unter der Tunika ihres Begleiters. Als dieser daraufhin in sich hineinlachte, bebte und dröhnte sein gesamter Brustkorb.
    Dessen ungeachtet, schlüpfte Navi geschwind in die Brusttasche von Links weißem Hemd und machte es sich in ihrem engen Versteck so bequem wie möglich. Dank der Goronen-Rüstung war es in der kleinen Höhle eiskalt und die Farbe von Navis Feenglanz wechselte von einem roten Strahlen zu einem bläulichen Glimmen. Bei jedem Schritt, den ihr Begleiter tat, schaukelte das Versteck der Fee hoch und runter, sodass sie sich beinah wie in einer Wiege fühlte. Lächelnd schmiegte sie sich gegen die Brust ihres Schützlings und lauschte dem gleichmäßigen Rhythmus seines Herzschlags.
    Unterdessen bekam der Herr der Zeiten zu spüren, was seine Freundin gemeint hatte, als sie sich Sorgen um den Sandstaub in der Luft gemacht hatte. Bei jedem Luftholen atmete Link feine Sandkörner ein, die sich in seiner Nase und Lunge festsetzten und ein unangenehmes Kratzen verursachten.
    Um sich zumindest ein wenig davor zu schützen, zog der junge Mann seinen Hemdkragen hoch und schnürte ihn über seinem Nasenbein fest zusammen. Aus Richtung seiner Achseln drang ein leichter, aber dennoch beißender Schweißgeruch zu ihm herauf und er hatte sogleich Mitleid mit seiner Fee, die der Quelle des Gestanks so viel näher war. Er konnte nur hoffen, dass sie den Sturm schnell hinter sich lassen würden.


    Als er schließlich am Rand der tosenden Windmauer angelangte, streckte Recke geradezu ehrfürchtig die Hand aus und schob sie in die fast undurchlässig wirkende Wand hinein. Die herumwirbelnden Sandkörner prasselten mit so viel Gewalt auf seine halbnackten Finger, dass es sich anfühlte als würden sie Haut und Fleisch von den Knochen schmirgeln.
    Mit einem mulmigen Gefühl im Magen ließ Link die Hand sinken und holte tief Luft, bevor er sich einen Ruck gab und in den Sturm hineintrat. Der Wind riss an seinen Haaren, zerrte sie mal in die eine, mal in die andere Richtung und schlug sie ihm wie Miniaturpeitschen ins Gesicht. Die feinen Sandkörner wurden mich Macht durch die feinen Maschen seiner Kleidung gedrückt und machten dem Herrn der Zeiten trotz der Stoffbarriere des hochgezogenen Hemdkragens das Atmen schwer. Das Jaulen des Sturms war so laut, dass es dem Mann in den Ohren schmerzte, und der aufgewirbelte Staub ließ seine Augen brennen und tränen.
    Dennoch blinzelte er tapfer gegen den Sand an und hielt nach den Fahnen, die ihm den Weg weisen sollten, Ausschau. Doch wohin er seinen Blick auch lenkte, er sah nur eine verschwommene, gelbbeige Fläche. Trotz der zusammengekniffenen Lider trafen einzelne Sandkörner hart auf seine Hornhaut und verursachten einen stechenden Schmerz in seinen Augäpfeln. Gerade als er in seiner Verzweiflung die Göttinnen um Beistand anflehen wollte, entdeckte er endlich am Horizont ein im Wind flatterndes Tuch.
    Vor Erleichterung, endlich einen Anhaltspunkt zu haben, stürzte der Recke in Richtung des roten Farbkleckses davon. Im weichen Sand versanken seine Füße bis zu den Knöcheln, was ihn mehrfach stolpern und hinfallen ließ. Die Zähne fest aufeinander gebissen rappelte der junge Krieger sich jedes Mal wieder auf und kämpfte sich weiter vorwärts.
    Das Tuch erwies sich als eine alte, ausgefranste Hose, die jemand an einen hohen Mast gebunden hatte. Irritiert warf Link die Stirn in Falten und wunderte sich stumm über diese seltsame Flagge. Dann wandte er sich schnell um und hielt nach der nächsten Fahne Ausschau. Dieses Mal entdeckte er den roten Flecken am Horizont bereits nach wenigen Minuten und eilte geschwind darauf zu.
    Die feinen Sandkörner, die vom Sturm durch die Maschen seiner Kleider gedrückt wurden, kratzten Link im Hals und ließen ihn keuchend husten. Hitze und Anstrengung ließen dem Krieger den Schweiß in breiten Bahnen über den Körper strömen. Seine Beine brannten vor Anstrengung, doch Link dachte nicht im Traum ans Aufgeben.
    Sobald er die nächste Flagge erreicht hatte, suchte er beinah tränenblind den Horizont nach dem nächsten Orientierungspunkt ab. Bei jeder Bewegung seiner Lider kratzten die darunter gefangenen Staubkörner unangenehm über die Hornhaut seiner Augen. Es erschien ihm kaum vorstellbar, je wieder ohne Schmerzen blinzeln zu können.
    Navi rutschte unterdessen nervös in seiner Hemdtasche hin und her. Die Enge ihres Verstecks und die Tatsache, dass sie nicht wusste, wie lange sie noch dort ausharren musste, machten sie zunehmend nervös. Der beißende Schweißgeruch, der sich von Links Achseln ausgehend unter seiner Kleidung ausbreitete, trug ebenfalls nicht zum Wohlbefinden der Fee bei.
    Zu ihrem Leidwesen erwies sich der Sandsturm als wesentlich größer als gedacht. Link stapfte bereits seit Stunden von einer Flagge zur nächsten und fragte sich allmählich, ob er die Orientierung verloren hatte und womöglich zwischen bereits passierten Markierungspunkten hin und her irrte. Seine Kehle war inzwischen staubtrocken und seine Zunge klebte unangenehm am Gaumen. Missmutig warf er einen Blick auf die fast leere Glasflasche in seiner Hand. Wenn er nicht bald eine Oase oder dergleichen fand, würde er jämmerlich verdursten…
    Der Herr der Zeiten sah bereits seine ausgedörrten, im Sand versunkenen Gebeine vor seinem geistigen Auge, als er am Horizont die letzte Flagge entdeckte. Anders als die bisherigen Fahnen, war dieses rote Tuch nicht an einem hölzernen Mast befestigt, sondern hing nahezu unbewegt an der Spitze eines turmartigen Gebäudes. Erleichtert darüber doch nicht im Kreis gelaufen zu sein, hastete Link mit neuem Mut darauf zu.


    Je näher der junge Recke dem Gebäude kam, desto mehr flaute der Wind ab, bis Link den Sturm schließlich ganz hinter sich ließ. Den Kopf wie ein nasser Hund hin und her werfend, schüttelte der Kämpfer den Sand aus seinem Haar und klopfte ihn aus seinen Kleidern, bevor er tief durchatmete und seine Fee wieder hervorholte.
    Diese schoss von der Handfläche ihres Schützlings aus in die Luft und wirbelte aus Freude über die neugewonnene Bewegungsfreiheit umher wie eine schwebende Tänzerin. Im Osten ging allmählich der Mond auf und überzog das rotgoldene Licht der Abendsonne mit einem silbrigen Schleier.
    Während Link versuchte, den Sand aus seinen Augen zu reiben, betrachtete Navi das Gebäude, das in einigen Metern Entfernung vor ihnen in den Himmel ragte. Es schien Jahrhunderte oder gar Jahrtausende alt zu sein und war halb in sich zusammengefallen. An mehreren Stellen waren einige der schwarzgrauen, nur grob behauenen Steine aus den Mauern gebrochen und in den Sand gestürzt, wo sie noch immer lagen wie achtlos ausgestreute Saatkörner.
    Die Arme vor der Brust verschränkt und den Kopf schiefgelegt, dachte Navi, dass das Bauwerk wie der Bergfried einer mächtigen Burg wirkte. Ob der Sand den Rest des Gebäudes unter sich verbarg? Die Fee versuchte, sich auszumalen wie eine solche Wüstenburg zu ihren besten Zeiten ausgesehen und welchem Zweck sie wohl gedient haben mochte.
    Sie war so in Gedanken versunken, dass sie erst mit Verzögerung registrierte, dass ihr Begleiter sich schon wieder in Bewegung gesetzt hatte. So schnell sie konnte, schloss sie zu ihm auf und sagte: „Wüstennächte sind bitterkalt. Wir sollten uns einen Unterschlupf suchen, bevor der Frost kommt.“
    Link nickte und deutete auf den verfallenen Turm vor ihnen. „Ich dachte mir, wir übernachten dort. Vielleicht finden wir im Inneren sogar etwas, mit dem wir ein Feuer machen können.“ Navi nickte mit einem stolz wirkenden Lächeln auf ihren fein geschwungenen Lippen. „Das klingt nach einem guten Plan.“
    Doch als die beiden Abenteurer durch die Fronttür in den Flur Gebäudes traten, wurde Navi auf einmal von einem merkwürdigen Gefühl befallen. Ihre plötzliche Anspannung registrierend, warf der Herr der Zeiten seiner Begleiterin einen alarmierten Seitenblick zu. „Was hast du?“ Eine Hand am Heft des Master-Schwerts ließ der Krieger seine Augen hin und her zucken. Hatte sich dort hinten etwas bewegt? Nein, es war nur der Schatten eines stockfleckigen Vorhangs, der sich in einem Luftzug leicht blähte, gewesen.
    Die Fee pulte nachdenklich an einem losen Hautfetzen an ihrem rechten Daumen, während sie murmelte: „Ich weiß nicht recht. Hier ist irgendetwas, irgendeine Form spiritueller Energie.“ „Du meinst, ein Geist?“ Navi nickte zaghaft, fügte dann aber an: „Ich bin mir nicht sicher. Es könnte auch ein Irrlicht sein.“
    Sofort schoben sich Bilder der vier Irrlicht-Schwestern aus dem Waldtempel vor Links geistiges Auge und der junge Krieger schauderte. Obwohl er schon härtere Kämpfe hinter sich gebracht hatte, gruselten ihn die Erinnerungen an Betty und ihre Schwestern besonders. Vielleicht, so überlegte er, hing dies damit zusammen, dass er während seiner Reise kaum ein Lebewesen getroffen hatte, das so viel pure Boshaftigkeit ausgestrahlt hatte wie diese vier Irrlichter. Als er ihnen in die Augen gesehen hatte, war es wie ein Blick in den Abyssus des Totenreichs gewesen.
    Um sich von diesen düsteren Gedanken abzulenken, fragte er: „Ich dachte, Geister wären gut und Irrlichter böse. Wieso kannst du nicht sagen, mit was wir es hier zu tun haben?“ „So einfach ist das nicht.“ Navi schüttelte den Kopf. „Irrlichter sind zwar mit Dämonen verbandelt, doch sie sind und bleiben freie Wesen. Sie können dir wohl- oder übelgesinnt sein – dasselbe gilt übrigens auch für Geister. Der einzige Unterschied ist, dass Irrlichter einen sterblichen, materiellen Körper besitzen, während Geister nur aus spiritueller Energie bestehen.“
    Link legte den Kopf schief. „Nach unseren Erlebnissen im Waldtempel kann ich mir gute Irrlichter kaum vorstellen.“ Navi nickte und räumte ein: „Ich gebe zu, die meisten Irrlichter, deren Bekanntschaft ich gemacht habe, waren abgrundtief böse…“ Bei diesen Worten verzog die Fee für einen kurzen Moment das Gesicht zu einer Fratze der Trauer.
    Für den Bruchteil einer Sekunde war Link davon irritiert, doch dann fiel ihm wieder ein, dass Navi ihm im Waldtempel erzählt hatte, ihre Familie sei von den Irrlichtschwestern getötet worden. Nur zu gern hätte er seine Freundin getröstet, aber ihm kamen nur abgedroschen klingende Floskeln in den Sinn.
    Nach einigen Sekunden drückenden Schweigens seufzte die geflügelte Frau schwer auf und sprach weiter: „… doch es gibt Geschichten über Irrlichter, die Gutes getan und ein Gewissen besessen haben sollen.“ „Glaubst du daran?“ Die Fee verzog die Lippen zu einem schiefen, bitter wirkenden Lächeln. „Wie du dir vermutlich vorstellen kannst, fällt mir das ein wenig schwer…“
    Beschämt ließ Link den Blick sinken und starrte auf seine Stiefelspitzen. „Ach, was soll’s? Wir halten einfach Beide die Augen offen, dann wird uns schon nichts passieren – egal, ob sich hier ein Geist oder Irrlicht rumtreibt.“ Die aufgesetzte Heiterkeit in der Stimme seiner Begleiterin brach dem Herrn der Zeiten das Herz, doch er nickte und mutmaßte: „Vielleicht haben wir ja Glück und du spürst die Präsens des Geistes, von dem Sharline gesprochen hat – derjenige, der uns durch die Wüste führen kann.“ „Ja, vielleicht.“ Obwohl Navi sich große Mühe gab, ihre Niedergeschlagenheit zu verbergen, brach sie durch die gespielte Fröhlichkeit ihrer Stimme wie Sonnenlicht durch sich langsam auflösende Wolken.
    Durch den kurzen, dunklen Flur gelangten die beiden Abenteurer in das Treppenhaus des Turms. Eine breite Wendeltreppe wand sich in einem weiten Bogen um den Kern des Gebäudes. Ihre in beide Richtungen führenden Stufen wirkten ausgetreten und glatt, so als wären sie von Millionen von Füßen abgeschliffen worden. Während Link seinen Blick nach oben wandern ließ, fragte er sich, was derartige Massen an Menschen mitten in der Wüste hätten suchen sollen.
    Das Dach des Turms war eingebrochen und durch das Loch war der inzwischen hoch am Himmel stehende Mond zu sehen, dessen Licht die feinen, durch die Luft tanzenden Sandpartikel wie Silberpulver schimmern ließ. Obwohl dieser Anblick wunderschön war, wandte der Herr der Zeiten seine Aufmerksamkeit schnell dem unteren Weg zu. Wohin dieser führte, war nicht ersichtlich, dennoch nickte der Kämpfer seiner noch immer bedrückt wirkenden Fee zu und deutete nach unten: „Ich schlage vor, wir schauen uns mal im Keller um. Dort ist es über Nacht vermutlich wärmer als auf dem Dach.“


    Tatsächlich befand sich am Fuß der Treppe eine geräumige Stube. Die dicken Teppiche, die jemand über dem Steinboden ausgebreitet hatte, waren abgetreten und durch jahrhundertealten Staub nahezu gänzlich ergraut. An einer Wand stand ein schmales Bett, dessen Matratze und Laken milbenzerfressen wirkten. Auf der gegenüberliegenden Seite klaffte ein gähnendes Kaminloch, dessen Feuerkuhle schon seit Ewigkeiten erkaltet zu sein schien. Daneben standen ein massiver Schreibtisch und das größte Bücherregal, das Link je gesehen hatte. Doch obwohl das Regal fast die gesamte Wand einnahm, gab es nicht genug Platz für all die Bücher und Pergamentrollen, die hier gelagert wurden. Mehre Stöße Bücher standen über den ganzen Raum verteilt auf dem Boden und der Schreibtisch war mit Papieren übersät.
    Link ging langsam auf den Tisch zu und nahm vorsichtig eine der Pergamentrollen in die Hand. Das uralte, zigmal gegerbte Leder war inzwischen so brüchig, dass der Rand trotz aller Sorgfalt unter Links Fingern zerbröselte, und die Tinte war so ausgeblichen, dass die Buchstaben kaum noch zu erkennen waren. Doch auch bessere Leserlichkeit hätte dem Herrn der Zeiten nicht weitergeholfen. Denn egal wie sehr er sich auch konzentrierte, er konnte kein einziges Wort entziffern. Die Buchstaben sahen zwar ein wenig wie hylianische Schriftzeichen aus, wirkten jedoch gleichzeitig auch vollkommen fremd.
    „Hey, Navi!“ Der junge Kämpfer warf seiner Freundin einen Blick über die Schulter hinweg zu. „Sieh dir das hier mal an. Kannst du das lesen?“ Von natürlicher Neugierde getrieben, eilte die Fee, die bislang in der Mitte des Raums verharrt und die Stube mit ihrem hellen Glanz erleuchtet hatte, herbei und betrachtete nachdenklich die Pergamentrolle.
    „Das ist Alt-Hylianisch! Diese Schriften müssen Jahrhunderte alt sein!“ „Heißt das, du kannst es lesen?“ Die geflügelte Frau nickte bedächtig. „Es ist eine ganze Weile her, seit ich die altertümlichen Sprachen studiert habe, aber ich denke, ich werde es entziffern können. Gib mir ein wenig Zeit.“
    Link nickte und legte das Pergament ausgebreitet auf dem Schreibtisch ab. Dann wandte er sich um und verkündete: „Ich mach uns derweil ein Feuer – es wird allmählich ganz schön kühl.“ Navi, die sich bereits voll und ganz auf die alten Dokumente konzentrierte, brummte etwas Unverständliches, was ihren Schützling in sich hinein grinsen ließ. Navi war trotz ihres aufbrausenden Temperaments die geborene Gelehrte. Wann immer es etwas zu erforschen gab, war sie sofort Feuer und Flamme und blendete alles andere gänzlich aus – sogar die eigene Trauer.
    Mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen blickte der Herr der Zeiten sich auf der Suche nach Brennmaterial in der Kammer um. Theoretisch hätte er einige der alten Bücher verheizen können, doch das hätte Navi niemals zugelassen. Also entschied er sich dafür, lieber das Bett auseinanderzunehmen. So gammelig wie die Laken aussahen, wollte er darin sowieso nicht schlafen.
    Also durchquerte er mit wenigen Schritten den Raum und riss mit einer kraftvollen Bewegung das Oberbett herunter. Das klappernde Geräusch, das dabei erklang, ließ den Recken ein wenig zusammenzucken. Selbst Navi blickte kurz von ihren Schriften auf und fragte: „Was war das?“ „Keine Ahnung.“ Das Herz schlug dem jungen Mann bis zum Hals, als er neben dem Stoffbündel in die Hocke ging und die Decke langsam zur Seite zog.
    „Heiliger Deku!“ Link verlor bei seinem Versuch zurückzuweichen das Gleichgewicht und landete mit einem Keuchen auf seinem Hintern. Zwischen den stockfleckigen Tüchern hatte sich ein offensichtlich menschliches Skelett verfangen, dessen Totenschädel den Herrn der Zeiten fratzenhaft anzugrinsen schien. Während Link die Gebeine mit schockgeweiteten Augen anstarrte, kommentierte seine Fee trocken: „Gut, dass du sowieso nicht in dem Bett schlafen wolltest.“
    Ein wenig benommen nickend, kam der junge Mann wieder auf die Füße und stopfte die Laken und Knochen mit mechanischen Bewegungen in den Kamin, bevor er sich daran machte, das Holzgestell des Bettes mit dem Goronenhammer zu zerkleinern. Dann schnappte der junge Recke sich die zwei kleinen Feuersteine, die auf dem Kaminsims lagen. Nur Minuten später schlugen die ersten Flammen hoch und verschlangen von einem gemütlichen Knistern begleitet das trockene Holz.


