Ocarina of Time

  • Der obere Raum war beinah kreisrund und im hinteren Bereich lichtdurchflutet. Dort fielen goldene Sonnenstrahlen in breiten Bahnen durch ein reich verziertes Deckenfenster und ließen die feinen, in der Luft treibenden Staub- und Sandpartikel geheimnisvoll schimmern. Das Auffälligste im Raum war jedoch die große Schlangenstatue, die inmitten des Lichtkegels stand.
    Sie hatte die Form einer Kobra, wobei nur der Kopf und das Nackenschild vollständig ausgearbeitet worden waren. Der restliche Körper war zusammengeschrumpft dargestellt worden, sodass der lange Schwanz der Schlange lediglich als aufgerollt an der Seite der Statue angedeutet war.
    Unterhalb des offenstehenden Mauls mit den bedrohlich spitzen und langen Zähnen war auf der Vorderseite des Nackenschilds ein großer, ovaler Spiegel angebracht worden, der einen Teil des Sonnenlichts ablenkte und an die gegenüberliegende Wand warf. Der Großteil der Sonnenstrahlen traf jedoch den Rücken der Kobra.
    Von seiner Kletterpartie noch immer leicht außer Atem, trat Link an die Skulptur heran und betrachtete sie neugierig. Seine Aufmerksamkeit galt vor allem den zwei langen Eisenstangen, die auf beiden Seiten der Kobra in den Stein eingelassen worden waren.
    „Wozu das wohl gut sein soll“, wunderte sich der junge Held und strich gedankenversunken über eine der Stangen. „Sieht ganz so aus als könnte man die Statue drehen. Aber wozu?“
    „Ich denke, ich kenne die Antwort.“ Navi grinste wie ein Honigkuchenpferd, doch sie kam nicht dazu, ihrem Schützling ihren Verdacht mitzuteilen. Denn in just diesem Moment stöhnte der Herr der Zeiten plötzlich laut auf und krümmte sich vornüber als hätte er einen Tritt in die Magengrube bekommen.
    „Was hast du?!“ Navi riss die Augen auf und musterte ihren Freund besorgt. Dieser atmete tief durch und richtete sich langsam wieder auf. „Ich… ich weiß nicht. Es war auf einmal als hätte mir jemand in den Magen geboxt. Keine Ahnung, wo das herkam.“
    Die Fee zog ein unglückliches Gesicht, während sie nicht sehr überzeugt überlegte: „Vielleicht hast du dich beim Klettern überanstrengt oder so.“
    Link wollte nicken und das Thema zu den Akten legen, stattdessen spürte er einen harten Schlag gegen den Rücken und stürzte zu Boden wie ein gefällter Baum. Über sein eigenes Keuchen, als der Aufprall ihm die Luft aus der Lunge presste, hinweg hörte er undeutlich wie Navi einen Laut des Erschreckens ausstieß. Ein reißender Schmerz schoss durch seine verletzte Schulter und ließ ihn leise wimmern.
    Der junge Mann mühte sich nach Kräften, wieder auf die Beine zu kommen, doch es war als hielte ihn die Hand eines Riesen auf den Boden gedrückt. Link glaubte beinah, die einzelnen Finger auf sich zu spüren.
    Navi landete neben seinem Gesicht und sah ihn aus geweiteten, angsterfüllten Augen an, während sie zaghaft einen Arm nach ihm ausstreckte. Offenbar glaubte sie, ihr Schützling habe spastische Zuckungen oder dergleichen. Bevor die Fee irgendetwas sagen konnte, wurde sie jedoch ebenfalls von der unsichtbaren Macht erfasst und gegen die gegenüberliegende Wand geschleudert.
    „NAVI!“ Panik und Sorge explodierten in Links Brust und er stemmte sich noch verbissener gegen das unsichtbare Gewicht auf seinem Rücken. Dass sich dabei etwas Scharfkantiges in seine Seiten bohrte, ignorierte der junge Mann einfach.
    „Ughn…“ Vor Schmerzen stöhnend kam Navi allmählich wieder zu sich, was Link erleichtert aufatmen ließ. Die Freude verflog jedoch schnell wieder, als der junge Mann den Knick in einem von Navis Flügeln entdeckte. Offenbar war er bei dem Aufprall kaputt gerissen.
    Die Fee selbst schien sich um ihren Flügel nicht zu scheren. Stattdessen rief sie: „Es ist ein Todesgrabscher, Link! Du musst schnell wieder auf die Beine kommen!“
    Der Herr der Zeiten versuchte es noch einmal mit aller Kraft, die er trotz seiner Prellung aufbringen konnte, doch das unsichtbare Monster war zu stark. Auf diese Weise würde Link es nie schaffen, es abzuschütteln – ganz im Gegenteil. Wann immer er sich vom Boden hochstemmen wollte, bohrten sich die Krallen des Todesgrabschers noch tiefer in seine Seite.
    Es war allein dem Kettenanzug zu verdanken, dass Link noch keine ernsthaften Verletzungen davon getragen hatte. Lange würden die Metallmaschen den Klauen jedoch nicht mehr standhalten können.
    Er musste sich etwas anderes einfallen lassen – und zwar schnell!
    Die Augen noch immer auf seine verletzte Begleiterin geheftet, kam Link eine Idee. Er musste es nur irgendwie schaffen, seine Hand in den Wunderbeutel zu schieben, obwohl der Todesgrabscher seine Arme fest an seine Seiten presste.
    Das Monster verstärkte seinen Griff, als es die Bewegung unter sich registrierte, doch das hielt Link nicht auf. Der Herr der Zeiten biss tapfer die Zähne zusammen und verrenkte sich beinah die geprellte Schulter, um an seinen Wunderbeutel heranzukommen. Als er es endlich geschafft hatte, zog er einen einzelnen Pfeil hervor.
    Navi hielt ihren zerrissenen Flügel und blinzelte irritiert zu ihrem Schützling herüber. Was wollte er in dieser Situation mit einem Pfeil? Er hatte doch keinerlei Möglichkeit, seinen Bogen zu benutzen…
    Wenige Herzschläge später wurde der Fee allerdings klar, dass sie sich geirrt hatte. Link hatte niemals im Sinn gehabt, seine Schusswaffe zu gebrauchen.
    Stattdessen rammte er die Spitze des Pfeils blind in die Seite des unsichtbaren Monsters. Dieses quiekte vor Schmerzen auf und ließ für einen Moment locker genug, dass Link es abschütteln konnte.
    So schnell er konnte, hievte der junge Kämpfer sich wieder auf die Füße und zog sein Schwert. Zunächst hatte er vorgehabt, das Auge der Wahrheit aus seinem Beutel zu holen, um zu testen, ob er den Todesgrabscher damit sehen konnte. Wie sich herausstellte, war dies jedoch völlig überflüssig.
    Das Blut, das aus der Wunde, die der Pfeil gerissen hatte, hervorquoll, verriet deutlich, wo sich das Monster befand.
    Ohne zu zögern holte der Herr der Zeiten aus und ließ die Schneide des Master-Schwerts auf den Todesgrabscher niedersausen. Die geprellte Schulter protestierte mit einer starken Schmerzenswelle gegen die Bewegung, was dem Schlag einiges an Kraft nahm. Glücklicherweise durchschlug die scharfe Klinge Haut, Fleisch und Knochen dennoch als bestünden sie aus nicht mehr als trockenem, bröckeligem Sand.
    Im Tod fiel der Tarnzauber des Monsters von ihm ab und die zwei Hälften einer halbverwest aussehenden, knorrigen Hand wurden sichtbar. Link stellte mit Grauen fest, dass Todesgrabscher beinah genau wie die Hände einer menschlichen Leiche aussahen. Die einzigen Unterschiede waren die Größe und die rasiermesserscharfen, spitzen Krallen, die an Stelle der Fingernägel saßen.
    Schaudernd wandte Link sich ab und eilte mit wenigen langen Schritten zu seiner Fee herüber. „Wie geht es dir?“ Navi zuckte mit den Achseln und verzog sogleich das Gesicht zu einer Fratze des Schmerzes. „Ich werd’s überleben.“ Dann warf sie einen traurigen Blick auf ihren lädierten Flügel und fügte an: „Aber ich werde wohl so schnell nicht mehr fliegen können.“
    „Ich könnte dich zur großen Fee bringen“, schlug Link vor, obwohl ihm der Gedanke, Naboru noch länger warten zu lassen alles andere als behagte. Dementsprechend war er insgeheim erleichtert, als Navi abwinkte: „Nein, ist schon gut. Das eilt nicht. Lass uns zuerst Naboru aus den Fängen der Twinrova befreien. Danach können wir uns um meinen Flügel kümmern.“
    Link nickte und streckte seiner Begleiterin eine Hand entgegen damit sie an seiner Kleidung zu ihrem Stammplatz emporklettern konnte. „Alles klar. Dann werde ich dich den Rest des Weges wohl tragen müssen.“ Navi stieg auf seine Handfläche und machte eine herrschaftliche Geste: „Diener, setz mich auf deine Schulter.“
    In sich hereinlachend verdrehte Link gespielt genervt die Augen und tat wie ihm geheißen. „Du wirst deine Verletzung gnadenlos ausnutzen, um mich herumzukommandieren, oder?“ Die Fee grinste so breit, dass ihr beinah die Mundwinkel einrissen. „Worauf du dich verlassen kannst!“

    ZF-Signatur-2.jpg

    Avatar-Artwork von mokke; Signatur-Artwork von Kamui Fujiwara (official artwork)

  • „Deine erste Amtshandlung als mein neuer Leibdiener wird es sein, die Kobra-Statue zu drehen. Im Uhrzeigersinn.“ Navi grinste noch immer und schien sich über ihre neue Rolle als Herrin königlich zu amüsieren.
    Link verdrehte die Augen und betete stumm zu den Göttinnen, seine Begleiterin möge schnell den Spaß daran verlieren, ihn wie einen Knecht zu behandeln. Navi gegenüber entgegnete er jedoch nur: „Natürlich, Mylady. Aber verratet Ihr mir netterweise, wozu das gut sein soll?“
    Die Feenfrau kicherte bei seiner förmlichen Sprache leise in sich hinein und fragte dann: „Siehst du diese sonnenförmigen Ornamente an den Wänden?“
    Erst jetzt bemerkte Link, dass ein Teil der gemauerten Raumwände verputzt und mit goldenen Sonnen verziert worden war. Im ersten Moment fragte der junge Held sich verwirrt, was diese Ornamente mit der Statue zu tun haben sollten, aber dann kam ihm plötzlich die Erleuchtung.
    „Das sind nicht einfach nur aufgemalte Sonnen“, stieß er ein wenig atemlos hervor. „Das sind die gleichen Licht empfindlichen Schalter, denen wir bereits im Westflügel begegnet sind!“
    Navi nickte wohlwollend. „Genau. Ich bin mir sicher, dass einer von ihnen die Tür öffnen wird.“ „Und die anderen?“ Link blickte mit nachdenklichem Gesichtsausdruck zu den Sonnenornamenten herüber. Irgendwie hatte er auf einmal ein ganz mieses Gefühl…
    Seine Fee hingegen zuckte leichthin mit den Schultern. „Die anderen sind vermutlich Attrappen und sollen uns verwirren.“ „Hm. Das erscheint mir zu einfach.“ Link konnte sich nicht vorstellen, dass sich die Erbauer dieses Tempels, der vor raffinierten Abwehrmechanismen nur so strotzte, an dieser Stelle mit simplen Blendwerken zufrieden gegeben haben sollten.
    Als Navi seine angespannte Miene sah, fragte sie in einem beinah beleidigend amüsierten Ton: „Was? Hast du etwa Angst vor irgendwelchen Fallen?“ Link presste die Kiefer fest aufeinander und nickte. „In diesem Tempel wimmelt es von Fallen. Weshalb sollte es hier anders sein?“
    Für einen Moment legte Navi ebenfalls ihre Stirn in Falten und schien über Links Befürchtung nachzugrübeln. Doch dann brach sie auf einmal in Gelächter aus: „Seit wann bist eigentlich du der Vorsichtige von uns? Früher war doch immer ich diejenige, die sich zu viele Gedanken gemacht hat.“
    Link warf ihr einen gekränkten Seitenblick zu und brummelte: „Vielleicht seit ich auf dieser Reise bereits mehrfach beinah draufgegangen wäre?“
    Die Fee schien den Einwurf ihres Schützlings überhört zu haben. Jedenfalls klang sie noch immer amüsiert, als sie anfügte: „Du machst dir zu viele Sorgen, Link. Ja, in diesem Tempel gibt es haufenweise Fallen. Aber hast du auch nur eine gesehen, die nicht völlig verrostet und ungefährlich war?“
    Der junge Abenteurer öffnete den Mund, um seiner Begleiterin einige der Gefahren aufzuzählen, denen sie im Geistertempel bereits begegnet waren – riesige, hin und her rollende Steinkugeln, Treibsand, Raubschleime, die sich in Truhen versteckten… – doch aus seinem Mund kamen zu seiner eigenen Überraschung ganz andere Worte: „Mag sein, dass ich übervorsichtig bin. Aber ich möchte halt keine unnötigen Risiken eingehen. Lass mich die Sonnen mit dem Auge der Wahrheit testen, bevor ich die Statue drehe.“
    Gesagt, getan. Allerdings musste Link feststellen, dass das alte Shiekah-Relikt in diesem Fall keine Hilfe war. Deswegen knurrte er, als Navi ihn fragte, was er sehe: „Nichts anderes als ohne das Auge der Wahrheit. Genauso gut könnte ich durch ein einfaches Monokel gucken.“
    „Also sind alle Schalter echt“, schlussfolgerte Navi. „Also wird jeder von ihnen etwas auslösen?“ In Links Stimme schwang ein Ich-hab-dir-gesagt-dass-es-Fallen-sind-Unterton mit. Seine Fee schüttelte jedoch mit dem Kopf. „Nicht zwangsläufig. Es bedeutet nur, dass die anderen Sonnen tatsächlich mit Farbe an die Wand gemalt worden und keine Illusion sind. Das Auge der Wahrheit lässt dich nur Magie enttarnen, mehr nicht.“
    Tief aufseufzend ließ Link das Artefakt wieder in seinem Wunderbeutel verschwinden. „Mit anderen Worten: Mir bleibt nichts anderes übrig als jeden Schalter auszuprobieren und auf das Beste zu hoffen.“
    Navi tätschelte ihm aufmunternd die Halsseite, während der Herr der Zeiten an die Kobra-Statue herantrat, sich einen festen Stand suchte und sich anschließend mit seinem gesamten Körpergewicht gegen eine aus dem Nacken der Statue herausragende Stange stemmte.
    Die geprellte Schulter sandte dumpfe Schmerzwellen durch Links Körper, doch der junge Krieger biss tapfer die Zähne zusammen. Dicke Schweißtropfen bildeten sich auf Links Stirn, doch die Statue ließ sich keinen Millimeter bewegen. Da sie ansonsten nichts tun konnte, um zu helfen, hievte Navi sich auf die Füße und begann rhythmisch zu klatschen und ihren Schützling anzufeuern.
    Dieser war schon kurz davor aufzugeben, als aus Richtung des Statuensockels ein knirschendes Geräusch erklang und die Schlange sich endlich bewegen ließ. Offenbar war unterhalb der Statue eine Art Zahnradmechanismus angebracht, der das Drehen eigentlich hatte erleichtern sollen, nun aber so verrostet gewesen war, dass er selbst für die Macht der Krafthandschuhe ein würdiger Gegner war.
    Schnaufend drehte Link die Schlangenstatue so, dass der große Spiegel auf der Frontseite das durch die Decke fallende Sonnenlicht auf die erste Sonne warf. Kaum dass die reflektierten Sonnenstrahlen auf den Schalter trafen, rissen Hylianer und Fee überrascht die Augen auf.
    Bislang hatten die Sonnenschalter angefangen, zu glühen, sobald sie mit Tageslicht in Berührung gekommen waren. Dieser Schalter jedoch fing Feuer und brannte innerhalb von Sekunden vollständig ab als bestünde er aus lampenölgetränkten Lumpen. Nicht mal eine halbe Minute später war alles, was noch von der goldenen Sonne zeugte, ein schwarzer Brandfleck an der Wand.
    Navi wollte gerade sagen „Eine Attrappe, siehst du? Ich hab’s dir doch gesagt.“, als ein kalter Luftstoß sie innehalten ließ. Es hatte sich angefühlt als wäre etwas Großes unmittelbar neben ihr zu Boden gefallen. Doch als sie sich nun umsah, konnte sie nichts entdecken.
    Beinah panisch krallte sich die Fee in die Haare ihres Schützlings und rief: „Link! Pass auf! Irgendwo hier ist ein weiterer Todesgrabscher!“
    Überrascht und reflexartig sein Schwert ziehend, wirbelte der junge Krieger herum und ließ seinen Blick auf der Suche nach dem Monster durch den Raum zucken, bis ihm mit einigen Sekunden Verzögerung wieder einfiel, dass sich Todesgrabscher häufig mit Unsichtbarkeitszaubern tarnten.
    Während Link mit der rechten Hand nach seinem Lederbeutel tastete, um erneut das Auge der Wahrheit hervorzuholen, hielt er mit der linken das Master-Schwert abwehrend vor sich. Sobald er das antike Shiekah-Relinkt aus dem Beutel gezogen hatte, riss er es vor sein Gesicht – gerade noch rechtzeitig. Denn genau in dem Moment, in dem Link den Todesgrabscher enttarnte, setzte dieser zum Sprung an, um den Herrn der Zeiten gegen die rückwärtige Wand zu schleudern.
    Es gelang Link nur knapp, im letzten Moment auszuweichen. Dann wirbelte er sofort herum und versetzte dem Monster einen Stich mit seinem Schwert. Dieses stieß einen Laut aus, der wie eine Mischung aus Quieken und Fauchen klang, und stieß sich von der Wand ab, um sich gegen Link zu katapultieren.
    Unbeeindruckt von dieser erneuten Attacke, brachte Link sich mit einem kleinen Satz zurück aus der Gefahrenzone. Das Monster fauchte erbost, als es an Link vorbei durch die Luft flog, hart auf dem Boden aufprallte und schlitternd über die Steinfliesen rutschte.
    Der Todesgrabscher bemühte sich sichtlich, wieder festen Stand zu erreichen, bevor der Herr der Zeiten seinerseits erneut attackieren konnte. Doch die tiefe Fleischwunde in seinem Rücken machte die Bewegungen des Ungetüms langsam und träge.
    Mit nur wenigen Schritten hatte Link das Monster erreicht und ließ seine heilige Klinge auf es hinter sausen. Grünliches Blut spritzte an die Wände und breitete sich zu einer großen Lache auf dem Boden aus.
    Link rümpfte ein wenig die Nase und stupste Navi, die sich den ganzen Kampf über panisch in seinen Haaren festgeklammert hatte, sanft an. Ein wenig zögerlich schlug die Fee die Augen wieder auf und drehte ihren Kopf, sodass sie ihr Gesicht nicht länger in Links Pferdezopf vergrub.
    Während des Kampfes hatte Navi sich nicht ansehen können, was passierte. Ihre Angst, Link könnte von dem unsichtbaren Gegner übermannt werden, war einfach zu groß gewesen. Zu der Sorge um ihren Schützling war zudem auch noch die Sorge um sich selbst hinzugekommen. Bislang hatte sich die Fee immer wieder fliegender Weise aus brenzligen Situationen heraushalten können.
    Doch mit ihrem beschädigten Flügel fühlte sie sich wehrlos und ausgeliefert. Wie sollte sie sich retten, wenn sie nicht wegfliegen konnte? Sie glaubte nicht daran, dass sie schnell genug laufen konnte, um einem Monster zu entkommen.
    Als sie nun die sterblichen Überreste des Todesgrabschers sah, atmete Navi daher erleichtert auf. Diese Gefahr war gebannt. Die Feenfrau wusste, dass ihnen in diesem Tempel noch unzählige andere Ungeheuer begegnen würden, doch fürs Erste waren sie in Sicherheit.
    Link betrachtete ebenfalls den Kadaver des Todesgrabschers, zog dabei jedoch eine nachdenkliche Miene. „Was meinst du, wo das Vieh plötzlich herkam und warum es uns erst so spät angegriffen hat?“
    Navi kreiste mit den Schultern als wollte sie ein unangenehmes Gewicht abschütteln und gab kleinlaut zu: „Ich glaube, es ist erst erschienen, als du den Sonnenschalter aktiviert hast… Vielleicht hat der Schalter eine Deckenklappe geöffnet oder so.“
    Wie an Fäden gezogen, legte Link augenblicklich seinen Kopf in den Nacken und suchte die Decke mit den Augen ab. Schon nach wenigen Sekunden erhellte Erkenntnis das Gesicht des Recken. Ziemlich genau über der Stelle, wo er und Navi gestanden hatten, als der Todesgrabscher plötzlich aufgetaucht war, baumelte das Verschlussbrett einer nun offenstehenden Luke von der Decke.
    Der Sonnenschalter war also tatsächlich eine Falle gewesen!
    Doch alles, was Link dazu sagte, war nur: „Sieht aus als müsste ich von nun an besonders aufmerksam sein, wenn ich einen der Schalter aktiviere.“


    Auch die nächsten beiden Sonnenschalter gingen in Flammen auf, sobald die ersten Sonnenstrahlen sie berührten. Weitere Todesgrabscher tauchten jedoch zum Glück nicht auf. Stattdessen fielen aus den sich öffnenden Deckenluken kleine Holzkisten, die Link neugierig beäugte.
    Anstatt die Statue weiter zur letzten Sonne zu drehen, kniete sich der Herr der Zeiten vor die zuerst herunter gefallene Truhe und kaute unschlüssig auf der Unterlippe. Navi betrachtete ihn mit hochgezogenen Augenbrauen von der Seite und fragte: „Was ist? Warum öffnest du sie nicht?“
    Grübelnd kratzte Link sich am Hinterkopf und antwortete: „Mein Instinkt sagt mir, dass es sich bei diesen beiden Kisten wieder nur um weitere Fallen handelt. Mein Verstand hingegen sagt mir, dass ich trotz meiner Angst vor Hinterhalten jede Truhe öffnen muss, die ich finde. Schließlich könnte in einer dieser Beiden ein Schlüssel sein, den wir später unbedingt brauchen, um weiterzukommen.“
    „Dann öffne die Kiste!“ Navi sah ihren Schützling aus großen Augen auffordernd an. Dieser holte tief Luft und warf seiner Fee dann einen beinah ängstlichen Seitenblick zu. „Und wenn es doch nur wieder eine Falle ist?“
    Link hatte damit gerechnet, dass Navi ihm wieder sagen würde, er denke zu viel. Doch stattdessen legte ihm seine Begleiterin eine Hand an die Wange und lächelte ihn warm an. „Dann wirst du auch diese Situation meistern. Ich glaube ganz fest an dich.“
    Bei den Worten seiner Freundin zuckten Links Mundwinkel unwillkürlich nach oben und er setzte bereits zu einem „Danke“ an, als die sonst so verschlossene Navi ihm offenbarte: „Damals, als der Deku-Baum mich zu dir geschickt hat, war ich, ehrlich gestanden, entsetzt. Ich dachte: ‚Dieser ungeschickte, tollpatschige Knilch wird niemals schaffen, was der Deku-Baum von ihm verlangt‘. Ich glaubte fast, der Deku-Baum habe sich geirrt und du seist gar nicht der Auserwählte.“
    Link runzelte die Stirn, bis über seiner Nase eine leichte Falte entstand und blickte seine Fee verständnislos an. Hatte sie ihm nicht vorhin erst gesagt, dass sie an ihn glaubte? Warum erzählte sie ihm dann nun, für was für einen Versager sie ihn von Anfang an gehalten hatte?
    Als Navi weitersprach, erkannte Link jedoch, auf was sie hinauswollte, und die Stirnfalten wichen einem verlegenen Lächeln: „Doch dann bin ich mit dir zusammen in den Deku-Baum hinein gegangen, habe dich kämpfen und leiden sehen. Und vor allem habe ich gesehen, wie du jedes Mal, wenn dich etwas zu Boden geworfen hat, wieder aufgestanden bist. Ich habe erkannt wie zäh und willensstark du bist. Das hat mir imponiert. Und mit jedem Abenteuer mehr, das wir zusammen durchgestanden haben, wurde ich mir immer sicherer, dass der Deku-Baum Recht hatte: Du kannst alles schaffen, so lange du nur an dich glaubst.“
    Navi sah mit vor Stolz und Zuneigung strahlendem Gesicht zu Link auf, doch dieser riss plötzlich den Kopf herum damit die Fee die Tränen nicht bemerkte, die ihm in die Augen gestiegen waren. Außer Salia hatte er noch nie jemandem so viel bedeutet und er wusste für einen Moment nicht, wie er damit umgehen sollte.
    Er dachte an all die langen Nächte im Kokiri-Dorf zurück, in denen er wachgelegen und sich eine Fee gewünscht hatte, die so unerschütterlich zu ihm hielt wie Navi es nun tat. Damals hatte er sich nicht zu träumen gewagt, dass seine Traumfee ihn um seinetwillen dermaßen schätzte, dass er ihre Loyalität und Freundschaft sowie ihre Anerkennung womöglich sogar verdiente. In seinen Wachträumen war er stets nur davon ausgegangen, dass seine Fee zu ihm hielt, weil der Deku-Baum ihr gesagt hatte, dass sie das tun solle.
    Dann dachte er an die unzähligen Gefahrensituationen, die Navi und er auf ihrer Reise bereits durchgestanden hatten. Es war oft verdammt brenzlig und häufiger als ihm lieb war sogar äußerst knapp gewesen. Doch Navi war immer an seiner Seite geblieben, hatte ihn angefeuert und motiviert.
    Auch wenn es sein Pflichtgefühl Hyrule und Zelda gegenüber war, das ihn stets daran gehindert hatte, aufzugeben, wurde ihm nun bewusst, dass er die Kraft zum Weitermachen stets aus Navis Worten gezogen hatte. Sie war der Grund, dass er nie den Glauben in sich selbst verloren und die Waffen gestreckt hatte. Sie war diejenige, die immer wieder das Gefühl von Ohnmacht vertrieben hatte, das Link angesichts eines übermächtig wirkenden Gegners wie Ganondorf immer wieder überkommen hatte.
    Ohne hinzusehen, legte er Navi sanft eine Hand an ihre Seite und genoss das kaum merkliche Gewicht ihres zarten Körpers an seiner Handfläche, als die Fee sich gegen sie lehnte. Dann atmete er tief durch und wandte seiner Begleiterin langsam das Gesicht wieder zu. Die Tränen, die hinter seinem Unterlid gelauert hatten, waren inzwischen verschwunden, doch das Lächeln, das er Navi schenkte, wirkte trotzdem noch immer ein wenig wehmütig.
    Die Feenfrau sah ihren Schützling abwartend aus großen Augen an, nur um dann etwas verwirrt drein zu schauen, als Link mit belegter Stimme ein Danke hauchte. Noch immer gegen seine Hand lehnend, zuckte Navi mit den Schultern. „Ist nicht mein Verdienst, dass ich dich so sehe.“
    Links schiefes Lächeln wurde noch ein wenig breiter, doch anstatt das Thema zu vertiefen, wandte der junge Hylianer sich wieder den beiden Truhen zu. Vorsichtig löste Link seine Hand von Navi und klatschte dann voller Tatendrang in die Hände. „Also gut. Wollen wir mal sehen, was sich in Kiste Nummer eins verbirgt!“