    Eine Zeit lang saß der Herr der Zeiten stumm vor dem Kamin und starrte gedankenversunken ins Feuer, das den Raum mit einem rötlichen Schein erfüllte. Dann sah er plötzlich hoch und sagte: „Ich frage mich, wer er wohl gewesen sein mag.“ „Wer?“ Navi klang als würde sie ihrem Schützling nur halb zuhören. Link deutete auf die prasselnden Flammen. „Der Tote.“
    Die Fee zuckte ein wenig gelangweilt mit den Schultern. „Ich nehme mal an, sie war die letzte Torwächterin.“ Link rutschte herum, sodass er seine Freundin ansehen konnte, ohne sich dabei den Hals zu verrenken, und blickte sie interessiert an. „Die was?“ Ohne erneut aufzuschauen, erklärte Navi: „Die Göttin des Sandes, die wie du weißt auch den Namen Geistertempel trägt, wurde bis vor wenigen Jahrhunderten noch aktiv als religiöse Stätte genutzt. Reiche Gerudo und sogar betuchte Hylianer haben regelmäßig Karawanen mit Opfergaben durch die Wüste zum Tempel geschickt. Die meisten der Pergamentrollen scheinen Aufzeichnungen über die verschickten Waren zu sein. Du musst wissen, dass nur wenige Auserwählte den genauen Weg zum heiligen Tempel kennen durften.“
    Die Fee befeuchtete ihre Lippen mit der Zunge und fuhr fort: „Das übliche Procedere scheint folgendes gewesen zu sein: Die Karawanen zogen bis zu diesem Turm, der damals den Namen ‚Tor zur Wüste‘ trug. Hier wurden sie von den Torwächterinnen, eine Art niederer Priesterinnen, in Empfang genommen. Diese haben dann die Lasttiere zum Tempel gebracht, während die Karawanenführer hier warten mussten.“
    Link zog nachdenklich die Unterlippe zwischen die Zähne. „Ich frage mich, warum der Tempel heute nicht mehr genutzt wird. Sind die Menschen irgendwann vom Glauben abgefallen?“ Er dachte an die grausame Härte, mit der Ganondorf bewiesen hatte, dass alle Legenden und Mythen über die Göttinnen und das Triforce wahr sein mussten.
    „Ich glaube nicht, dass das der Grund ist.“ Navi hielt einen Bogen Pergament hoch, der eng mit fremdartigen Schriftzeichen beschrieben war. Als Link die Augen zusammenkniff und sich konzentrierte, um eventuell ein paar Worte entziffern zu können, lachte seine Fee: „Versuch’s gar nicht erst. Das hier ist – wie der Großteil dieser Aufzeichnungen – in der altertümlichem Schrift der Gerudo verfasst.“
    Seufzend lehnte der Herr der Zeiten sich wieder zurück und fragte sich, warum nicht alle Völker Hyrules dieselbe Sprache sprechen konnten. Durch die auf exzessivem Handel basierende weite Verbreitung des Hylianischen vergaß Link immer wieder, dass seine Muttersprache für die anderen Völker eine Fremdsprache war.
    Die Stirn in Falten werfend, rätselte er, warum die Kokiri Hylianisch sprachen, obwohl sie durch den Fluch, der auf den Kokiri-Wäldern lag, von jeglichem Handel abgeschnitten waren. Was, wenn sie die Sprache extra für ihn gelernt und gesprochen hatten? Der Deku-Baum hatte immer gewusst, welches Schicksal Link aufgebürdet worden war und dass er früher oder später auf die hylianische Sprache angewiesen gewesen wäre. Konnte das sein? Hatten sämtliche Kokiri ihre Alltagssprache geändert, bloß um ihn auf seine Aufgabe vorzubereiten?
    Kein Wunder, dass er wie eine Bürde auf sie gewirkt hatte. Die Gedanken in seinem Kopf überschlugen sich plötzlich. Hatte er endlich den Schlüssel für das Rätsel hinter der Ablehnung, die er in seiner Kindheit permanent erfahren hatte, gefunden? Hatten einige der Kokiri ihn gemieden, weil ihnen die hylianische Sprache schwer gefallen war und sie Angst hatten durch ein Kokiri-Wort den Plan des Deku-Baums zu verraten?
    Links Herz trommelte wild und schnell in seiner Brust, doch er zwang sich dazu, sich wieder zu beruhigen. Nun war nicht die Zeit, über derartiges nachzudenken. Außerdem konnte er momentan nichts anderes tun als zu spekulieren. Doch er nahm sich fest vor, nach Abschluss seiner Mission einen Kokiri über den Wahrheitsgehalt seiner Theorie zu befragen.
    Um sich wieder ins Hier und Jetzt zurückzuholen, fragte der junge Krieger: „Was steht denn in dem Dokument?“ „Allem Anschein nach hängt der Untergang des Geistertempels als religiöse Stätte mit den letzten beiden Priesterinnen zusammen.“ Navis Stimme klang als wäre die Fee gedanklich weit weg.
    „Hier steht, dass die Beiden immer häufiger Opfergaben abgelehnt und sich am für die Göttinnen bestimmten Gold selbst bereichert haben. Außerdem galten sie als gerissen und skrupellos. Sie haben es sogar geschafft, einen der früheren Gerudo-Könige dazu zu bewegen, dass er ihnen die Pflege der nächsten Regenten übertrug. Damit stiegen sie de facto zu den mächtigsten Frauen im Land auf – vielleicht sogar zu den mächtigsten Gerudo überhaupt, immerhin konnten sie die künftigen Könige nach ihren Vorstellungen formen und beeinflussen.“
    Die Fee strich sich eine ihrer langen Strähnen hinters Ohr und zog ein besorgtes Gesicht. „Hier steht noch etwas, das mir Bauchschmerzen macht.“ „Was denn?“ Link beugte seinen Oberkörper nach vor und sah seine Begleiterin gespannt an. „Den Beiden wurden schon vor ihrem Amtsantritt magische Fähigkeiten nachgesagt. Offenbar gab es bei ihrer Wahl einige Unstimmigkeiten und es wurden Vorwürfe laut, sie hätten sich mit Hilfe von Gehirnwäsche Stimmen erschlichen.“
    „Gehirnwäsche? Erinnerst du dich an das, was Miccahia uns erzählt hat?“ Unter Links Haut zuckten elektrische Impulse und jede Muskelfaser seines Körpers spannte sich an. Navi schüttelte jedoch den Kopf und machte ein ratloses Gesicht. Sich auf die Füße schwingend, erinnerte der Herr der Zeiten seine Begleiterin: „Ganondorf soll von zwei Hexen, angeblichen Meisterinnen der Gehirnwäsche, aufgezogen worden sein. Meinst du, das sind dieselben Priesterinnen, die schon in diesen alten Schriften erwähnt werden?“ Bei dem Gedanken an die dunklen Mächte, die einem Menschen ein derart langes Leben bescheren mochten, lief es dem Recken eiskalt den Rücken runter.
    Die geflügelte Frau kaute nachdenklich auf einem Daumennagel und murmelte: „Möglicherweise, ja. Der Sandsturm spräche zumindest dafür.“ Als Link sie daraufhin irritiert anblinzelte, grinste die Fee und erklärte: „Hier steht, dass der Sturm kurz nach Amtsantritt der Twinrova zum ersten Mal auftrat. Der Autor dieses Dokuments wirft ihnen vor, den Sturm mit Hilfe dunkler Magie beschworen zu haben.“ „Twinrova?“ „Das ist der offizielle Titel der Zwillingspriesterinnen, den sie sich selbst gegeben haben.“
    „Ah!“ Link nickte verstehend, dann verfielen die beiden Abenteurer erneut in Schweigen, weil keiner der Beiden wusste, was er dazu noch sagen sollte. Navi widmete sich wieder den Schriftstücken, während ihr Schützling neues Holz ins Feuer warf und den Tanz der Flammen beobachtete.
    Sein Geist war in Aufruhr. Konnten die Zwillingspriesterinnen aus den Aufzeichnungen tatsächlich dieselben Hexen sein, die Ganondorf großgezogen hatten? Und wenn ja, welche Bedeutung hatte das für ihn als Herrn der Zeiten? War es für ihn überhaupt von Relevanz oder konnte es ihm völlig egal sein?
    Erst als ihm die Augen immer wieder zufielen, rollte der junge Kämpfer sich vor dem Kamin zusammen, um sich eine Mütze Schlaf zu gönnen. Der Staub, der den Boden bedeckte, kitzelte in seiner Nase, doch Link war so ausgelaugt, dass er trotzdem innerhalb weniger Minuten einschlief.


    „Link! Hey! Wach auf!“ Navis Stimme war ganz nah an seinem Ohr und klang ängstlich. Innerhalb weniger Sekunden durchbrach das Bewusstsein des Herrn der Zeiten die Schlafbarriere und er schlug die Augen auf. Während des kurzen Orientierungsmoment wunderte sich ein Teil von ihm darüber, dass Aufwachen sich für ihn jedes Mal wie das Zerschlagen einer Eisdecke anfühlte, so als würde sein Geist aus den Tiefen eines zugefrorenen Sees auftauchen.
    Das Feuer im Kamin war heruntergebrannt und das Holz zu einem Haufen rotglimmender Glut zusammengefallen – er musste also mehrere Stunden geschlafen haben. Sich gerade aufsetzend, suchte er den schummrig erleuchteten Raum nach seiner Fee ab. Diese stand neben ihm auf dem Boden und hatte ihren Glanz zu einem schwachen Schimmern gedimmt.
    „Was ist los, Navi?“ Obwohl er keine Gefahr ausmachen konnte, hielt ihn die Haltung seiner Fee dazu an, zu flüstern. „Hier ist etwas.“ Erneut ließ der Herr der Zeiten seinen Blick durch die Kammer schweifen, aber auch dieses Mal konnte er nichts Verdächtiges entdecken. Die Augenbrauen verwundert zusammenziehend, fragte er sich, ob seine Begleiterin Gespenster sah und sich die Bedrohung nur einbildete.
    Gespenster! Natürlich!
    So schnell wie möglich holte der junge Mann das Auge der Wahrheit hervor und hielt es sich vors Gesicht. Zunächst wirkte alles unverändert, doch dann zuckte ein weißlicher Blitz durch Links Sichtfeld und über dem Schreibtisch schälte sich eine schemenhafte Gestalt aus der Dunkelheit.
    Je länger der Kämpfer zu dem Wesen herübersah, desto deutlicher nahm es die Züge einer alten, ausgemergelten Frau an. Obwohl die beiden Geister sich nicht einmal im Ansatz ähnelten, musste Link unwillkürlich an Boris denken und seine Nackenhaare stellten sich auf, als er sich an den eiskalten Hauch des Todes, der ihn bei der Berührung des ehemaligen Totengräbers befallen hatte, erinnerte.
    Ein Schaudern unterdrückend, räusperte Link sich und fragte so ruhig wie möglich: „Ihr seid die letzte Torwächterin, nicht wahr?“ Der Geist nickte. Anscheinend war er kein bisschen überrascht davon, gesehen zu werden. „Die bin ich. Mit wem habe ich die Ehre?“ Die Stimme des Gespenstes war ein schauriges Grabesflüstern, das wie eine raue, tiefere Version des Geräusches von Nägeln auf Schiefertafeln klang.
    Link rappelte sich schnell auf und klopfte sich notdürftig den Staub aus den Kleidern. Navi klammerte sich an seinem Knöchel fest und ließ ihren Blick durch den Raum zucken. Dass sie den Geist nicht sehen konnte, machte sie offenbar nervös.
    „Mein Name ist Link. Ich bin der Herr der Zeiten.“ Irgendwie fühlte es sich für den jungen Mann noch immer seltsam an, diese Tatsache laut auszusprechen. Der Geist nickte wieder als hätte er dies bereits gewusst. „Was willst du hier?“ Der ablehnende Ton der Torwächterin ließ Links Herz in dessen Hose rutschen. Er hatte keinerlei Vorstellung davon, wie gefährlich ein Geist werden konnte, wenn er Übles wollte, oder wie man etwas, das keinen materiellen Körper besaß, bekämpfen sollte.
    Hart schluckend nahm er all seinen Mut zusammen: „Ich bin hier, um Euch in aller Demut darum zu bitten, mir den Weg zur Göttin des Sandes zu zeigen.“ Link hasste es, wie kriecherisch er klang. Doch es erschien ihm klüger, den Geist mit Ehrfurcht zu behandeln anstatt ihm fordernd entgegenzutreten. Dieser verschränkte die Arme vor der Brust und blaffte: „Weshalb sollte ich das tun?“
    Navi machte ein schnaubendes Geräusch, das davon zeugte, dass sie den Geist offenbar hören konnte und nah dran war, ihm die Leviten zu lesen. Mit einem strengen Blick brachte der Herr der Zeiten sie zum Schweigen und erklärte: „Hyrule ist in keiner guten Verfassung. Es ist Ganondorf gelungen, das Triforce-Fragment der Kraft an sich zu reißen. Er hat das Land mit Terror und Verderben überzogen.“
    Link machte einen Schritt auf den Geist zu, um seine Entschlossenheit zu unterstreichen. „Ganondorf muss aufgehalten werden – um jeden Preis! Sonst ist unser aller Heimat dem Untergang geweiht. Ganondorf wird sie in ein Freudenhaus für Dämonen verwandeln. Schon jetzt streifen Skelette und Zombies durch die Überreste dessen, was einmal Hyrule-Stadt, eine blühende Metropole des Lebens, war.“
    Der Herr der Zeiten fixierte die Augen seines Gegenübers. „Es ist meine Schuld, dass es so weit kommen konnte. Ich habe Ganondorf den Zugang zum Heiligen Reich geöffnet. Nicht zuletzt deswegen ist es meine Pflicht, diesem Irren Einhalt zu gebieten. Doch dafür brauche ich die Hilfe der sieben Weisen – und aus diesem Grund muss ich zum Geistertempel.“
    Die Geisterfrau wiegte grübelnd den Kopf hin und her und maß Link mit einem durchdringenden Blick. Doch anstatt die Augen niederzuschlagen, machte der junge Mann einen weiteren Schritt auf sie zu. „Bitte! Ich brauche Eure Hilfe, um meinen Fehler von damals wieder gutmachen zu können. Bitte, zeigt mir den Weg zum Geistertempel. Ich flehe Euch an! Wenn Ihr es nicht für mich tun wollt, dann tut es für Hyrule!“
    Für einen langen Moment, während dem Navi nervös auf einer Haarsträhne kaute, starrten Geist und Lebender sich an. Dann nickte die Torwächterin endlich und verkündete: „Also gut, Herr der Zeiten, ich zeige dir den Weg zur Göttin. Aber nur unter einer Bedingung!“ Ohne zu zögern stimmte Link zu: „Was immer Ihr wünschst – sofern es in meiner Macht liegt.“ Ein düsteres Grinsen huschte über die transparenten Lippen des Geists, als er forderte: „Vernichte die Twinrova! Übe Rache für mich und alle, die unter den alten Hexen leiden mussten, und hilf meinen Nachfahren, den guten Namen der Gerudo wieder reinzuwaschen!“ Dann wandte die Torwächterin sich um und verließ den Raum, ohne Links Antwort abzuwarten.


    So schnell er konnte, schnappte sich der Herr der Zeiten seinen Schild und sein Schwert, die er gegen die Wand gelehnt hatte, bevor er es sich vorm Kamin gemütlich gemacht hatte, und hastete die Treppe nach oben. Die Geisterfrau schnaubte abfällig und tadelte: „Du musst dich ein bisschen mehr beeilen. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit, die Nacht ist bald vorbei.“ Mit diesen Worten setzte die Torwächterin sich wieder in Bewegung.
    Navi, die sich auf Links Schulter niederließ, murmelte etwas, das verdächtig wie „unhöfliche Ziege“ klang, doch ihr Schützling beachtete sie kaum. Stattdessen hastete er hinter dem Geist her und fragte ein wenig atemlos: „Spielt die Tageszeit denn eine Rolle?“ Die Torwächterin warf ihm einen genervten Seitenblick zu, erklärte jedoch: „Geister sind Geschöpfe der Nacht. Beim ersten Tageslicht müssen wir zurück ins Totenreich.“
    Eine Weile stapfte Link schweigend neben dem Gespenst durch die Wüste. Sein Atem hinterließ kleine, weiße Wölkchen in der klirrendkalten Luft und er rieb sich in der Hoffnung, sich ein wenig wärmen zu können, verstohlen über die Oberarme. Um sich von der eisigen Kälte abzulenken, fragte er nach einer guten halben Stunde: „Sagt, wie fühlt es sich an? Tot zu sein, meine ich.“
    Die Torwärterin zog ein pikiertes Gesicht und schnappte: „Du bist nicht besonders taktvoll!“ Navi machte ein grunzendes Geräusch, das wie unterdrücktes Lachen klang, doch der Herr der Zeiten ließ sich nicht beirren. „Mag sein, dass meine Frage taktlos war. Dann entschuldigt bitte. Ich bin manchmal neugieriger als es mit den Geboten der Höflichkeit vereinbar ist.“ Er sah die Geisterfrau mit großen, leuchtenden Augen an, doch obwohl dieser Blick ganze Gletscher hätte schmelzen können, erweichte er das tote Herz der Torwächterin nicht. Diese zeigte ihm die kalte Schulter und eilte noch ein wenig schneller durch die Wüste.
    Enttäuscht aufseufzend hastete Link ihr so schnell wie es ihm bei dem weichen Untergrund möglich war hinterher. Navi kicherte in sich herein und neckte ihren Schützling: „So, mein Lieber, fühlt es sich an, einen Korb zu bekommen.“ „Ach, halt die Klappe!“ Trotz der schroffen Worte verzog der Herr der Zeiten seine Lippen zu einem breiten Grinsen.
    Der Mond schob sich immer mehr in Richtung des westlichen Gebirgsausläufers, während die kleine Gruppe schweigend durch die Wüste wanderte. Ab und zu heulten in der Ferne Kojoten, doch ansonsten war die Nacht beeindruckend still. Bei der vollkommenen Ruhe konnte man beinahe den Eindruck gewinnen, die Zeit wäre stehen geblieben.
    Doch der blasse Schimmer, der sich am östlichen Horizont ausbreitete, verriet, dass allmählich der nächste Morgen anbrach. Schon bald würde die Sonne ihren Scheitel über den Erdenrand schieben.
    Plötzlich blieb die Torwächterin unvermittelt stehen und deutete in Richtung Norden. „Die Nacht ist um. Ich muss dich nun verlassen, Herr der Zeiten.“ Als sie seinen erschrockenen Blick sah, schien der Schatten eines Lächelns um ihre Mundwinkel zu spielen. „Hab keine Angst. Ich setze dich nicht mitten in der Wüste aus – jedenfalls nicht, ohne dir den rechten Weg zu weisen. Gehe von hier aus immer in Richtung Norden, dann gelangst du an einen schmalen Gebirgspass. Dahinter findest du die Göttin des Sandes.“
    Link setzte zu einer Antwort an, doch noch bevor eine Silbe des Danks seine Lippen verlassen hatte, hatte die Geisterfrau sich bereits aufgelöst. Mit den Schultern zuckend warf der junge Krieger seiner Fee, die eine wegwerfende Handbewegung machte, einen kurzen Seitenblick zu, dann setzte er sich wieder in Bewegung.
    Der Weg war noch länger als der Kämpfer gedacht hatte und mit der langsam steigenden Sonne breitete sich allmählich eine ähnliche Hitze wie am Vortag aus. Mit nur wenigen Schlucken war der Rest seines Getränkevorrats ausgetrunken, was Link wieder daran erinnerte, dass er dringend eine Oase finden musste.
    Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten die beiden Abenteurer schließlich den Gebirgspass und atmeten fast gleichzeitig auf. „Na endlich! Ich hab schon gedacht, wir kämen nie an!“ Vor Freude hätte Link am liebsten seine Mütze in die Luft geworfen. Navi hielt ihn jedoch zur Eile an: „Komm schon! Ich will die Göttin sehen! Wir sind zu nah dran, um eine Rast zu machen.“
    So schnell ihn seine müden Beine trugen, durchquerte der Herr der Zeiten den Pass und staunte an dessen Ende nicht schlecht. Auch Navi sog scharf Luft ein und flüsterte leise: „Unglaublich! Wie unbeschreiblich wunderschön…“
    Vor ihnen erstreckte sich ein kreisförmiges Tal, das mit hochaufragenden Palmen mit weitausladenden, saftig grünen Kronen gespickt war. Im Westen glitzerte die silbrige Oberfläche einer lebenspendenden Oase, die sogar von verschiedenen Blumen gesäumt war. Mit seinen kräftigen, perfekt aufeinander abgestimmt erscheinenden Farben wirkte das vor ihnen liegende Areal wie von der Hand eines geschickten Künstlers auf eine Leinwand gemalt.
    Die Schönheit des Tals verblasste jedoch angesichts der gigantischen Frauenstatue, die direkt aus dem Stein des nördlichen Gebirgsausläufers gehauen worden war. Sie war mehrere hundert Meter hoch und zeigte eine Detailverliebtheit, die jeden Betrachter unwillkürlich staunen ließ.
    Die Göttin des Sandes! Sie hatten es tatsächlich geschafft. Sie waren endlich angekommen.

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    Avatar-Artwork von mokke; Signatur-Artwork von Kamui Fujiwara (official artwork)

  • Kein Weiterkommen


    Die Morgensonne breitete ihre Strahlen wie ein mit Silber- und Goldfäden durchwirktes Tuch über dem Tal aus, während Link und Navi langsam auf die Oase zusteuerten und sich aufmerksam umschauten. „Ich hätte nicht gedacht, dass es mitten in der Wüste so schöne Orte geben könnte.“ Der junge Krieger betrachtete versonnen einen mit Mineralen durchsetzten Stein, der im Sonnenlicht funkelte wie ein zu Boden gestürzter Stern.
    Seine Fee schnupperte an einer großen, weißen Blüte eines knollenförmigen Kaktusses und murmelte: „Die Gespenster-Wüste ist eine furchtbar unwirtliche Gegend, das stimmt.“ Sie lächelte zu ihrem Schützling herüber und dachte an den vergangenen Tag zurück. Link hatte sich trotz aller Schwierigkeiten wunderbar geschlagen. Von ihrem Herzen ausgehend breitete sich das warme Gefühl mütterlichen Stolzes aus und drückte von innen gegen ihre Rippen, so wie ein sich mit Luft fühlender Ballon.
    Um sich von ihrer plötzlich aufkommenden Rührung abzulenken, sprach sie weiter: „Doch die Schönheit, die unter derartigen Bedingungen überlebt, ist etwas ganz Besonderes – was sie nur noch bewundernswerter macht. Es ist in gewisser Weise wie mit Diamanten. Kohle ist schwarz und langweilig, aber der immense Druck der vielen Erdschichten macht aus ihr einen der kostbarsten Edelsteine.“
    Der Herr der Zeiten zog eine Augenbraue in die Höhe und wunderte sich über das alchemistische Wissen seiner Begleiterin. War dem tatsächlich so? Konnte man mit genügend Druck ordinäre Kohle in Diamanten verwandeln? Der junge Kämpfer hatte sich nie für derlei Themen interessiert und Alchemisten waren in seinen Augen allesamt arme Irre, die Kindermärchen für bare Münze nahmen und in dem Versuch, Exkremente in Gold zu verwandeln, allerhand obskure Experimente veranstalteten, bei denen sie nicht selten ihr Labor oder gar das ganze Haus in die Luft jagten.
    Zudem erschien es ihm ziemlich unwahrscheinlich, dass derlei Wissen und Armut gleichzeitig existieren könnten. Hätte nicht jeder aus seiner Brennkohle Diamanten gemacht, wenn man dazu nicht mehr als ein wenig Druck brauchte? Andererseits war Navi sehr belesen und irrte sich in solchen Dingen eher selten.
    Seine Grübeleien beiseite schiebend, neckte der Recke seine Freundin: „Bist du unter die Philosophen gegangen oder hast du letzte Nacht einfach zu wenig Schlaf bekommen?“ Als die Fee ihn daraufhin verständnislos anstarrte, hoben sich seine Mundwinkel zu einem amüsierten Grinsen: „Na, es muss doch einen Grund geben, dass du heute so viel Blödsinn redest…“
    „Oh, du…!“ Navi warf ihm einen funkensprühenden, giftigen Blick zu. Doch bevor sie ihrem Schützling die Leviten lesen konnte, erwachte plötzlich der Kaktus zum Leben. Unterarmlange, dicke Stacheln schossen aus seinem fleischigen Leib hervor und spießten die erschrocken aufkreischende Fee beinahe auf. Vor den schockgeweiteten Augen der beiden Abenteurer begann die Pflanze, sich um die eigene Achse zu drehen, so als wäre sie nicht durch Wurzeln im Erdreich verankert.
    Der Herr der Zeiten handelte instinktiv. Noch bevor sein Bewusstsein verarbeitet hatte, was soeben passiert war, schnappte er sich seine Fee, machte auf dem Absatz kehrt und rannte wie von der Tarantel gestochen in Richtung Oase davon. Der feine Sand unter seinen Sohlen machte ihm das Rennen schwer, doch das Adrenalin in seinen Adern trieb ihn zu Höchstleistungen an.
    „Oh nein! Link, beeil dich!“ Navi, die ihren Kopf zwischen den Fingern ihres Schützlings geschoben und einen Blick zurück geworfen hatte, erbleichte auf einmal und verzog das Gesicht zu einer Maske der Angst. Der Kaktus, dessen bedrohlich spitz wirkende Stacheln die Luft durchschnitten wie die schmalen Lederriemen einer neunschwänzigen Katze, löste sich aus dem Boden und trudelte in einem beeindruckenden Tempo hinter dem jungen Mann her.
    Als wäre dies noch nicht genug, schossen wie auf ein geheimes Zeichen hin überall weitere Kakteen, die wie ausgehungerte Raubtiere auf Link zustürzten, aus dem Boden. Der flüchtende Krieger riss sein Schwert aus der Scheide und schlitzte einen Angreifer der Länge nach auf, doch es dauerte nicht lange, bis dieser durch einen Artgenossen ersetzt wurde.
    „Ich hab meine Meinung geändert!“ Link wurde von den merkwürdigen Pflanzen von seinem Kurs abgedrängt und rannte in der Hoffnung, seine Verfolger abschütteln zu können, Haken schlagend durchs Tal. „Es ist alles andere als schön hier!“ Navi nickte zustimmend, als ihre Feensinne plötzlich anschlugen. Aufgeregt packte sie den Daumen ihres Schützlings und rief: „Link! Hier in der Nähe ist eine große Fee! Wenn wir ihren Brunnen finden, bist du bestimmt erst mal in Sicherheit.“ Neuer Mut machte sich in dem müden Kämpfer breit und er mobilisierte seine letzten Kraftreserven.
    Von den Anweisungen seiner Fee geleitet, hastete Link durchs Tal. Die Zahl der Kakteen wuchs stetig an, bis eine ganze Armee stachliger Verfolger hinter dem jungen Mann her war. Zu allem Überfluss flaute die Vorfreude auf einen Ausweg, die ihn zunächst beflügelt hatte, allmählich ab und bleierne Erschöpfung machte seine Beine schwer. Er stolperte immer wieder über die eigenen Füße, konnte den Sturz jedoch zum Glück jedes Mal abfangen. Doch wenn nicht bald etwas passierte, würde er über kurz oder lang fallen und als Hackfleisch enden.
    Als er die Hoffnung schon fast aufgegeben hatte, deutete Navi auf einen Felsspalt und rief: „Da! Da hinten!“ Mit letzter Kraft setzte der Herr der Zeiten zum Endspurt an und hastete auf die Höhle zu. Doch nur wenige Meter vor der Sicherheit verheißenden Zuflucht, passierte es.
    Links Fuß verfing sich in einer vom Sand versteckten Palmenwurzel und er schlug hart auf dem Boden auf. Es dauerte lediglich Sekunden, bis die ersten Angreifer zur Stelle waren. Navi kreischte panisch auf und bewarf die Kakteen mit kleinen Steinchen, jedoch ohne Erfolg.
    Wild um sich schlagend versuchte der gestürzte Recke, sich zu verteidigen. Grünes Chlorophyll und eine wasserähnliche Substanz spritzten aus den tiefen Schnitten und tränkten den verklumpenden Sand. Schweiß rann in breiten Bahnen über Links Stirn und brannte in seinen gereizten Augen.
    Um ihn herum lagen bereits mehrere Dutzend toter Kreaturen, als ein Kaktus ein Loch in seiner Deckung ausnutzte und angriff. Seine langen Stacheln schlugen hart auf Links Oberschenkel und schlitzten den Muskel bis hinunter zum Knochen auf. Der gellende Schrei des Herrn der Zeiten brach sich an den Felswänden der Gebirgsausläufer rundum und brachte das ganze Tal zum Beben.
    Obwohl er sich am liebsten vor Schmerz gekrümmt hätte, riss Link sein Schwert hoch und streckte die nächste Welle Angreifer nieder. Scharlachrotes Blut quoll aus dem Schnitt an seinem Bein und bildete eine erschreckend große Lache am Boden, während Navi hilflos über der Wunde in der Luft schwebte und wider besseren Wissens versuchte, die auseinanderklaffenden Hautlappen mit ihren winzigen Händen zusammenzuhalten.
    „Ich will hier nicht sterben… nicht so kurz vor der Erfüllung meiner Mission…“ Links Sicht wurde an den Rändern allmählich unscharf und er hatte das Gefühl, von einer nachtschwarzen Dunkelheit in die Tiefe gezogen zu werden. Dennoch bemühte er sich verzweifelt darum, wieder auf die Füße zu kommen, bis sich ein weiterer Kaktus in seinem toten Winkel näherte.
    Als Link die scharfen Stacheln bemerkte, war es bereits zu spät. Nur noch wenige Zentimeter trennten die bedrohlichen Spitzen von seiner Brust und seinem Herzen. Plötzlich war es als liefe die Zeit langsamer, so wie kalter Honig, der zäh an einem Stab hinunterrinnt.
    „Neeeeeeeeiiiiiiin!“ Navis schriller Schrei klingelte in den Ohren des Kämpfers, doch das nahm er nur noch am Rande wahr. Müde und resigniert ließ der geschlagene Herr der Zeiten sein Schwert sinken, schloss die Augen und wartete ergeben auf den alles beendenden Stich, den letzten Schmerz und die ewigwährende Dunkelheit.
    Zu seiner Überraschung jedoch erklang ein lautes, metallisch klingendes Quietschen und kurz darauf ein überraschtes Keuchen Navis. Link blinzelte vorsichtig unter halbgeöffneten Lidern hervor, nur um die Augen im nächsten Moment irritiert aufzureißen. Um ihn herum hatte sich die Luft bläulich verfärbt und waberte umher wie von der prallen Mittagssonne aufgeheizt.
    Seine Fee blickte sich verwundert um und flüsterte: „Was ist das?“ Bevor Link etwas antworten konnte, erklang hinter ihm eine vertraut klingende Stimme: „Hierher, Herr der Zeiten. Schnell! Die Wirkung des Zaubers hält nicht ewig an.“ Überrascht rissen die beiden Abenteurer ihre Köpfe herum und entdeckten im Inneren der Höhle die gesuchte Feenkönigin, die über ihrem Brunnen schwebte und sie zu sich heranwinkte.