    Zu seiner großen Überraschung handelte es sich bei dem Truheninhalt nicht um eine Falle. Leider befand sich im Inneren der Holzkiste jedoch auch kein Schlüssel. Links Freude über seinen Fund stand ihm trotzdem ins Gesicht geschrieben. „Fünf Rubine! Super!“
    Navi gähnte übertrieben und konterte: „Da hat ja meine Oma größere Reichtümer unter ihrem Kopfkissen…“ Als Link daraufhin kurz grinste, zeigte er seine gesunden, weißen Zähne. „Stimmt schon, fünf Rubine sind nicht viel. Aber Kleinvieh macht bekanntlich auch Mist. Womöglich hätte ich mir demnächst etwas kaufen wollen und mir hätten genau diese fünf Rubine gefehlt, wenn ich die Truhe nicht geöffnet hätte.“
    „Ja, ja, schon gut. Ich hab’s verstanden.“ Navi winkte ab und deutete dann auf die zweite Kiste. „Aber vielleicht ist da ja ein richtiger Schatz drin!“
    Von seinem ersten Fund euphorisiert, öffnete Link ohne zu zögern die zweite Holztruhe. Doch kaum dass er das Schloss aufgebrochen hatte, bereute er dies auch schon.
    Aus dem Inneren der Kiste erhob sich plötzlich ein eiskalter Wind, der dem Recken mitten ins Gebein zu fahren schien. Innerhalb weniger Sekunden waren sämtliche Gelenke des jungen Kriegers so steifgefroren, dass er sich nicht mehr bewegen konnte. Nicht einmal den kleinen Finger konnte er noch rühren.
    Während er das Gefühl hatte, auf seiner Haut würden sich dicke Frostbeulen bilden, versuchte Link einen Blick auf Navi zu erhaschen. War sie ebenfalls zur Eissäule erstarrt oder hatte ihre Feenmagie sie vor dieser Falle schützen können?
    Leider ließen sich auch die Augen des Kämpfers kaum noch bewegen, sodass er seine Schulter – und damit auch Navi – nicht sehen konnte. Erschwerend hinzu kam die Tatsache, dass Links Blickfeld sich von den Rändern her zunehmend trübte, so als würden seine Augäpfel langsam von einer Eisschicht überzogen.
    Auch sein Herz, das bislang wie wild gegen seinen Brustkorb getrommelt hatte, schlug allmählich immer langsamer.
    Panik breitete sich von einem Punkt in der Mitte seiner Brust zunächst zu seinem Magen und anschließend im gesamten Körper aus.
    Er konnte hier nicht sterben.
    Er durfte hier nicht sterben.
    Hyrule und Prinzessin Zelda brauchten ihn.
    Und Navi glaubte an ihn.
    Er konnte doch nicht eine seiner besten Freundinnen enttäuschen!
    Verbissen kämpfte der junge Krieger gegen die Eisstarre in seinen Gelenken an. Doch allein bei dem Versuch, einen Finger zu krümmen, schoss ein unbändiger Schmerz durch seinen Körper. Trotzdem wollte der Herr der Zeiten auf keinen Fall aufgeben.
    Mit aller Kraft, die er aufbringen konnte, ballte Link eine Hand zur Faust und ignorierte dabei das Gefühl, seine Gelenke würden brechen, genauso wie die Tatsache, dass er inzwischen beinah vollkommen blind war. Außer einer weißen Fläche, aus der sich vereinzelte Details wie kleine Schneeberge erhoben, konnte Link nichts mehr sehen. Ihm war weder die Fähigkeit, Formen zu erkennen, noch das Farbsehen geblieben.
    Doch auf einmal färbte sich die schneeweiße Fläche vor seinen Augen zunehmend terrakottafarben. Zusätzlich schälten sich immer mehr Details heraus, bis Link wieder die vor ihm stehende Truhe und die sandsteinfarbene Wand dahinter erkennen konnte.
    Ungläubig blinzelnd stellte Link fest, dass sich von seinem Kopf ausgehend eine wohlige Wärme über ihn legte wie eine Decke. Allmählich schmolz das Eis in seinen Gelenken und auch sein Herz kehrte zu seinem normalen Tempo zurück, obwohl aus dem Inneren der Holztruhe noch immer ein Eissturm tobte.
    Auf der Suche nach einer Antwort auf dieses Phänomen entdeckte Link Navi, die im Lotussitz auf seiner Schulter saß und wie ein Feuerball glühte. Bunt glitzernde Schweißtropfen liefen ihr übers Gesicht und klebten ihr die Haare an Schläfen, Stirn und Nacken.
    Als die Fee bemerkte, dass ihr Schützling sich wieder bewegen konnte, stieß sie zwischen zusammengepressten Zähnen hervor: „Schließ die Truhe. Ich weiß nicht, wie lange ich diesen magischen Wärmeschild noch aufrechterhalten kann.“
    Ohne zu zögern streckte Link eine Hand nach dem Truhendeckel aus, obwohl er dafür direkt in den Eissturm hineingreifen musste. Beim Anblick seiner Hand riss der junge Recke jedoch überrascht die Augen auf. Sein gesamter Körper war von einem strahlenden Licht eingehüllt, das in genau derselben Farbe leuchtete wie Navi.
    „Sie hat ihren magischen Schutzmantel auf mich ausgeweitet!“, schoss es Link unwillkürlich durch den Kopf. Er wollte sich nicht einmal vorstellen, wie viel Kraft eine solche Aktion von einem abverlangte.
    Um Navis Energiereserven so gut zu schonen wie möglich, knallte Link den Truhendeckel herab, sobald er ihn zu fassen bekam. Im ersten Moment wollten Krieger und Fee bereits aufatmen, doch dann erkannten sie, dass der Eissturm den Deckel problemlos wieder anheben konnte, da Link das Schloss aufgebrochen hatte.
    Der Herr der Zeiten sah sich fieberhaft nach etwas um, mit dem er das Schloss blockieren konnte. Leider war weit und breit nichts in Sicht, das ihm hätte weiterhelfen können. Ein schneller Seitenblick auf Navi verriet ihm, dass zu allem Überfluss die Zeit drängte. Navis Feenglanz flackerte bereits verdächtig. Wenn Link nicht schnell etwas einfiel, würden die beiden Abenteurer als Eiszapfen enden.
    In einem Akt der Verzweiflung legte Link die Finger um das Truhenschloss und drückte zu. Vor Kraftanstrengung stieß er einen animalischen Schrei aus, der von den Wänden widerhallte und ohrenbetäubend laut durch den Raum schallte. Der junge Kämpfer hatte das Gefühl, ihm müssten die Fingerknochen zerbröseln, weil er all seine Kraft in diesen Griff legte und zusätzlich die gesamte Macht der Krafthandschuhe ausnutzte.
    Statt sich die Finger zu ruinieren, schaffte Link es jedoch, das Truhenschloss so zu verbiegen, dass es sich in sich selbst verkeilte und den Eissturm im Inneren der Kiste fest verschloss – gerade noch rechtzeitig. Kaum dass Link die Hände von der Truhe nahm, sackte Navi keuchend in sich zusammen und der rote Lichtschein, der sie beide eingehüllt hatte, verschwand.
    Erschöpft ließ Link sich auf den Hintern fallen und schob sich mit den Füßen rückwärts, bis er mit dem Rücken gegen die nächste Wand stieß. Er zitterte am ganzen Körper wie Espenlaub, konnte jedoch nicht sagen, ob es Spätfolgen der Eisattacke, seiner Panik oder seiner Erschöpfung waren.
    So sanft er mit seinen unkontrollierbar zuckenden Fingern konnte, hob er Navi von seiner Schulter und bettete sie in seiner Hemdtasche, wo sie es weich und warm hatte. Die Fee war von ihrer Zauberei dermaßen ausgelaugt, dass es kaum eine Minute dauerte, bis ein leises Schnarchen an Links Ohren drang.
    Der Herr der Zeiten lächelte angesichts dessen matt und lehnte den Hinterkopf gegen die Wand, um ebenfalls für einen Moment die Augen zu schließen und Kraft zu sammeln.


    Als Link die Lider wieder aufschlug, musste die Sonne bereits tief am Himmel stehen. Jedenfalls hatte sich die Farbe der durch die Decke fallenden Lichtstrahlen von einem satten Gelb-Gold in ein dunkleres Rot-Gold verwandelt.
    So schnell er konnte, rappelte der junge Recke sich wieder auf und schüttelte den Schlaf aus seinen Gliedern. Obwohl er unnötig Zeit verschenkt hatte, konnte Link sich nicht dazu durchringen, es von ganzem Herzen zu bereuen. Das Gefühl von neuer Energie, das in jeder seiner Zellen pulsierte, überzeugte ihn davon, dass er die Rast bitter nötig gehabt und der Schlaf ihm gut getan hatte. Selbst seine geprellte Schulter schmerzte nicht mehr so sehr wie zuvor.
    Vorsichtig warf Link einen Blick in seine Hemdtasche, um nach seiner Begleiterin zu schauen. Navi lag auf der Seite, den Kopf auf einen Arm gebettet, und schlief noch immer selig. Ihre wirren Haare umrahmten ihr Gesicht wie Seetang und sie sabberte leicht, während ihre Augen hinter ihren Lidern hin und her zuckten.
    Bei diesem Anblick bogen sich Links Mundwinkel unwillkürlich nach oben und er fragte sich, von was Navi wohl träumen mochte. Er hoffte, dass es etwas Schönes war und sie erholt und ausgeschlafen wieder erwachen würde.
    Dann wandte der junge Kämpfer sich wieder der Schlangenstatue zu und drehte sie so, dass die reflektierten Sonnenstrahlen auf den letzten Schalter fielen. Link rechnete fast damit, dass die Sonne auch dieses Mal verbrennen würde, doch wie die Schalter aus dem Westflügel leuchtete die Sonne nur auf, bevor ein leises Klicken zu hören war und die Eisenstäbe vor der Tür hochgezogen wurden.


    Als der Herr der Zeiten über die Schwelle trat, staunte er nicht schlecht: Er befand sich wieder in der großen Halle mit der riesigen Nure-Onna-Statue!
    Im ersten Moment machte sich Ernüchterung breit in Link, da er diesen Ort bereits erkundet und nun das Gefühl hatte, in einer Sackgasse zu stecken. Doch dann schob er die negativen Gedanken beiseite. Bestimmt konnte er nun als Erwachsener Dinge entdecken, die ihm als Kind verborgen bleiben mussten. So stand er nun zum Beispiel auf einem Treppenabsatz, den er als Kind nicht hatte erreichen können.
    Mit neuem Mut eilte Link die Treppen vor sich hinauf, um sich einen besseren Überblick über die Halle zu verschaffen.
    Das Erste, was er bemerkte, als er oben ankam, war eine weitere verschlossene Tür. Ansonsten war der Blick aus dem dritten Stock vor allem atemberaubend. Er befand sich nun auf Brusthöhe der gewaltigen Statue und die am Boden stehenden, fast mannhohen Fackeln sahen so winzig aus wie Einrichtung für ein Puppenhaus.
    Außerdem konnte Link sehen, dass einzelne Platten ihres Brustharnisches tatsächlich mit Smaragden und grünen Achaten besetzt waren. Die Gerudo mussten ein unvorstellbar reiches Volk sein – auch wenn ein Teil dieses Reichtums sicherlich nicht ehrlich erarbeitet war…
    Auf einer der ausgestreckten, Richtung Decke gedrehten Handflächen entdeckte der Herr der Zeiten ein Triforce-Emblem. Im ersten Moment ließ ihn dieser Fund stutzen. Was hatten die Gerudo mit der hylianischen Königsfamilie zu tun?
    Doch dann fiel ihm wieder ein, dass das Triforce in erster Linie ein religiöses Symbol und als solches im ganzen Land verbreitet war. Dass die königliche Familie von Hyrule das Triforce wie ein Familienwappen nutze, war erst sehr viel später Tradition geworden.
    Link war sich sicher, das Triforce-Emblem hatte etwas mit der Lösung des Rätsels in diesem Raum zu tun. Vielleicht brachte es ja etwas, wenn er sich darauf stellte und die Hymne der Zeit spielte? Schließlich handelte es sich dabei ebenfalls um einen Teil uralter religiöser Rituale.
    Leider war die Hand viele Meter von seinem Standpunkt entfernt – zu weit, um problemlos herüberspringen zu können. Für einen Moment überlegte Link, ob er die Pegasus-Stiefel anziehen sollte. Er war sich ziemlich sicher, dass die Schwebefunktion dieses Schuhwerks ihn lange genug durch die Luft tragen würde, um zu der Statuenhand herüber zu gelangen.
    Aber ziemlich sicher war Link in dieser Situation nicht sicher genug.
    Wenn er sich verschätzte und abstürzte, würde dies seinen sicheren Tod bedeuten. Niemand konnte einen Sturz aus einer solchen Höhe überleben.
    Anstatt einen Weg zu der Hand zu suchen, wandte der junge Abenteurer sich deshalb dem Schloss vor der Tür zu. Er hatte es schon einmal geschafft, ein Schloss zu verformen. Wieso sollte er also nicht in der Lage sein, dieses hier aufzubrechen?
    Ohne weiter über seinen Plan nachzudenken, ergriff Link das massive Vorhängeschloss mit beiden Händen, stemmte sich mit den Füßen gegen den steinernen Türrahmen und zog mit voller Kraft.
    Es prickelte in seinen Armen, als die Krafthandschuhe ihren antiken Zauber entfalteten. Link hatte das Gefühl, seine Finger würden sich tief ins Metall graben, als der Verschlussbügel endlich herausriss.
    Durch das plötzlich wegfallende Gegengewicht, verlor der Herr der Zeiten das Gleichgewicht, stürzte nach hinten und rollte sich überschlagend auf den Rand des Treppenabsatzes zu. Glücklicherweise gelang es ihm im letzten Moment, abzubremsen und keuchend auf dem Rücken liegen zu bleiben.
    Just in dieser Sekunde streckte Navi gähnend ihren Kopf unter seiner Tunika hervor und fragte in vorwurfsvollem Ton: „Was zum Deku treibst du hier eigentlich? Da will man einmal in Ruhe schlafen und wird durchgeschüttelt wie die Milch im Butterkübel!“
    Während Navi missgelaunt aus der Wäsche guckend zu ihrem Stammplatz kletterte, hievte Link sich wieder auf die Füße und verbesserte: „Butter wird aber gestampft.“ „Was?“ Die Feenfrau starrte ihren Begleiter verständnislos an. „Milch wird zu Butter gestampft. Nicht geschüttelt“, präzisierte Link, während er die Tür zum nächsten Raum aufstieß.


    Dahinter befand sich ein kurzer Flur und ein Strahlenzyklop, der einen Laserstrahl auf die beiden Abenteurer abfeuerte und damit Navis bissige Antwort im Keim erstickte.
    Es gelang Link mit einem schnellen Hechtsprung, sich und seine Begleiterin in Sicherheit zu bringen, doch das Dauerfeuer des Zyklopen machte jegliches Vordringen in den Raum unmöglich.
    „Und was machen wir jetzt?“ Link warf Navi einen hilfesuchenden Blick zu. Diese überlegte eine Weile, bis sie entgegnete: „Versuch’s mal mit einer Bombe. Vielleicht können wir dieses Mistding ja in die Luft jagen, wenn du ihm eine Bombe genau vor die Füße wirfst.“
    Die Hand bereits im Wunderbeutel, neckte Link: „Füße? Wo hat dieses Ding denn Füße?“ Navi rollte übertrieben genervt mit den Augen. „Du weißt genau, was ich meine!“
    Das wusste Link allerdings.
    Nachdem er die Bombenlunte an einer in der Nähe stehenden Fackel entzündet hatte, warf er die explosive Kugel so schnell wie möglich in den Flur. Da er auf Grund des Dauerfeuers des Zyklopen nicht viel Zeit zum Zielen hatte, bevor er wieder in Deckung gehen musste, konnte er nur hoffen, dass er sein Ziel traf.
    Nur Sekunden später explodierte die Bombe mit einem lauten Knall und die Druckwelle pustete Staub, kleine Gesteinsbrocken, Teppichfetzen und Metallteile durch die Tür in die Nure-Onna-Halle.
    Als Navis Blick auf die verbogenen und scharfkantigen Metallstücke fiel, sagte sie: „Sieht so aus als hättest du den Zyklopen erwischt.“ Dennoch lugte Link zunächst vorsichtig um die Ecke, bevor er sich erleichtert aus seinem Versteck neben dem Türrahmen wagte und in den Flur trat.
    Obwohl die Bombe nicht allzu groß gewesen war, hatte sie Verheerendes angerichtet. Das kleine Steinpodest, auf dem der Zyklop gestanden hatte, war vollkommen auseinander gerissen worden und lag nun in Form von Bruchstücken im ganzen Raum verteilt. In der Wand hinter dem ehemaligen Podest klaffte ein kraterförmiges Loch, das an den Rändern rußgeschwärzt war, und an einigen Stellen legten kleine Flammen an dem, was von dem dunkelroten Teppich, mit dem der Flur ausgelegt gewesen war, noch übrig war.
    Link trat im Vorbeigehen das Feuer aus, damit es sich nicht im gesamten Tempel ausbreitete, und gab sich ansonsten Mühe, die Verwüstung nicht zu beachten. Es tat ihm in der Seele weh, den Geistertempel beschädigt zu haben – auch wenn es nur ein kleiner Raum war. Denn mochte sie heutzutage auch von bösartigen Hexen bevölkert sein, die Göttin des Sandes war eine uralte religiöse Stätte und noch dazu wunderschön. Kein Tempel, den Link bisher betreten hatte, war so reich und beeindruckend geschmückt gewesen.
    Doch für derlei Gedanken oder gar Trauer hatte Link nun wahrlich keine Zeit. Also schüttelte er den Kopf, um wieder klar denken zu können, und konzentrierte sich auf den Moment.


    Durch den Flur gelangten die beiden Abenteurer in einen Raum, dessen Bodenfließen größtenteils herabgebrochen war. Darunter war ein tiefer, klaffender Abgrund zum Vorschein gekommen, der nun nur noch von wenigen, schmalen Wegen durchzogen wurde.
    Mit einem Stich im Herzen fragte Link sich für einen kurzen Moment, ob die Explosion im Flur dafür verantwortlich war, dass hier der Boden weggebrochen war. War die Erschütterung womöglich doch stärker gewesen als gedacht? Doch dann bemerkte der junge Recke, dass die Bruchkanten bereits ausgeblichen und von Staub überzogen – und damit schon älter – waren.
    Erleichtert wagte Link sich weiter in den Raum und erstarrte, als sich drei Lumpenhaufen plötzlich erhoben und vor ihm in der Luft schwebten. Während Links Augen sich mit Tränen füllten, ballte Navi die Hände zu Fäusten und stieß zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor: „Noch mehr Anubis-Füchse. Diese Frevler.“
    Eine der Fuchsmumien schien unter ihren vergilbten Mullbinden den Kopf leicht schief zu legen und die beiden Abenteurer genau zu mustern. Kurz darauf hallte seine tonlose Stimme in Navis Kopf wieder: Ihr seid die beiden, die vor Jahren unseren Freund verbrannt haben.
    Bei diesen Worten erbleichte die Feenfrau und sie hielt abwehrend die Arme vor sich. „Es war nicht so wie es vielleicht aussehen mag!“
    Link warf ihr einen neugierigen Blick zu und schaute dann zu den Anubis-Füchsen zurück, die unbewegt in der Luft verharrten. Es machte den Herrn der Zeiten beinah wahnsinnig, dass unter den Stoffwickeln keine Mimik zu erkennen war. Navi wirkte alarmiert. Doch drohte von den Fuchsmumien wirklich Gefahr? Die letzte Mumie, die sie getroffen hatten, war eine arme geplagte Seele gewesen. Ob diese Anubisse anders waren?
    Wir wissen, wie es vor sieben Jahren gewesen ist, mischte sich ein anderer Anubis ein. Als Navi den warmen Unterton in der Stimme des Fuchses bemerkte, atmete sie etwas auf. „Dann… dann sinnt ihr nicht auf Rache?“ Dass Links Blick bei diesen Worten zu ihr zurück zuckte, ignorierte die Fee geflissentlich.
    Im Gegenteil, antwortete die erste Mumie. Euch gebührt unser Dank. Koume und Kotake haben unsere Seelen mit Hilfe schwarzer Magie in unseren toten Körpern gefangen und uns zu einem eben als Untote verdammt. Sie wollen, dass wir ihren Tempel vor Eindringlingen schützen. Wir können leider nicht verhindern, dass wir euch angreifen werden, sobald ihr uns zu nah kommt. Wir haben keine Kontrolle mehr, über diese toten Körper. Sie folgen nur noch den Befehlen der Twinrova. Aber die alten Hexen konnten nie unsere Herzen manipulieren. Unsere Herzen gehören noch immer der Wüste.
    Der sehnsüchtige Klang der letzten beiden Sätze, schnürte Navi die Kehle zu. „Ihr… ihr…“, setzte sie stammelnd an, musste jedoch immer wieder innehalten und neu ansetzen, weil ihre Stimme brach.
    Wir wünschen uns, dass ihr uns genauso aus diesem unwürdigen Leben befreit wie unseren Bruder, stieß der dritte Anubis hervor.
    Tiefe Trauer erfüllte Navis Herz. Sie wünschte sich so sehr, sie könnte irgendeine Form von Magie wirken, die die Anubisse von ihrem unglückseligen Schicksal befreien würde.
    Als Link den Gesichtsausdruck seiner Fee sah, verstand er, ohne die Bitte der Mumien gehört zu haben. Die Kiefer fest aufeinander gepresst, schluckte er seine Emotionen, die ein wirres Knäul aus Trauer, Wut, Hass, Ohnmacht und Verzweiflung bildeten, herunter und trat näher an die Anubis-Füchse heran.
    Dann blickte er jedem von ihnen in die Augen – oder zumindest in die dunklen Löcher zwischen den Mullbinden, wo er die Augen vermutete – und nickte anschließend. „Ich kann euch leider keinen Weg zurück zeigen. Das einzige Ende eures Leids, das ich euch bringen kann, ist der Feuertod. Ein endgültiger Tod, der eure Körper vernichtet und euch somit von dem Fluch der Hexen befreit.“
    Das wissen wir, antwortete der erste Fuchs in Navis Kopf, aber der Tod ist allemal besser als dieses fremdbestimmte Nicht-Leben. Alles ist besser als das hier!
    Nachdem der Anubis ausgesprochen hatte, nickte Navi ihrem Schützling mit traurigen Augen zu. Dieser holte mit steinern wirkender Miene Pfeil und Bogen sowie eine alte, verdreckte Kindertunika aus seinem Wunderbeutel hervor.
    Fasziniert und ein wenig irritiert beobachtete Navi wie Link die bereits stark lädierte Tunika in Stücke riss und die Stoffteile anschließend um drei Pfeile wickelte. Erst als er die erste der eingewickelten Pfeilspitzen an einer in der Nähe stehenden Fackel entzündete, begriff die Fee, dass ihr Begleiter sich Feuerpfeile gebastelt hatte und diese nutzen wollte, um die Anubis-Füchse aus der Distanz in Brand zu stecken.
    Für einen Moment fragte Navi sich, warum Link nicht einfach Dins Feuersturm einsetzte. Das wäre deutlich schneller und weniger kompliziert gewesen. Doch mit einem Blick auf den kaputten Boden beantwortete sich die Fee ihre Frage selbst: Link hatte Angst, nach Einsatz des mächtigen Zaubers von Schwindel geplagt zu werden und in den Abgrund zu stürzen.
    Sobald die um die Pfeilspitze gewickelten Stoffbahnen Feuer gefangen hatten, legte Link den Pfeil auch schon ein und zielte auf den ersten Anubis. „Finde deinen Frieden.“ Obwohl seine Mimik gänzlich unbewegt blieb, zitterte seine Stimme leicht und verriet, dass ihn die Situation nicht so kalt ließ wie er Glauben machen wollte.
    Navi legte ihm beruhigend eine Hand auf die Wange, glaubte aber nicht, dass Link dies überhaupt wahrnahm. Mit mechanischen Bewegungen legte er an, zielte und ließ den Pfeil von der Sehne sausen.
    Die trockenen Stoffbinden der Mumie fingen sofort Feuer und es dauerte nur Sekunden, bis der Fuchs sich in eine riesige, schwebende Stichflamme verwandelte.
    Link achtete jedoch gar nicht darauf. Stattdessen bückte er sich schnell nach dem nächsten Pfeil, den er neben der Fackel auf dem Boden abgelegt hatte, und wiederholte die Prozedur ein weiteres Mal. Und noch einmal.
    Da diese Anubis-Füchse im Gegensatz zu ihrem Bruder, den Link als Kind getroffen hatte, über einem Abgrund schwebten, konnte der junge Kämpfer ihre Asche nicht einsammeln und draußen in der Wüste verstreuen. Stattdessen musste er mitansehen wie die unterschiedlich großen Ascheflocken auf Nimmerwiedersehen in die unendlich wirkende Tiefe hinabschwebten.
    Dennoch hallte in Navis Kopf ein Chor aus drei Stimmen wider: Danke!
    Der Fee lief bei dem Gedanken an eine solch immense Verzweiflung, die den Tod als lohnende Alternative erscheinen ließ, ein kalter Schauer über den Rücken. Sie konnte nur hoffen, dass sie und keiner, den sie liebte, je so etwas Furchtbares erleiden musste.


    Sobald der letzte Fuchs verbrannt war, wurde offenbar ein magisches Siegel gebrochen, das über dem Raum gelegen hatte. Jedenfalls sanken plötzlich dicke Eisenstäbe von schleifenden Geräuschen begleitet in den Boden und gaben die hinter ihnen liegende Tür frei.
    Als Link zielstrebig auf den neu entstandenen Ausgang zuhielt, merkte Navi an: „Da hinten ist noch eine Tür.“ Link folgte dem ausgestreckten Arm seiner Fee mit den Augen und zuckte dann leicht die Schulten, um Navi nicht zu sehr durchzuschütteln. „Ich will erst mal sehen, was sich hier hinter verbirgt. Sicherlich etwas Wertvolles, wenn man es mit dem Leben von drei Anubis-Füchsen zu sichern versucht.“
    Durch die Tür gelangten die beiden in einen großen, rechteckigen Raum, der bis auf vier kleine Statuen, eine verrostete Kreiselklingenfalle und ein Sonnenornament an der Wand völlig leer zu sein schien.
    Link hielt zielstrebig auf den Sonnenschalter zu und blickte sich suchend um. Durch ein Dachfenster fielen die letzten orange-roten Sonnenstrahlen des Tages in den Raum, aber es war weit und breit nichts zu sehen, mit dem sie sich reflektieren ließen.
    „Versuch’s doch mal mit deinem Schwert“, riet Navi. Doch auch wenn das Master-Schwert über eine glänzende, reflektierende Klinge verfügte, reichte das zurückgeworfene Licht nicht aus, um den Schalter zu aktivieren.
    Verstimmt wandte Link sich von der Sonne ab und fragte laut: „Und jetzt?“ Eigentlich hatte er die Frage an sich selbst gestellt, aber Navi war trotzdem diejenige, die antwortete: „Vielleicht finden wir da hinten bei den Statuen etwas Interessantes.“
    Link machte ein mürrisches Gesicht, ging aber ohne zu zögern zur anderen Seite des Raumes herüber. Tatsächlich gab es hier einen Bodenschalter, der die rechte, aus dem Raum führende Tür öffnete – doch zu Links Leidwesen blieb der Ausgang nur so lange geöffnet wie er auf dem Schalter stehen blieb. Sobald er zur Seite trat, schnellte der Schalter wieder in die Höhe und die Tür schlug mit einem lauten Knall ins Schloss.
    Leider gab es auf dieser Seite keinerlei Möglichkeit, die Tür zu öffnen. Sie hatte weder Knauf noch Klinke.
    „Vielleicht, wenn ich eine der Statuen auf den Schalter schiebe…“, überlegte Link laut, nur um sofort von Navi gebremst zu werden. „Finger weg von den Statuen! Das sind Armos-Ritter!“
    Link erinnerte sich an seinen aussichtslosen Kampf gegen einen Armos-Ritter in Dodongos Höhle und seufzte auf. Damals war ihm nichts anderes als die Flucht geblieben.
    Doch schon im nächsten Moment ging ein Strahlen über sein Gesicht und er forderte seine Begleiterin auf: „Halt dich gut fest, Navi. Ich habe eine Idee!“
    Während sich die Fee an seiner Tunika und in seinen Haaren festkrallte und ihn neugierig ansah, stellte Link sich direkt vor die Tür und holte seinen Enterhaken hervor. Dann zielte er auf die Statue, die von ihm aus gesehen hinter dem Schalter stand und feuerte seinen Enterhaken darauf ab.
    Die Kette raste klirrend durch die Luft und ein widerliches Kreischen von Metall auf Stein erklang, als die Spitze des Enterhakens eine tiefe Furche in die Statue schlug. Diese erwachte daraufhin mit wildem Gebrüll und Link beeilte sich, den Aufrollmechanismus seines Hakens zu betätigen.
    Glücklicherweise hatte sich die Kette bereits wieder vollständig aufgerollt, bevor sich die Statue in Bewegung setzte. Springend kam sie auf Link zu und verursachte jedes Mal, wenn sie wieder auf den Boden auftraf, kleine Erdbeben.
    Link achtete darauf jedoch gar nicht. Seine Aufmerksamkeit war fest auf einen bestimmten Punkt geheftet.
    Sobald die Statue den Bodenschalter erreicht und diesen unfreiwillig betätigt hatte, warf Link sich mit einer Seitwärtsrolle durch die sich öffnende Tür. Nur Sekunden später war die Statue auch schon über den Schalter hinweg gesprungen und die Tür schlug krachend wieder zu.
    Navi ließ Links Haare und Tunika los und nickte ihm anerkennend zu. „Das war richtig clever!“ Normalerweise hätte ihr Schützling bei einem solchen Lob wie ein Honigkuchenpferd gegrinst, doch offenbar steckte ihm die Begegnung mit den Anubis-Füchsen noch in den Knochen. So zuckte er angesichts des Lobs nur mit den Schultern und wandte sich dann dem Raum vor sich zu.
    Bevor Link etwas sagen konnte, sprach Navi aus, was er dachte: „Dieser Raum kommt mir bekannt vor.“ Der langgestreckte Flur mit der sich nur leicht drehenden Wendeltreppe, deren Stufen mit blutrotem Teppich ausgekleidet waren, erinnerte die beiden Abenteurer an den Gang, der sie zu dem Thronsaal des Eisenprinzen geführt hatte.
    Mit einem grimmigen Gesichtsausdruck erklomm Link die ersten Stufen und sagte: „Dann wollen wir mal sehen, was uns dieses Mal erwartet.“
    Navi zuckte bei dem harten Klang seiner Stimme ein wenig zusammen. Es machte beinah den Eindruck als freute Link sich auf die Aussicht, fremdes Blut vergießen zu können.
    Das sah ihm überhaupt nicht ähnlich!
    Andererseits konnte ein Mensch auch nur eine bestimmte Menge an seelischer Pein verkraften, bevor etwas in ihm zerbrach. Vielleicht war die Begegnung mit den Anubis-Füchsen der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte, und nun sann Link auf Rache?


    Navi überlegte noch immer fieberhaft, wie sie ihren Schützling davor bewahren konnte, in dieses dunkle Loch zu fallen, als Link die Tür zum nächsten Raum so heftig aufstieß, dass sie laut krachend gegen die Wand schlug.
    Wie Link erwartet hatte, befanden sie sich nun in einem weiteren Thronsaal, der eine exakte Kopie des Saals aus dem Westflügel zu sein schien. Sogar der Eisenprinz auf dem Thron sah nahezu identisch aus. Der einzige Unterschied war, dass dieser seine Axt bereits in den Händen hielt.
    Der Herr der Zeiten trat nah an den Gegner heran, deutete mit dem Kinn auf die gewaltige Breitaxt des Eisenprinzen und höhnte: „Wie ich sehe, habt ihr in sieben Jahren dazu gelernt.“
    Navi kroch unter seine Tunika in die Hemdtasche und flehte im Flüsterton: „Bitte, sei vorsichtig! Provozier ihn nicht unnötig.“
    Als hätte er Navis Bitte überhaupt nicht gehört, trat Link dem Eisenprinzen gegens Schienbein, was ein metallisches Scheppern zur Folge hatte – und dass sich der Eisenprinz von seinem Thron erhob.
    Sein Schwert ziehend rief Link seinem Kontrahenten zu: „Na endlich, du olle Blechbüchse. Ich hab schon gedacht, du stehst gar nicht auf!“
    Navi ballte die Hände zu Fäusten und fluchte stumm. Was genau hatte Link vor? Wollte er sich umbringen?! Er musste doch noch wissen, wie gefährlich ein Eisenprinz sein konnte. Ein in Rage geratener Gegner konnte nur noch schlimmer sein.
    Tatsächlich stürmte der Eisenprinz vom lauten Klonk, klonk seiner Rüstung begleitet auf Link zu und schwang dabei seine Axt wie wild durch die Luft. Der Herr der Zeiten, der mit einem derart kopflosen Angriff gerechnet hatte, sprang jedoch leichtfüßig aus der Gefahrenzone und lachte: „Ist das alles, was du draufhast? Das ist ja beschämend! Vielleicht sollte ich nach Kakariko zurückgehen und mich dort unter den Kindern umsehen. Da finde ich bestimmt einen würdigeren Gegner als dich.“
    Vor Wut schäumend wirbelte der Eisenprinz herum und setzte zu einem knochenbrechenden Angriff an, doch Link wich erneut problemlos aus. Tatsächlich schaffte es der junge Recke, stets außerhalb der Reichweite des Prinzen zu bleiben. Anstatt seinerseits anzugreifen, beleidigte er seinen Gegner in einem fort und machte diesen rasend.
    Navi kaute nervös auf ihren Fingernägeln und fragte sich, welche Strategie Link verfolgte. Was genau wollte er erreichen? Es war inzwischen klar, dass ihr Schützling einen Plan hatte und nicht einfach nur blind seine aufgestauten Aggressionen herauslassen wollte. Doch was war sein Ziel?
    Nur wenige Minuten nachdem Navi sich diese Frage gestellt hatte, sollte sie eine Antwort darauf bekommen: Der wild um sich schlagende Eisenprinz war inzwischen so frustriert davon, dass sich der wie ein Floh umher hüpfende Link stets außerhalb seiner Reichweite aufhielt und ihn ununterbrochen verhöhnte, dass er seine mächtige Axt nach dem unverschämten Bengel warf.
    Als Link sah, dass der Eisenprinz zum Wurf ansetzte, spannte er sich am ganzen Körper an. Dies war der gefährlichste Moment seines Plans. Sobald der Prinz seine Waffe von sich geschleudert hatte, ließ Link sich flach auf den Rücken fallen. Seine geprellte Schulter protestierte mit einem heiß stechenden Schmerz und die scharfe Klinge der Axt zischte nur Millimeter über ihm durch die Luft, doch er hatte es geschafft.
    Kaum dass die Waffe des Eisenprinzen über ihn hinweg geflogen war, sprang Link wieder auf die Füße und sprintete auf den Prinzen zu. Dieser war offensichtlich verwirrt und ohne seine Breitaxt völlig hilflos.
    Link stieß sich aus vollem Lauf vom Boden ab und sprang, nutzte den Helm des Eisenprinzen, um im Sprung erneut an Höhe zu gewinnen und sich um die eigene Achse zu drehen. Noch im Fallen riss er sein Schwert hervor und durchtrennte die Bänder, die den Brustharnisch des Prinzen zusammenhielten.
    Wie schon der letzte Eisenprinz, fiel auch dieser danach einfach in sich zusammen und endete als ein Haufen Altmetall.


    Als sie das verdächtige Klirren von Metall auf Stein hörte, kroch Navi aus ihrem Versteck hervor und bestaunte die umherliegenden Rüstungsteile. „Du… Du hast ihn besiegt, ohne auch nur einen Kratzer zu erleiden!“
    Die Verblüffung seiner Fee schien Link zu amüsieren. „Ich hatte noch eine Rechnung offen mit seinesgleichen. Außerdem bin ich lernfähig, man soll’s nicht glauben.“
    Navi öffnete den Mund, um zu entgegnen, dass sie sehr wohl wusste, dass er sehr schnell lernte, aber Link ließ sie nicht zu Wort kommen: „Nun wollen wir uns aber mal ansehen, was diese Blechbüchse beschützt hat.“
    Mit diesen Worten wandte der Herr der Zeiten sich dem Ausgang hinter dem Thron zu und stieg die leichte Anhöhe hinauf. Oben angekommen, fanden die beiden Abenteurer sich – genau wie nach dem Kampf gegen den ersten Eisenprinzen – draußen wieder. Dieses Mal standen sie jedoch auf der anderen Hand der Göttin. Zu Links großer Freude stand auch hier eine große, verlockend aussehende Holztruhe.
    Mit schnellen Schritten eilte Link zu ihr herüber, schob den Riegel des Schlosses zur Seite und öffnete die Kiste. In ihrem Inneren lag auf einem mit roter Seide bezogenen Kissen der schönste Schild, den Link je gesehen hatte. Die Oberfläche des Schildes war verspiegelt und mit dem Emblem der Gerudo versehen: ein von Sternen umrahmter Sichelmond. Die Rückseite des Schildes sowie die Halterung für den Spiegel waren aus feuerrotem Metall. Allerdings war die Halterung auf der Frontseite genau wie der Spiegel selbst von einer Schicht extrem harten und nahezu unzerstörbarem Glas überzogen, sodass das Metall beinah so wirkte als bestünde es aus geschmolzenen Rubinen.
    Link blickte von dem Schild zu Navi auf und grinste. „Ich glaube, wir haben den Spiegelschild gefunden.“ Die Fee nickte und fügte an: „Die Twinrova sollten sich ab jetzt lieber vor uns in Acht nehmen!“

    ZF-Signatur-2.jpg

    Avatar-Artwork von mokke; Signatur-Artwork von Kamui Fujiwara (official artwork)

    2 Mal editiert, zuletzt von Labrynna ()

  • Spieglein, Spieglein







    Freudestrahlend schnallte Link den Hylia-Schild ab, um ihn gegen den Spiegelschild auszutauschen. Unterdessen flaute Navis Euphorie ein wenig ab und sie legte grübelnd die Stirn in Falten.


    Als der Herr der Zeiten die Miene seiner Begleiterin bemerkte, fragte er in irritiertem Ton: „Was hast du? Wir haben den Spiegelschild – und damit ein Mittel gegen die Twinrova – gefunden. Das ist doch ein Grund zur Freude, oder nicht?“


    Noch immer nachdenklich drein schauend gab Navi zu: „Natürlich ist es das.“ „Aber weshalb siehst du dann aus wie sieben Tage Regenwetter?“


    „Es ist nur so“, setzte die Fee zu einer Erklärung an, „Raurus Eule hat uns zwar verraten, dass wir den Spiegelschild brauchen, um die Twinrova besiegen zu können, aber sie hat uns nicht gesagt, wie genau uns dieses Relikt dabei helfen soll die alten Hexen in ihre Schranken zu verweisen.“


    Während er Navis Worten gelauscht hatte, hatte sich Erkenntnis auf Links Antlitz breit gemacht – nur um kurz darauf einem angestrengt wirkenden Ausdruck zu weichen. Egal wie sehr er sich auch bemühte, der junge Krieger konnte sich nicht an den Wortlaut der Unterhaltung mit dem mystischen Vogel erinnern. Der Schock über Naborus Entführung hatte sich bedrückend scharf in sein Gedächtnis gebrannt, aber die Minuten davor waren wie von einem schwarzen Schleier verhangen.


    Als ihm dann doch noch eine Kleinigkeit einfiel, empfand Link beinah denselben Triumph wie bei der Entdeckung des Spiegelschilds kurz zuvor. „Hieß es nicht, die Twinrova könnten nur durch ihre eigene Magie besiegt werden?“


    Navi zog die Augenbrauen zusammen, als sie sich an diesen Hinweis zu erinnern versuchte und nickte dann zaghaft. „Ja, du hast Recht.“


    „Aber wie soll uns der Spiegelschild dann von Nutzen sein?“ Man hörte Links Stimme seine Zweifel hinsichtlich der Worte von Raurus Eule überdeutlich an.


    Navi betrachtete das uralte Gerudo-Relikt mit neuem Interesse und überlegte laut: „Vielleicht lassen sich damit Zaubersprüche auf den Anwender zurückwerfen?“


    Der Herr der Zeiten zog ein skeptisches Gesicht und zuckte dann mit den Schultern. „So lange wir die Hexen nicht gefunden haben, spielt es eh noch keine Rolle. Ich schlage vor, ich suche nach ihrem Versteck und du zerbrichst dir unterdessen dein hübsches Köpfchen über unsere Kampfstrategie.“


    Für einen Moment war Navi verlegen, dass Link sie hübsch genannt hatte. Doch anstatt ein Wort darüber zu verlieren, fragte sie mit geröteten Wangen: „Ich dachte, dein Augenmerk läge vor allem darauf, so schnell wie möglich Naboru zu finden?“


    Bei diesen Worten verdüsterte sich Links Miene schlagartig und er presste grimmig die Lippen aufeinander. „Stimmt. Aber so langsam beschleicht mich mehr und mehr das Gefühl, dass wir Naboru genau in dem Moment finden werden, in dem wir das Versteck der Twinrova entdecken. Außerdem befürchte ich, dass wir die Hexen so oder so töten müssen, bevor Naboru ihrer Bestimmung folgen kann – nach dem, was Dinah und die anderen erzählt haben, bin ich mir sicher, dass Naboru unter einem Bann oder Zauber steht, der ihren Willen steuert. Denkst du nicht?“


    „Ich fürchte, da könntest du Recht haben.“ Navi seufzte tief und gestand sich stumm ein, dass ihre insgeheime Hoffnung, sie könnten die sechste Weise erwecken, ohne sich den Twinrova stellen zu müssen, von Anfang an naiv gewesen war.




    Da ihr Gespräch nun beendet zu sein schien, drehte Link sich auf den Hacken seiner Stiefel um die eigene Achse und strebte zurück in den Tempel. Der junge Mann brannte darauf, seinen frisch erhaltenen Ausrüstungsgegenstand auszuprobieren – und er wusste auch schon genau, wo.


    Durch den vom Kampf mit dem Eisenprinz gezeichneten Thronsaal gelangten der Herr der Zeiten und seine Fee zurück in den Raum mit dem Sonnenschalter, den Link zuvor erfolglos zu aktivieren versucht hatte.


    Der Armos-Ritter, der den beiden Abenteurern unfreiwillig bei der Entriegelung des Weges zum Thronsaal geholfen hatte, hatte sich glücklicherweise auf seinen angestammten Platz zurückgezogen, wo er nun wieder so stumm und unbewegt stand wie eine echte Statue. Trotzdem trat Link so leicht auf wie möglich, um keine unnötige Gefahr einzugehen.


    Kaum dass er den Lichtkegel auf der anderen Seite des Raums erreicht hatte, riss sich der Herr der Zeiten den Spiegelschild vom Rücken und richtete ihn auf den an der gegenüberliegenden Wand angebrachten Sonnenschalter. Navi drückte reflexartig die Daumen, obwohl sie keinen Zweifel daran hatte, dass Links Vorhaben gelingen würde.


    Und tatsächlich!


    Nach nur wenigen Sekunden erstrahlte der Kristallkern der aufgemalten Sonne wie von innen beleuchtet und ein leises Klicken verriet, dass sich die verschlossene Tür neben dem Schalter jeden Moment öffnen würde.




    Doch sobald die beiden Abenteurer über die Schwelle traten, machte sich Ernüchterung breit: der so gut geschützte Raum war winzig und bis auf eine kleine Holztruhe vollkommen leer.


    „Das… das ist nicht, was ich erwartet habe…“ Link schritt sich selbst um die eigene Achse drehend tiefer in den Raum hinein, aber die Enttäuschung blieb. Nirgendwo war ein versteckter Durchgang oder dergleichen zu entdecken.


    Navi, die genauso konsterniert wirkte wie ihr Schützling, stimmte zu: „Man sollte meinen, in einem Raum, den man offenbar nur dann betreten können soll, wenn man im Besitz eines der bedeutendsten Relikte der Gerudo ist, sei etwas Wichtiges versteckt.“


    Sich an ein letztes Bisschen Hoffnung klammernd deutete Link mit dem Kinn auf die unscheinbare Holzkiste. „Schauen wir mal nach, was sich dort drin verbirgt. Vielleicht ist der Inhalt ja wertvoller als das Äußere vermuten lässt.“


    Geschmeidig wie eine Katze ging der Kämpfer vor der kleinen Truhe in die Knie, wobei das lange Loch, das vor geraumer Zeit ein Kakteenmonster bei einem beinah tödlichen Angriff in Links Kettenanzog gerissen hatte, weit auseinander klaffte. Navi erschauerte bei diesem Anblick, weil es ihr zu deutlich vor Augen führte wie nah ihr Freund den ewigen Jagdgründen gewesen war.


    Der Truhendeckel knarrte leise, als Link ihn behutsam anhob und damit den Blick auf das Innere der Kiste freigab. Auf einem mit rostbrauner Seide bezogenen Kissen lag dort ein filigraner, mit vielen Schnörkeln verzierter Schlüssel.


    Der Herr der Zeiten nahm seinen Fund behutsam aus der Schatztruhe und drehte ihn langsam zwischen den Fingern.


    Einen so hübschen, wenn auch nur aus einfachem Eisen bestehenden Schlüssel hatte Link in noch keinem Tempel gefunden. Das musste doch etwas bedeuten… oder nicht?


    Mit einem Lächeln hielt Link den Schlüssel seiner Fee unter die Nase und formulierte seine wiederaufkeimende Hoffnung: „Der Weg hierher scheint nicht völlig umsonst gewesen zu sein. Oder was meinst du? Ich finde, der Schlüssel sieht aus als wäre er durchaus wichtig!“


    Navi, die nicht vorschnell wieder euphorisch werden wollte, nickte zaghaft und wandte ein: „Damit könntest du durchaus Recht haben, aber wir haben keine Ahnung, wo sich das dazugehörige Schloss befindet.“


    Für einen kurzen Moment versetzen diese Worte Links Laune einen Dämpfer, doch erinnerte sich der Recke an etwas und er platzte begeistert hervor: „Wir wissen zwar nicht genau, wo sich das Schloss zu diesem Schlüssel befindet, aber wir haben zumindest einen Ansatzpunkt.“


    Als er die irritierte Miene seiner Fee sah, führte Link aus: „In dem Raum, wo wir vorhin die Anubis-Füchse getroffen haben, befand sich noch eine weitere Tür. Wir sollten dort suchen.“ Bei dem Gedanken an die drei verfluchten Füchse stahl sich Trauer auf das Antlitz des Kriegers.


    „Du hast Recht!“ Im Gegensatz zu Links Gesicht strahlte Navis vor Begeisterung und die Fee klatschte tatkräftig in die Hände. „Los! Lass uns nachsehen, was sich hinter Tür Nummer zwei verbirgt!“




    Doch egal wie sehr Link am Knauf der besagten Tür drehte, rüttelte und zog, sie ließ sich nicht öffnen.


    Irritiert und entmutigt ließ der Herr der Zeiten die Hände sinken und warf seiner Begleiterin einen besorgten Seitenblick zu. „Ich verstehe das nicht. Wieso lässt sie sich nicht öffnen?“


    Navi zuckte mit den Schultern und antwortete in einem Ton, dem man deutlich anhörte, dass ihr diese Möglichkeit überhaupt nicht gefallen wollte: „Vielleicht ist sie nicht echt.“


    „Du meinst, sie könnte eine Illusion sein?“ Link klang geschockt. Abgesehen von dieser Tür hatte er absolut keine Idee mehr, wo es tiefer in den Tempel hinein gehen könnte. Er hatte keine Lust und womöglich auch keine Zeit, jeden einzelnen Raum noch einmal gründlich durchsuchen zu müssen.


    Entsprechend heftig wandte er gegen Navis Befürchtung ein: „Aber ich kann ihren Knauf berühren und an ihm drehen!“


    „Das bedeutet gar nichts“, schmetterte die Feenfrau das Gegenargument ihres Schützlings ab. „Das könnte genauso gut ein hervorstehendes Stück Felswand sein, das durch einen Zauberglanz aussieht und sich anfühlt wie ein Türknopf. Oder…“


    „Schon gut! Schon gut!“, unterbrach Link ihren Wortschwall, bevor sie richtig in Fahrt kommen konnte. „Ich hab’s ja schon verstanden.“ Mit diesen Worten holte der Krieger sein Auge der Wahrheit hervor und hielt es sich vors Gesicht.


    Im ersten Moment sah Link nichts Ungewöhnliches – die Tür war noch immer da und sah genauso aus wie zuvor. Doch dann bemerkte der Herr der Zeiten ein verräterisches Funkeln, das ihn in lautes Lachen ausbrechen ließ.


    Angesichts dieser Reaktion zog Navi verwirrt die Augenbrauen hoch und fragte: „Was hast du? Ist an dieser Wand statt einer Tür eigentlich ein Gemälde von Ganondorf wie er als Kleinkind mit nacktem Hintern durch die Stube der Twinrova krabbelt?“


    Bei dieser Vorstellung verschluckte Link sich augenblicklich, was ihn einen grunzenden Laut ausstoßen ließ.