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  • Die Zähne zusammenbeißend, rappelte Link sich von einem tief aus der Brust kommenden Stöhnen begleitet auf und schleppte sich humpelnd auf den Felsspalt zu. Die Kakteen drängten ihm hinterher, doch ihre Stacheln konnten die merkwürdige Lichtbarriere nicht durchdringen. Stattdessen rutschten sie an der schemenhaften Wand ab und brachen mit einem lauten Krachen.
    Kaum dass sich die beiden Abenteurer durch den engen Durchgang gezwängt hatten, hob die große Fee ihren Arm und die Felsen zogen sich augenblicklich zusammen. Link, dessen Gesicht vor Schmerz und Blutverlust bereits leichenblass war, schwankte wie ein Betrunkener. Navi lehnte sich abstützend gegen seine Stirn, obwohl sie genau wusste, dass ihr Schützling viel zu schwer für sie war und sie ihn niemals würde halten können. Doch untätig daneben zu stehen, brach ihr das Herz.
    „Kommt her, Herr der Zeiten. Ich werde Eure Verletzungen heilen.“ Die Feenkönigin lächelte dem Verwundeten zu und machte eine auffordernde Geste. „Du schaffst das, Link.“ Navi nickte ihrem Begleiter aufmunternd zu, während sie das Gefühl hatte, der Anblick seiner geschundenen Gestalt bohre Eislanzen in ihren Magen.
    Wankend wie ein Seemann beim Landgang humpelte der Recke auf den weißen Marmorbrunnen, der von grünbrennenden Fackeln gesäumt wurde, zu. Als er auf den niedrigen Stufen zusammenbrach, stieß Navi einen leisen Schluchzer aus. Sie wusste, dass die Feenkönigin ihren Schützling heilen würde, doch das Bewusstsein darüber, wie knapp es dieses Mal gewesen war, machte sie fertig. Es war lediglich Glück, dass Link dem Sensenmann wieder einmal entkommen war.
    Dunkles Blut tropfte von seinem Bein auf den Marmor und befleckte das golden eingeprägte Triforce-Emblem. Die Feenkönigin streckte die Arme nach dem Krieger aus, legte ihre Hände auf seine Schultern und sagte in mildem Tonfall: „Ihr habt es geschafft, Herr der Zeiten. Nun haltet still. Es wird euch sogleich besser gehen.“
    Sofort breitete sich eine wohlige Wärme in Links Körper aus und er fühlte sich so leicht wie eine Feder. Am liebsten hätte er sich diesem Gefühl von Geborgenheit nachgegeben und geschlafen, doch stattdessen blinzelte er gegen seine bleiernen Lider an und betrachtete die eigentümlich glitzernde Wand. Er fragte sich, ob es sich bei den funkelnden Edelsteinen, die den Fels bedeckten, um eine Art Feenzauber handelte, oder warum die Höhlen der Feenköniginnen sich allesamt zum Verwechseln ähnlich sahen.
    Plötzlich schoss ein stechender Schmerz durch seinen Fuß und der gepeinigte Kämpfer schrie auf. Er wollte sich bereits aufrappeln und davonkriechen, doch die große Fee beruhigte ihn: „Shht, Herr der Zeiten. Haltet still, ich bitte Euch. Es ist normal, dass es ein wenig piekt, wenn sich Eure Wunden zusammenziehen.“ „Ein wenig?! Das ist jawohl die Untertreibung des Jahrhunderts!“, schoss es Link augenblicklich durch den Kopf, sprach es jedoch nicht aus. Stattdessen wartete er geduldig ab, bis das Stechen und Ziehen endlich wieder nachließ.
    Navi hockte währenddessen auf dem Sockel einer Fackel und beobachtete den Heilprozess. Vielleicht, so sagte sie sich, konnte sie sich ein wenig von ihrer Königin abschauen. Es nervte sie furchtbar, dass sie keinen einzigen Heilzauber kannte und jedes Mal dazu verdammt war, tatenlos zuzusehen, wenn ihr Schützling verletzt war.
    Nach nur wenigen Minuten nahm die große Fee ihre Hände von Link und forderte ihn auf: „Steht auf und schaut Euch an. Eure Wunden müssten geheilt sein.“ Ihr Gesicht wirkte ein wenig blasser als zuvor und ihre Züge wirkten abgespannt und ermattet, so als hätte der Heilzauber ihr Lebensenergie entzogen.
    Link, der sich noch immer fühlte als flösse flüssiges Blei durch seine Adern, rappelte sich langsam auf und wagte einen Blick an sich herab. In seiner Hose klaffte ein langer Schnitt, dessen rotgefärbten Ränder vor geronnenem Blut erstarrt waren, doch die Haut darunter war tatsächlich wieder zusammengewachsen und wirkte völlig unversehrt. Erst als der junge Mann genauer hinsah, entdeckte er die dicke rötlichweiße Narbe, die als letzter Zeuge der Kakteenattacke zurückgeblieben war.
    Testweise machte er ein paar Schritte vor und zurück, um die Belastbarkeit seines Beines zu erforschen. Zu seiner großen Freude war nicht nur sein Oberschenkel gänzlich schmerzlos, auch sein Fuß tat endlich nicht mehr weh. Neugierig zog Link seinen Stiefel aus, riss Socke und Verband herunter und betrachtete seine Fußsohle eingehend. Das klaffende Loch, das der Wassertempel-Seeigel in den Fußballen gebohrt hatte, war verschwunden und hatte nicht mehr als ein rundes, blasses Mal zurückgelassen.
    Navi hatte unterdessen die lange Zipfelmütze ihres Schützlings, die als notdürftiger Verbandsersatz fungiert hatte, aufgehoben und auseinandergefaltet. Der grüne Stoff war über und über mit Blut, Eiter und Wundsekret besudelt, was die junge Fee angewidert das Gesicht verziehen ließ. „Die kannst du so aber nicht wieder aufsetzen…“
    Link, der gerade dabei war, seinen Stiefel wieder anzuziehen, grinste. „Wieso das traurige Gesicht? Du magst es doch sowieso nicht, wenn ich sie trage.“ „Hier in der Wüste wäre sie aber ganz praktisch. Ich will nicht, dass du einen Sonnenstich bekommst.“ „Ich kann sie ja in der Oase waschen.“
    Der Herr der Zeiten sprang auf die Füße und wandte sich der Feenkönigin zu. So langsam kehrte das Leben in seine müden Muskeln zurück und vertrieb das lähmende Gefühl der Erschöpfung. „Apropos Oase beziehungsweise Wüste: Danke für meine Rettung. Ohne Euch wäre ich wirklich verloren gewesen.“
    Die große Fee schüttelte den Kopf und lächelte. „Ihr braucht mir nicht zu danken. Wir alle sind darauf angewiesen, dass Ihr Erfolg habt. Es ist unsere Pflicht, Euch so gut wie möglich zu unterstützen. Deswegen möchte ich Euch das hier geben.“ Sie streckte eine Hand aus und überreichte Link einen Gegenstand, der ihm wage vertraut vorkam.
    „Ein Zauber der Göttinnen!“ Der junge Krieger drehte das gläsern wirkende Objekt geradezu ehrfürchtig in den Händen. Es sah genauso aus wie die anderen beiden Zauber, die er bereits von anderen Feenköniginnen erhalten hatte. Der einzige Unterschied war, dass das Innere dieses Gebildes von einem pulsierenden, blauen Licht erfüllt war, anstatt Flammen oder grünliche Blitze zu beinhalten.
    Navi schwang sich vor ihrem Schützling und betrachtete das Geschenk interessiert, während Link seinen Blick wieder auf die große Fee richtete. Diese nickte und erklärte: „Stimmt, dies ist der letzte der drei Göttinnen-Zauber. Man nennt ihn ‚Nayrus Umarmung‘.“ „Was bewirkt er?“ Navi legte eine Hand auf die Oberfläche der merkwürdigen Skulptur und warf der Feenkönigin einen Seitenblick zu.
    Diese erklärte: „Es ist ein Verteidigungszauber. Ihr habt seine Wirkung bereits gesehen.“ Plötzliche Erkenntnis erhellte Navis Gesicht, als sie ausrief: „Damit habt Ihr Link vor den Monstern gerettet!“ Die Königin verzog ihre grellgeschminkten Lippen zu einem erfreuten Lächeln und lobte: „Du bist sehr clever, junge Navi.“ Als die geflügelte Frau daraufhin tief errötete, spielte der Herr der Zeiten kurz mit dem Gedanken, seine Fee zu necken, verwarf die Idee jedoch schnell wieder.
    „Damit solltet Ihr keine Schwierigkeiten haben, das Tal der Göttin zu durchqueren und zum Tempel zu gelangen. Doch denkt daran: Der Einsatz des Zaubers ist anstrengend und seine Wirkung hält nicht ewig an, also trödelt nicht zu sehr.“ Die Feenkönigin nickte dem Krieger ein letztes Mal zu, dann verschwand sie von einem schrillen Lachen begleitet in ihrem Brunnen. Fast zeitgleich ertönte ein schleifendes Geräusch und der Felsspalt öffnete sich wieder. Für einen Moment fürchtete Link, erneut von den Kakteen angegriffen zu werden, doch durch den Spalt war nichts anderes als goldgelber Sand zu sehen. Offenbar hatten sich die Pflanzenmonster vorerst zurückgezogen.
    Der junge Kämpfer legte den Kopf schief und warf seiner Fee, die noch immer verlegen wirkte, einen schelmischen Blick zu. „Dann wollen wir uns mal wieder nach draußen wagen und diesen Kakteen zeigen, was eine Harke ist. Bist du dabei?“ Navis Lippen verzogen sich augenblicklich zu einem hämischen Grinsen. „Auf jeden Fall!“


    Dank Nayrus Umarmung war es ein Kinderspiel, durchs Tal zu kommen. Die Kakteen-Monster griffen zwar unablässig an, doch ihre Stacheln zerbrachen wie Zahnstocher an der Lichtbarriere des Zaubers. Während Link entspannt zur Oase marschierte, um seine Wasservorräte aufzufüllen und seine Mütze zu waschen, saß Navi auf seiner Schulter und schnitt gruselige Grimassen in Richtung der Angreifer.
    „Lass das, du machst sie noch wütend.“ Trotz der tadelnden Worte klang Links Stimme warm und herzlich. Seine Fee zuckte elegant mit den Schultern und mutmaßte: „Ich glaube nicht, dass sie mich überhaupt wahrnehmen. Besonders clever sind diese Biester ja ganz offensichtlich nicht. Ich würde jedenfalls nicht versuchen, mit dem Kopf durch die Mauer zu kommen.“ Mit den Schultern zuckend, schnappte der Recke sich einen kleinen Stein und begann, Wundsekret aus dem Stoff seiner Mütze zu schrubben. „Sei nicht so streng. Es sind immerhin nur Pflanzen.“
    Sobald er seine Kopfbedeckung gereinigt hatte, setzte er sie noch nass auf. Irgendwie war es ein komisches Gefühl, nach dieser langen Zeit wieder eine Mütze zu tragen. Einerseits war das gegen den Nacken Schlagen des Zipfels noch immer vertraut, andererseits hatte der Herr der Zeiten sich inzwischen an das fehlende Gewicht gewöhnt. Ein leichtes Unwohlsein beiseite schiebend, machte Link sich auf den Weg zum Tempel. Bald schon, da war er sich sicher, würde die Mütze für ihn wieder wie ein zusätzlicher Körperteil sein. Außerdem brachte das Wasser zwischen den Stoffmaschen eine angenehme Kühle.
    Minuten später stieg Link das erste Mal die Treppen zum Tempeleingang hinauf. Aus dem Inneren schlug den beiden Abenteurern muffige, abgestandene Luft entgegen, doch sie marschierten unbeirrt weiter und traten schließlich über die Schwelle.
    Draußen war jeder Sonnenstrahl vom Sand reflektiert worden, was das Tal in ein grellhelles Licht getaucht hatte, doch im Tempel herrschten schummrige Lichtverhältnisse. Die große Eingangshalle war lediglich von zwei großen Fackeln, deren Flammen in einem Luftzug hin und her züngelten, erhellt. Während seine Augen sich an die neuen Umstände anpassten, fragte Link sich, wer wohl dafür sorgte, dass in jedem Tempel Lichter brannten. Ob Monster wohl Angst im Dunkeln hatten?
    „Link! Achtung!“ Noch bevor der Recke wieder klar sehen konnte, warf sich Navi plötzlich mit ihrem vollen Gewicht gegen die Wange ihres Schützlings, der aus Überraschung tatsächlich zur Seite taumelte. Nur Sekunden später krachte ein massiver Tonkrug neben Link an die Wand. Hätte er nicht einen Schritt nach links gemacht, wäre der Topf mit voller Wucht gegen seinen Kopf geknallt.
    „Woa! Was ist das?!“ Mit vor Schreck geweiteten Augen starrte der junge Krieger auf die scharfkantigen Scherben neben ihm. Auch seine Fee sah ein wenig blass um die Nase aus, als sie laut überlegte: „Kann es sein, dass es eine Art Abwehrzauber der Twinrova ist?“ „Keine Ahnung… Aber was immer es ist, ich sollte mich in diesem Tempel wohl vor allem in Acht nehmen.“
    Mit diesen Worten strafte der Herr der Zeiten die Schultern und wandte sich wieder der Halle vor sich zu. Neben einer breiten Treppe, die zu einer Art zwischen Stockwerk führte, standen zwei riesige Kobrastatuen, in deren Nackenschilder bronzene Schrifttafeln eingelassen waren. Als Navi diese genauer unter die Lupe nehmen wollte, erhob sich ein weiterer Tonkrug und sauste durch die Luft auf die vor Schreck erstarrte Fee zu. Ohne zu überlegen riss Link seinen Hylia-Schild nach vorn und warf sich vor den Krug. Der Aufprall schob den Recken einen guten Meter nach hinten, bevor das Tongefäß schließlich zerbrach.
    Navi atmete erleichtert auf und schloss für einen Moment die Augen. In der letzten Zeit war dermaßen viel passiert, dass ihre Nerven so dünn und leicht zu zerreißen waren wie Spinnenfäden. Link schüttelte seinen Schildarm aus und warf ihr einen prüfenden Blick zu. „Alles in Ordnung?“ Obwohl ihr noch immer die Knie schlotterten, nickte die Fee. „Ja, sicher. Ich schau mir mal diese Schrifttafeln an.“
    Während Navi die eingravierten Schriftzeichen begutachtete, sah ihr Schützling sich im weiteren Raum um. Da er unten nichts weiter entdecken konnte, stieg er die Stufen zur Zwischenetage hinauf. Hier oben war der Boden mit einem dünnen, roten Filzteppich ausgelegt und zwei dekorative Statuen von schwerbewaffneten Gerudo-Kriegerinnen flankierten die Treppe.
    Auf der linken Seite entdeckte Link einen schmalen Schacht, der tiefer in den Tempel führte, doch egal wie sehr er sich bemühte – er war zu groß um hindurch kriechen zu können. Eine Zeit lang stand er grübelnd vor dem Loch, doch dann wandte er sich schulterzuckend um und betrachtete die gegenüberliegende Wand.
    Hier ragte ein massiver, schwarzer Steinklotz in den Raum hinein. Link warf sich sofort gegen den Quader und schob, jedoch ohne Erfolg. Der Stein bewegte sich keinen Millimeter. „Vielleicht, wenn ich die Eisenstiefel anziehe? Dann habe ich mehr Halt und rutsche nicht mehr so schnell weg“, überlegte der Krieger. Doch was in der Theorie erfolgversprechend klang, erwies sich in der Praxis als absoluter Fehlschlag.
    Frustriert stieg Link wieder die Treppe herab, setzte sich ein schmollendes Gesicht ziehend auf die unterste Stufe und schaute resigniert zu Navi herüber. „Sieht aus als ginge es hier nicht weiter. Hast wenigstens du etwas herausgefunden?“
    Die Fee nickte und wandte sich von der Schrifttafel, die sie gerade gelesen hatte, ab. „Sieht so aus als müsstest du eine kleine Zeitreise machen.“ „Hm?“ Navi deutete auf die Tafel. „Hier steht: ‚Wer die Kraft des Silbers sucht, braucht das reine Herz eines Kindes‘.“ „Die Kraft des Silbers?“ Link schob irritiert die Augenbrauen zusammen, doch seine Fee zuckte ahnungslos mit den Schultern. „Ich kann dir nicht sagen, was es damit auf sich hat. Ich nehme an, es handelt sich um eine Art Artefakt oder so. Dort drüben“, sie deutete auf die andere Tafel, „steht, dass du die Kraft des Silbers brauchst, um die Göttin zu treffen.“
    Der Herr der Zeiten zog grübelnd die Unterlippe zwischen die Zähne. Wie sollte er als Kind hierher gelangen? Selbst wenn es ihm gelingen würde, die Gerudo zu überlisten, müsste er erneut die Gespensterwüste durchqueren. Er glaubte kaum, dass er als Kind stark genug war, um den schweren Enterhaken zu benutzen. Doch den brauchte er, um über den Treibsandgraben zu kommen. Aber er hatte keine andere Wahl, er musste es versuchen…
    „Also gut, Navi. Lass uns eine Zeitreise machen!“ Gerade als Link seine Okarina aus dem Wunderbeutel holen wollte, tauchte im Tempeleingang eine vertraut wirkende Silhouette auf. Der Recke kniff die Augen zusammen, um besser erkennen zu können, wer auf ihn zukam, jedoch ohne Erfolg.
    Doch als der Fremde zu sprechen begann, fiel es Link wie Schuppen von den Augen – Shiek! „Sieht aus als säßest du hier fest, mein Freund.“ Navi verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust. Obwohl sie dem Shiekah wesentlich wohlgesonnener war, seit er ihr bei Links Rettung aus dem Gerudo-Gefängnis geholfen hatte, empfand sie es noch immer als merkwürdig, dass er immer genau dann auftauchte, wenn sie und ihr Schützling in der Patsche saßen. Es war fast so als würde er sie die ganze Zeit über beobachten.
    Link hingegen nickte nur traurig und bestätigte: „Stimmt. Hier gibt es kein Weiterkommen. Sieht aus als müsste ich als Kind hierher zurückkommen. Es ist also mal wieder an der Zeit für eine Reise in die Vergangenheit. Aber was treibt dich hierher?“
    Anstatt direkt zu antworten, legte Shiek den Kopf schief und murmelte: „Vergangenheit… Gegenwart… Zukunft… Sie wirken wie Fremde, nicht wahr? Dabei sind sie doch ein und dasselbe…“ Der leicht getrübte Ausdruck in seinem unverdeckten Auge sowie sein verträumter Tonfall ließen vermuten, dass der Shiekah mit den Gedanken weit weg war, vielleicht in seiner eigenen Vergangenheit.
    Als Link nichts erwiderte, fuhr Shiek nach einer kurzen Pause fort: „Ich habe dich gesucht.“ Der Herr der Zeiten hob überrascht den Kopf und sah sein Gegenüber aus großen Augen an, während Navi sich auf seine Schulter setzte. Von hier aus konnte sie den Shiekah besser im Auge behalten als aus dem schrägen Winkel vor der Schrifttafel heraus.
    „Du erinnerst dich daran, dass ich in der Gerudo-Festung nach einer Schriftrolle gesucht habe?“ Shiek warf Link einen fragenden Blick zu, der sich in ein erfreutes Strahlen verwandelte, als der Hylianer nickte. „Dinah – von der ich dich übrigens herzlich grüßen soll – und ich haben sie in den Archiven tatsächlich gefunden.“
    „Du kommst den ganzen Weg hierher, um uns das zu erzählen?!“ Während Navi fast ein wenig anklagend klang, blinzelte ihr Schützling lediglich irritiert, bevor er gratulierte: „Ähm… das freut mich für dich?“ Der Shiekah stieß ein kleines Lachen aus und korrigierte: „Ich bin hier, um euch den Inhalt des Schriftstücks zu zeigen.“
    Hellhörig geworden lehnte Link sich vor. „Steht womöglich etwas über die Kraft des Silbers darin?“ „Die Kraft des Silbers?“ Nun war es an Shiek, verwirrt dreinzusehen. „Nein, davon habe ich noch nie gehört. Die Schriftrolle enthält die Aufzeichnung über das letzte Teleportierlied.“ Der mysteriöse Mann schien hinter seiner Vermummung breit zu lächeln, als anfügte: „Das Requiem der Geister bringt dich jederzeit zu einer Plattform im Tal der Göttin. Damit wird es für dich ein Kinderspiel sein, als Kind hierher zurückzukehren.“
    Link atmete erleichtert auf und auch Navi schenkte dem Shiekah ein erfreutes Lächeln, das dieser jedoch nicht beachtete. Stattdessen holte er seine Harfe hervor und spielte dem Herrn der Zeiten das Requiem so lange vor, bis dieser sich sicher war, es sich eingeprägt zu haben.
    „Dann sollten wir wohl schleunigst zur Zitadelle der Zeit zurückkehren.“ Link schwang sich auf die Füße und ging langsam auf sein Gegenüber zu. „Begleitest du uns?“ Lächelnd streckte er eine Hand nach seinem Freund aus, doch dieser duckte sich mit einer eleganten Drehung unter der Berührung weg.
    Als der Recke daraufhin ein betrübtes Gesicht zog, seufzte Shiek auf: „Es tut mir leid, aber ich habe noch etwas zu erledigen.“ Mit diesen Worten machte er auf dem Absatz kehrt und hastete ohne einen Blick zurück aus dem Tempel. Obwohl Link ihm fast augenblicklich hinterher stürzte, um sich wenigstens verabschieden zu können, konnte er den anderen Mann nicht mehr entdecken. Es war fast als wäre der Shiekah von einer Sandwolke verschluckt worden.
    Ein paar Herzschläge lang starrte der irritierte Kämpfer stumm zum Tal der Göttin herab und ignorierte das Mosern seiner Fee über die Unhöflichkeit des Shiekah. Dann schüttelte er resigniert den Kopf und holte seine Okarina hervor, um mit Hilfe der Kantate des Lichts in die Zitadelle der Zeit zurückzukehren.

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    Avatar-Artwork von mokke; Signatur-Artwork von Kamui Fujiwara (official artwork)

  • Wie immer genial, Labrynna. Ich bin jedes Mal aufs Neue begeistert von deiner lebendigen Erzählart und den vielen Gedanken, die du dir zu machen scheinst. Es ist sehr unterhaltsam, sich so eine Heilung durch eine große Fee mal ordentlich vorzustellen. Im Spiel sieht das immer alles so entspannt und leicht aus, aber wer sagt eigentlich, dass Link nicht auch Schmerzen haben kann, wenn seine Haut in Windeseile zusammenwächst? Und wo steht, dass so ein Zauber einer großen Fee nicht auch Energie rauben kann? Ich finde diese Einfälle richtig cool und gut durchdacht. Freue mich schon auf den nächsten Teil. :)

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    - Seit dem 06.02.2014 in einer butterwampigen Matschkuchen-Partnerschaft mit Darkshuttle123 -

  • Huhu!


    Freut mich, dass es dir gefällt. Ich bin ja immer so unsicher bei solchen Sachen. Allerdings mach ich mir gar nicht sooooo viele Gedanken. Das Meiste kommt einfach so beim Schreiben. :)


    Danke jedenfalls fürs Feedback. Sowas ist immer total motivierend. Danke. :)


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    Mit dem reinen Herzen eines Kindes


    Nachdem Link das Teleportierlied gespielt hatte, dauerte es nur einen Herzschlag lang, bis er und Navi sich in der Zitadelle der Zeit wiederfanden. Navi, die zum ersten Mal auf diese Weise gereist war, blinzelte irritiert und stieß verblüfft aus: „Unglaublich! Man merkt ja wirklich gar nichts!“ „Hast du etwa an meinen Worten gezweifelt?“ Der junge Krieger warf ihr einen knappen, gespielt erbosten Seitenblick zu und setzte sich anschließend in Bewegung, um das Portal zur Vergangenheit zu öffnen.
    Nachdenklich die Unterlippe zwischen die Zähne gezogen, erinnerte die Fee sich an den Tag zurück, an dem sie den Schattentempel betreten hatten. Damals hatte ihr Schützling ein weiteres von Shieks Liedern benutzen müssen, um den Tempeleingang erreichen zu können. Ein kalter Schauer rieselte Navis Rücken hinab, als wieder die Bilder vor Augen hatte wie sich Links Körper in viele kleine Kugeln aus lilafarbenem Licht aufgelöst hatte.
    Ja, zu ihrer Schande musste sie gestehen, dass sie ihrem Begleiter seine Bekundungen, diese Reiseform sei alles andere als unangenehm, nicht von ganzem Herzen geglaubt hatte. Stattdessen hatte sie sich insgeheim furchtbar vor dem Moment gefürchtet, an dem sie gezwungen sein würde, ebenfalls auf diese Weise zu reisen.
    Doch anstatt von ihren Zweifeln und Ängsten zu erzählen, ließ sie das Thema fallen und schloss schweigend zu ihrem Schützling auf. Dieser hatte den Zeitfels bereits erreicht und zog gerade das Master-Schwert, um es wieder in den Stein zu rammen. Als er Navi in seinem Augenwinkel bemerkte, fragte er: „Bist du bereit?“ Die zierliche Fee nickte und krallte sich an dem Kragen seiner Tunika fest.
    Kaum dass Link die heilige Klinge in den Fels gestoßen hatte, leuchtete das bereits bekannte, blendend helle Licht auf und die Körper von Mann und Fee schrumpften von einem widerlichen, nach splitternden Knochen klingendem Knacken auf Kindergröße zusammen.
    Als das bläuliche Licht wieder verschwand, fielen goldene Sonnenstrahlen durch die knapp unter der Decke angebrachten Bundglasfenster. Wie beim letzten Mal hatte Link das Gefühl, dass das Hyrule seiner Kindheit wesentlich heller war als das der Zukunft. Konnte es wirklich sein, dass Ganondorf selbst die Sonne verdunkelt hatte?
    Mit einem knappen Kopfschütteln verdrängte der Knabe derlei Gedanken schnell. Er hatte keine Zeit, um sich wegen so etwas ins Grübeln zu verfallen – schließlich wartete der Geistertempel auf ihn. Geschwind schälte er sich aus seinen zu groß gewordenen Kleidern und zerrte eine Kindertunika aus seinem Wunderbeutel.
    Nachdem er sich diese über den Kopf gezogen hatte, wandte er sich an seine geduldig wartende Fee: „Dann wollen wir mal!“ Navi nickte und setzte sich auf ihren Stammplatz auf seiner Schulter. Während der Junge das Requiem der Geister auf der Okarina spielte, summte das Feenmädchen leise mit und wiegte sich sanft im Takt.


    Nach nur einem augenaufschlagkurzen Moment fanden die Beiden sich im Tal der Göttin wieder. Sie standen auf einer fast vollständig vom Sand verdeckten Steinplatte, die sich auf der Ostseite des Tempels befand. Von hier aus waren es einige Meter bis zum Eingang.
    Link sah sich aufmerksam nach allen Seiten hin um, ob er Gefahren ausmachen konnte. Tatsächlich standen unweit von ihm mehrere Kakteen, die genauso aussahen wie die Monster, die ihn als Mann beinah getötet hatten. Navi, welche die verdächtig wirkenden Pflanzen ebenfalls bemerkt hatte, sagte mit einem angespannten Unterton in der Stimme: „Das könnte gefährlich werden.“
    Der junge Herr der Zeiten nickte und murmelte: „Ich werde versuchen, zum Tempeleingang zu rennen. Mit etwas Glück schaffe ich es, den Treppenabsatz zu erreichen, bevor die Viecher mich eingeholt haben. Doch zur Not, hab ich ja das hier…“ Er ließ seine rechte Hand in seinen Lederbeutel abtauchen und zog Nayrus Umarmung hervor. Den Zauber fest umklammert lief der Recke los und hielt stur auf den Eingang zu.
    Es dauerte nur Sekunden, bis die Kakteen ihn bemerkt hatten und auf ihn zuschossen. Wie schon beim letzten Mal sprießten die Pflanzenmonster plötzlich überall unangekündigt aus dem Boden und versuchten, den Rennenden mit ihren langen Stacheln aufzuspießen.
    Link hetzte Haken schlagend durchs Tal, ohne dabei sein Ziel aus den Augen zu verlieren. Die Kakteen schienen noch schneller als zuvor zu sein, doch das war allein der Tatsache geschuldet, dass Links kindlicher Körper kürzere Beine hatte und der Herr der Zeiten deswegen nicht mehr so schnell sprinten konnte. Doch zu seiner großen Freude brachte er in dieser Form auch wesentlich weniger Gewicht auf die Waage, weswegen er nicht mehr so tief im Sand versank, was das Laufen bedeutend leichter machte.
    Flink wie ein Wiesel huschte der Knabe zwischen den Monstern hindurch, sprang geschickt aus ihrer Reichweite und hielt entschlossen auf den Geistertempel zu. Navi klammerte sich unterdessen an seinem Kragen fest und betete stumm zu den Göttinnen, sie mögen ihre schützende Hand über Link halten.
    Tatsächlich gelang es dem Recken dieses Mal auch ohne den Einsatz von Nayrus Umarmung, den Treppenabsatz unverletzt zu erreichen. Seine Verfolger blieben vor dem niedrigen Steinpodest wie angewurzelt stehen und schienen wütend zu dem jubelnden Jungen herauf zu starren. Dieser streckte die Zunge heraus und drehte ihnen eine lange Nase, bevor er sich umwandte und die Stufen hinaufstieg.
    „Ich frage mich, woher diese Biester wissen, wo du bist“, grübelte Navi laut, während ihr Schützling sich dem Eingang näherte. „Keine Ahnung. Spielt das eine Rolle?“ „Naja, irgendwie schon. Nehmen wir mal an, sie würden dich mit Hilfe deines Geruchs orten. In diesem Fall wäre es vielleicht hilfreich, dich mit einem Parfum aus Kakteenblüte einzureiben oder so. Dann wäre nicht jede Taldurchquerung ein solcher Hürdenlauf.“
    Link nickte verstehend, strich jedoch heraus: „Aber dafür bräuchten sie wohl so etwas wie eine Nase…“ Seine Fee seufzte auf und gestand: „Das ist das Problem an der Sache. Ich entdecke nichts an ihnen, das aussieht wie eine Nase oder Ohren. Ich glaube nicht, dass sie dich riechen oder hören können.“ Sie zog ein nachdenkliches Gesicht, das auf einmal von Erkenntnis erhellt wurde.
    „Sicher doch! Ich hab’s!“ Ihr Schützling warf ihr einen neugierigen Blick zu. „Tatsächlich?“ „Ja.“ Die Fee nickte eifrig, doch dann trübten sich ihre Augen. „Allerdings wird uns das nicht weiterhelfen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie dich über die Erschütterungen im Boden ausfindig machen. Sobald du deinen Fuß auf den Sand setzt, kommen die kleinen Körner in Bewegung. Diese breitet sich für uns nicht wahrnehmbar immer weiter aus, bis sie die Kakteen erreicht und ihnen verrät, wo du bist.“
    Der Herr der Zeiten blickte zweifelnd und blieb auf der Schwelle zum Tempel stehen. „Wie soll das denn funktionieren?“ „So ganz genau weiß ich das auch nicht“, räumte Navi zerknirscht klingend ein, „aber ich habe in einem Buch gelesen, dass manche Wissenschaftler vermuten, dass Raubfische ihre Beute auf eine ähnliche Weise ausfindig machen. Beweisen konnte es bislang jedoch keiner.“
    „Hm.“ Wenig überzeugt verschränkte der Knabe die Arme vor der Brust, lehnte sich gegen den Türrahmen des Eingangsportals und schaute zu den sich allmählich wieder im Tal verteilenden Kakteenmonstern zurück. Konnte es wirklich so sein wie Navi vermutete? Es klang schon ziemlich weit weggeholt…
    Die junge Fee ließ sich von der zweifelnden Miene ihres Freundes nicht beirren und strich heraus: „Denk doch mal dran: So lange du auf der Teleportierplattform gestanden hast, hat sich keines der Wesen geregt. Und sobald du die Treppe erreicht hattest, haben sie die Verfolgung aufgegeben. Sie greifen dich nur an, solange du dich auf Sand bewegst. Ich bin mir sicher, dass es damit zusammenhängt, dass sie dich ansonsten nicht orten können.“
    „Ja, möglicherweise hast du Recht. Aber was bringt uns dieses vermeintliche Wissen?“ Link löste sich wieder vom Türrahmen und sah Navi herausfordernd an. „Im Moment nicht viel, das stimmt. Aber vielleicht stampfst du auf dem Rückweg mal nicht auf den Boden wie ein übergewichtiger Gorone. Dann fällt es den Monstern bestimmt schwerer, dich zu finden und greifen dich nicht gleich in Massen an.“
    Der junge Kämpfer zog ein latent beleidigtes Gesicht und murrte: „Ich werde mal sehen, was sich machen lässt…“ Dann wandte er sich um und betrat ohne weiteres Zögern den Geistertempel.

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  • Zitat

    Während der Junge das Requiem der Geister auf der Okarina spielte, summte das Feenmädchen leise mit und wiegte sich sanft im Takt.


    Genau deshalb bist du die Top Geschichtenschreiberin im Forum.
    Der Satz mag irrelevant sein, aber er bringt so viel mehr Leben in Geschichte und Charaktere. Solche Sätze machen den Unterschied zwischen den Reaktionen 'Meh.' und 'Gut erzählt' aus. Für mich jedenfalls, ich finds sehr stark!