    Navi wartete ungeduldig darauf, dass sich ihr Freund wieder fing und atmete ein wenig erleichtert auf, als Link mit noch immer heftig vibrierender Stimme erklärte: „Das wäre sicherlich sehenswert, aber eigentlich musste ich lachen, weil die Lösung dieses Rätsels dermaßen banal ist.“


    „Wieso?“ Navi machte große Augen und betrachtete die Tür vor sich mit neuem Interesse. Link verstaute unterdessen das Auge der Wahrheit wieder in seinem Wunderbeutel und holte den erst vor wenigen Minuten gefundenen Schlüssel hervor, um ihn seiner Fee vors Gesicht zu halten. „Deswegen.“


    Als Navi ihn daraufhin verständnislos ansah, deutete Link auf die Stelle im Türblatt, die er beim Gebrauch seiner magischen Linse hatte aufleuchten sehen. „Es ist so klein, dass es leicht zu übersehen ist, aber da ist ein Schlüsselloch.“


    Seiner Begleiterin klappte vor Überraschung der Mund auf und die Feenfrau schüttelte ungläubig mit dem Kopf, was Link zum Schmunzeln brachte. „Manchmal sind wir ganz schön dumm, was?“


    „Darauf kannst du Gift nehmen!“ Navi war froh, dass ihr Schützling die Situation offenbar mit Humor nahm. Sie hatte bereits befürchtet, er verfiele womöglich wieder in Selbstvorwürfe, weil sie kostbare Zeit verschwendet hatten.


    Doch anscheinend hatte der Fund des Spiegelschilds neue Hoffnung und Mut in Link keimen lassen, was Navi übermäßig euphorisch klingen ließ, als sie forderte: „Jetzt mach schon endlich die verdammte Tür auf! Ich will wissen, was sich dahinter verbirgt!“




    Der nächste Raum, den die beiden Abenteurer betraten, war schmal, sehr hoch und von einem schleifenden Geräusch erfüllt. Neugierig legten Krieger und Fee die Köpfe in den Nacken, um nach der Geräuschquelle zu suchen und staunten nicht schlecht. Die Wand rechts von ihnen war ab Kopfhöhe aus etwa ein Meter breiten, sich hin und her bewegenden Gesteinsplatten zusammengesetzt.


    Navi deutete auf eine von ihnen und sagte: „Schau mal, Link. Es sieht so aus als wäre ein Teil jeden Streifens so gemacht, dass du daran hochklettern könntest.“


    Der Herr der Zeiten betrachtete den ihm gezeigten Abschnitt und nickte. Tatsächlich standen bei diesem Part genügend große Brocken aus dem Fels hervor, dass er sich daran würde hochziehen können.


    Doch was sollte er tun, wenn er am Ende dieser Platte angekommen wäre?


    Konzentriert betrachtete der junge Mann die Bewegungen der Wandteile. Glücklicherweise waren die Kletter-Abschnitte so platziert, dass sie einander immer wieder passierten. Es wäre also möglich, die gesamte Wand empor zu klettern.


    Aber an einigen Stellen würde Link eine Weile anhalten müssen, um darauf zu warten, dass er den nächsten Abschnitt erreichen konnte. Sich unbewegt an einer Wand festhalten zu müssen, hatte Link von jeher als deutlich anstrengender empfunden als das Klettern selbst.


    Mit Sorge dachte der Kämpfer an seine verletzte Schulter, die er sich bei einem Angriff eines verzauberten Kruges geprellt hatte. Er hatte keine Ahnung, ob er die Kraft für diesen Aufstieg würde aufbringen können.


    Doch hatte er eine Wahl?


    Nein…


    Er musste es versuchen und auf das Beste hoffen!


    Hart schluckend griff Link nach dem ersten hervorstehenden Stein und atmete noch einmal tief durch, bevor er sich an den Aufstieg machte.


    Die sich bewegenden Gesteinsplatten vibrierten leicht, was das Festhalten zusätzlich erschwerte. Schon bald breitete sich ein dumpfer, lähmender Schmerz von der Schulter ausgehend Links Schwertarm aus.


    Dicke Schweißtropfen rollten über das Gesicht des Recken und brannten in seinen Augen, während Link verzweifelt versuchte, sich mit purer Willenskraft an der Wand zu halten.


    Dabei hatte er erst die Hälfte des Aufstiegs geschafft…


    Navi sprach ihm unterdessen unaufhörlich Mut zu: „Du machst das super! Nicht mehr weit und dann hast du es geschafft!“ Unterdessen streichelte sie unaufhörlich über Links Hals, obwohl sie nicht sagen konnte, ob sie damit ihren Schützling oder sich selbst beruhigen wollte.


    Je näher Link dem Ende der Kletterwand kam, desto zuversichtlicher wurden die beiden Abenteurer.


    Doch einen knappen Meter bevor Link es endlich geschafft hätte, passierte, wovor Krieger und Fee sich gefürchtet hatten: Links linker Arm war inzwischen vollkommen taub und verweigerte seinen Dienst ausgerechnet in dem Moment, in dem der junge Mann mit der anderen Hand nach dem nächsten hervorstehenden Stein griff.


    Der Herr der Zeiten verlor augenblicklich das Gleichgewicht und stürzte hintenüber.


    Navi krallte ihre winzigen Hände in den Stoff seiner Tunika und kreischte. Für einen beschämend langen Moment ging ihr nur der Gedanke durch den Kopf, dass so etwas genau die Situation war, vor der ihr es seit der Verletzung ihres Flügels gegraut hatte: Link stürzte ins Verderben und sie konnte sich nicht fliegender Weise in Sicherheit bringen!


    Link hingegen reagierte überraschend schnell und überlegt: Nach einer kurzen Schrecksekunde riss er so geschwind wie möglich seinen Enterhaken aus dem Wunderbeutel und zielte grob auf einen der Kletter-Abschnitte.


    Die Kette des Enterhakens sirrte mit lautem Rasseln durch die Luft und bohrte ihre Spitze knapp unterhalb des Wandendes in den Stein.


    Sofort betätigte Link den Aufrollmechanismus und klammerte sich mit beiden Händen an den Griff seines Utensils. Der Ruck, der durch den Körper des Recken ging, als er plötzlich aus dem freien Fall heraus in Richtung Decke gerissen wurde, war schmerzhaft und presste Link die Luft aus den Lungen.


    Entsprechend zitterten dem jungen Mann die Knie, als er sich die letzten Zentimeter zu dem über sich liegenden Podest empor zog.


    Doch zum Durchatmen blieb dem Herrn der Zeiten keine Gelegenheit: Kaum dass er sich hochgezogen hatte, wurde er von zwei Strahlenzyklopen beschossen, deren Laserstrahlen sich mit einem Unheil verkündenden Zischen trafen.


    „Pass auf!“ Die Panik machte Navis ansonsten melodische Stimme schrill und noch höher als sonst.


    Links Körper reagierte beinah automatisch auf den Warnruf seiner Fee und der Kämpfer sprang mit einem Hechtsprung über die Laserstrahlen der stählernen Zyklopen hinweg, rollte sich ab und sprintete zur gegenüberliegenden Tür.


    Er konnte nur hoffen, dass er nicht schon wieder vom Regen in die Traufe kam…




    Glücklicherweise war der Flur, in den die beiden Abenteurer Hals über Kopf stürzten, vollkommen leer und ruhig. In einer letzten Aufbietung seiner Kräfte trat Link die Tür zwischen sich und den Strahlenzyklopen ins Schloss und brach dann flach auf dem Rücken liegend zusammen.


    Navi ließ sich von seiner Schulter auf den Boden rutschen und kuschelte sich in die Halsbeuge ihres Schützlings. Obwohl sie selbst körperlich nichts geleistet hatte, fühlte sie sich vollkommen ermattet, so als hätte die Panik alle Energie aus ihrem Körper gesaugt.


    Eine Weile lagen die Beiden einfach nur da, atmeten schnaufend und warteten darauf, dass sich ihre Herzschläge wieder beruhigten.


    Es war Link, der nach langen Minuten das Schweigen brach: „Ich hab gedacht, dieses Mal wäre es wirklich aus.“


    „Dafür hast du erstaunlich schnell reagiert.“ Navi hatte den säuerlichen Geschmack der Scham auf der Zunge, als sie sich daran erinnerte, dass sie nur an ihr eigenes Ende und ihre Angst davor hatte denken können, nachdem Link das Gleichgewicht und gefallen war.


    Dieser seufzte nun und zuckte leicht mit den Achseln, was Navi beinah umschubste. „Ich wusste nicht, ob es funktionieren würde. Ich glaube immer noch, dass der Haken an einem glatten Teil der Wand abgeprallt wäre. Es war nur Glück, dass wir nicht in den Tod gestürzt sind.“


    Die Traurigkeit in Links Stimme zog Navi das Herz schmerzhaft zusammen. Gab er sich etwa die Schuld daran, dass er den Halt verloren hatte? Haderte er mal wieder damit, dass seine Kräfte begrenzt waren und es bei dem, was ihm abverlangt wurde, nur natürlich war, dass er irgendwann am Ende war?


    Um ihren Schützling wieder etwas aufzubauen, schluckte Navi ihren erneut aufflammenden Zorn auf die Göttinnen hinunter und beeilte sich klarzustellen: „Glück und deine schnelle Reaktion. Wenn du nichts unternommen hättest, wären wir auf jeden Fall in den Tod gestürzt.“


    Ein zaghaftes Lächeln huschte über Links Lippen und eine leichte Röte machte sich auf seinen Wangen breit, während er leise Dankesworte hauchte. Dann schwang der Herr der Zeiten sich wieder auf die Füße und sah sich aufmerksam um.


    Vor ihnen führte eine Treppe zu einem höhergelegenen Teil des Flures, wo sich eine weitere Tür befand. Allmählich kam Link sich vor wie in einem Irrgarten. In keinem anderen Tempel hatte es so viele Gänge, Räume und Türen gegeben.


    Bald musste er jedoch alles der antiken Gebetsstätte gesehen haben, oder nicht?


    Der Kämpfer beantwortete seine eigene, unausgesprochene Frage mit einem Schulterzucken und blickte zu seiner noch immer auf dem Boden sitzenden Fee. „Wie fühlst du dich? Bist du bereit, weiterzumachen?“


    Navi seufzte tief und nickte dann. Die Energie, die ihr Schützling an den Tag legte, empfand die Feenfrau als beinah beängstigend. Woher nahm er nach einer so kurzen Rast schon wieder die Kraft weiterzumachen? Sie selbst fühlte sich noch immer wie erschlagen.


    Während sie auf Links dargebotene Hand kletterte, um sich auf seine Schulter setzen zu lassen, wurde ihr jedoch bewusst, dass alles, was den jungen Mann bei der Stange hielt, vermutlich die Aussicht darauf war, dass bald alles vorbei sein würde.


    Mit einem grimmigen Gesichtsausdruck ballte die Feenfrau die Hände zu Fäusten und drückte insgeheim die Daumen dafür, dass Links Hoffnung nicht enttäuscht werden würde. Doch wenn sie ehrlich war, konnte sie nicht absehen wie lange ihr gemeinsames Abenteuer noch dauern würde. Nicht einmal Shiek schien eine Ahnung zu haben, wo sich der siebte und letzte Weise aufhielt.


    Link bemerkte nichts von den düsteren Gedanken seiner Fee und machte sich, nachdem seine Begleiterin auf seiner Schulter Platz genommen hatte, unbeschwert auf den Weg die Treppe hinauf.




    Durch die Tür am Ende des Flurs gelangten die beiden Abenteurer in einen großen Raum, dessen linke Seite mit Metallstäben gesäumt war, durch die man in die angrenzende Höhle blicken konnte. Auf der anderen Seite des Raums ging es etwa einen Meter in die Tiefe zu einem runden Podest, das mit dicken Ketten in der Decke verankert war.


    Während Links Aufmerksamkeit vor allem den möglicherweise verzauberten Krügen im Raum galt, sah Navi sich durch die Eisenstäbe hindurch in der Höhle nebenan um. Obwohl weit und breit kein Sonnenlicht zu sehen war, stand dort eine der Kobrastatuen, deren in den Nackenschild eingelassener Spiegel im Fackelschein leuchtete.


    „Hey, Navi, sieh dir das an!“ Nachdem Link sich vergewissert hatte, dass die in der Nähe stehenden Steinkrüge ungefährlich waren, hatte er sich das mit Ketten befestigte Podest in Augenschein genommen und deutete nun auf die gegenüberliegende Wand. Dort befand sich ein weiterer der inzwischen gut vertrauten Sonnenschalter, dessen goldene Farbe allmählich abblätterte.


    „Sieht so aus als bräuchten wir hier ein wenig Sonnenlicht. Hast du eine Ahnung, wo wir das herbekommen?“ Suchend sah sich der Recke im Raum um, bis seine Fee auf die angrenzende Höhle deutete und sagte: „Da hinten steht einer der Schlangenspiegel, aber leider bin ich mir nicht sicher, ob uns das weiterhilft.“


    Leichtfüßig trabte der Kämpfer zu den Eisenstäben herüber und warf einen Blick hindurch. Im ersten Moment konnte er nichts entdecken, das die beiden Abenteurer vorangebracht hätte, doch dann hellte sich seine Miene sichtlich auf. Mit ausgestrecktem Arm zeigte er auf einen Teil der Höhlenwand und rief: „Da scheint mal ein Durchgang gewesen zu sein. Vielleicht kann ich ihn mit einer Bombe wieder aufsprengen.“


    „Gute Idee“, stimmte Navi zu, wandte dann jedoch ein: „Aber wie willst du dorthin kommen?“


    „Hoffentlich durch diese Tür dort.“ Mit dem Kinn nickte der Herr der Zeiten nach rechts, wo sich eine unauffällige Holztür befand, die seiner Begleiterin bisher entgangen war. „Oh…“ Navi blinzelte irritiert ob er Tatsache, dass sie etwas dermaßen Offensichtliches nicht bemerkt hatte, was Link ein leises Lachen entlockte.




    Tatsächlich führte die Tür in eine Höhle, jedoch offenbar nicht in jene, die die beiden Abenteurer zuvor gesehen hatten. Dennoch hoben sich Links Mundwinkel zu einem breiten Grinsen, als er das Loch in der Decke bemerkte, durch das silbernes Mondlicht auf einen weiteren Schlangenspiegel fiel.


    Navi legte den Kopf in den Nacken und staunte: „Ich hab gar nicht mitbekommen, dass es schon dermaßen spät ist! So hoch wie der Mond steht, muss es beinah Mitternacht sein!“


    Link schüttelte mit dem Kopf und verdrängte das Gefühl bleierner Müdigkeit, das sich in seinen Gliedern breit machen wollte. „Ich glaube, das täuscht. Als wir den Spiegelschild gefunden haben, ging die Sonne gerade erst unter – und so lange haben wir bis hierher auch wieder nicht gebraucht.“


    Kaum dass er diese Worte ausgesprochen hatte, meldete sich eine leise, stichelnde Stimme in seinem Hinterkopf. War er sich wirklich sicher, dass seit Entdecken des Spiegelschilds nicht doch mehr Zeit vergangen war? Wie lange hatten sie nach Erklimmen der Kletterwand gerastet? Und war er dabei nicht eingenickt, was n jedes Zeitgefühl hatte verlieren lassen?


    Der Herr der Zeiten hatte jedoch keine Zeit, sich mit seinen Zweifeln auseinanderzusetzen. Denn just in diesem Moment traten aus den Schatten am anderen Ende der Höhle zwei Schwert schwingende Echsenkrieger hervor.


    Bei diesem Anblick hielt Navi den Atem an und krallte sich in Links Tunika fest. Wenn ihr Schützling in Kämpfe verwickelt wurde, hasste sie ihre Flügelverletzung ganz besonders. Nicht nur, dass sie sich selbst nicht in Sicherheit bringen konnte – sie konnte auch nicht ihren Schützling unterstützen indem sie beispielsweise seine Gegner durch Herumgeschwirre um seinen Kopf irritierte.


    Link zog unterdessen Schwert und Schild und beobachtete die herannahenden Gegner genau. Mit Schrecken erinnerte er sich an die Begegnung, die er als Kind mit einem dieser Wesen gehabt hatte. Echsenkrieger waren schnell und wendig, hatten eine große Reichweite und verfügten über erstaunliche Kräfte.


    „Navi, verkriech dich in meiner Hemdtasche.“ Der Recke bemühte sich ruhig und leise zu sprechen, um die Echsenwesen vor sich nicht zu provozieren – doch ohne Erfolg. Wie auf ein geheimes Stichwort hin sprang einer der Reptilienkrieger nach vorn und ließ sein Schwert auf Link herabsausen.


    Dieser konnte mit einer flinken Drehung seines Oberkörpers noch knapp ausweichen, aber dabei wurde seine Fee von seiner Schulter geschleudert. Mit einem dumpfen Aufprall landete Navi auf dem sandigen Boden, überschlug sich ein paar Mal und blieb dann knapp vor den Füßen des zweiten Echsenkriegers liegen.


    Bei dem Anblick der krallenbewehrten, schuppigen Zehen kreischte die Feenfrau laut auf, was das Reptil vor ihr überrascht zusammenzucken ließ. Panisch rappelte Navi sich auf und stürzte in Richtung der Schlangenstatue davon. Der Echsenkrieger hatte sich jedoch inzwischen von seinem Schreck erholt und hob den Fuß, um Navi wie ein lästiges Insekt zu zertreten.


    Der Boden vibrierte, als der Echsenfuß nur Millimeter neben Navi aufstampfte. Die flüchtende Feenfrau stolperte und stürzte der Länge nach in den Sand, wo sie sich schnell auf den Rücken rollte und verzweifelt rückwärts kroch.


    Wenn sie nur Link auf sich aufmerksam machen könnte… Doch dieser war in ein intensives Duell mit dem zweiten Echsenkrieger verwickelt und Navi war sich nicht sicher, ob ihre Stimme ihr noch gehorchte.


    Das Maul des mordlustigen Reptils schien sich zu einem gehässigen Grinsen zu verziehen, als es erneut den Fuß hob. Dieses Mal würde es sie erwischen, da war Navi sich sicher. Wie gelähmt blieb die Fee am Fuß der Schlangenstatue hocken und starrte aus weit aufgerissenen Augen auf die Sohle des erhobenen Echsenfuchses.


    Seltsam unbeteiligt wunderte sich ein Teil von ihr darüber, dass sie völlig stumm blieb. Sie war sich immer sicher gewesen, in einer solchen Situation würde sie schreien wie am Spieß, aber stattdessen schallte eine andere Stimme durch die Höhle: „NAVI!“


    Mit einem gezielten Tritt gegen dessen Brust stieß Link den Echsenkrieger, mit dem er bislang gekämpft hatte, von sich, sprintete zu dem anderen Reptil herüber und warf sich im letzten Moment mit einem Hechtsprung gegen Navis Angreifer.


    Da dieser nur auf einem Bein gestanden hatte, wurde der Echsenkrieger von der Wucht des Aufpralls sofort umgerissen und landete mit einem Fauchen auf dem Rücken. Link zog sich so schnell wie möglich hoch und drückte dem Reptil mit den Knien die Arme auf den Boden.


    Der Reptilienkämpfer stieß ein weiteres bedrohlich klingendes Fauchen aus und schnappte nach dem Herrn der Zeiten, der zu Navis großer Überraschung mit der bloßen Faust zuschlug. Durch die Macht der Krafthandschuhe wurde der Kopf des Echsenkriegers heftig herumgerissen und einige seiner Zähne brachen aus seinem Kiefer.


    „Ich werde dich lehren, was mit jedem passiert, der versucht, Navi auch nur ein Haar zu krümmen!“ Der Zorn in Links Stimme ließ seine Fee zusammenzucken. Zwar war es sehr schmeichelhaft, dass ihr Schützling um ihre Sicherheit besorgt war, aber die animalische Brutalität, die Link nun an den Tag legte, ließ sie ihren Freund nicht wiedererkennen.


    Doch bevor der Herr der Zeiten seinen Aggressionen freien Lauf lassen konnte, stürzte von hinten der zweite Echsenkrieger heran.


    Im ersten Moment dachte Navi, Link sei so blind vor Hass, dass er unaufmerksam geworden war. Aber noch bevor sie den Mund aufmachen konnte, um ihren Schützling zu warnen, stieß dieser sich mit den Beinen ab und sprang mit einem eindrucksvollen Handstandüberschlag auf die Füße.


    Das Schwert des Echsenkriegers, das bereits auf ihn herab gesaust war, schnitt mit einem leisen Zischen durch die Luft und bohrte sich genau dort, wo Link nur Sekunden zuvor noch gekauert hatte, dem zweiten Reptilienkämpfer in den Bauch.


    Die Echse stieß ein markerschütterndes Kreischen aus, das Navi das Blut in den Adern gefrieren ließ. Link jedoch wirbelte nur herum und hieb seinerseits das Master-Schwert dem stehenden Reptil in die Halsbeuge. Das Licht in den Pupillen des Angreifers erlosch augenblicklich und er stürzte zu Boden wie ein gefällter Baum.


    Das schmatzende Geräusch, als der Herr der Zeiten sein Schwert aus dem Körper des Echsenkriegers zog, drehte Navi den Magen um, doch noch schlimmer war der eigentümliche Gesichtsausdruck mit dem sich Link nun wieder dem am Boden liegenden Reptilienkämpfers zuwandte.


    Das Schwert seines Kumpans steckte noch immer im Bauch der Echse und schien ihr höllische Qualen zu bereiten. Einige Herzschläge lang stand Link einfach nur da und blickte zu dem besiegten Gegner herab als würde er sich an dessen Leiden laben. Doch dann siegte die mitfühlende Natur des jungen Mannes und er packte mit beiden Händen das Heft des Echsenschwertes.


    Kaum dass die Klinge ihn nicht mehr an den Boden heftete, rollte der Reptilienkrieger auf den Bauch, stützte sich auf alle Viere und sah aus kalt wirkenden Augen zu Link auf. Dieser erwiderte stumm den Blick und ließ das Schwert neben sich zu Boden fallen, um zu signalisieren, dass er nicht kämpfen wollte.


    Als er dies sah, stieß der Echsenkrieger erneut ein Fauchen aus, wirbelte herum und schnappte nach Navi, die nun doch ihre Stimme wiederfand und einen schrillen Schrei ausstieß.


    Die Feenfrau kniff die Augen fest zusammen und wartete auf den Schmerz, aber alles, was sie wahrnahm, war das Geräusch eines auf Sand fallenden Gegenstands und dann Stille. Von Neugierde getrieben linste Navi vorsichtig durch halb geöffnete Lider und zuckte heftig zusammen, als sie direkt vor sich das Maul des Echsenkriegers entdeckte.


    „Es ist vorbei, Navi. Du kannst die Augen wieder aufmachen.“ Link klang müde und resigniert, was Navis Herz krampfen ließ. Sie hatte sich doch so viel Mühe gegeben, ihren Schützling aufzuheitern. Sollte das alles umsonst gewesen sein?


    Etwas enttäuscht kletterte die Fee auf die ihr dargebotene Hand und ließ sich auf ihren Stammplatz auf Links Schulter setzen. Dieser starrte noch immer auf den – wie Navi jetzt sehen konnte – enthaupteten Echsenkrieger und seufzte: „Ich wollte ihm eine Chance geben. Wenn er sich einfach zurückgezogen und uns in Ruhe gelassen hätte, hätte ich ihn nicht töten müssen, aber er hat mir keine Wahl gelassen.“


    „Es ist nicht deine Schuld.“ Am liebsten hätte Navi ihren Schützling geschüttelt, bis all die negativen Gedanken aus seinem Kopf gepurzelt wären. Zu ihrer Überraschung nickte Link jedoch anstatt zu widersprechen und antwortete mit Grimm in der Stimme: „Ich weiß. Trotzdem sind es meine Hände an denen sein Blut klebt. Ich habe inzwischen so viele Wesen getötet, dass ich sie nicht mehr zählen kann – und ich bin es leid! Ich bin dieses ewige Kämpfen und Töten dermaßen leid!“


    „Ich weiß…“ Navi brachte angesichts von Links Gefühlsausbruch nur ein leises Flüstern zustande. Sie konnte ihn so gut verstehen! Wie oft hatte sie selbst bereits sein Schicksal und die Göttinnen, die ihm eben jenes aufgebürdet hatten, verflucht?


    Ihr war bewusst, dass sie seine Beschwerden beiseite wischen und ihn zum Weitermachen motivieren sollte. Das war eine der Aufgaben, die der Deku-Baum ihr seinerzeit aufgetragen hatte: wann immer der Auserwählte verzweifelte, sollte sie ihn weiter vorantreiben.


    Doch sie konnte nicht…


    Inzwischen war Link in erster Linie zu ihrem Freund geworden. Erst danach sah sie in ihm den Herrn der Zeiten, der das Schicksal Hyrules auf seinen Schultern trug.


    Wenn er alles hinschmeißen und im Interesse seiner eigenen seelischen Gesundheit das Kämpfen an den Nagel hängen wollte, würde sie ihn nicht aufhalten.


    Doch statt aufzugeben, wischte Link sich nur mit der flachen Hand über die Augenwinkel, um ein paar Tränen zu vertreiben und fügte mit noch immer grollender Stimme an: „Es wird allerhöchste Zeit, dass ich Ganondorf endlich aufhalte!“




    Mit diesen Worten machte der Herr der Zeiten sich mit neuem Feuereifer daran, die Höhle zu untersuchen. Der verbissen wirkende Zug um seine hart aufeinander gepressten Lippen machte Navi Sorgen und sie dachte mit Grauen an seinen beinah Kontrollverlust kurz zuvor. Auch wenn sie sich nicht sicher sein konnte, war sie fest davon überzeugt, dass Link den Echsenkrieger, der sie hatte zertreten wollen, zu Brei geschlagen hätte, wäre der Angriff seines Artgenossen nicht dazwischen gekommen.