  • Aufgrund seiner geringeren Körpergröße wirkte die Eingangshalle des Geistertempels dieses Mal noch imposanter. Der Junge blickte sich skeptisch um, um eventuelle Angreifer schnell ausfindig machen und abwehren zu können. Dass Navi und er bei ihrem letzten Besuch von den fliegenden Tonkrügen überrascht worden waren, hatte ihn vorsichtig werden lassen.
    Während der Knabe sich nur langsam schleichend in den Raum wagte, preschte seine Fee unbekümmert vor und warf ihrem Schützling einen ungeduldigen Blick zu. „Was machst du denn da? Wir haben nicht ewig Zeit!“ Link stieß ein abfälliges Schnauben aus und wies seine Begleiterin zurecht: „Du bist viel zu leichtsinnig! Wie soll ich dich beschützen, wenn du nicht in meiner Nähe bleibst?!“
    Anstatt getroffen zu ihrem Freund zurückzukehren, machte Navi eine wegwerfende Handbewegung und lachte: „Vor was willst du mich hier denn schützen? Du bist ein echter Hasenfuß, Link.“ „Dürfte ich dich daran erinnern, dass du beinah von einem fliegenden Tontopf an der Wand zermatscht worden wärst, als wir zuletzt hier waren?“
    Der Herr der Zeiten zog ein mürrisches Gesicht, während seine Fee ihn weiterhin amüsiert angrinste. „Das hab ich nicht vergessen. Aber sieh dich hier doch mal um.“ Die geflügelte Frau machte eine ausladende Geste, die den gesamten Raum einschließen sollte. „Fällt dir denn gar nichts auf?“
    Link ließ seinen Blick irritiert durch die Halle wandern. Auf was wollte Navi heraus? Als der Junge nichts Auffälliges entdecken konnte und immer ratloser dreinschaute, seufzte seine Fee theatralisch auf und erklärte: „Die Krüge sind alle kaputt. Sieh mal dort…“ Sie deutete auf eine Raumecke und Link stellten sich augenblicklich die Nackenhaare auf. Auf dem Boden lagen die Scherben mehrerer Tonkrüge und glänzten matt im Fackelschein.
    Der Knabe ging neben der zerbrochenen Töpferware in die Knie und murmelte: „Wie kann das sein?“ Navi, die die ängstliche Reaktion ihres Begleiters nicht nachvollziehen konnte, schnaubte: „Na, wie wohl? Du hast sie doch vorhin selbst zerschlagen…“
    Als Link den Kopf hob, um seine Begleiterin anzusehen, waren seine Augen stark geweitet und verliehen ihm einen panischen Ausdruck. „Das macht keinen Sinn, Navi. Wir waren in der Zukunft hier. Die Krüge, die ich kaputt gemacht habe, sind vielleicht noch nicht einmal hergestellt worden.“
    Allmählich machte sich Verstehen auf dem Gesicht der Fee breit und sie flüsterte: „Aber das bedeutet…“ „Richtig“, fiel ihr Schützling ihr ins Wort, „das bedeutet, dass wir höchstwahrscheinlich nicht allein sind.“
    Kaum dass Link diese Erkenntnis ausgesprochen hatte, bohrte sich ein Pfeil neben seinem Kopf in die Wand. Die beiden Abenteurer sprangen erschrocken auseinander und blickten sich suchend um. Aus welcher Richtung war der Pfeil abgeschossen worden? Wo versteckte sich der Angreifer?
    „Eines muss man Ganondorf lassen – er weiß, wie man Eindringlinge fernhält!“ Navi huschte so schnell wie möglich unter Links Mütze und krampfte ihre winzigen Hände in sein Haar. Nur Sekunden später wurde ein weiterer Pfeil abgeschossen, der surrend durch die Luft zischte und das rechte Bein des jungen Recken nur knapp verfehlte.
    „Wagt es ja nicht, mich mit Ganondorf in einen Topf zu werfen!“ Die Stimme einer jungen Frau schallte durch den Raum und Link drehte sich kreiselnd um die eigene Achse, um die Angreiferin ausfindig zu machen – jedoch ohne Erfolg. Da ihm nichts Besseres einfiel, rief er schließlich: „Wenn du nicht zu Ganondorf gehörst, wer bist du dann? Und was suchst du dann hier?“
    „Dasselbe könnte ich dich fragen!“ Die Stimme hallte von den hohen Wänden wider und schien aus mehreren, teils gegensätzlichen Richtungen gleichzeitig zu kommen. „Der Geistertempel ist seit Jahrhunderten das bedeutendste Heiligtum meines Volkes. Ich habe jedes Recht, hier zu sein – aber das gilt nicht für dich. Also lege mir deine Absichten offen oder verschwinde!“ Als wollte die Unbekannte ihren Worten zusätzliches Gewicht verleihen, feuerte sie einen dritten Pfeil direkt vor Links Füße.
    Dieser stieß einen erschrockenen Schrei aus und machte einen beeindruckenden Satz nach hinten. Seine Fee hingegen schnappte mit einem Laut der Erkenntnis nach Luft, schob ihren Kopf unter dem Saum der Mütze hervor und rief: „Naboru! Du bist Naboru, nicht wahr?“
    Hinter einem der oberen Treppenpfeiler wurde ein feuerroter Haarschopf sichtbar und kurz darauf erhob sich die junge Gerudo vollständig. Ihren schwarz gebeizten Bogen hielt sie dabei schützend vor sich, einen Pfeil eingelegt und die Sehne halb gespannt. „Wer will das wissen?“ Ihre bernsteinfarbenen Augen funkelten skeptisch und der harte Zug ihrer vollen, grell geschminkten Lippen verriet Ablehnung.
    Auf den ersten Blick sah die Fremde wie eine gewöhnliche Gerudo-Kriegerin aus. Sie trug die übliche Uniform, in die sich auch die ordinären Wachen des Wüstenvolks hüllten. Jedoch strahlte ihre in einem blütenreinen Weiß, das lediglich um die Knie herum leicht verfärbt war.
    Link hatte sich während seines Aufenthalts in der Gerudo-Festung bereits zusammengereimt, dass es ein besonderes Privileg der Elitekriegerinnen war, die Farbe ihrer Uniform selbst zu wählen. Dieser Eindruck der Besonderheit wurde zusätzlich noch durch den fehlenden Schleier und ihren im Fackelschein schillernden Schmuck unterstrichen.
    Um ihre Oberarme wanden sich dicke Schlangen aus massivem Gold und an ihren Ohrläppchen hingen goldene Dreiecke. Ihr Halsband bestand ebenfalls aus kunstvoll gehämmertem Gold und war mit einem babyfaustgroßen Rubin versehen. Zusätzlich trug die Gerudo ein filigranes Diadem, das auf der Stirn der Frau, wo ein weiterer Edelstein im Fackelschein funkelte, zusammenlief. Selbst ihr Haarreif, der ihren kräftigen Zopf zusammenhielt, war mit einem blutroten Stein versehen. Ganz offensichtlich handelte es sich bei der jungen Frau um eine bedeutende Persönlichkeit.
    Als sich Links Zweifel an ihrer Identität verflüchtigten, entspannte sich sein verkrampfter Körper und er formte seine Lippen zu einem breiten Lächeln. „Du bist also tatsächlich Naboru.“ Sofort straffte die Gerudo den Rücken und zog die Bogensehne noch weiter zurück. „Spielt das irgendeine Rolle?“
    „Allerdings.“ Der Knabe nickte eifrig, bevor er fortfuhr: „Wir sind auf der Suche nach dir.“ „Warum?“ Naboru verengte ihre blitzenden Augen zu Schlitzen und zielte mit ihrem Pfeil direkt auf Links Herz. „Weil wir deine Hilfe brauchen, um Ganondorf aufzuhalten.“
    Vor Überraschung ließ die junge Frau den Bogen sinken, doch nur wenige Herzschläge später hatte sie sich wieder unter Kontrolle. „Ich gebe zu, du hast mein Interesse geweckt. Erzähl mir mehr. Was hast du vor? Und wozu brauchst du mich?“
    Während Link Navi und sich vorstellte und von seiner Queste berichtete, hielt Naboru ihren Bogen ununterbrochen gespannt, um sofort zuschlagen zu können. Doch als der Junge endete, ließ sie die Waffe endlich sinken und sagte mit zweifelnd klingender Stimme: „Ihr glaubt also, ich sei die Weise der Geister?“
    „Es sieht ganz danach aus“, bestätigte Navi mit einem fröhlichen Flöten. Die Fee war in Hochstimmung – den sechsten Weisen zu finden, war wesentlich einfacher gewesen als gedacht! Doch die Antwort der Gerudo verhagelte der geflügelten Frau sofort wieder die Laune: „Ihr irrt euch. Ich bin keine Weise.“
    Link stieg langsam die Treppe hinauf und lächelte Naboru milde an. „Die anderen Weisen kannten ihr wahres Wesen auch nicht, bis sie ihre Bestimmung schließlich erfüllen mussten. Wir haben dich vor deiner Zeit gefunden – wie gesagt, die Macht der Weisen wird erst in sieben Jahren gebraucht. Ich bin mir sicher, dass du die Sechste bist. Also geh bitte nach Hause und halte dich bedeckt, bis ich dich wieder aufsuche. Dann wird sich dein Schicksal erfüllen. Vertrau mir.“
    Plötzlich stahl sich ein listiges Grinsen auf das Gesicht der Gerudo: „Ich habe keinen Grund, dir zu vertrauen. Vielleicht bist du ja doch nur ein besonders geschickter Lakai Ganondorfs, der mich endlich mundtot machen soll.“ Als der Herr der Zeiten protestieren wollte, legte sie ihm ihren Zeigefinger auf die Lippen, um ihn zum Schweigen zu bringen. „Aber du kannst mir deine lauteren Absichten beweisen.“
    „Wie?“ Der Junge legte den Kopf schief und sah sein Gegenüber aufmerksam an. Navi hingegen zog ein skeptisches Gesicht und kaute nachdenklich auf der Unterlippe. Wollte Naboru sie womöglich übers Ohr hauen?
    Die Gerudo grinste wölfisch. „Irgendwo in diesem Tempel ist ein uraltes Relikt meines Volkes versteckt. Es heißt, dass die Krafthandschuhe dem Träger übermenschliche Kräfte verleihen sollen. Ihretwegen bin ich hierhergekommen. Leider kann ich nicht ins Tempelinnere vordringen, da der Gang dort hinten blockiert und dieser Schacht hier zu schmal für mich ist. Aber du halbe Portion solltest dich hindurchzwängen können.“
    Link betrachtete das Loch in der Wand, das er schon bei seinem letzten Besuch entdeckt hatte. „Mit anderen Worten: Ich soll dir die Krafthandschuhe bringen, um dir zu beweisen, dass wir auf derselben Seite stehen.“ Naborus Zähne schimmerten rotgolden im Fackelschein als sie noch breiter lächelte. „Du hast es erfasst. Bring mir meinen Schatz und ich werde dich in deinem Kampf gegen Ganondorf so gut unterstützen wie ich kann. Bis dahin werde ich es mir hier gemütlich machen und auf dich warten.“
    „Alles klar. Navi, bist du bereit?“ Der junge Herr der Zeiten schielte zu seiner Fee herauf, die seine Stirn herabbaumelte und nickte. Dann ließ er sich auf die Knie fallen und schickte sich an, durch den engen Schacht ins Tempelinnere zu kriechen.

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    Einmal editiert, zuletzt von Labrynna ()

  • Wuhu, ich lebe noch! Tut mir leid, dass ich euch so verdammt lange habe warten lassen (Böser, böser Uniabschluss!)... aaaaaaaber ich hab die OoT-Geschichte nicht vergessen. Und da mich netterweise eine Muse geküsst hat, will ich euch das Ergebnis natürlich nicht vorenthalten. In den nächsten Tagen wird vermutlich noch mehr kommen. :)


    ~~~~~~~~~~


    Desto näher die beiden Abenteurer dem Schachtausgang kamen, umso staubiger wurde die Luft. Obwohl das Kriechen Link kaum anstrengte, schnaufte er bereits nach kurzer Zeit wie nach einem Sprint.
    Navi, die inzwischen auf seine Schulter geklettert war, um nicht zwischen seinem Kopf und der Schachtdecke eingeklemmt zu werden, tätschelte ihm die Halsseite. „Sieh mal, da hinten ist Licht. Gleich hast du’s geschafft.“ Link nickte und brummte: „Wenigstens ist es nicht so heiß wie ich befürchtet hatte.“ „Stimmt. Es ist überraschend kühl. Ich nehme mal an, die dicken Felswände verhindern, dass der Tempel sich aufheizt.“
    „Was auch immer der Grund dafür ist – es gefällt mir.“ Mit diesen Worten zog der Recke sich aus dem Schacht und sah sich in dem dahintergelegenen Raum um. Doch bevor er sich orientieren konnte, sauste plötzlich ein Feuerball auf ihn zu. Link hatte kaum Zeit zu reagieren und so prallte das brennende Geschoss mit voller Wucht gegen seinen Arm, den er in letzter Sekunde hatte hochreißen können, um sein Gesicht zu schützen. Das seltsame Fauchen, das der Feuerball ausstieß, ging beinah im Schmerzensschrei des Jungen unter, als die Flammen sich sofort in den Ärmel seiner Tunika fraßen und ihm Haut und Haare versenkten.
    Während Link panisch versuchte, das Feuer durch Schläge zu ersticken, nahm Navi, die bei der plötzliche Bewegung ihres Schützlings von dessen Schulter gefallen war und nun neben ihm in der Luft schwebte, den Angreifer genauer unter die Lupe. Als sie erkannte, was sich auf Link geschmissen hatte, sog sie scharf Luft ein und wirbelte zu ihrem Begleiter herum. „Link! Pass auf! Das ist ein Feuerflatterer – und er kommt schon wieder zurück!“
    Ohne bewusst darüber nachzudenken, riss der Junge sein Schwert aus der Scheide und ließ es in einem vertikalen Schlag durch die Luft zischen. Ob es nur Glück oder die auf seiner Reise gesammelte Erfahrung war, dass er die brennende Fledermaus erwischte und sauber in zwei Hälften teilte, wusste er selbst nicht.
    Kaum dass er die Angreiferin niedergestreckt hatte, sauste Navi um ihn herum und nahm seine Verletzung in Augenschein. Der Tunikaärmel war fast bis zur Schulternaht abgebrannt. Die Haut darunter leuchtete in einem hellen Rot, nässte und begann bereits erste, kleine Blasen zu werfen.
    Bei diesem Anblick verzerrte Sorge das Antlitz der Fee und sie sah aus großen, kummervollen Augen zu ihrem Schützling auf: „Oh, Link… Das sieht böse aus!“ Dieser nickte mit aufeinander gepressten Lippen und hielt Ausschau nach weiteren Angreifern, die glücklicherweise ausblieben. „Zumindest ist die Verletzung nicht so groß. Schwein gehabt“, versuchte Navi ihnen Beiden ein wenig Mut zuzusprechen.
    Wieder nickte Link lediglich. Sein Oberarm brannte als stünde er noch immer in Flammen und der Junge traute seiner Stimme nicht. Er fürchtete, man könnte ihm anhören, wie nah er den Tränen war, sollte er den Mund aufmachen. Navi, die sein Schweigen ein wenig fehlinterpretierte, legte ihm eine ihrer zierlichen Hände an die Wange und flüsterte: „Es tut mir so leid, dass ich keine heilenden Fähigkeiten habe…“
    Link, der wegen seiner Schmerzen zu erschöpft war, um zartfühlend zu sein, schnaubte genervt und fand seine Stimme schließlich doch wieder: „Hör auf damit! Selbstmitleid bringt uns nicht weiter und heilt auch nicht meine Wunden. Lass uns lieber schnell die Krafthandschuhe finden und zu Naboru bringen damit ich zur großen Fee gehen und mich heilen lassen kann.“
    Bei seinen Worten schnappte etwas in Navi ein und sie spürte, wie sie sich schlagartig verschloss. Die Arme vor der Brust verschränkt, wandte sie sich abrupt von Link ab. Fein! Wenn er es so wollte, würde sie sich zukünftig eben nicht mehr für seine Verletzungen interessieren! Und wenn er auf dem Zahnfleisch dahinkroch – das war ihr doch egal!
    Ein tiefer Seufzer ihres Begleiters bewegte die Luft um sie herum und blies ihr ihre Haare ins Gesicht. „Navi…“ Link klang auf einmal unendlich müde. „Ich hab’s nicht so gemeint. Tut mir leid. Du kannst ja nichts dafür. Und ich kann mir vorstellen, wie frustrierend es sein kann, wenn man sich hilflos fühlt.“
    Ein wenig besänftigt drehte die junge Fee sich wieder um, um ihren Schützling ansehen zu können. Während sie sein angespannt wirkendes Gesicht betrachtete, kam ihr plötzlich eine Erkenntnis: Er hatte Recht! Niemandem war damit geholfen, wenn sie bedauerte, was sie alles nicht konnte. Stattdessen sollte sie sich lieber aufs Mögliche konzentrieren und das Beste daraus machen. Vor allem aber brauchte Link, der so viel Verantwortung trug und schon so viel hatte erleiden müssen, jemanden, der für gute Laune sorgte und ihm ein paar seiner Sorgen nahm.
    Deswegen setzte Navi ein strahlendes Lächeln auf und verkündete so beschwingt wie möglich: „Ist schon in Ordnung. Jetzt sollten wir uns erst mal überlegen, was wir mit der Wunde machen, damit du keinen Dreck hinein bekommst.“ „Nichts. Wir haben kein Verbandszeug dabei.“ „Dann müssen wir halt improvisieren…“
    Wenige Augenblicke später, hatte Navi Links Oberarm mit Hilfe einer kaputt gerissenen Ersatztunika und der abgezogenen Bogensehne notdürftig verarztet und begutachtete ihr Werk. „Hm… Es ist nicht perfekt, aber für den Moment muss es reichen.“ Link bewegte probehalber den Arm und nickte: „Ich denke, es wird gehen. Danke, Navi!“ „Ich hoffe nur, dass der Stoff nicht zu sehr auf der Wunde festklebt.“ Der junge Recke zuckte scheinbar desinteressiert mit den Schultern. „Es ist die beste Alternative, die wir momentan haben. Ich beeil mich einfach damit, die Krafthandschuhe zu finden – dann muss ich mir darüber gar keine Gedanken machen.“ Er grinste zu seiner Fee hoch und wandte sich dann wieder dem Raum zu, um ihn endlich zu erkunden.