    Unter der Oberfläche brodelte sehr viel mehr Frustration und Zorn in Link als Navi es für möglich gehalten hatte. Und es machte ihr Angst…


    Als hätte er ihre Gedanken gelesen, ließ Link plötzlich die Hände, mit denen er die Höhlenwand abgetastet hatte, sinken und sagte: „Das vorhin tut mir leid.“ Der junge Mann sprach so leise, dass seine Fee Schwierigkeiten hatte, ihn zu verstehen, obwohl sie so nah an seinem Mund saß.


    „Ich… Ich wollte nicht so brutal sein. Es war nur… Ich…“ Er schien sich innerlich einen Ruck zu geben und dann purzelten seine Worte wie ein Wasserfall aus seinem Mund: „Ich hatte solche Angst, dich zu verlieren. Dabei bist du doch irgendwie das Letzte, was mir bleibt. Ich hatte nie viele Freunde. Nur Salia, Darunia, vielleicht Ruto und dich. Aber bis auf dich sind alle tot, weil ihre Seelen ins Heilige Reich zurückkehren mussten. Ganondorf und der Kampf gegen ihn haben mir alles genommen. Bis auf dich. Und ich… ich ertrage den Gedanken nicht, dich auch noch zu verlieren.“


    Navi schluckte an einem dicken Kloß in ihrem Hals. Nie im Leben hatte sie geglaubt, dass Link so über sie denken würde, dass er ihrer Freundschaft solch große Bedeutung beimaß. Um seine Worte nicht über zu bewerten, fragte sie ungewollt schroff „Was ist denn mit Shiek?“


    Link stieß einen langgezogenen Seufzer aus und fuhr mit dem Abtasten der Wand fort. „Shiek ist…“ Der Recke schluckte und setzte dann neu an: „Ich mag Shiek, aber ich würde ihn nicht als Freund bezeichnen – jedenfalls nicht so richtig. Er ist immer da, wenn wir ihn brauchen und manchmal hab ich das Gefühl, dass ihm wirklich etwas an mir gelegen ist – an mir als Person, nicht als Herr der Zeiten – aber dann ist er wieder so distanziert und verschlossen…“ Link schüttelte mit dem Kopf und brach ab.


    „Und was ist mit Prinzessin Zelda?“, versuchte Navi erneut, ihrem Schützling vor Augen zu führen, dass er nicht so allein war wie er glaubte.


    „Hm…“ Für einen Moment schien Link seine Worte sorgsam abzuwägen. „Durch die Seelen der Lichtwesen, die in uns leben, werden die Prinzessin und ich uns wohl immer verbunden fühlen. Irgendwie fühlt es sich sogar so an als wäre ich in sie verliebt, aber seit ich Shiek getroffen habe…“ Der junge Mann lief von den Ohrmuscheln ausgehend puterrot an und beeilte sich fortzufahren: „Wie auch immer… Es ist egal, was ich für sie empfinde oder sie für mich. Sie ist die Thronerbin. Sobald Ganondorf besiegt ist, wird sie die neue Königin von Hyrule. Ich hingegen bin nur ein einfacher Bauerntrampel. Wir werden nie zusammen sein können. Vermutlich können wir nicht einmal befreundet sein…“


    „Jetzt sieh doch nicht alles so verdammt negativ!“ Navi stemmte die Hände in die Hüften und sah ihren Schützling streng an. „Du bist der Herr der Zeiten. Du wirst derjenige sein, der Ganondorf besiegen wird. Du wirst ein Held sein! Dass sie dir einen Adelstitel verleihen, wird das mindeste sein, was sie tun werden, um dir zu danken!“


    „Das ist es!“ „Ja?“ Für einen Moment war Navi irritiert, dass sie Links düstere Gedanken so leicht hatte vertreiben können, doch dann bemerkte sie, dass er gar nicht ihr Gespräch meinte.


    Mit den Fingern fuhr der Recke eine Furche in der Wand entlang und erklärte: „Hier ist der verschüttete Durchgang, den wir vorhin schon von der anderen Seite gesehen haben!“ „Na dann: Feuer frei!“


    So schnell er konnte, entzündete Link eine seiner Bomben an einer in einer Wandhalterung vor sich hin brennenden Fackel und platzierte sie vor besagtem Wandabschnitt, bevor er mit seiner Fee aus dem Raum hetzte. Die folgende Detonation hallte ohrenbetäubend laut im ansonsten vollkommen stillen Tempel wider, erfüllte jedoch auch ihren Zweck: Zwischen den beiden Höhlenabschnitten klaffte nun wieder ein mannshohes, etwa zwei Meter breites Loch.


    Link hielt Navi einen Finger zum Einschlagen hin und kehrte zu der mondbeschienenen Kobrastatue zurück, nachdem seine Fee abgeklatscht hatte.




    Die beiden Schlangenstatuen in den Höhlen waren schnell in die richtige Position gedreht, sodass das mit Ketten befestigte Podest nun in silbernes Licht getaucht wurde. Doch egal wie sehr Link sich auch bemühte, der Sonnenschalter ließ sich nicht aktivieren.


    „Ich fürchte, es muss Sonnenlicht sein. Mondlicht scheint nichts zu nutzen.“ Navi legte den Kopf schief und betrachtete den Kristall in der Mitte des Schalters, der matt glänzte als würde das Mondlicht an ihm abperlen anstatt in sein Innerstes vorzudringen.


    „Dann bleibt uns wohl nichts anderes übrig als eine Rast einzulegen.“ Bei diesen Worten entwischte dem Krieger ein herzhaftes Gähnen und er fügte mit einem verschämten Lächeln an: „Obwohl es mir nicht gefällt, Naboru noch länger warten zu lassen, kann ich nicht bestreiten, dass mir eine Pause ganz gelegen kommt.“


    Navi grinste ihn von der Seite her an und antwortete: „Ich bin mir sicher, nach sieben Jahren in der Gefangenschaft der Twinrova kommt es auf einen halben Tag mehr oder weniger nicht an.“


    „Ja, vielleicht…“ Link zuckte mit den Schultern und versuchte, das Brennen eines schlechten Gewissens beiseite zu schieben. Dann rollte er sich in einer Ecke nah des Podests zusammen und döste fast augenblicklich weg. Er bekam nicht einmal mehr mit, dass Navi sagte: „Hey, weißt du, was praktisch wäre? Wenn man mit der Hymne der Sonne tatsächlich die Sonne kontrollieren könnte!“




    Als Link einige Stunden später erwachte, fühlte er sich angesichts der Tatsache, dass er ohne Lager auf dem harten Steinboden geschlafen hatte, erstaunlich ausgeruht. Im ersten Moment war der Recke etwas desorientiert, doch dann fiel sein Blick auf die weißgoldenen Sonnenstrahlen, die sich auf dem Podest vor ihm bündelten, und er sprang voller Tatendrang auf die Füße.


    Navi, die noch immer in seine Halsbeuge gekuschelt geschlafen hatte, fiel bei der plötzlichen Bewegung herunter und konnte sich gerade eben noch am Zipfel von Links Tunika festhalten. „Was zum Deku soll das?!“


    „Oh, entschuldige Navi! Ich bin so gespannt darauf, ob sich der Schalter jetzt aktivieren lässt, dass ich vergessen habe, dass du auf mir liegst.“ Link zog ein entschuldigendes Gesicht, das seine Fee, die am Stoff seiner Kleidung empor kletterte, nicht sehen konnte und ignorierte ihr Gemecker. Navi war schon immer ein wenig morgenmufflerisch veranlagt gewesen und derart unsanft geweckt zu werden, würde wohl jedem die Laune verderben.


    Während seine Fee auf seiner Schulter Platz nahm und sich den Schlaf aus den Augen rieb, begab Link sich auf das Podest und leitete mit Hilfe des Spiegelschilds das Sonnenlicht auf den Sonnenschalter.


    Für einen aufreibend langen Moment geschah gar nichts, was sogar Navi vor Anspannung ihre Schimpftirade unterbrechen ließ. Doch dann – endlich – begann der Mittelkristall zu glühen und ein mechanisch klingendes Schleifen verriet, dass irgendein Mechanismus in Gang gesetzt worden war.


    Suchend sahen sich Krieger und Fee im Raum um, als plötzlich der Boden unter ihnen vibrierte und das Podest mit erschreckender Geschwindigkeit durch den Boden nach unten gelassen wurde. Link griff reflexartig nach einer der dicken Ketten und klammerte sich daran fest, bis der improvisierte Aufzug endlich wieder zum Stehen kam.


    Als die beiden Abenteurer feststellten, wo sie sich nun befanden, staunten sie nicht schlecht: Das Podest hing nun genau vor dem Gesicht der Nure-Onna-Statue, die mit ihrem kalten Lächeln aus der Nähe noch Furcht einflößender wirkte als aus der Ferne.


    Link warf vorsichtig einen Blick über den Rand des Podests und bekam sofort weiche Knie. Neben ihm ging es bestimmt zehn Meter in die Tiefe.


    Die dicke Kette noch immer umklammernd wandte sich der Herr der Zeiten wieder der Statue zu und stellte die entscheidende Frage: „Und was… äh… bringt uns das Ganze jetzt?“


    „Ich weiß nicht.“ Navis Stimme klang genauso unsicher wie Link sich fühlte. „Vielleicht war das hier mal ein Aufzug, der als Abkürzung zwischen dem Erdgeschoss und den oberen Stockwerken fungieren sollte.“ „Du meinst, das Ding hängt nur fest, weil der Mechanismus verrostet ist und könnte jeden Moment weiter in die Tiefe stürzen?!“ Link starrte mit panisch geweiteten Augen in Richtung Boden.


    „Vielleicht. Aber… hey! Warte! Hörst du das?“ Navi schloss die Augen, um besser hören zu können. War da nicht gerade Gemurmel gewesen?


    Nein… Sie musste es sich eingebildet haben.


    Doch gerade als sie ihrem Schützling sagen wollte, sie hätte sich geirrt, vernahm sie die leisen Stimmen wieder.


    „Link! Da sind Stimmen!“ „Was?“ Der Herr der Zeiten sah sich verwirrt um, wobei er sich vorsichtig um die eigene Achse drehte. Von wo sollten so hoch oben Stimmen kommen?


    Plötzlich knackte etwas hinter dem jungen Krieger und Link wirbelte wieder herum. Über das Gesicht der Nure-Onna-Statue zog sich auf einmal ein länglicher Riss. „Was zum…?“ Irritiert legten Recke und Fee die Stirn in Falten. Woher kam auf einmal dieser Riss?


    Während Link damit rechnete, jeden Moment von den Twinrova angegriffen zu werden, kam Navi plötzlich eine Erleuchtung: „Das Licht!“


    „Was?“ Der Herr der Zeiten sah seine Begleiterin ratlos an. Diese deutete daraufhin nach oben, von wo noch immer goldene Sonnenstrahlen auf das Podest fielen. „Als du dich vorhin gedreht hast, hat das Spiegelschild Licht auf das Gesicht der Statue geworfen. Es ist nur eine vage Vermutung, aber vielleicht hat der Riss etwas damit zu tun.“


    Link zog zweifelnd die Augenbrauen zusammen, machte sich aber dennoch daran, erneut Sonnenstrahlen auf das Gesicht der Nure-Onna abzulenken. In diesem Tempel hatte es bereits so viele Rätsel gegeben, die mit der Sonne in Verbindung standen. Warum nicht auch noch dieses?


    Und tatsächlich!


    Nach nur wenigen Sekunden platzte das Gesicht der Statue noch weiter auf und bröckelte ab, bis darunter eine reich verzierte Tür zum Vorschein kam.


    „Navi, du bist hochoffiziell ein Genie!“ Link schnallte sich den Spiegelschild wieder auf den Rücken, während seine Fee triumphierend strahlte und in neckendem Ton fragte: „Das fällt dir erst jetzt auf?“


    Normalerweise hätte Link daraufhin die Augen verdreht, doch stattdessen kratzte er allen Mut zusammen, nahm er Anlauf und sprang über die schmale Schlucht zwischen Podest und Statue zur Tür herüber. Er war sich sicher, sie hatten das Versteck der Twinrova gefunden.
    Endlich war die Zeit gekommen, Naboru zu befreien!

    ZF-Signatur-2.jpg

    Avatar-Artwork von mokke; Signatur-Artwork von Kamui Fujiwara (official artwork)

  • Das Geheimnis des Eisenprinzen







    Durch die mit Silber- und Goldbeschlägen geschmückte Tür gelangten die zwei Abenteurer in einen mit rotem Teppich ausgelegten Flur, der sich in einer flachen Wendeltreppe nach oben bog und den beiden erschreckend vertraut vorkam.


    Während Link langsam die Stufen nach oben stieg, warf er seiner Fee mit grimmigem Gesichtsausdruck einen Seitenblick zu. „Denkst du dasselbe wie ich?“ „Ich denke schon.“ Navi nickte und erinnerte sich an die letzten beiden Male, die sie einen solchen Gang durchquert hatte. Am Ende dieser Flure hatte sie bisher jedes Mal ein von einem Eisenprinzen bewachter Thronsaal erwartet.


    Auf was sie wohl dieses Mal stoßen würden?


    Vor der in den nächsten Raum führenden Tür blieb Link kurz stehen und schloss die Augen, um sich zu sammeln. Was, wenn sie dieses Mal wieder nur auf einen Eisenprinzen treffen würden? Der junge Mann hatte keine Idee mehr, wo er noch nach dem Versteck der Twinrova suchen sollte…


    Navi, die seine Befürchtungen teilte, legte ihrem Schützling eine Hand aufs Kinn und versuchte, ihm Mut zu machen: „Ich weiß, du hast Angst das hier könnte eine Sackgasse sein. Aber denk dran: jedes Mal, wenn wir einen solchen Flur durchquert haben, hat uns das einen Schritt vorangebracht. Beim ersten Mal haben wir anschließend die Krafthandschuhe gefunden und beim zweiten Mal den Spiegelschild. Ich bin mir sicher, wir sind hier richtig!“ Die Fee war selbst überrascht davon, wie zuversichtlich und überzeugt sie ihre Stimme klingen lassen konnte.


    Ein kleines Lächeln zuckte über Links Lippen und der Herr der Zeiten nickte bedächtig. „Ja, du hast Recht. Außerdem bringt es uns überhaupt nicht voran, hier rumzustehen und Trübsal zu blasen. Lass uns schauen, was wir hier wirklich gefunden haben!“


    „Jawohl, Sir!“ Navi sprang auf die Füße, straffte den Rücken und salutierte, was endgültig ein Lachen in Links Gesicht zauberte. Dann fasste der Recke mit neuem Mut den Türgriff und öffnete den Zugang zum nächsten Raum.




    Im ersten Moment war es als würden die Befürchtungen der beiden Abenteurer wahr: Sie befanden sich wieder einmal in einem langgezogenen, von reich verzierten Säulen umsäumten Saal, an dessen Ende ein gewaltiger Thron stand, auf dem ein Eisenprinz saß als hätte er sie bereits erwartet.


    Doch dann fiel Links Blick auf die beiden weißhaarigen Gestalten am Fuß des Throns und wurde von Angst und Kampfeslust gleichermaßen erfasst. Vor dem Thron kauerten zwei uralt wirkende, kleine Frauen auf deren Stirnen jeweils ein etwa faustgroßer Edelstein prangte, der durch ein hinter dem Kopf zusammenlaufendes Goldband gehalten wurde.


    „Die Twinrova!“ Navis Stimme schwankte zwischen Furcht, Abscheu und Ehrfurcht. „Ich hab noch nie eine derart mächtige magische Aura gespürt… Pass bloß auf, Link! Die Beiden sind heute noch mächtiger als bei unserer kurzen Begegnung vor sieben Jahren!“


    Bei dem Ertönen der fremden Stimme wandten sich die zwei alten Frauen, die bisher zu dem Eisenprinzen hoch gesehen hatten und nur eine Hälfte ihres Gesichts gezeigt hatten, vollständig Navi und Link zu. Die Feenfrau erstarrte beinah vor Panik als der Blick der Hexe mit dem roten Edelstein auf der Stirn direkt auf sie fiel.


    Obwohl sie ein schlechtes Gewissen hatte, ihren Schützling im Stich zu lassen, verschwand Navi so schnell sie konnte in Links Hemdtasche. Mit ihrem eingerissenen Flügel, redete sie sich ein, war sie ihrem Freund sowieso keine Hilfe und er konnte sich besser auf den Kampf konzentrieren, wenn er sich nicht auch noch Sorgen um ihre Sicherheit machen musste.


    „Sieh mal einer an, was der Wüstenwind herein geweht hat!“ Die Hexe mit dem roten Edelstein auf der Stirn ließ ihren Blick nun, da Navi derart blitzartig verschwunden war, über Links Körper gleiten. Trotz ihres offensichtlichen Alters leuchteten ihren Augen noch immer in einem beeindruckenden Bernsteingelb und hatten eine Intensität, dass Link sich beinahe nackt fühlte, während sie musternd über ihn wanderten.


    Als nun auch die zweite Hexe ihren Blick über den Herrn der Zeiten schweifen ließ, konnte dieser sehen, dass die beiden Frauen sich zwar bis aufs Haar glichen – bis auf die Farbe ihre Augen. Die Iriden Hexe mit dem blauen Juwel waren dunkler als die ihrer Schwester und gingen schon beinah ins Braune über.


    „Sehr interessant, Koume“, antwortete die Angesprochene nun. „Ist das nicht der Bengel, der vor sieben Jahren bereits durch unseren Tempel geschlichen ist und die Krafthandschuhe gestohlen hat?“ Der Blick der ersten Hexe huschte zu Links Unterarmen. „Du hast Recht, Kotake! Wir sollten ihn endlich für diese Ungezogenheit bestrafen. Denkst du nicht?“ „Auf jeden Fall, Schwester!“


    Link, der allmählich die Nase voll davon hatte, nur herumzustehen und zuzuhören wie die Twinrova über ihn redeten als wäre er ein Kind, platzte zornig heraus: „Ihr seid die Einzigen hier, die für irgendetwas bestraft gehören! Ihr habt aus Ganondorf den größenwahnsinnigen Irren gemacht, der heute Hyrule tyrannisiert. Ihr habt bereits seit Jahrhunderten Menschen verflucht oder sie spurlos verschwinden lassen, wenn sie euch in die Quere kamen. Und ihr habt Naboru entführt!“


    Bei seinem Wortschwall wechselten die beiden Schwestern einen schnellen Seitenblick, was Link einen eiskalten Schauer über den Rücken laufen ließ, als er sah wie gut sich die Zwillinge auch ohne Worte verstanden. Es wirkte beinah als herrsche zwischen den Beiden eine Art telepathische Verbindung, von der er ausgeschlossen war.


    Kotake verzog ihre schmalen Lippen zu einem bedrohlich wirkenden Lächeln. „Deswegen bist du also hier – um uns zur Rechenschaft zu ziehen. Und wir hatten schon geglaubt, du seist ein einfacher Tempelräuber!“


    Plötzlich schnaubte es in Links Hemdtasche und eine Stimme schimpfte: „Tempelräuber! Ich glaube, es hakt! Wie kann man den Herrn der Zeiten für einen gewöhnlichen Dieb halten?!“ Obwohl Navi leise gesprochen hatte und ihre Stimme durch die Stofflagen über ihr gedämpft wurde, war sie dennoch deutlich zu verstehen.


    Link lief augenblicklich scharlachrot an und wünschte sich einmal mehr, seine Fee hätte ein etwas weniger aufbrausendes Temperament, während die beiden Hexen ihn mit neuem Interesse beäugten.


    „Soooo… der Herr der Zeiten also…“, stieß Koume hervor und ihre Schwester ergänzte: „Wenn das so ist, wird es uns eine ganz besondere Freude sein, dich zu töten! Ganon wird begeistert sein, wenn wir ihm deine Überreste zu Füßen legen!“


    „Versucht’s doch!“ Link verzog die Lippen zu einem wölfischen Grinsen, suchte sich festen Stand und zog Schwert und Schild.


    Als die alten Frauen den Spiegelschild sahen, hoben sie beinah simultan die Augenbrauen und tauschen einen weiteren ihrer gruseligen Seitenblicke. Dann schüttelte Kotake betont gelangweilt den Kopf und sagte: „Wir machen uns an dir doch nicht selbst die Hände schmutzig!“ „Wir haben hier jemanden, der darauf brennt, mit dir zu spielen“, fügte Koume an, bevor sie dem Eisenprinzen das Knie tätschelte und sich überraschend schnell mit ihrer Schwester zurückzog.


    Link konnte noch sehen, dass die beiden Hexen durch einen Hinterausgang verschwanden, dann hievte sich der Eisenprinz schwerfällig aus dem Thron und schritt langsam und leise lachend auf den jungen Mann zu.




    Anders als die Eisenprinzen, die Link bereits bekämpft hatte, schulterte dieser keine schwere Breitaxt, sondern hielt stattdessen einen überdimensionierten Krummsäbel in den Händen. Außerdem wirkte am Bewegungsmuster des Prinzen irgendetwas anders als bei seinen Artgenossen zuvor. Der Herr der Zeiten konnte nicht sagen, was ihn störte, aber er war sich sicher, dass er auf der Hut sein musste.


    Dieser Eisenprinz war etwas Besonderes.


    Dennoch versuchte es der Krieger mit der Strategie, die sich bereits gegen den letzten dieser Gegner bewährt hatte: Anstatt selbst anzugreifen, provozierte er sein Gegenüber mit Worten, während er sich außerhalb dessen Schlagweite hielt und sich darauf hoffte, der Eisenprinz möge aus Frustration seine Waffe nach ihm schleudern und sich so wehrlos machen.


    Doch zu Links Frustration schien dieser Eisenprinz zu klug zu sein, um auf diese Falle hereinzufallen. Stattdessen blieb er in einiger Entfernung zum Herrn der Zeiten stehen und schien seinerseits darauf zu warten, dass sein Gegenüber den ersten Schritt tat.


    „Navi, es funktioniert nicht!“, wandte sich Link hilfesuchend an seine Fee. Navis Wissen über die Monster, die Hyrule schon seit Anbeginn der Zeit bevölkerten, war wesentlich größer als das seine. Vielleicht hatte Navi ja eine Idee wie man den Eisenprinzen aus der Reserve locken konnte – immerhin hatte sie auch gewusst, dass es sich bei diesen Ungetümen um verzauberte Rüstungen handelte, die – vorausgesetzt man kam in Reichweite – leicht zu besiegen waren.


    „Reagiert er überhaupt nicht auf das, was du sagst?“ „Kein bisschen. Er steht einfach nur da und scheint sich sogar noch über meinen kläglichen Versuch, ihn zu reizen, zu amüsieren.“ „Hm…“ Navi kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf, was Link leicht kitzelte, als der Ellbogen seiner Fee nur durch den dünnen Hemdstoff von seiner nackten Haut getrennt über seine Brust strich.


    Navi bekam jedoch von dem Zucken in Links Brustmuskel nichts mit. Sie war völlig in Gedanken versunken. Wieso reagierte der Eisenprinz nicht auf Links Provokationen?


    In jedem Schriftstück, das Navi über Eisenprinzen gelesen hatte, war die fehlende Intelligenz der verzauberten Rüstungen betont worden – weshalb die Fee beim Kampf gegen den letzten Eisenprinzen überrascht war, dass dieser überhaupt verstanden hatte, dass Link ihn beleidigt hatte.


    Konnte es sein, dass dieser Prinz, dem der Herr der Zeiten sich nun gegenübersah, schlicht zu dumm war, um die Provokationen zu verstehen?


    Dazu passte jedoch nicht, dass Link sagte, er habe den Eindruck, der Eisenprinz amüsiere sich über ihn.


    Außerdem hatte es in allen Aufzeichnungen geheißen, Eisenprinzen wären derart aufs Kämpfen fixiert, dass sie sich ohne Rücksicht auf Verluste jedem Gegner sofort entgegenwarfen.


    Warum nur verhielt sich dieser Prinz so anders als seine Artgenossen?!


    „Ich… Ich habe leider keine Ahnung…“ Man hörte der Stimme der Fee deutlich an, wie schwer es ihr fiel, ihr fehlendes Wissen einzugestehen. „Vielleicht ist dieser Eisenprinz von den Hexen verzaubert worden, um ihn klüger zu machen als seine Artgenossen“, riet Navi ins Blaue hinein, als Link enttäuscht aufseufzte.


    „Du meinst, ich habe es hier womöglich mit einem Eisenprinzen zu tun, der über menschliche Intelligenz verfügt?!“ Entsetzen und Horror über diese Vorstellung machten die Stimme des jungen Mannes rau und kratzig.


    Link konnte sich kaum etwas Schlimmeres vorstellen als einen derart gut gepanzerten und bewaffneten Gegner, der auch noch denken und womöglich seinen nächsten Zug im Voraus erahnen konnte. „Es ist nur eine Theorie…“, versuchte Navi abzuwiegeln, da sie hörte wie Links Herz zu rasen begann.


    „Willst du den ganzen Tag nur herumstehen und mich beleidigen? Ich dachte, der Herr der Zeiten hätte ein wenig mehr zu bieten als das. Deine Armseligkeit enttäuscht mich.“ Die Worte waren durch das dicke Metall der Rüstung gedämpft und verzerrt, dennoch rührte ihr Klang an einer Erinnerung.


    Das Grauen darüber, dass der Eisenprinz sprechen konnte, war jedoch so groß, dass es jeden anderen Gedanken übertünchte.


    „Nur eine Theorie, ja…?“ Link schluckte hart und umklammerte das Heft des Master-Schwerts noch fester, während er stumm dem glücklichen Umstand dankte, dass er Handschuhe trug – seine Handflächen waren inzwischen so schwitzig, dass ihm andernfalls womöglich das Schwert aus der Hand gerutscht wäre.


    Navi schlug das Herz inzwischen auch bis zum Hals. Sie hatte so gehofft, ihre fixe Idee würde sich als falsch herausstellen…


    „Ich fürchte, dir bleibt nur eine Chance“, flüsterte die Fee gegen die Brust ihres Schützlings, wobei sie sich Mühe geben musste, das Dröhnen seines wilden Herzschlags zu übertönen. „Du musst deine Wendigkeit ausspielen. Egal, wie intelligent und gut gepanzert dieses Wesen auch sein mag, denk immer daran: Seine Rüstung schränkt seine Bewegungsfreiheit stark ein. Und seine Waffe mag zwar vernichtenden Schaden anrichten, aber dafür muss er dich damit erst einmal treffen.“


    Der Herr der Zeiten nickte und wollte gerade den Spiegelschild ablegen, um so flink und wendig zu sein wie irgendwie möglich, als der Eisenprinz beschloss, dass er die Nase voll davon hatte, herumzustehen und darauf zu warten, dass Link die Plauderei mit seiner Fee beendet hatte.


    Mit einer überraschend schnellen Bewegung riss der Prinz seinen Säbel in die Höhe und ließ ihn auf seinen Kontrahenten hinabsausen. Diesem blieb keine andere Wahl als den Schlag mit seinem Schild abzublocken.


    Ein Knirschen wie von splitterndem Glas verriet, dass dies jedoch keine allzu gute Idee gewesen war…


    Link blieb jedoch keine Zeit, den Schaden zu inspizieren. Stattdessen ließ er den Schild einfach fallen, wich einem weiteren Schlag aus und versuchte, durch die Beine des Eisenprinzen hindurch zu rutschen, um so an dessen verwundbare Stelle am Rücken zu gelangen.


    Der Prinz schien seine Absicht allerdings zu erahnen, machte einen Ausfallschritt zur Seite und trat dem Herrn der Zeiten mit Wucht in die Seite, sodass der Recke gegen die nächste Wand geschleudert wurde als wäre er nicht mehr als ein Spielball.


    Der Aufprall presste Link sämtliche Luft aus den Lungen und ein widerliches Knacken ließ vermuten, dass eine oder mehrere Rippen der Belastung nicht standgehalten hatten. Link fiel wie ein nasser Sack zu Boden, schaffte es jedoch noch irgendwie sich so abzufangen, dass er Navi in seiner Hemdtasche nicht zerquetschte.


    „Bring dich in Sicherheit!“ Der junge Krieger stützte sich auf seine Unterarme, um seiner Fee genügend Platz gab, um aus ihrem Versteck zu kriechen und irgendwo anders Schutz zu suchen. Die beinah unerträglichen Qualen, die ihm seine vermutlich gebrochenen Rippen dabei bereiteten, waren ihm überdeutlich ins Gesicht geschrieben.


    Kaum nachdem Navi aus seiner Hemdtasche gekrochen und sich auf die Suche nach einem sicheren Plätzchen gemacht hatte, würgte Link einen Schwall Blut hervor, während er sich redlich bemühte, wieder auf die Füße zu kommen. Der Fee zog sich bei diesem Anblick ihr Innerstes zusammen.


    Wenn sie doch nur etwas tun könnte…


    In diesem Moment fiel Navi plötzlich etwas ein, das ihre Mutter ihr erzählt hatte, als sie noch ganz klein gewesen war. Es war inzwischen so lange her, dass sich die Fee nicht einmal sicher war, ob es sich dabei an eine wirkliche Erinnerung oder einen Traum handelte.


    Aber sie musste es versuchen!


    Während der Eisenprinz mit schweren Schritten auf Link zuschritt, kauerte Navi sich in einer Ecke des Raums auf den Boden und stimmte einen leisen Singsang in der Sprache der Feen an, der von den beiden Kämpfern glücklicherweise unbemerkt blieb.


    „Erbärmlich…“ Der Eisenprinz hatte den noch immer am Boden liegenden Link erreicht und hob nun seinen Säbel, um dem Herrn der Zeiten den Gnadenstoß zu versetzen. Dieser grinste jedoch plötzlich verzerrt, spuckte noch ein wenig mehr Blut und fragte: „Hat dir noch nie jemand gesagt, dass es erst vorbei ist, wenn es vorbei ist?“


    Einen Herzschlag lang wirkte der Eisenprinz irritiert, doch dann hieb er seine Waffe dennoch gen Boden, bloß um dann verwirrt im Raum umher zu schauen, als seine Waffe auf den harten Stein der Fliesen prallte anstatt durch Fleisch und Knochen zu schneiden.


    Link war verschwunden!




    „Hier bin ich, mein Dickerchen!“ Dem Krieger tropfte noch immer Blut vom Kinn, aber immerhin stand er wieder auf den Füßen, wenn auch nicht aufrecht…


    „Wie…? Wie hast du das gemacht?!“ Der Eisenprinz blickte vollkommen konsterniert zwischen Link und der Stelle, wo er nur Sekunden zuvor noch gelegen hatte, hin und her.


    Der Herr der Zeiten, dessen Schmerzen im Brustkorb allmählich abflauten, wischte sich mit dem Handrücken das Blut vom Gesicht und lachte, als er anschließend den Gegenstand hochhielt, den er die ganze Zeit fest umklammert hatte. Es war ein kristallener Oktaeder in dessen Mitte ein Gewitter zu toben schien.


    Farores Donnersturm!


    „Ich muss sagen, ich bin ein wenig enttäuscht“, witzelte Link, während er den Zauber wieder in seinem Wunderbeutel verstaute. „Ich hatte gehofft, ich würde mich in eine furchteinflößende Sturmwolke verwandeln und durch den Raum wirbeln. Aber naja, ich schätze, man kann nicht alles haben. Und seinen Dienst hat der Zauber ja getan.“


    Der Eisenprinz umklammerte den Griff seines Säbels so fest, dass es klang als würde sich der Stahl verbiegen. „Elende Feenköniginnen!“


    „Oh, wenn du sie jetzt schon nicht magst, wirst du sie gleich hassen!“ Man hörte Link das schiefe Grinsen, das auf seinen Lippen lag, deutlich an. Bevor sein Gegenüber irgendwelche Fragen stellen konnte, zog Link seine Hand wieder aus seinem Wunderbeutel hervor und aktivierte Nayrus Umarmung.


    Dieser Zauber verbrauchte mehr geistige Energie als seine Gegenstücke und Link hatte augenblicklich das Gefühl, seine gesamte Energie flösse aus ihm heraus wie Blut aus einer geöffneten Arterie. Er musste sich beeilen…


    Trotz seiner verletzten Rippen rannte der Herr der Zeiten mit wildem Kampfgeschrei auf den Eisenritter zu als wolle er ihn rammen. Dieser hob seinerseits seine Waffe und schlug nach Link, doch die Klinge prallte an dem magischen Schutzschild, das den Krieger umgab, ab und wurde dem Prinzen aus der Hand gerissen.


    Als Link sah wie der mächtige Krummsäbel durch die Luft sauste, mit lautem Scheppern auf den Steinfliesen landete und bis zur nächsten Wand rutschte, deaktivierte er Nayrus Umarmung sofort wieder, um nicht unnötig Kraft zu verschwenden. Der Eisenprinz hingegen wirkte plötzlich wie gelähmt – als hätte der Verlust seiner Waffe seine Welt zerstört oder zumindest seinen Willen gebrochen.


    Link nutzte diese Untätigkeit und stieß sich vom Boden ab, um sich mit einem Bocksprung über die Schulter des Prinzen hinweg auf dessen Rückseite zu befördern. Dort wirbelte er augenblicklich herum und durchtrennte die Bänder, die die Rüstung des Eisenprinzen zusammenhielten, mit dem Master-Schwert.




    Augenblicklich fielen die einzelnen Rüstungsteile von lautem Dröhnen begleitet zu Boden, doch die Erleichterung, die Link beim Durchtrennen der Rüstungsriemen gefühlt hatte, wurde von blankem Grauen verdrängt, als er sich zu seinem vermeintlich besiegten Gegner umdrehte.


    Dort, wo Sekunden zuvor noch der Eisenprinz befunden hatte, stand nun Naboru und durchbohrte Link mit zornigen Blicken!


    Im ersten Moment konnte Link nicht verstehen, was geschehen war, doch dann fügten sich die Einzelteile zu einem Bild zusammen: die unerklärliche Intelligenz des Eisenprinzen, das leicht andere Bewegungsmuster, die Fähigkeit zu sprechen… Er hatte es die ganze Zeit gegen Naboru gekämpft!


    Diese trat nun die umherliegenden Rüstungsteile beiseite, hob ein Bein ihrer Pluderhose und zog einen langen, mit bunten Edelsteinen verzierten Dolch. „Du wirst es büßen, dass du meine Rüstung ruiniert hast! Ich gebe zu, ich habe dich unterschätzt, weil du dich anfangs so unfähig gezeigt hast – aber das passiert mir kein zweites Mal!“


    Link stieß mit dem Rücken gegen die Wand, als er Naborus Attacke auswich und stöhnte bei dem erneuten Schmerz in seinem Brustkorb leise auf. „Naboru! Ich… Ich will nicht gegen dich kämpfen! Ich bin hier, um dich aus dem Würgegriff der Twinrova zu befreien!“


    „Pah!“ Die Gerudo warf mit einer schnellen Kopfbewegung eine Haarsträhne zurück, die sich aus ihrer Frisur gelöst hatte ihr ins Gesicht gefallen war. „Wenn du dich nicht wehrst, wird das hier ein verdammt kurzer Kampf – und dabei fing er doch gerade erst an, interessant zu werden!“


    Trotz seiner protestierenden Rippen wich Link Naborus ununterbrochenen Angriffen aus, indem er sich duckte, zur Seite tänzelte oder den Oberkörper zurückbeugte. „Erinnere dich, Naboru! Als wir uns das erste Mal getroffen haben, warst du in diesem Tempel, weil du eine Waffe gegen Ganondorf finden wolltest. Ich wollte dir dabei helfen!“


    „Schwachsinn!“ Der Gerudo holte erneut mit ihrer rasiermesserscharfen Waffe aus und verfehlte Links Gesicht nur um Millimeter. Die zu Boden schwebenden Spitzen einiger Ponyfransen verrieten wie knapp der Herr der Zeiten unverletzt geblieben war. „Ich würde niemals etwas tun, das dem großartigen Ganondorf schaden könnte!“


    Bei diesen Worten drehte sich Link der Magen um und er schrie: „Dem großartigen Ganondorf?! Hast du überhaupt eine Ahnung, was du da redest?! Ganondorf ist ein Monster, der euch Gerudo bloß ausnutzt! Du bist die wahre Anführerin deines Volks – nicht dieser Irre!“


    „Schweig!“ Anstatt weiterhin mit dem Dolch nach ihm zu schlagen, trat Naboru Link plötzlich hart gegen die Brust. Dieser ging sofort in die Knie und schmeckte erneut Blut in seiner Kehle aufsteigen.


    Dessen ungeachtet appellierte er weiter an die wahre Naboru, die hinter dem Zauber der Twinrova noch immer existent war, da war er sich sicher: „Wenn du dich schon nicht an mich erinnerst, dann wenigstens an deine Gefährtinnen! Denk an Dinah, Aveil, Miccahia und die kleine Zeherasade! Erinnere dich, verdammt nochmal! Du lässt deine Freundinnen schon zu lange im Stich!“


    Für einen kurzen Moment schien etwas in Naborus Augen zu flackern, aber dann holte sie erneut aus, um Link den Dolch ins Herz zu bohren. Der Krieger in ihm reagierte reflexartig: Anstatt zum wiederholten Mal auszuweichen, packte Link die Handgelenke der Gerudo und riss sie zur Seite.


    Eigentlich hatte er ihr an der nahen Wand lediglich die Waffe aus der Hand schlagen wollen, doch durch die Macht der Krafthandschuhe wirbelte er ihren ganzen Körper herum und Naboru knallte mit einem widerlichen Knacken gegen den Stein und erschlaffte augenblicklich.


    Schockiert über seine eigene Tat ließ Link ihre Unterarme los als hätte er sich verbrannt und beugte sich über seine Kontrahentin. Sie lag in sich zusammengesunken wie eine Lumpenpuppe auf der Seite und unterhalb ihres Kopfes bildete sich allmählich eine große Blutlache, während ihre gebrochen wirkenden Augen stumpf ins Nichts starrten.


    „NEIN!“ Link zog Naborus leblosen Körper auf seinen Schoß und suchte verzweifelt nach einer Möglichkeit, das Grauen rückgängig zu machen. „Navi! NAVI! Wo bist du verdammt nochmal?!“ Unkontrollierte Schluchzer brachen aus den Tiefen seiner Brust hervor, während dicke Tränen über sein Gesicht strömten.


    Es war nicht wahr…


    Es durfte nicht wahr sein…




    Link bemerkte Navi erst, als sie sagte: „Ich bin hier.“ Sie hatte ihm eine Hand aufs Knie gelegt und sah mit gequält wirkender Miene zu ihm hoch. „Ich… Ich hab dir jemanden mitgebracht“, fügte sie mit brüchiger Stimme an und deutete auf einen Feenweisen, der hinter ihr stand.


    „Was?“ Der Herr der Zeiten starrte den winzigen, geflügelten Greis an, dessen rosa Leuchten bunte Muster auf den Boden malte. „Als du verletzt wurdest“, setzte Navi zu einer Erklärung an, „habe ich mich daran erinnert, dass meine Mutter mir von einer Beschwörung erzählt hat, mit der wir Feen telepathischen Kontakt zu unseren Königinnen aufnehmen können. Ich habe die in der Oase lebende große Fee um Hilfe gebeten, während du gekämpft hast. Vingor ist hier, um dich zu heilen.“


    Link zog geräuschvoll die Nase hoch und schüttelte heftig mit dem Kopf. „Nein! Heil sie, nicht mich. Heil sie!“ Dabei streichelte er Naboru, deren Blut allmählich durch die Maschen seiner Kleider sickerte, sanft über die Wange.


    Der Feenweise zog ein bedauerndes Gesicht und erläuterte mit leiser Stimme: „Es tut mir leid, mein Sohn, aber ich kann die Toten nicht ins Leben zurückholen.“


    Bei diesen Worten brach ein animalischer Schrei aus Link hervor und er krümmte sich über den Leichnam auf seinem Schoß als wolle er Naboru vor Angriffen schützen.


    Navi kletterte an seiner Kleidung empor, bis sie ganz nah an seinem Ohr war und flüsterte: „Ich weiß, du machst dir schreckliche Vorwürfe, aber sie wollte dich töten. Du hast dich nur verteidigt. Außerdem war ihr Tod besiegelt in dem Moment, in dem Ganondorf das Triforce an sich gerissen hat. Erinnerst du dich daran, was im Wassertempel mit Ruto geschehen ist? Die Auserwählten sterben, sobald die Seelen der in ihnen lebenden Lichtwesen ihre Körper verlassen.“


    Link nickte zaghaft, während ihm die Tränen wie Sturzbäche übers Gesicht liefen und von seinem Kinn tropften. „Ich weiß“, entgegnete er mit brüchiger Stimme, „ich weiß, dass Naboru sterben musste. Aber… Aber… doch nicht SO! Ich habe einen Menschen getötet, Navi. Einen Unschuldigen!“ Die letzten Worte schrie er regelrecht hinaus.


    „Ja, das hast du“, räumte Navi ein, „aber es war nicht deine Schuld.“ „DOCH! Wenn ich nur zu ihr durchgedrungen wäre… Wenn ich wenigstens endlich gelernt hätte, die Macht der Krafthandschuhe richtig zu kontrollieren…“ „Shht!“ Navi legte ihm eine Hand auf die bebende Unterlippe. „Siehst du nicht, dass die wahren Schuldigen die Twinrova sind?“


    Als hätte er diese Möglichkeit noch gar nicht in Betracht gezogen, stutzte der junge Mann bei diesen Worten und warf seiner Fee einen Seitenblick zu. „Wie meinst du das?“ Selbst die Schluchzer, die ihn seit der Entdeckung von Naborus Tod ununterbrochen durchgeschüttelt hatten, flauten etwas ab.


    Navi streichelte ihm beruhigend über die Wange und erklärte: „Naboru und du, ihr wart nur Schachfiguren in ihrem Spiel der Intrigen. Sie haben Naboru gegen dich antreten lassen, weil sie wussten, dass diese dich entweder töten oder ihr Tod dich brechen würde. Egal, wie eure Duell ausgehen würde, ihnen war klar, die wahren Sieger wären sie.“


    Einige Herzschläge lang starrte Link ins Nichts und ließ die Worte seiner Fee auf sich wirken. Auf die Idee, dass derartige Niedertracht auf der Welt existierte, wäre er im Traum nicht gekommen. Aber Navi hatte Recht!


    Der Herr der Zeiten erinnerte sich an das gehässige Grinsen Koumes als sie den vermeintlichen Eisenprinzen auf ihn gehetzt hatte – sie hatte gewusst, wer sich unter der Rüstung verbarg! Plötzlich brandete eine Welle des Hasses, wie Link sie noch nie gespürt hatte, durch seinen Körper und er ballte entschlossen die Hände zu Fäusten.


    Er würde die Twinrova vernichten!


    Und wenn es das Letzte sein sollte, was er tat…




    Behutsam legte er Naborus toten Körper beiseite, bevor er aufstand und zu Vingor herunter sah. „Alles klar. Bitte, heile meine Wunden.“


    Der Feenweise nickte und schwirrte um Link herum, während sein rosa Schein immer heller und heller strahlte. Der Herr der Zeiten spürte wie es in seiner Brust kribbelte, als sich seine Rippen wieder zusammenzogen und sich an der Bruchstelle neuer Knochen bildete.


    Nachdem er sein Werk vollendet hatte, flog Vingor Link vors Gesicht und sagte: „Du bist vollständig wiederhergestellt und zumindest körperlich bereit, dich den Hexen zu stellen.“ Der Krieger presste die Lippen aufeinander und knurrte: „Nicht nur körperlich!“ Unter erneutem Nicken entgegnete der alte Feenmann: „Sehr schön. Ich werde hier auf deine Rückkehr warten, falls du meiner Hilfe noch einmal bedürfen solltest.“


    Link bedankte sich knapp und suchte dann nach dem Spiegelschild, den er zuvor hatte fallen lassen. Obwohl es erst wenige Minuten her war, kam es ihm vor als hätte der Kampf gegen Naboru vor Urzeiten oder gar in einem anderen Leben begonnen. Die letzten Minuten erschienen ihm so unwirklich…


    Als er den Spiegelschild schließlich fand, stöhnten Krieger und Fee gleichermaßen auf. Dort, wo Naborus mächtiger Krummsäbel auf das Schild geschlagen hatte, befand sich nun eine Kerbe, von der ausgehend sich Sprünge wie ein Spinnennetz über die gesamte Oberfläche des Schilds zogen.


    „Ob der noch zu gebrauchen ist?“ Navi legt den Kopf schief und betrachtete das einstmals so schöne Relikt. „Ich hab keine Ahnung. Aber ich werde es herausfinden!“ Mit grimmiger Entschlossenheit schnallte sich Link den ramponierten Spiegelschild um und machte sich daran, den Hexen zu folgen.


    Navi war gar nicht wohl dabei, aber welche Wahl hatten sie schon?


    Das Fehlen einer Lichtkugel über Naborus Leiche verriet deutlich, dass Link mit seiner Befürchtung Recht gehabt hatte: So lange die Twinrova lebten und ihr Fluch über Naboru noch immer Bestand hatte, konnte die sechste Weise ihr Schicksal nicht erfüllen.
    Sie konnte nur hoffen und beten, dass der Spiegelschild halten würde…

    ZF-Signatur-2.jpg

    Avatar-Artwork von mokke; Signatur-Artwork von Kamui Fujiwara (official artwork)

  • Feuer und Eis





    Der Saal, den die beiden Abenteurer nun betraten, war riesig und verschlug dem Herrn der Zeiten und seiner Fee regelrecht den Atem. Die Decke war so hoch, dass sie von der Dunkelheit verschluckt wurde und die Grundfläche des Raums schien in etwa so groß zu sein wie die Pferdekoppel der Lo-Lon-Farm.


    Was Link und Navi jedoch wirklich in Staunen versetzte, waren die hohen Podeste, die sich in Richtung Decke schraubten. Das zentrale Podest war quadratisch und ungefähr so hoch und breit wie die meisten Häuser in Kakariko. Rund um das große Plateau waren in etwa einem Meter Entfernung vier kleinere Podeste errichtet worden, die die Mitte jeder Plateau-Seite markierten.


    „Was ist das hier?“ Link konnte sich selbst nicht erklären, warum er flüsterte. Irgendetwas an dieser seltsamen Halle erfüllte den jungen Mann mit Ehrfurcht und er fühlte sich plötzlich klein und unbedeutend.


    Navi sah sich aufmerksam um und mutmaßte: „Ich nehme an, früher wurde dieser Saal zu rituellen Zwecken genutzt. Das große Podest könnte zum Beispiel eine Art Opferaltar gewesen sein.“ Link legte den Kopf in den Nacken und blickte mit einem Schaudern an dem Plateau empor. Er wollte gar nicht wissen, für welche Art Opfer man einen derart gigantischen Altar brauchte…


    Um die ungebetenen Bilder von Gladiatorenkämpfen und Menschenopfern zu vertreiben, die sich vor sein geistiges Auge gestohlen hatten, überlegte der Herr der Zeiten laut: „Ich frage mich, wohin die Twinrova verschwunden sind.“ Navi deutete auf eine Ecke des Mittelpodestes und sagte: „Sieht aus als könntest du dort auf das Plateau klettern. Vielleicht siehst du von oben mehr.“


    Gesagt, getan.


    Allerdings gestaltete sich die Suche nach den alten Hexen kürzer als erhofft: Kaum dass Link über den Rand des Podestes blicken konnte, entdeckte er Koume und Kotake in der Mitte des mit Goldfarbe verzierten Plateaus. Als sie ihn bemerkten, lächelten die Twinrova als hätten sie ihn bereits erwartet.


    Bei dem erfreuten Ausdruck im Gesicht der Hexen lief es Link eiskalt den Rücken herunter und er warf Navi einen schnellen Seitenblick zu. „Sieht so aus als führten diese Vogelscheuchen etwas im Schilde. Meinst du, du schaffst es allein wieder nach unten zu klettern? Ich würde mir ungern Sorgen machen müssen, dass du zwischen die Fronten gerätst.“


    Die Feenfrau zog ein unglückliches Gesicht, nickte jedoch. Der Gedanke, ihren Schützling allein gegen die Twinrova antreten zu lassen, bereitete Navi Bauchgrimmen, aber die letzten Kämpfe hatten deutlich gezeigt, dass sie mit ihrem verletzten Flügel nur ein Klotz am Bein war.


    Warum nur konnten Feen sich nicht gegenseitig heilen? Sonst hätte sie Vingor um die Reparatur ihres Flügels bitten und ihrem Freund zur Seite stehen können…


    Vorsichtig kletterte sie von Links Schulter und hielt sich an dem rauen Stein fest. Dann drehte sie den Kopf und wandte sich noch einmal an ihren Schützling: „Lass dich von den gruseligen Waschweibern nicht einschüchtern und denk dran: Sie können nur durch ihre eigene Magie besiegt werden.“


    Was auch immer das heißen mochte…


    Link nickte und zog ein grimmiges Gesicht. „Die Twinrova werden für ihre Verbrechen bezahlen. Versprochen!“ Mit diesen Worten zog der Herr der Zeiten sich über den Rand des Podestes, während seine Fee sich an den Abstieg machte, um sich irgendwo ein sicheres Plätzchen zu suchen.




    Kaum dass Link sich hochgezogen und wieder aufgerichtet hatte, grinste Kotake ihn zahnlückig an und lachte keckernd: „Willkommen in unserem Heiligtum, Herr der Zeiten. Wir hoffen, unser bisheriges Unterhaltungsprogramm war in Eurem Sinne.“


    Sofort sah der Kämpfer wieder Naborus toten Körper vor sich und er ballte unwillkürlich die Hände zu Fäusten. „Ihr seid Monster…“


    „Oh, Schwester, das klingt als hätte er keinen Spaß gehabt“, klinkte sich nun Koume ein. Auf ihrem vom Alter zerfurchten Gesicht lag ein Ausdruck, den man leicht für Sorge hätte halten können, in Wahrheit jedoch nur Hohn war.


    Es juckte Link in den Fingern sich auf die gebrechlich wirkenden Frauen zu stürzen und sie in blindem Hass mit bloßen Händen tot zu prügeln. Doch er hatte noch immer Navis Stimme im Ohr, die ihn daran erinnerte, dass die Hexen mächtiger waren als sie wirkten. Wenn er sich blind auf sie stürzen würde, würden sie ihn vermutlich mit nur einem Fingerwink an die nächste Wand schleudern und ihm sämtliche Kochen im Körper brechen.


    Also biss der Herr der Zeiten nur die Zähne zusammen und ballte die Fäuste noch fester zusammen, bis ihm vor Anstrengung die Arme zitterten.


    Unterdessen passte Kotake ihren Gesichtsausdruck an den ihrer Schwester an, sodass die beiden Hexen oberflächlich betrachtet den Eindruck erweckten, sie machten sich Gedanken um das Wohl ihres Gastes. „Ich fürchte, du hast Recht, Schwester.“ Koume nickte nachdrücklich und sagte: „Wir sollten uns schnell etwas anderes einfallen lassen, um unseren hochwohlgeborenen Besucher zu amüsieren.“


    „Denkst du dasselbe wie ich?“ In Kotakes Augen blitzte etwas auf, das Links Magen brennen ließ. Es machte den Anschein als käme das nervige Vorgeplänkel langsam zu einem Ende und die Twinrova würden endlich Ernst machen.


    „Ich denke schon.“ Das bedrohliche Schimmern breitete sich von Kotakes Augen auf die ihrer Schwester aus wie ein Feuer, das Funken sprühend trockenes Laub entzündete. Link schluckte hart und zog Schwert und Schild, um jederzeit für einen Angriff gerüstet zu sein.