    Direkt vor ihm befand sich eine Falle, die unaufmerksame Abenteurer am weiteren Vordringen hindern sollte. Doch der Zahn der Zeit hatte unbarmherzig an dem Mechanismus genagt, sodass sich die Messer nur noch sehr langsam von einer Gangseite zur anderen schoben. Den richtigen Moment abzupassen, um die Falle gefahrlos zu passieren, stellte für Link keinerlei Problem dar.
    Hinter den schwerfällig rotierenden Klingen wand sich der Gang in einer weiten Kurve eine kurze Treppe zu einem den Rest des Raumes ausfüllendem Podest herauf. Dieses war oval geformt und führte zu zwei Türen sowie einem weiteren Schacht, durch den nur jemand Kleines und Schmales zu kriechen vermochte.
    Die Augen auf eine zweite, nur stockend kreisende Schwerterfalle gerichtet, murmelte Link: „Früher muss dieser Tempel eine wahre Todesfalle gewesen sein…“ Navi, die wieder einmal auf seiner Schulter saß und versuchte, eine schlecht beleuchtete Steintafel am anderen Ende des Raumes zu entziffern, nickte. „Wir können von Glück reden, dass hier alles so eingerostet ist!“
    Der junge Recke passierte die uneffektive Falle und schritt auf eine in der Mitte des Raums stehende Monsterstatue zu. Sie hatte einen dicken, sich zum Sockel hin verjüngenden Leib und lange, spitze Hörner. Am interessantesten fand Link jedoch Schwert und Schild, mit denen der Steinmetz seine Kreatur ausgestattet hatte. Sie sahen so realistisch aus… Außerdem wurde der Junge das Gefühl nicht los, dass er diese oder zumindest eine sehr ähnliche Statue schon einmal gesehen hatte. Wo konnte das bloß gewesen sein?
    Einige Herzschläge lang starrte Link das steinerne Gebilde an und überlegte, doch als ihm die Antwort nicht einfallen wollte, verwarf er den Gedanken wieder und beschloss, dass es keine Rolle spielte. Er hatte momentan andere Probleme als hässliche Statuen. Also wandte er seinen Blick den beiden Türen zu und seufzte innerlich auf. Beide Ausgänge waren mit dicken Eisenstangen versperrt. Damit blieb ihm nur der Weg durch den Schacht… Dabei würde er sich garantiert die verletzte Schulter anstoßen…
    Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse des Widerwillens und stöhnte: „Na toll!“ Eigentlich hatte der junge Abenteurer mit einer Reaktion seiner Fee gerechnet, doch diese blieb überraschenderweise aus. Stattdessen starrte Navi noch immer mit in Falten gelegter Stirn auf die Steintafel.
    Das war doch frustrierend! Obwohl sie die Sprache der Gerudo lesen konnte, konnte Navi die Schrifttafel nicht entziffern. Es war als bewegten sich die Buchstaben vor ihren Augen und liefen in einander. Das Feenmädchen überlegte bereits fieberhaft, welche Art Zauber hier am Werk sein mochte, als es endlich das verräterische Rascheln wahrnahm und verstand.
    Alarmiert riss Navi an den Haaren ihres Schützlings und rief: „Link! Vorsicht! Dort an der Wand sind noch mehr Fledermäuse!“ Der Junge ließ den Kopf herumschnellen und zog sein Schwert – doch zu spät. Als hätte die Fee sie mit ihrem Ausruf aufgeschreckt, hatten die Feuerflatterer in die Luft geschwungen und stürzten sich bereits mit ausgestreckten Krallen auf Link.
    Dieser duckte sich geschickt unter seinen Angreifern hinweg, verfehlte sie jedoch bei seinem Konter. Eine der Fledermäuse stieß einen hissenden Laut aus und flog eine Schleife, um den jungen Abenteurer erneut zu attackieren. Die andere hingegen schien zunächst abzudrehen und den Kampf aufzugeben. Die Erleichterung, die Link bei diesem Anblick empfand, schlug jedoch schlagartig in Schrecken um, als er erkannte, was seine Kontrahentin in Wirklichkeit vorhatte.
    Anstatt zu fliehen, flog die Fledermaus direkt in eine der im Raum aufgestellten Fackeln. Kaum dass sie die Flammen berührt hatte, fingen ihre Flügel Feuer als wären sie mit Pech bestrichen. Sofort schien Links Brandwunde noch heftiger zu schmerzen, so als erinnerte sich die verschmorte Haut an den direkten Kontakt mit dem brennenden Element. „Wieso verbrennt das Vieh nicht?!“, schoss es dem Jungen durch den Kopf, als die panische Stimme seiner Fee an seine Ohren drang: „Duck dich!“
    Er war von dem Anblick des brennenden Feuerflatterers so gebannt gewesen, dass er die zweite Fledermaus glatt vergessen hatte. Diese stürzte sich mit einem markdurchdringenden Schrei auf Link und traf ihn trotz Navis Warnung an der Schläfe. Blut quoll aus den Schnittwunden, die ihre Krallen hinterlassen hatten, und der junge Recke taumelte überrumpelt nach hinten, bis er mit dem Rücken gegen die Steinstatue stieß.
    Als die erfolgreiche Angreiferin sich anschickte, nachzusetzen und Link das Gesicht zu zerkratzen, sprang Navi von der Schulter ihres Schützlings ab und verpasste der Fledermaus eine schallende Ohrfeige, ohne darüber nachzudenken, in welchem Risiko sie sich damit aussetzte. Sie war klein genug, um auf der Speisekarte ihrer Kontrahentin zu stehen.
    „Navi! Nicht!“ Link riss seinen verletzten Schildarm nach oben, um seine Fee aus der Gefahrenzone zu retten. Doch noch bevor er sie erreicht hatte, erwachte die Statue hinter ihm plötzlich zum Leben und schwang ihr mächtiges Schwert, sodass dem Jungen nichts anderes übrig blieb als zur Seite zu springen. Als er herumwirbelte und das Steinmonster auf ihn zukommen sah, fiel es ihm plötzlich wie Schuppen von den Augen, wo er eine solche Statue bereits früher schon einmal zu Gesicht bekommen hatte: in Dodongos-Höhle. Damals war ihm nichts anderes übrig geblieben als zu flüchten…
    Navi hatte den Moment der allgemeinen Irritation unterdessen dazu genutzt, um zu flüchten, doch die Fledermaus hatte bereits die Verfolgung aufgenommen und holte beständig auf. Zu allem Überfluss hatte sich auch der brennende Feuerflatterer dazu entschlossen, Jagd auf die kleine Fee zu machen, anstatt Link anzugreifen. Er näherte sich von der anderen Seite und schnitt Navi den Weg ab.
    Das Feenmädchen konnte gerade eben noch einen Haken schlagen und die beiden Fledermäuse austricksen, bevor es von ihnen in die Zange genommen werden konnte. In Folge dessen waren die beiden Feuerflatterer zusammengestoßen, sodass Navi nun von zwei brennenden Gegnern verfolgt wurde – nicht gerade eine Verbesserung ihrer Situation… „LINK! HILFE!!!“
    Der tapfere Recke hatte jedoch selbst alle Mühe, sich gegen die zum Leben erwachte Statue zu verteidigen. Diese rückte schwertschwingend immer weiter vor und drängte Link, der angestrengt versuchte, seine hin und her flitzende Fee im Auge zu behalten, allmählich gegen die Wand.
    Navi sah sich bereits ihren Schöpferinnen gegenüber, als die beiden Fledermäuse sie schließlich einkesselten und mit fauchenden Lauten ihre langen, rasiermesserscharfen Reißzähne entblößten. Doch in diesem Moment tat Link etwas völlig unvorhergesehenes.
    Als das Steinmonster mit dem Schwert nach ihm stach, sprang der Jung auf die Klinge, rannte über sie den Arm des Monsters bis zur Schulter hinauf und schmiss sein Kurzschwert mit voller Kraft auf einen der beiden Feuerflatterer. Diesem blieb keine Chance zu reagieren. Er wurde an der gegenüberliegenden Wand aufgespießt wie ein Schmetterling in der Sammlung eines Lepidopterologen. Kaum dass das Leben aus dem Körper der Fledermaus gewichen war, erloschen ihre Flügel, so als hätte nur ihr Lebensodem das Feuer erhalten.
    Ohne sich über seinen Triumph zu freuen, schwang Link sich so schnell er konnte über die Schulter der Steinstatue und zerrte seinen Bumerang aus dem Wunderbeutel. Seine Füße hatten kaum den Boden berührt, als der junge Abenteurer die Wurfwaffe auch schon dem zweiten, vor Überraschung noch erstarrten Angreifer entgegenschleuderte. Der Bumerang wirbelte durch die Luft, trennte dem Feuerflatterer den Kopf vom Rumpf und sauste an Navi vorbei an die gegenübergelegene Wand, wo er laut klirrend zu Boden fiel.
    Dem Feenmädchen schlug das Herz bis zum Hals und es spürte, wie ihm vor Erleichterung die Knie weich wurden. Hätte es in diesem Moment gestanden, es wäre sicherlich auf dem Hintern gelandet. So trudelte Navi langsam an der Wand entlang nach unten, da ihre Flügel sie nicht mehr in der Luft trugen.
    Link hingegen hatte noch keine Zeit für eine Verschnaufpause. Das Statuenmonster hatte sich inzwischen mit überraschender Geschwindigkeit um die eigene Achse gedreht und kam wieder schwertschwingend auf ihn zu. Der junge Recke wich leichtfüßig tänzelnd aus, doch ewig würde er so nicht weitermachen können. Irgendwann würde ihm die Puste ausgehen und dann säße er richtig in der Patsche. Er musste sich etwas einfallen lassen…
    Als hätte sie seine Gedanken gelesen, rief Navi von der Seite: „Das Vieh ist aus Stein! Du weißt, wie man Steine kaputt macht. Benutz deine Bomben!“ Aber sicher doch! Warum war er nicht selbst darauf gekommen?! So schnell er konnte, holte Link eine Bombe hervor, rollte sich über die unverletzte Schulter zu einer der Fackeln, entzündete die Lunte der explosiven Kugel und warf sie der Statue vor die Füße.
    Glücklicherweise war das Monster nicht besonders intelligent, sodass es die Gefahr nicht erkannte. Nur Sekunden später wurde es von der Explosion in Stücke gerissen und in Form von Geröll und Steinmehl im ganzen Raum verteilt.
    Während Link und Navi erleichtert aufatmeten, sich den grauen Staub abklopften und darauf warteten, dass das Klingeln in ihren Ohren nachließ, begannen plötzlich die Eisenstäbe vor den beiden aus dem Raum führenden Türen zu wackeln. Mit einem breiten Grinsen beobachtete Link wie die massiven Stangen langsam im Boden verschwanden und den Weg tiefer in den Tempel freigaben.

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  • Anstatt sich sofort für einen Ausgang zu entscheiden, sammelte der Junge zunächst seine von sich geworfenen Waffen wieder ein und setzte sich neben seine mitgenommen wirkende Fee. Diese lehnte ihren Oberkörper sogleich gegen sein Bein und stieß einen langgezogenen Seufzer aus. Sie war noch einmal mit dem Leben davon gekommen…
    Nachdem sie ein paar Minuten schweigend gerastet hatten, stupste Link seine Begleiterin vorsichtig mit dem Zeigefinger an. „Na, geht’s wieder?“ Navi horchte in sich hinein und nickte: „Ja, mir geht’s gut. Es kann weitergehen!“ „Alles klar.“ Obwohl er darauf gehofft hatte, dass seine Freundin noch einen Moment brauchen und er so eine Ausrede für eine ausgedehntere Pause haben würde, schwang sich der junge Recke sogleich auf die Füße und nahm die beiden Türen in Augenschein.
    „Die Frage ist nur, in welche Richtung es weitergeht.“ Die Arme vor der Brust verschränkt, ließ Link seinen Blick immer wieder von links nach rechts wandern und überlegte, welchen Ausgang er zuerst ausprobieren sollte. Was, wenn einer von ihnen eine Falle war und womöglich Messer aus dem Boden schossen, sobald er versuchen würde die Tür zu öffnen? Dann konnte er nur darauf hoffen, dass der Rost auch diesen Mechanismus nicht verschont und ihm ein wenig Reaktionszeit verschafft hatte.
    Navi schwirrte neben ihm in der Luft und legte den Kopf schief, während sie ebenfalls über das weitere Vorgehen nachdachte. Als ihr schließlich eine Idee kam, hieb sie sich mit der Faust auf die flache Hand und rief: „Hah! Ich hab’s!“
    Ihr Schützling zog eine Augenbraue in die Höhe und bedachte sie mit einem neugierigen Seitenblick. „Steht ein Hinweis auf der Steintafel?“ Das Feenmädchen schüttelte Kopf, sodass seine langen Haare wild umher peitschten. „Leider nein. Es ist nur eine Gebetstafel, die wohl noch aus der Zeit stammt, als dieser Tempel noch als Religionsstätte genutzt wurde. Aber ich habe eine andere Idee.“
    „Jetzt spann mich nicht auf die Folter… Was schlägst du vor?“ Link machte eine ungeduldige Handbewegung und drehte den Oberkörper, um seine Begleiterin besser ansehen zu können. Diese deutete mit dem Daumen über ihre Schulter und sagte: „Ich fliege schnell zurück und frage Naboru, ob sie etwas mehr über den Tempel weiß. Vielleicht hat sie ja sogar so etwas wie eine Karte oder so.“
    „Manchmal könnte ich dich für deine Ideen küssen!“ Der Junge strahlte seine Freundin mit einem erfreuten Lächeln an. Als diese daraufhin errötete und verlegen zur Seite blickte, wurde sein Grinsen noch eine Spur breiter. „Ich… ähm… bin dann gleich wieder da.“ Von Links nur halbherzig unterdrücktem Lachen begleitet, sauste Navi durch den engen Spalt zurück in die Eingangshalle.


    Naboru saß auf dem Treppenabsatz und spielte geistesabwesend mit einer goldenen Schlange, die sie von ihrem Oberarm gezogen hatte. Ihren Bogen hatte sie sich quer über den Schoß gelegt, so als hätte sie Angst, den Kontakt zu ihrer Waffe zu verlieren. Navi erinnerte sich bei diesem Anblick an etwas, das Link ihr von einem Gespräch mit Aveil erzählt hatte.
    Die Gerudo hatte befürchtet, dass ihre Anführerin, die einst Ganondorfs erklärte Gegnerin gewesen war, von den im Geistertempel lebenden Twinrova entführt worden sei. Vielleicht war Naborus Angst davor, sich unbewaffnet in der Göttin des Sandes aufzuhalten also durchaus berechtigt.
    Um die gedankenversunkene Frau nicht zu sehr zu erschrecken, umrundete Navi Naborus Kopf so langsam wie möglich und schob sich bedächtig in ihr Sichtfeld. Dennoch zuckte die Gerudo heftig zusammen, als sie das geflügelte Wesen entdeckte, und riss instinktiv ihren Bogen hoch. Mit einem erschreckten Quieken hob Navi die Hände und rief: „Ich bin’s doch nur!“
    Naboru musterte sie kritisch, bevor sie ihre Waffe endlich wieder sinken ließ. „Die Fee des kleinen Verrückten, der glaubt, ich sei die Weise der Geister… Was tust du hier?“ „Ich hab auch einen Namen, du arrogante Kuh!“, schoss es Navi angesichts der unhöflichen Begrüßung durch den Kopf. Doch anstatt sich zu beschweren, erklärte sie mit gespielter Süße in der Stimme: „Dieser Tempel erscheint uns sehr verwinkelt zu sein. Deswegen wollte ich dich fragen, ob du etwas weißt, dass uns weiterhelfen könnte. Vielleicht besitzt du ja sogar eine Karte – immerhin ist dies ein Tempel der Gerudo und du bist ihre Anführerin.“
    Als Naboru mit dem Kopf schüttelte, hätte Navi am liebsten laut aufgeseufzt. Da zerplatzte ihre schöne Hoffnungsseifenblase… Es wäre ja auch zu schön gewesen!
    Die Gerudo schien die Enttäuschung der Fee gar nicht zu bemerken und verzog das Gesicht zu einer Fratze der Wut. „Früher hat es Karten für den Tempel gegeben. Sogar die Baupläne haben Jahrhunderte überdauert! Die Torwächterinnen haben sie aufbewahrt. Die Torwächterinnen waren–“ „Niedere Priesterinnen, die in der Wüstenburg, dem Tor zur Wüste lebten und das Zwischenglied zwischen Pilgern und Tempelpriesterinnen bildeten. Ich weiß“, fiel Navi ihr ungeduldig ins Wort. Auf was wollte Naboru hinaus?
    Diese stutzte für einen kurzen Moment über das Wissen der Fee, fuhr dann aber unbeirrt fort: „Wir Gerudo hatten riesige Bibliotheken voller antiker Schriften. Doch die Twinrova haben die meisten Aufzeichnungen vernichten lassen. Jahrtausende altes Wissen… von den Flammen verschlungen, einfach so…“ Ihre Stimme verlor sich zu einem Flüstern, in dem Trauer und Wut zu gleichen Teilen mitschwang.
    Navi legte die Stirn in Falten und dachte angestrengt nach. Weshalb hatten die Twinrova die Tempelkarten und -baupläne zerstören lassen? Es war doch außer der Priesterinnen selbst sowieso niemand befugt, den Tempel zu betreten… Das konnte doch eigentlich nur bedeuten, dass… „Irgendwo in diesem Tempel gibt es einen versteckten Raum!“, platzte Navi heraus.
    Ihr Gegenüber sah sie daraufhin aus großen Augen irritiert an. „Wie kommst du darauf?“ „Weil es die einzige Erklärung für die Vernichtung der Karten ist. Der Raum muss auf ihnen eingezeichnet gewesen sein, weswegen es mit ihnen ein Leichtes gewesen wäre, das Versteck der Twinrova zu finden.“
    Erkenntnis erhellte Naborus Gesicht und sie nickte Navi zu. „Du hast Recht, das macht tatsächlich Sinn. Vermutlich haben sie geahnt, dass sich die Gerudo irgendwann gegen sie auflehnen könnten. Wenn unsere Kriegerinnen dann aber hier angekommen wären, hätten sie die Twinrova nicht finden können – und du kannst niemanden bekämpfen, den du nicht ausfindig machen kannst.“
    „Richtig.“ Dieses Mal war es die Fee, die nickte. „Aber was stand in den anderen Schriften, die sie haben vernichten lassen?“ „Vielleicht Hinweise darauf, wie man die beiden Hexen besiegen kann“, mutmaßte Naboru. „Ich habe gehört, dass normale Waffen ihnen nichts anhaben können.“
    „Dann hoffe ich, dass wir ihnen nicht begegnen…“ Navi machte ein besorgtes Gesicht und dachte an Link, der auf der anderen Seite des Schachtes vermutlich schon ungeduldig auf sie wartete. Er hatte es auch so schon schwer genug, es mussten nicht auch noch Probleme mit übermächtigen, verrückten Priesterinnen dazu kommen.
    Bevor Naboru etwas entgegnen konnte, fügte Navi an: „Nun gut, ich weiß noch nicht, wie uns die Information über den geheimen Raum weiterhelfen kann, aber ich danke dir trotzdem. Wir werden einfach Augen und Ohren offen halten. Vielleicht bemerken wir ja etwas.“
    Mit diesen Worten wandte sich die Fee flugs ab und verschwand im Schacht, ohne eine Antwort der Gerudo abzuwarten.