    Bei diesem Anblick brachen die Hexenschwestern in schauriges Gelächter aus und schwangen sich auf ihren Besen reitend in die Lüfte. Knapp unter der Decke drehten die Hexen sich auf einmal schnell um die eigenen Achsen und dem Herrn der Zeiten stockte der Atem.


    Koumes Haare verwandelten sich in loderndes Feuer, während Kotakes zu Eis erstarrten. Dann hielten die Twinrova genauso plötzlich in der Bewegung inne wie sie angefangen hatten sich zu drehen und hoben ihre Zauberstäbe. Augenblicklich schossen Fontänen aus Feuer und Eis auf Link zu und Koume rief über das laute Zischen ihrer Zauber hinweg: „Meine Flammen werden ihn bis auf die Knochen verbrennen!“ Während Link sich mit einem beherzten Hechtsprung aus der Gefahrenzone brachte, fügte Kotake an: „Mein Eiszauber wird seine Seele gefriertrocknen!“


    Ein Schaudern lief Link über den Rücken, als er über den Schulter einen Blick zurück zu der Stelle warf, wo er Sekunden vorher noch gestanden hatte: der Feuerzauber hatte den Stein geschmolzen und auseinanderfließen lassen, bevor der Eiszauber ihn nur Sekunden später in grotesken Formen wieder hatte erstarren lassen.


    Dies würde ohne Zweifel der härteste Kampf, den Link in seinem ganzen Leben je bestritten hatte…




    Am liebsten wäre der junge Krieger einfach davon gelaufen und hätte so getan als hätte er noch nie etwas von den Hexen im Geistertempel gehört. Doch der Gedanke an all die Freunde, die in diesem bereits Jahre andauernden Kampf gegen Ganondorf gelitten oder sogar ihr Leben gegeben hatten, ließ Link seine Waffen fester packen und sich den Schwestern entgegenstellen.


    Mit dem Kinn auf die lädierte Stelle im Podest deutend höhnte der Herr der Zeiten: „Das ist ja sehr beeindruckend, aber so richtig aus den Socken haut ihr mich erst, wenn ihr den Stein mit nur einem Fingerschnippen wieder repariert.“


    Koume stieß ein keckerndes Lachen aus, während sich das Antlitz ihrer Schwester zu einer Fratze des Hasses verzerrte. „Hör dir das an, Kotake! Klingt ganz so als wollte unser kleiner Held hier ein wenig spielen.“


    „Nein, danke. Ich glaube, von euren Vorstellungen bezüglich lustiger Spiele hab ich für den Rest meines Lebens genug...“ Link dachte an den Schock, der ihm in die Glieder gefahren war, als er erkannt hatte, dass Naboru unter dem Panzer des Eisenprinzen gesteckt hatte.


    Koume lachte erneut auf und dieses Mal huschte auch über Kotakes Lippen ein gehässiges Grinsen. „Ich fürchte, es ist nicht deine Entscheidung, mein Süßer.“


    Mit diesen Worten hob Kotake ihren Zauberstab und feuerte einen weiteren Eiszauber auf Link ab. Obwohl all seine Instinkte darauf drängten, dem Angriff auszuweichen, zwang sich der Herr der Zeiten stehen zu bleiben und den Spiegelschild vor sich zu halten.


    Der Zauber traf mit einer Wucht auf die blank polierte Oberfläche des Schilds, die Link beinah umwarf. Die Zähne aufeinander beißend lehnte der Krieger sich gegen die Macht des Zaubers.


    Doch plötzlich ließ die Kraft, die gegen den Spiegelschild presste, nach. Link, der bislang die Augen zugekniffen hatte, blinzelte neugierig durch halb geöffnete Lider und hätte vor Schreck beinah seinen Schild fallen lassen. Der Eiszauber, der von Kotakes Zauberstab ausging, wurde vom Spiegelschild abgelenkt wie ein Sonnenstrahl.


    „Die Twinrova sind nur durch ihre eigene Magie zu besiegen“, schoss es Link durch den Kopf. Das musste die Lösung sein!


    Vorsichtig, damit er sich nicht versehentlich vom dem tödlich kalten Eisstrahl treffen ließ, drehte Link den Oberkörper, um den Zauber auf Kotake zurückzuwerfen. Koume stieß einen eigenartigen Laut aus, der wie das Fauchen eines Tieres klang, doch ihre Schwester lachte bloß, als das Eis an ihr abprallte, ohne den geringsten Schaden zu verursachen.


    Die Eishexe ließ ihren Zauberstab sinken und schüttelte in der Parodie einer nachsichtigen Geste den Kopf, während sie mit der Zunge schnalzte: „Na, na, mein Kleiner. Das war aber ganz schön frech. Du hast meine Frisur durcheinander gebracht!“


    Koume verdrehte die Augen und nörgelte: „Hör auf herum zu albern, Kotake.“ „Du bist eine alte Nevensäge!“ „Und du ein unverbesserlicher Kindskopf!“ Es war eine skurrile Situation wie die zwei alten Hexen auf ihren Besen in der Luft schwebten und sich stritten wie kleine Kinder.


    Link beachtete die beiden Schwestern jedoch kaum. Er war zu sehr damit beschäftigt, sich zu fragen, was er falsch gemacht hatte. Wieso hatte er Kotake nicht mit ihrem Zauber verletzen können?


    Als er den Eiszauber auf die Hexe zurückgeworfen hatte, hatte es so ausgesehen als wäre Kotake von einer Art Energiefeld umgeben gewesen, das der reflektierte Zauber nicht hatte durchdringen können.


    Musste er zunächst einen Weg finden, diese schützende Aura zu brechen, bevor er die Hexen mit ihrer Magie besiegen konnte?


    Oder hatte er etwas Grundsätzliches falsch verstanden?




    Gerade als Link eine Idee hatte, zischte eine Feuerfontäne an seinem Ohr vorbei und riss ihn brutal zurück in die Realität. „Hör auf zu träumen, Schätzchen. Wir fühlen uns schon vernachlässigt.“ Kotake zwinkerte Link süffisant grinsend zu, während ihre Schwester grimmig die Lippen aufeinander presste und einen weiteren Schwall Feuer auf Link abschoss. Offenbar hatte sie beschlossen, dass der einfachste und schnellste Weg, ihre Schwester endlich zum Schweigen zu bringen, darin bestand Link auszuschalten.


    Dieser schluckte hart und fasste den Griff des Spiegelschilds fester, während er stumm zu den Göttinnen betete. Wenn der Einfall, der ihm durch den Kopf geschossen war, bevor Koume ihn angegriffen hatte, genauso fehlschlagen sollte wie der vorherige Versuch, den Hexen Schaden zuzufügen, wäre der Herr der Zeiten völlig ahnungslos.


    Warum nur hatte Navi sich ausgerechnet am Flügel verletzen müssen?!


    Link war zwar bewusst, dass seine Fee nichts gegen die Twinrova hätte ausrichten können, aber ihre Anwesenheit hätte zumindest beruhigend auf ihn gewirkt – schon allein, weil Navi in solch ausweglos erscheinenden Situationen häufig die besseren Ideen hatte.


    Koume ließ dem jungen Krieger jedoch kaum Zeit, seine missliche Lage zu bedauern. Stattdessen schoss sie einen weiteren Feuerzauber, der mit bedrohlichem Fauchen herangerast kam, auf ihn ab.


    Es erforderte Links gesamte Willenskraft bewegungslos stehen zu bleiben und die Feuersäule mit dem Schild zu blocken. Obwohl er die Macht des Spiegelschilds bereits mit eigenen Augen gesehen hatte, erwartete ein Teil von Link noch immer von Koumes Zauber zu einem Häufchen Asche verbrannt zu werden.


    Doch genau wie mit Kotakes Eiszauber zuvor schien das heilige Gerudo-Relikt die gesamte Magie anzuziehen, um sie dann wie Sonnenlicht zu reflektieren. Dieses Mal versuchte Link jedoch nicht die Anwenderin des Zaubers mit dem zurückgeworfenen Magiestrahl zu treffen. Stattdessen zielte er auf ihre Schwester, die mit einem lauten Kreischen ihren Besen in die Höhe riss.


    Der Feuerschwall verfehlte Kotake um Haaresbreite, aber die beiden Hexen sahen dermaßen erschrocken aus, dass Link sich sicher war, nun die richtige Strategie zu verfolgen.


    Während er auf den nächsten Angriff der Hexenschwestern wartete, schalt er sich stumm einen Narren, dass ihm nicht sofort klar gewesen war, was er zu tun hatte. Dass Eis Feuer gefährlich werden konnte, war vielleicht nicht offensichtlich, aber der umgekehrte Fall lag überdeutlich auf der Hand.


    Unterdessen kreisten die Twinrova hoch über Links Kopf auf ihren Besen durch die Luft, offensichtlich verunsichert. Link fragte sich seit wie vielen Jahren er der Erste war, der eine ernstzunehmende Bedrohung für die Schwestern darstellte.


    Nachdem sie etwa eine Minute scheinbar planlos umher geschwebt waren, hielten die Twinrova plötzlich in der Bewegung inne und dem Herrn der Zeiten wurde schlagartig klar, dass er weit davon entfernt war die Oberhand zu gewinnen.


    Was wie erschrockene Orientierungslosigkeit gewirkt hatte, war in Wirklichkeit nichts anderes gewesen als ein Tarnmantel für einen Strategiewechsel: Anstatt ihn weiterhin einzeln anzugreifen, hatten die beiden Hexen Link in ihre Mitte genommen und feuerten ihre Zauber nun zeitgleich ab.


    Dem überraschten Recken blieb nichts anderes übrig als sich mit einem beherzten Sprung aus der Gefahrenzone zu bringen. Dadurch wurde er jedoch so nahe an den Rand des Podests gedrängt, dass er bei der Landung mit einem Fuß beinahe über die Kante getreten und um ein Haar in die Tiefe gestürzt wäre. Vermutlich war es allein seinen durch jahrelanges Kämpfen trainierten Reflexen zu verdanken, dass Link sich im letzten Moment doch noch abfangen konnte.


    „Vorsicht, mein Hübscher! Ich glaube, du brauchst etwas, das dir Halt verleiht? Wie wäre es mit einer soliden Säule aus Eis?“ Mit diesen Worten schoss Koume ihren Zauber auf den Herrn der Zeiten ab, um dessen Missgeschick zu ihrem Vorteil auszunutzen.


    Links Herz setzte bei diesem Anblick einen Schlag aus, bloß um dann mit doppelter Geschwindigkeit weiter zu pochen als er aus dem Augenwinkel eine weitere Bewegung ausmachte. Reflexartig ließ sich der Krieger auf die Seite fallen und riss seinen Schild herum.


    Kotakes Eiszauber wurde von der Oberfläche des Spiegelschilds zurückgeworfen, zischte knapp an seiner Anwenderin vorbei durch die Luft und traf Koume, die gerade ebenfalls einen Angriff hatte starten wollen, mitten im Gesicht.


    Sofort wurde der Körper der Feuerhexe von einer dicken Eisschicht überzogen und sie stürzte wie ein Stein zu Boden, während ihre Schwester geschockt aufschrie.


    Für Triumph war jedoch kaum Zeit.


    Kaum dass Koume an Link vorbei in die Tiefe gefallen war, ertönte plötzlich das laute Knacken von brechendem Eis und kurz darauf tauchte die Feuerhexe wieder im Blickfeld des Herrn der Zeiten auf – mit einem wutverzerrten Ausdruck im Gesicht und den mit Frostbeulen überzogenen Körper in Flammen gehüllt.


    „Das… wirst… du… bereuen!“ Koume keuchte wie nach einem langen Lauf und funkelte Link dermaßen zornig an, dass ihre Augen Funken zu sprühen schienen.


    Ihre Schwester atmete erleichtert auf und brachte sich dann schnell in Sicherheit, als Koume anfing in blindem Zorn einen Feuerzauber nach dem nächsten auf Link zu schleudern. Dabei platzten einige ihrer Frostbeulen auf und verliehen der alten Hexe ein noch furchteinflößenderes Aussehen.


    Obwohl Link kaum Zeit zum Ausweichen hatte, versuchte er dennoch verzweifelt die heransausenden Feuerbälle auf Kotake umzulenken – jedoch ohne Erfolg. Durch Koumes Dauerfeuer konnte er nie lange genug an einer Stelle stehen bleiben, um richtig zielen zu können. Zu allem Überfluss ging ihm auch noch allmählich die Puste aus.


    Der Herr der Zeiten hatte nur noch eine Hoffnung…




    Dem weiterhin auf ihn herabprasselnden Feuerschwallen ausweichend schob Link das Master-Schwert zurück in seine Scheide und holte Nayrus Umarmung aus dem Wunderbeutel. Er wusste, den mächtigen Göttinnenzauber in seinem erschöpften Zustand einzusetzen war riskant, aber er sah keinen anderen Ausweg.


    Also mobilisierte er seine Kraftreserven, konzentrierte sich und ließ den magischen Schutzschild um ihn herum entstehen – bloß um dann zu erkennen, dass sein schöner Plan einen nicht zu verachtenden Haken hatte…


    Er war zwar wie erhofft vor Koumes Attacken sicher, doch leider ließ Nayrus Umarmung sämtliche Feuerbälle zerschellen lange bevor sie nahe genug waren, um vom Spiegelschild reflektiert zu werden.


    Einige Herzschläge lang überlegte Link, dass der Plan bestimmt trotzdem funktionieren würde, wenn er den richtigen Zeitpunkt zum Aktivieren des Zaubers treffen würde, verwarf den Gedanken an einen erneuten Versuch jedoch schnell wieder. Bereits jetzt verspürte er Schwindel, der ihm deutlich vor Augen führte wie viel Kraft der Einsatz des Zaubers seinem Körper abverlangte.


    Doch wie sollte er unter diesen Umständen den Twinrova beikommen?


    Gerade als der junge Mann kurz vorm Verzweifeln war, bemerkte er etwas, das seine Laune wieder etwas hob: dadurch neugierig geworden, dass die Feuerbälle ihrer Schwester offenbar wirkungslos verpufften, hatte Kotake sich wieder näher an ihn herangewagt, um diesem Phänomen auf den Grund zu gehen.


    Auch Koume hatte inzwischen bemerkt, dass Link eine Barriere um sich errichtet hatte, und war drauf und dran ihr Feuer einzustellen.


    Jetzt oder nie!


    Link ließ Nayrus Umarmung wieder in sich zusammenfallen und beschoss Kotake mit einer reflektierten Feuersäule.


    Die Eishexe fing augenblicklich Feuer und stieß gequälte, nicht mehr menschlich klingende Laute aus. Link drehte sich der Magen um, als Kotakes Haut begann Blasen zu werfen und aufzureißen. Der penetrante Geruch nach verbranntem Fleisch trug noch dazu bei, dass der Herr der Zeiten glaubte, sich augenblicklich erbrechen zu müssen.


    Die Übelkeit war so überwältigend, dass Link sich überhaupt nicht darüber wunderte, dass Koume völlig ruhig blieb, obwohl ihre Schwester lichterloh brannte. Anstatt zu kreischen und zu zetern oder Link anzugreifen, schlich sich lediglich ein grimmiger Ausdruck der Entschlossenheit auf das Gesicht der Hexe.


    Kurz darauf wurde auch klar, warum: Obwohl es bei ihr schlimmer aussah als bei ihrer Schwester, erholte sich Kotake genauso schnell von dem Treffer wie ihr Zwilling zuvor. Zurück blieben versenktes Haar, faustgroße Brandblasen und nässendes, rohes Fleisch, wo die Haut abgeplatzt war.


    Während Link noch mit angewiderter Miene Kotakes neues Erscheinungsbild musterte, erhob Koume ihre Stimme und rief ihrer Schwester zu: „Sieht aus als müssten wir Ernst machen. Bist du bereit?“


    Noch bevor der Herr der Zeiten sich auch nur fragen konnte, was die Feuerhexe damit meinte, nickte Kotake und flog direkt auf ihre Schwester zu, die sich ebenfalls in Bewegung setzte. Kurz darauf stießen die Twinrova frontal zusammen und verschmolzen zu einem Wirbelsturm aus Feuer und Eis, der Link zwang, sich schützend den Arm vors Gesicht zu halten.




    Als der Herr der Zeiten den Arm wieder sinken ließ, hätte er vor Überraschung beinah seinen Schild fallen lassen. Dort, wo Sekunden zuvor noch die zwei alten Hexen gewesen waren, schwebte nun eine junge Frau in der Luft und zwinkerte Link mit einem Augenaufschlag zu, den sie vermutlich für verführerisch hielt.


    Sie war in etwa so groß wie die Feenköniginnen, grell geschminkt und trug weiße Pumphosen zu einem mit Perlen und Edelsteinen besetzten Goldbustier. Am meisten irritierte Link jedoch ihr Haar: auf der einen Kopfhälfte schien es aus lodernden Flammen zu bestehen, auf der anderen aus Eiszapfen.


    Die Frau grinste über den konsternierten Gesichtsausdruck des verwirrten Mannes vor ihr und sagte: „Da staunst du, was? Ich bin die sexy Thermohexi!“


    Am liebsten hätte Link sich die Ohren zugehalten. Nicht nur, dass die Stimme der Frau trommelfellzerreißend laut war, sie hatte auch noch einen merkwürdigen Doppelklang so als würden zwei Menschen im Chor sprechen.


    Bei diesem Gedanken begriff Link augenblicklich, was geschehen war: Koume und Kotake waren zu einer Person fusioniert!


    Wenn er sich konzentrierte, konnte Link sogar die Einzelstimmen der Schwestern aus der Doppelstimme der Thermohexi heraushören.


    Der Herr der Zeiten setzte eine trotzige Miene auf und antwortete mit einer Lässigkeit, die er nicht empfand: „Netter Trick. Ist bestimmt sehr praktisch, wenn man sich im Gasthaus das Geld für ein Doppelzimmer sparen will.“


    Die Thermohexi verengte die Augen zu Schlitzen und presste die Lippen hart aufeinander. „Dir wird das Lachen schon noch vergehen, Herr der Zeiten.“ Dieses Mal überwog Koumes Anteil deutlich in der Stimme der Fusionshexe.


    Link zuckte mit den Schultern und entgegnete: „Ich höre mich überhaupt nicht lachen, meine Dame. Ich fühle mich auch gar nicht amüsiert, eher gelangweilt.“ Er hoffte, die Thermohexi provozieren zu können damit sie schnell angriff und er diesen Kampf bald zu Ende bringen konnte.


    Der Gebrauch von Nayrus Umarmung hatte ihn mehr Kraft gekostet als ihm lieb war und er spürte wie Erschöpfung seine Glieder allmählich schwer machte.


    Die Fusionshexe stieß einen ungläubigen Laut aus und murmelte mit Kotake-lastiger Stimme: „Es ist wirklich überaus schade, dass wir Ganondorf versprochen haben, dich zu vernichten. Es wäre wahrlich ein Vergnügen gewesen, deinen störrischen Geist zu brechen und dich zu unserem Sklaven zu machen!“


    Mit diesen Worten hob sie ihre Hände, in denen sie jeweils einen Zauberstab hielt, und zielte auf Link.




    Unterdessen ging Navi im Vorraum unruhig auf und ab, wobei sie abwechselnd Gebete, Link möge den Kampf unbeschadet überstehen, und Verwünschungen dem Schicksal und dem Monster gegenüber, das ihren Flügel verletzt hatte, vor sich hin murmelte. Vingor hockte währenddessen im Lotussitz in einer Ecke und folgte der jungen Fee mit den Augen.


    Nach einer Weile sagte der Feenweise: „Dein Schützling bedeutet dir ungewöhnlich viel.“ Es war eine Feststellung, keine Frage.


    Navi unterbrach ihr ständiges hin-und-her-Laufen und sah ihren Artgenossen kalt an: „Spricht irgendetwas dagegen? Hat der Feenrat etwa verboten, dass man mit seinem Schützling Freundschaft schließt?“


    „Nein.“ Vingor schüttelte den Kopf und sah Navi mit einer Miene an, die zwischen Nachsicht und Mitleid schwankte. Der Feenfrau lief es bei diesem Anblick eiskalt den Rücken herunter und sie wollte sich bereits wieder abwenden, als der Feenweise anfügte: „Es ist lediglich ungewöhnlich. Die meisten Feen, die auserwählt werden, eine Assistenzmission zu übernehmen, halten Distanz zu ihren Schützlingen, um sich selbst zu schützen.“


    Obwohl Navi die Antwort auf ihre Frage bereits kannte, hörte sie sich gegen ihren Willen fragen: „Warum? Wenn man sich auf seinen Schützling einlässt und ihn richtig kennen lernt, fällt es doch viel leichter, sich in ihn hinein zu denken und im Voraus zu erahnen, welche Fehler er womöglich machen könnte. So kann man ihn viel besser davor bewahren, in sein Unglück zu laufen.“


    „Das ist wahr“, stimmte Vingor zu, „aber ich sprach davon, dass die meisten Begleitfeen emotionale Distanz zu ihren Schützlingen bewahren, um sich selbst zu schützen.Wer eine Assistenzfee geschickt bekommt, ist für eine bedeutende und damit vermutlich gefährliche Mission auserwählt.“


    Navi dachte an all die bedrohlichen und beinah tödlichen Situationen, die Link auf seiner Reise bereits durchlebt hatte, und überhörte beinah wie Vingor fortfuhr: „Helden sind fragile Wesen. Sie stellen sich den schlimmsten Gefahren dieser Welt und sind dabei genauso sterblich wie der Rest von uns. Die wenigsten Assistenzfeen kehren erfolgreich von ihren Missionen zurück. Die allermeisten verlieren ihren Schützling an Gevatter Tod. Und weil sie diesen Schmerz fürchten, halten sie Distanz.“


    Augenblicklich drängt sich die Erinnerung an die Verzweiflung und die Pein, die sie jedes Mal empfunden hatte, wenn sie gedacht hatte, sie hätte Link endgültig verloren, in Navis Bewusstsein. Sie konnte ihre Artgenossen durchaus verstehen, dass sie derartige Erfahrungen scheuten.


    Sie war sich sicher, sollte es Link auf seiner Reise, in ihrer Obhut, doch noch dahin raffen, sie würde nie wieder dieselbe sein.


    Ein Teil von ihr würde mit ihm sterben…


    Dennoch schüttelte sie energisch den Kopf und entgegnete: „Sie sind Narren! Die Helden, die sie begleiten, sind bereit, alles für das Gelingen ihrer Missionen zu geben – wenn es sein muss, sogar ihre Leben. Dieselbe Bereitschaft sollten auch Begleitfeen an den Tag legen, wenn sie ihre Aufgabe gewissenhaft erledigen wollen. Andernfalls lassen sie ihre Schützlinge genauso im Stich wie alle anderen und verlieren sie womöglich nur deswegen, weil sie im entscheidenden Moment nicht alles geben!“


    Die zierliche Feenfrau stieß schnaubend Luft aus den Nasenlöchern und fügte an: „Wenn es mich eines Tages meine geistige Gesundheit kosten sollte, dass ich Link immer in Freundschaft beigestanden habe, dann soll es im Namen der Göttinnen verdammt nochmal so sein! Link hat es mehr als jeder andere verdient, jemanden an seiner Seite zu haben, der alles für ihn geben würde!“


    Zu Navis Überraschung schlich sich angesichts ihres Gefühlsausbruchs ein Lächeln auf Vingors Lippen. Der Feenweise nickte ihr zu und sagte: „Ich bin beruhigt, dass du so denkst. Bei dem, was ihm noch bevorsteht, wird der Herr der Zeiten einen Freund brauchen.“


    „Wie meinst du das?!“ Navi riss alarmiert die Augen auf und starrte den alten Feenmann so intensiv an als wollte sie ihn mit schierer Willenskraft zum Reden bringen. Doch Vingor schloss nur die Lider und versank in tiefer Meditation.


    Navi wandte sich von ihm ab und schaute den Flur hinab, der zu dem Raum führte, in dem Link gerade kämpfte. Sollte sie zu ihm zurückkehren?


    Aber Link hatte sie explizit darum gebeten, sich in Sicherheit zu bringen, damit er sich voll auf den Kampf konzentrieren konnte.


    Doch was, wenn er ihren Zuspruch brauchte?


    Hin und her gerissen begann Navi wieder damit unruhig auf und ab zu laufen und stumm mit sich selbst zu streiten.




    Der Feuerball, der sich aus der Spitze des linken Zauberstabs der Thermohexi löste, war um einiges größer als diejenigen, die Koume zuvor auf den Herrn der Zeiten geschleudert hatte.


    Dennoch blieb Link wie angewurzelt stehen und vertraute auf die Macht des Spiegelschilds – und tatsächlich schirmte das Gerudo-Relikt seinen Herrn genauso gut ab wie zuvor und warf den Feuerzauber auf die Fusionshexe zurück.


    Diese lächelte jedoch nur und machte nicht einmal den Versuch, auszuweichen. Stattdessen blieb sie mit ausgebreiteten Armen stehen als begrüße sie einen alten Freund.


    Der Feuerball schlug gegen ihre Brust und löste sich mit lautem Zischen auf, während die Hexe lachte: „Hast du wirklich geglaubt, es wäre noch immer so einfach? Wenn wir fusionieren, teilen wir all unsere Kräfte – und damit auch den Schutz gegen unsere Zauber.“


    Als Link bei diesen Worten sämtliche Gesichtsfarbe verlor, verzog die Thermohexi ihre Lippen zu einem höhnischen Grinsen: „ Du hast es erfasst, Süßer. In dieser Form sind wir unbesiegbar!“


    Link starrte sie in blankem Horror an, unfähig zu sprechen oder sich zu bewegen. Eine solche Angst, wie sie ihm gerade den Rücken heraufkroch, hatte er noch nie verspürt – noch nicht einmal, als er als Kind Ganondorf gegenüber gestanden hatte.