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  • Link hatte sich unterdessen in der Mitte des Raumes niedergelassen und vertrieb sich die Wartezeit damit, kleine Steinchen in die Fahrrinne der langsam kreisenden Messerfalle zu schnipsen. Wann immer sich einer der Kiesel zwischen den Zahnrädern des Mechanismus‘ verkantete, stockte das Messer für einen Moment – nur um sich dann träge weiterzudrehen, wenn das blockierende Gestein zwischen den Metallrädern zermalmt worden war.
    Gelangweilt ließ der Junge sich auf den Rücken fallen und verzog für einen kurzen Moment das Gesicht, als seine verbrannte Schulter auf den Boden traf. Was machte Navi nur so lange?! Die Stimmen von Fee und Gerudo drangen durch den Schacht zu ihm herüber, doch er konnte kein Wort verstehen. Offenbar war das sagenhafte Gehör der Hylianer, das mit ihren langen Ohren in Zusammenhang stehen sollte, nichts weiter als ein Gerücht.
    Als seine Freundin endlich zurückkam, richtete sich der junge Recke sogleich auf und rief ungeduldig: „Und? Was hat Naboru gesagt?“ Zu seiner Enttäuschung schüttelte das Feenmädchen niedergeschlagen mit dem Kopf. „Sie hat leider auch keine Ahnung. Wir werden uns wohl oder übel den richtigen Weg selbst suchen müssen.“
    Mit einem brummelnden Laut der Unzufriedenheit hievte Link sich auf die Füße und wandte sich wieder den beiden Türen zu. Viel schlimmer konnte es kaum noch kommen. Sie waren völlig orientierungslos, das Tempelgebäude war offenbar mit unzähligen Fallen gespickt, er war an der Schulter verletzt, was seine Kampffähigkeiten stark einschränkte, und zu allem Überfluss fühlte er sich, seit er so viel Zeit in dem Körper eines Erwachsenen verbracht hatte, in seinem Kinderkörper nicht mehr wohl. Ihm war als säße die Haut zu eng und er vermisste die Stärke und Größe seines erwachsenen Ichs.
    Sein verstimmter Gesichtsausdruck weckte in Navi den unbändigen Drang, ihren Schützling ein wenig aufzuheitern. Daher fügte sie schnell an: „Aber ich habe etwas anderes herausgefunden. Offenbar gibt es irgendwo in diesem Tempel einen geheimen Raum, in dem sich die Twinrova vor möglichen Angreifern verstecken.“
    „Na toll…“ Link stöhnte auf. Ihm hatte gerade noch gefehlt, dass ihn alte, verrückte Hexen aus dem Hinterhalt angreifen konnten! Als Navi bemerkte, dass sie mit ihrer Bemerkung das Gegenteil des Erwünschten erreicht hatte, zog sie unbehaglich die Schultern nach vorn und murmelte: „Sieh’s doch positiv – wenn die Beiden sich aus Angst vor einer Attacke in irgendeinem Loch verkriechen, können sie so mächtig gar nicht sein.“ Dass Naboru ihr von dem Gerücht erzählt hatte, dass die Twinrova angeblich von normalen Waffen nicht verletzt werden konnten, verschwieg das Feenmädchen in diesem Moment lieber.
    „Ja, vielleicht hast du Recht.“ Link zuckte mit den Achseln und trat an die rechte Tür heran. „Aber das ist gerade ziemlich egal. Ich konzentriere mich lieber darauf, Naboru die Krafthandschuhe zu bringen, damit ich sie in der Zukunft als Weise der Geister ins Heilige Reich schicken kann.“ Mit diesen Worten stieß er kraftvoll die Tür auf und sprang sofort zurück, um einer eventuellen Falle zu entgehen. Als jedoch nichts passierte, trat er aufatmend über die Schwelle. Navi nickte stumm und folgte ihrem Schützling in den nächsten Raum.


    Dieser war langgezogen und in der Mitte durch einen tiefen Graben geteilt. Link blieb irritiert an der Klippe stehen und sah mit großen Augen hinab. „Woa… Diese Kluft muss mehrere Stockwerke tief sein! Ich kann den Boden nicht einmal erahnen!“ Vor Ehrfurcht vor diesen gewaltigen Tiefen brachte der Junge nur ein Flüstern zustande.
    Navi, die das Rascheln von Fledermausflügeln vernommen hatte, sah sich aufmerksam im Raum um, anstatt dem Blick ihres Begleiters zu folgen. Auf der anderen Seite des Grabens hatte jemand einen feinmaschigen Metallzaun errichtet, dessen Rautenmuster sich bis zur Decke erstreckte. Offenbar hatte dieser jemand auf Nummer sicher gehen wollen, dass niemand auf die gegenüberliegende Seite gelangte. Aber weshalb?
    Während ihr Freund noch immer fasziniert in die Tiefe starrte, flog die Fee zu der Maschendrahtwand herüber, steckte ihren Kopf hindurch – und erschrak. Nur wenige Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt kauerte eine Fledermaus, die Navi fälschlicherweise für einen Schatten gehalten hatte, an der Wand und schlief. Als das Feenmädchen erkannte, dass von dem dösenden Tier zumindest im Moment keine Gefahr ausging, beruhigte sich sein Herzschlag allmählich wieder.
    Dennoch zitterten ihre Finger, mit denen sie den Maschendraht umklammerte, während Navi sich auf der anderen Seite des Raumes umsah. Mindestens fünf Fledermäuse hatten sich in unregelmäßigen Abständen über die Wand verteilt und schienen selig zu schlummern. Doch was noch wesentlich interessanter war: Vor der gegenüberliegenden Mauer war eine Art kleiner Altar errichtet worden, auf dem ein silberner Schlüssel im Fackelschein schimmerte.
    Navi konnte sich gut vorstellen, dass sich dieser noch als nützlich erweisen würde. Doch leider war von dieser Raumseite aus kein Herankommen. Oder…? Vielleicht konnte sie sich ja durch die Wandmaschen zwängen, sich den Schlüssel schnappen und zu Link bringen, bevor die Fledermäuse erwachten?
    Das mutige Feenmädchen schob bereits seinen Oberkörper durch das Drahtnetz, als Link seinen Plan kaputt machte, indem er rief: „Siehst du irgendetwas Interessantes, Navi?“ Bei dem lauten Klang seiner Stimme, schreckten die Fledermäuse hoch und Navi sah sich plötzlich einem weit aufgerissenen, roten Auge gegenüber, das sie feindselig und hungrig musterte.
    Mit einem schrillen Kreischen drückte die Fee sich zurück durch die Zaunmasche – gerade noch rechtzeitig. Wo kurz zuvor noch ihr Kopf gewesen war, krachte nun eine Fledermaus gegen die Maschendrahtwand und verbiss sich fauchend im Draht. Ihre Artgenossinnen taten es ihr fast augenblicklich nach, sodass das Drahtnetz unter ihren Zähnen und Krallen vibrierte.
    So schnell sie konnte, flüchtete Navi sich zu ihrem betreten dreinblickenden Freund, der sie schützend in seine Hände nahm. „Tut mir leid. Wenn ich gewusst hätte, dass es da drüber vor Fledermäusen nur so wimmelt, wäre ich leiser gewesen…“ Die Fee schüttelte den Kopf und winkte ab. „Schon gut. Mir ist ja nichts passiert. Nur leider kann ich es jetzt vergessen, den Schlüssel zu holen.“ „Schlüssel? Was für ein Schlüssel?“
    Nachdem seine Begleiterin ihm kurz zusammengefasst hatte, was sie gesehen hatte, schaute Link noch zerknirschter aus der Wäsche. „Und was machen wir nun?“ „Ich bin mir zwar nicht sicher, aber ich glaube, ich habe auf der anderen Seite eine Tür gesehen. Vielleicht kommen wir irgendwie dahin, wenn wir zurückgehen und es mit dem anderen Ausgang versuchen.“


    Gesagt, getan. Link schob sich vorsichtig in den angrenzenden Raum und staunte nicht schlecht. Dieser hatte noch weniger Boden als der andere! Es gab lediglich auf beiden Seiten je ein kleines Podest, das wie ein Schwalbennest in den Raum ragte.
    Doch der junge Recke hatte keine Zeit, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, wie er auf die gegenüberliegende Seite gelangen sollte. Vor ihm ragte ein hämisch grinsender Skelettkrieger auf und schlug mit seinem gezackten Schwert nach ihm. Link sprang geschickt aus der Gefahrenzone, während Navi sich flugs unter seine Mütze flüchtete. Sein eigenes Schwert ziehend, dachte Link an seine bisherigen Begegnungen mit Skelettkriegern und ihm sank der Mut. Die untoten Kämpfer waren selbst für sein erwachsenes Ich eine Herausforderung. Wie sollte er in seinem deutlich schwächeren Kinderkörper bloß gegen eines dieser Monster bestehen?!
    Als könnte sie seine Gedanken lesen, sagte Navi: „Gib nicht auf, Link! Du bist diesem Vieh vielleicht unterlegen, doch denk dran: Was dir an Kraft fehlt, kannst du mit Geschicklichkeit wieder wettmachen!“
    Zunächst konnte der Junge sich keinen Reim auf den Rat seiner Fee machen. Wie sollte er seine Geschicklichkeit ausspielen, wenn er nur mit Mühe und Not den Angriffen des Skeletts ausweichen konnte? An eine Gegenattacke war nicht einmal zu denken…
    Als Link einen Schlag des Monsters mit dem eigenen Schwert parierte und ihm die Waffe durch die Wucht des Aufpralls aus der Hand gerissen wurde, kam ihm jedoch eine Idee! Während er starr vor Schreck beobachtete, wie das Kokiri-Schwert über den Boden auf den Abgrund zu rutschte, formte sich allmählich ein Plan im Hinterkopf des Jungen.
    In letzter Sekunde wich er einer erneuten Attacke aus, doch anstatt zurück oder zur Seite zu springen, hechtete Link nach vorn und ließ sich nach hinten auf die Hände fallen. Dabei streckte er ein Bein lang aus und wirbelte nach links, um dem Skelett die Beine wegzuziehen.
    Anstatt zu fallen, sprang das Monster jedoch über Links Bein hinweg. Der Recke fluchte bereits stumm in sich hinein, als der Skelettkrieger plötzlich wie wild mit den Armen zu fuchteln begann. Bei seinem Ausweichmanöver war er zu nah am Abgrund gelandet und kämpfte nun um sein Gleichgewicht. Um sich schneller wieder stabilisieren zu können, ließ er sogar sein schweres Schwert fallen.
    Link rappelte sich so schnell er konnte wieder auf, schnappte sich die mächtige Waffe und rammte sie dem Skelett mitten in den Brustkorb. Durch den Aufprall verlor das Monster vollends die Balance und stürzte von einem jaulenden Schrei begleitet in die Tiefe.
    Der Junge atmete auf und fiel vor Erleichterung auf die Knie. Dass er diesen Kampf unversehrt überstanden hatte, war nichts weiter als Glück gewesen. Navi kroch unter seinem Mützensaum hervor und applaudierte: „Das war clever gemacht. Ich bin sehr stolz auf dich.“ „Danke.“ Link lächelte seine Freundin kurz an, bevor er sich wieder auf die Füße hievte und sein verlorenes Schwert aufsammelte.
    Dann wandte er sich der Schlucht zu und staunte nicht schlecht. „Hey, Navi!“ „Ja?“ „Bilde ich mir das ein oder ist da drüben wirklich so etwas wie eine hochgezogene Brücke?“ „Sieht ganz danach aus.“ „Hm…“ Link legte grübelnd den Kopf zur Seite. „Wie man sie wohl herablässt?“ „Moment. Ich gucke mir das mal aus der Nähe an.“
    Flink überquerte das Feenmädchen den Graben und inspizierte die gegenüberliegende Seite. Am Rand des Podests war eine metallene Brücke befestigt, die offenbar durch einen Zahnradkreislauf hochgezogen oder herabgelassen werden konnte. Navi staunte stumm in sich hinein. Die antiken Gerudo mussten erstaunliches Wissen und Geschick besessen haben, dass sie derart komplizierte Mechaniken hatten bauen können.
    Doch das tat momentan nichts zur Sache. Wo war der Schalter, der den Mechanismus in Gang und die Brücke herablassen würde? Ob es der Kristallschalter in der Mitte des Podestes war? Navi warf sich mit vollem Gewicht dagegen, doch sie war zu schwach, um etwas auszurichten. Also sah sie sich noch einmal gründlich um und kehrte dann zu ihrem Schützling zurück.
    Kaum dass sie ihn erreicht hatte, deutete sie auch schon hinter sich und sagte: „Da hinten ist ein Kristallschalter – siehst du ihn?“ Link kniff die Augen leicht zusammen und nickte. Daraufhin fuhr Navi fort: „Ich denke, damit lässt man die Brücke herunter. Ich konnte ihn nicht auslösen, aber vielleicht kannst du ihn mit Hilfe deines Bumerangs aktivieren.“
    Nickend holte der Junge seine Wurfwaffe hervor und schleuderte sie mit voller Kraft in Richtung des Schalters. Das Wurfeisen sauste durch die Luft, prallte mit einem lauten Scheppern gegen den Kristall und fiel dann zu Boden, anstatt zu Link zurückzukommen. Dieser hielt daraufhin vor Anspannung den Atem an und sah ein wenig ängstlich zu seiner vor ihm schwebenden Fee auf.
    Dies war ihre einzige Chance gewesen. Wenn die Brücke sich nicht rührte, würden sie die Krafthandschuhe womöglich nie finden. Dann würde Naboru ihnen nie Vertrauen schenken und wäre als Weise der Geister vielleicht auf ewig verloren. Dann…
    Link zwang sich, aus dem Strudel seiner düsteren Gedanken aufzutauchen. Noch war nichts verloren. Kein Grund, in Panik zu verfallen!
    Für einen viel zu langen Moment geschah gar nichts, doch dann setzte sich endlich der Brückenmechanismus in Gang. Von einem lauten Schleifen und Quietschen begleitet, senkte sie die Brücke, bis sie eine Verbindung zwischen den beiden Raumseiten geschaffen hatte.
    Link stieß die angehaltene Luft aus und auch Navi seufzte vor Erleichterung auf. Diese Hürde war genommen!
    Der Junge überquerte behände die schmale Brücke, während seine Fee neben ihm her flog. Auf der anderen Seite angekommen, verstaute er zunächst seinen Bumerang im Wunderbeutel und öffnete dann die nächste Tür.

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    Avatar-Artwork von mokke; Signatur-Artwork von Kamui Fujiwara (official artwork)