    Seine Glieder wurden so weich, dass der den Spiegelschild kaum noch halten konnte, und sein Mund wurde trocken wie Wüstensand.


    „Gar kein flapsiger Kommentar dieses Mal?“ Die Thermohexi zog einen Schmollmund und schien ernsthaft enttäuscht, dass Link seine Stimme verloren hatte.


    Als er sie daraufhin noch immer nur stumm aus panisch geweiteten Augen ansah wie das sprichwörtliche Kaninchen vor der Schlange, seufzte die Hexe theatralisch auf und murmelte: „Am Ende sind sie dann doch alle gleich – der Mühe nicht wert…“


    Mit diesen Worten hob sie erneut ihre Hände und ließ ein Stakkato-Feuer auf den Herrn der Zeiten niederprasseln, indem sie ihre Zauber abwechselnd in schneller Folge abschoss. Link blieb nichts anderes übrig als den Spiegelschild vor sich zu halten und sich zu fragen: Wie lange konnte die Thermohexi so weitermachen?


    Erschöpfte sie der Gebrauch von Magie überhaupt?


    Und viel wichtiger: Wie lange würde er dagegenhalten können?


    Bereits jetzt spürte er die alles übermannende Müdigkeit, die ihn seit geraumer Zeit stets im Hintergrund lauernd begleitete und selbst von einer Feenkönigin nicht geheilt werden konnte. Er fühlte sich ausgebrannt und lange Kämpfe fielen ihm zunehmend schwer.


    Ein lautes Knacken riss Link aus seinen Gedanken und brachte seinen Magen dazu, sich zu einer kleinen Kugel zu verknoten.


    Das hatte ihm gerade noch gefehlt!


    Offenbar bereitete der Riss, den der Spiegelschild während des Kampfes mit Naboru abbekommen hatte, nun Probleme. Der permanente Wechsel zwischen heiß und kalt, den das Wechselfeuer der Thermohexi verursachte, zermürbte sämtliches Material – so auch die Oberfläche des Spiegelschilds, wobei die bereits beschädigte Stelle besonders anfällig war.


    Weiteres Knacken und Knirschen verriet Link, dass sich noch mehr Risse in seinem Schild bildeten und es an den Rand der völligen Zerstörung brachten.


    Der junge Krieger war beinah überrascht, dass er noch mehr Panik empfinden konnte als er es bis zu diesem Zeitpunkt bereits getan hatte. Er war sich sicher gewesen, er hätte das Maximum bereits erreicht, als ihm klar geworden war, dass die Twinrova unbesiegbar waren.


    Doch nun wurde ihm übel von dem Schrecken, den er empfand, und ihm drohte schwarz vor Augen zu werden.


    Er wollte nicht an diesem Ort sterben, zur Eisskulptur erstarrt oder zu einem Haufen Asche verbrannt…


    Warum nur musste ausgerechnet er der Auserwählte sein?!


    Er wollte das nicht!


    Hatte es nie gewollt…


    Alles, wonach er sich sehnte, war ein ruhiges Leben und ein paar gute Freunde, die dieses mit ihm teilten.


    Doch nicht einmal Letzteres war ihm vergönnt… Selbst seine Freunde waren vom Schicksal dahin gerafft worden, einer nach dem anderen…




    Plötzlich erklang eine körperlose, sehr vertraute Stimme in Links Ohr: „Gib nicht auf!“


    Der verblüffte Recke blinzelte irritiert und lauschte angestrengt, obwohl er nicht daran glaubte, dass noch einmal passierte, was auch immer gerade geschehen war. Doch zu seiner großen Überraschung sprach die Stimme erneut zu ihm: „Du kannst es schaffen – du musst nur auf deine eigene Stärke vertrauen!“


    Sein Herz raste nun so schnell, dass Link die einzelnen Schläge nicht mehr voneinander trennen konnte.


    Wie war das bloß möglich?!


    Woher kam auf einmal diese Stimme?


    Obwohl er fest davon überzeugt war, sein Geist spiele ihm lediglich einen Streich und er verlöre vor Todesangst schlicht den Verstand, rief er über das Prasseln und Zischen der noch immer auf ihn einschlagenden Zauber hinweg: „Salia?! Bist du das, Salia?“


    Die Thermohexi zog irritiert die Augenbrauen in die Höhe, aber Link beachtete sie kaum. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, auf die Antwort der körperlosen Stimme zu lauschen.


    Bei ihren nächsten Worten hatte sie einen noch wärmeren, liebevollen Beiklang, doch es war vor allem das, was sie sagte, was Link die Tränen in die Augen trieb: „Ja, Link, ich bin es. Ich spreche durch Rauru direkt zu deinem Herzen. Die anderen sind auch hier.“


    Es gab so vieles, was Link Salia sagen und fragen wollte – unter anderem, woher sie wusste, dass er ihren Zuspruch in diesem Moment bitter nötig hatte, und weshalb sie nicht schon früher zu ihm gesprochen hatte – aber bevor er auch nur einen Ton hervor gebracht hatte, meldete sich eine andere Stimme zu Wort: „Dieses hässliche Hexenpack putzt du mit links weg, Bruder! Du hast schon Schlimmeres überstanden!“


    Gerne hätte Link Darunia erklärt, dass er mit dieser Annahme leider verdammt falsch lag, dazu sollte es jedoch nie kommen.


    Die Thermohexi rümpfte nämlich genau in diesem Moment die Nase und schmollte mit Kotake-lastiger Stimme: „Ich glaube, du bist nicht mehr ganz bei der Sache, mein Hübscher. Offenbar muss ich mich dir wieder ins Gedächtnis rufen!“


    Mit diesen Worten schoss sie aus beiden Zauberstäben zugleich Magiestrahlen, die gleichzeitig auf die Oberfläche des Spiegelschilds trafen.


    Link wurde von der Wucht des Aufpralls beinah über die Kante des Podests geschoben und musste sich mit dem gesamten Körpergewicht nach vorn lehnen, um das Gleichgewicht halten zu können.


    Die Thermohexi lachte schallend und legte noch mehr Macht in ihre Zauber. Der Herr der Zeiten biss die Zähne zusammen und hielt tapfer dagegen, aber er wurde dennoch in die Knie gezwungen.


    In dem Moment, in dem Links Kniescheibe unsanft auf den Stein unter ihm schlug, passierte allerdings etwas Seltsames: Der Spiegelschild begann weiß zu glühen und zu summen wie eine angeschlagene Stimmgabel.


    Link blieb jedoch kaum Zeit sich darüber zu wundern.


    Nur Sekunden später ertönte ein Klirren, das selbst das Getöse der Zauber übertönte, und die Oberfläche des Schilds zerbrach, wobei ein gewaltiger Energiestrahl entfesselt wurde, der die Hexenzauber zurückdrängt, sodass es aussah als zögen sie sich in die Zauberstäbe der Fusionshexe zurück.


    Die Thermohexi riss überrascht die Augen auf, während sich eine Mischung aus Verwunderung und Entsetzen auf ihrem Gesicht breit machte.


    Der Energiestrahl traf die Hexe mitten auf die Brust, wo er sich zu einer Kugel zusammenballte, die größer und größer wurde, bis sie die massige Gestalt der Fusionshexe in sich eingeschlossen hatte.


    Link beobachtete irritiert und fasziniert zugleich wie die weiße Kugel anschließend in sich zusammenfiel wie eine vertrocknende Beere. Zurück blieb nur eine riesige Staubwolke, die für einen Moment wie erstarrt in der Luft zu stehen schien, dann aber doch langsam zu Boden rieselte.




    Der Herr der Zeiten ließ erschöpft die Überreste des Spiegelschilds sinken, das nur noch aus Rückwand und Griff bestand, und atmete erleichtert auf: die Thermohexi war weg!


    Er hatte es endlich geschafft!


    Doch dann drang eine Stimme an seine Ohren, die ihm die Nackenhaare zu Berge stehen ließ: „Das ist alles nur deine Schuld! Wenn du nicht unbedingt mit ihm hättest spielen müssen, wären wir diesen Wurm schon lange los!“


    Vor blankem Entsetzen konnte Link sich nicht mehr in seiner knienden Position halten konnte und sank zu einem Häufchen Elend auf dem Boden zusammen. Unterdessen wehrte Kotake die Vorwürfe ihrer Schwester ab: „Dass ich nicht lache! Er konnte die sexy Thermohexi doch nur besiegen, weil du so leicht in Rage gerätst und unvorsichtig wirst!“


    Tränen der Verzweiflung strömten über Links Wangen, während er dem Gezanke der Schwestern lauschte.


    Es war so unfair!


    Warum nur waren diese alten Schachteln nicht klein zu kriegen?!


    Vor Wut über die Ungerechtigkeit des Schicksals schlug der Krieger mit der Faust auf den Boden und schrie seinen Zorn stumm in sich hinein, bis ihn etwas wieder aufhorchen ließ.


    War das gerade Navis Stimme gewesen, die er irgendetwas rufen gehört hatte?


    Was machte sie hier?!


    Er hatte ihr doch gesagt, sie solle sich in Sicherheit bringen…


    Seine Sorge um seine Fee verblasste jedoch schnell wieder, als Kotake sagte: „Sag mal, Koume, was hast du da eigentlich für ein komisches Ding auf dem Kopf?“


    „Ich weiß nicht, Kotake“, entgenete die Angesprochene, „aber du hast auch so eins.“


    Link riss den Kopf hoch und sah zum ersten Mal, seit er Koumes Stimme nachd der Vernichtung der Thermohexi gehört hatte, wieder zu der Staubwolke auf.


    Diese hatte sich inzwischen merklich gelichtet und gab den Blick auf die beiden Hexen frei. Die Twinrova schwebten in der Luft und beäugten sich kritisch. Obwohl Link die beiden Hexen von Herzen hasste, glaubte er in diesem Moment, er habe in seinem Leben noch nie etwas Schöneres gesehen, und brach in regelrecht hysterisches Lachen aus.


    Die Körper der Schwestern waren weißlich-transparent und der Herr der Zeiten wusste ganz genau, was die merkwürdigen Gegenstände waren, die die beiden über ihren Köpfen entdeckt hatten.


    „Heiligenscheine!“, japste er zwischen zwei Lachattacken. „Ihr habt Heiligenscheine!“


    „Was?!“ Kotake sah ihn verständnislos an, während Koume abwehrend den Kopf schüttelte. „Das kann nicht sein. Das würde ja bedeuteten, wir wären tot. Das ist absoluter Blödsinn – immerhin sind wir, abgesehen vom großen Ganondorf natürlich, die mächtigsten Wesen dieser Welt!“


    „Eben“, pflichtete ihre Schwester bei und fügte an: „Außerdem bin ich erst 380 Jahre alt – das ist doch noch kein Alter zum Sterben!“


    Link rang noch immer lachend röchelnd nach Luft und wischte sich mit der flachen Hand Tränen ab, die inzwischen aus Erleichterung über seine Wangen rannen. Unterdessen nickte Koume und sagte: „Und ich bin erst 400 Jahre!“


    Bei diesen Worten wirbelte Kotake, die Link angesehen hatte, wieder herum und starrte ihre Schwester an. „Wie kannst du 400 Jahre alt sein?! Wir sind Zwillinge! Mach dich nicht älter als du bist!“ „Du kannst eben nicht rechnen, Dummkopf!“, keifte Koume zurück, während sich die transparenten Körper der Hexen allmählich in Nichts auflösten.


    Für einen Moment überlegte Link, dessen Lachkrampf allmählich ein wenig abflaute, ob er den beiden Schwestern ein grausiges Leben nach dem Tod wünschten sollte, entschied sich jedoch dagegen. Stattdessen beobachtete er leise vor sich hin glucksend und noch immer vor Freude und Erleichterung weinend wie die Twinrova keifend und zeternd ins Jenseits übertraten.
    Es war tatsächlich endlich geschafft!

    ZF-Signatur-2.jpg

    Avatar-Artwork von mokke; Signatur-Artwork von Kamui Fujiwara (official artwork)

  • Die Weise der Geister





    Navi lief noch immer unruhig auf und ab und knabberte vor Nervosität an den Fingernägeln, als plötzlich eine orangefarbene Lichtkugel aus Naborus Körper emporstieg und die Konturen der Gerudo annahm.


    Vingors Lippen umspielte ein väterliches Lächeln, während Navi die Weise der Geister zunächst vollkommen konsterniert anstarrte und dann einen Freudenschrei ausstieß: „Er hat es geschafft! Er hat es tatsächlich geschafft!“


    Die Licht-Naboru sah sich irritiert in dem thronsaalartigen Raum um und fragte mit deutlicher Verwirrung und einem Hauch Angst in der Stimme: „Wo bin ich hier? Und wie bin ich überhaupt hierhergekommen?“


    Dann entdeckte sie ihren unbewegt daliegenden Körper, unter dem sich eine beachtliche Blutlache ausgebreitet hatte, und stieß ein schrilles Kreischen aus: „Was ist mit mir passiert?!“


    Anstatt ihr zu antworten, hob Navi lediglich die Hände vor sich als wolle sie die Gerudo notfalls mit Gewalt zurückhalten und sagte: „Wir werden dir alles erklären, aber zuerst muss ich Link holen. Nicht weggehen!“


    Ohne Naborus Reaktion abzuwarten, wirbelte die Feenfrau herum und rannte den Flur herunter zu dem großen Saal, in dem der Kampf gegen die Twinrova stattgefunden hatte. Sie war so ungeübt im Rennen, dass sie mehrfach stolperte und lang hinschlug, doch das hielt sie nicht auf. Selbst als sie sich auf dem Teppich das Knie aufschürfte, rappelte sie sich ihren kaputten Flügel verfluchend wieder auf und hastete weiter.


    Der Gang erschien ihr unendlich lang, aber nach einer guten Minute hatte sie den Saal endlich erreicht.


    Hektisch sah sie sich nach Link um, den sie anhand seiner Goronen-Rüstung als roten Fleck auf dem großen Mittelpodest ausmachen konnte. Schräg über ihm rieselte eine riesige Staubwolke langsam zu Boden.


    Obwohl Navi bereits jetzt das Gefühl hatte, ihre Lunge würde wegen der ungewohnten Rennerei jeden Augenblick platzen, rief sie: „Link, du Teufelskerl! Du hast es geschafft!“


    Der Link-Klecks schien den Kopf zu heben, sank jedoch kurz darauf völlig in sich zusammen wie ein Daunenkissen, das Federn verlor. Bei diesem Anblick blieb Navi das Herz stehen und sie bremste stolpernd ab.


    War Link womöglich verletzt?


    Tödlich verletzt?!


    Vor lauter Freude über seinen Sieg hatte sich Navi gar keine Gedanken um den Zustand ihres Freundes gemacht…


    Sie wollte bereits zurückhetzen, um Vingor zu holen, als sie eine Stimme hörte. Zwar konnte sie nur undeutliches Gemurmel verstehen, aber dieser Klang hatte sich tief in ihre Erinnerungen gebrannt: Koume, eine der Twinrova!


    Aber wie war das möglich?


    Sie hatte mit eigenen Augen gesehen wie der Bann, der auf der Weisen der Geister gelegen hatte, gebrochen war. Das konnte doch nur bedeuten, dass die Hexen besiegt waren – oder nicht?


    Reichte womöglich der Tod einer Hexe bereits aus, um den Bann zu brechen?


    Doch dann ertönte auch Kotakes Stimme und Navi verstand die Welt nicht mehr.


    Sie war sich so sicher gewesen…


    Die Verblüffung und Enttäuschung klebten Navi am Boden fest und sie vergaß für einen Moment, dass sie Vingor hatte holen wollen. Stattdessen starrte sie auf die sich noch immer lichtende Staubwolke und versuchte zu begreifen, was vor sich ging. Dabei lauschte sie angestrengt auf die Worte der Hexenschwestern, die sich lauthals zu streiten schienen, doch die wiedererwachte Stimme des Tempels flüsterte nahezu ununterbrochen dazwischen, sodass Navi von beidem nur Bruchstücke verstand.


    Genervt warf die junge Fee die Arme in die Luft und stieß einen Laut der Frustration aus. Das Ganze war doch zum aus-der-Haut-Fahren!


    Alles an diesem Tempel verhielt sich als wäre der auf ihm lastende Bann der Twinrova gebrochen – dabei waren die zwei ganz offensichtlich noch immer da!


    Navi konnte inzwischen, da sich der Staub ein wenig gelegt hatte, sogar ihre Gestalten über Link in der Luft schweben sehen!


    Doch irgendetwas an ihrem Erscheinungsbild war merkwürdig… Navi konnte nur nicht sagen, was.


    Der Link-Klecks rührte sich nicht, als hätte er aufgegeben oder wäre sich der Anwesenheit der Hexen nicht bewusst. Sorge schnürte seiner Fee die Kehle zu und sie musste einen dicken Kloß herunterschlucken, bevor sie aus vollen Lungen schreien konnte: „Pass auf, Link!“


    Hoffentlich konnte er sie hören und war nicht zu schwer verletzt…


    Navi überlegte fieberhaft, was sie tun konnte, um ihrem Schützling zu helfen, wurde jedoch jäh in ihren Grübeleien unterbrochen, als Link plötzlich in schallendes Gelächter ausbrach.


    Im ersten Moment fragte Navi sich, ob ihr Freund womöglich vor Angst den Verstand verloren hatte – so hysterisch klang sein Gelächter. Nach und nach verlor sich dieser Unterton jedoch und ließ nichts übrig als befreites, glückliches Lachen, was Navi zunächst noch mehr verwirrte.


    Als sie kurz darauf bemerkte, dass sich die Körper der Hexen allmählich auflösten, wurde ihr allerdings schnell klar, weshalb ihr Freund lachen musste und stimmte sogar mit ein.


    Geister!


    Die Twinrova waren nur noch Geister gewesen!


    Jetzt machte auf einmal alles wieder Sinn: der offenbar gebrochene Fluch und das Merkwürdige am Erscheinungsbild der Hexen, das Navi zuvor nicht hatte benennen können.


    Jubelnd lief die Feenfrau auf das mittlere Podest zu, um ihrem Schützling zu seinem Sieg zu gratulieren und ihm zu erzählen, dass es funktioniert hatte: die Weise der Geister war befreit worden und nun bereit, ihre Pflicht im Heiligen Reich zu erfüllen.


    Nach wenigen Schritten blieb Navi jedoch schon wieder stehen, als ihr einfiel, dass sie Vingor hatte holen wollen, bevor die Stimmen der Twinrova sie aus dem Konzept gebracht hatten.


    Link könnte verletzt sein!


    Bevor sie in Richtung Thronsaal davonstürzen konnte, kam Link allerdings wieder auf die Füße und machte sich so behände an den Abstieg, dass Navi ein Stein vom Herzen fiel.


    Wer sich so geschmeidig bewegte, konnte nicht schwer verletzt sein.


    Mit einem breiten Grinsen im Gesicht rannte die Fee auf ihren Freund zu, um mit ihm gemeinsam seinen Sieg zu feiern.




    Unterdessen hatte Link arge Probleme, an der Außenseite des Podests wieder hinab zu klettern. Seine Knie waren noch immer so weich wie Pudding und seine Hände zitterten so sehr, dass er sich kaum festhalten konnte.


    Entsprechend froh war er, als er endlich den Boden erreicht hatte.


    Kaum hatte er den zweiten Fuß auf die Steinfliesen gestellt, warf sich ein leichtes Gewicht gegen seinen Stiefelschaft und eine wohl vertraute Stimme rief aufgeregt: „Du Teufelskerl! Du hast es wirklich geschafft!“


    Link beobachtete lächelnd wie Navi an seiner Kleidung empor zu ihrem Stammplatz auf seiner Schulter kletterte und bedauerte die winzige Körpergröße seiner Fee.


    Wie gerne hätte er sich in diesem Moment von seiner Freundin in die Arme schließen und ein wenig halten lassen!


    Stattdessen musste er sich damit begnügen, dass Navi sich in seine Halsbeuge kuschelte…


    Nachdem sie ihn auf diese Weise ein paar Herzschläge lang an sich gedrückt hatte, sah die Feenfrau zu dem Gesicht ihres Schützlings auf und sagte: „Nicht, dass ich je an deinen Fähigkeiten gezweifelt hätte, aber wie hast du die Twinrova besiegen können?“


    Der Herr der Zeiten zuckte leicht mit den Achseln und antwortete: „Streng genommen war ich das gar nicht.“


    Mit diesen Worten zog er den vollkommen ramponierten Spiegelschild hervor und zeigte ihn Navi. Von der einstmals wunderschönen Spiegeloberfläche waren nur noch Splitter übrig, die wie Zahnstummel im Mund einer alten Vettel im Rahmen stecken geblieben waren. Dort, wo das Kernstück des Schilds gesessen hatte, war die rubinrote Fassung von pechschwarzen Brandflecken übersät und warf stellenweise sogar Blasen.


    Navi riss bei diesem Anblick ungläubig die Augen auf. „Wie…?“


    Mehr als dieses eine Wort brachte sie nicht hervor, dich es reichte aus, damit Link sie verstand. Langsam auf den Thronsaal zusteuernd, wo sie Vingor und Naborus Leiche zurückgelassen hatten, erzählte der junge Krieger seiner Fee, was passiert war, nachdem sie ihn verlassen hatte.


    Je weiter Link in seiner Erzählung fortschritt, umso größere Augen machte die Feenfrau. Obwohl die die Twinrova schon immer gefürchtet hatte, hätte Navi sich niemals träumen lassen, dass die Hexenschwestern die Fähigkeit besessen hatten, sich zu einem Wesen zu verschmelzen.


    Nachdem Link seinen Bericht beendet hatte, betrachtete Navi den ruinierten Spiegelschild, den Link noch immer in den Händen hielt und vor sich her trug, mit traurigen Blicken und sagte dann lächelnd: „Es ist wirklich schade um das gute Stück… Aber wenn es dir das Leben gerettet hat, dann soll’s mir recht sein.“


    Der Herr der Zeiten wollte seine Fee gerade fragen, ob sie eine Idee hatte, woher Salia und Darunia gewusst hatten, dass er ihren Zuspruch nötig gehabt hatte, als Stimmengewirr erklang.


    Alarmiert ließ Link die Überreste des Spiegelschilds fallen und rannte die letzten Meter des Flurs zum Thronsaal herab. Navi war bei der plötzlichen Bewegung von seiner Schulter gefallen, hatte sich aber noch an seiner Tunika festhalten und vor einem Sturz in die Tiefe bewahren können.


    Nun versuchte sie, wieder auf ihren Stammplatz zu gelangen und ihrem Schützling gleichzeitig zu versichern, dass keine Gefahr drohte.


    Doch bevor die Feenfrau einen vollständigen Satz zustande gebracht hatte, blieb Lin kabrupt stehen und betrachtete zunächst irritiert, dann amüsiert die sich ihm bietende Szene:


    Naboru hatte Vingor in eine Ecke gedrängt und verlangte lauthals von ihm zu erfahren, was mit ihr geschehen war, während der Feenweise abwehrend die Hände vor sich hielt und ihr immer wieder mit panischem Unterton versicherte, er habe keine Ahnung.




    Links Stimme vibrierte vor unterdrücktem Lachen, als er sagte: „Du solltest ihm glauben, Naboru, auch wenn er ein Mann ist. Er weiß wirklich nichts.“


    Die Gerudo wirbelte mit angriffslustiger Miene zu ihm herum und funkelte ihn zornig an. Link war sich sicher, hätte sie noch ihren Bogen besessen, sie hätte in diesem Moment damit auf sein Herz gezielt.


    Navi, die inzwischen wieder Links Schulter erklommen hatte, blickte unruhig zwischen Naboru und Link, die sich stumm anstarrten als wollten sie die Stärke des jeweils anderen abschätzen, hin und her und fragte sich, ob ein Weiser auch nach seiner Erweckung noch sein Schicksal und seine Pflicht ablehnen konnte. Naboru sah in diesem Moment jedenfalls alles andere als bereit aus, sich ins Heilige Reich zu begeben.


    Vingor drückte sich unterdessen mit dem Rücken an der Wand entlang aus der Ecke, murmelte etwas davon, dass er offenbar nicht mehr gebraucht wurde und verschwand mit beeindruckender Geschwindigkeit aus dem Saal. Anscheinend hatte Naboru ihn zu Tode erschreckt.


    Diese brach zur allgemeinen Überraschung auf einmal in Lachen aus und rief: „Bist du das, Kleiner?“


    Der Herr der Zeiten nickte und Naboru klatschte begeistert in die Hände, während Navi erleichtert aufatmete. Sie wusste nicht zu wie viel die Weisen in ihrer Lichtgestalt fähig waren, hatte bei der Wut, die zuvor in den Augen der Gerudo gebrannt hatte, jedoch mit dem Schlimmsten gerechnet.


    Nun schien sie Link zumindest nicht mehr an die Gurgel gehen zu wollen…


    Naboru legte den Kopf schief und betrachtete den jungen Mann vor sich mit neuem Interesse, bevor sie bewundernd sagte: „Sieh dich an, Kleiner! Wie groß du geworden bist! Ich sehe dich noch genau vor mir wie wir uns damals getroffen haben – du warst noch so jung und hast trotzdem dermaßen entschlossen gewirkt, dass es mich beeindruckt hat.“


    Dann änderte sich ihr Gesichtsausdruck plötzlich und sie wirkte auf einmal viel jünger und verletzlicher, als sie fragte: „Hast du… Hast du sie eigentlich je…?“


    Link nickte erneut und hob eine Hand damit Naboru seinen Handschuh besser sehen konnte. „Es tut mir leid, dass ich sie dir nie gebracht habe.“


    Trauer legte sich auf das Gesicht der Gerudo, aber sie schüttelte nur den Kopf und betrachtete ihre eigenen Hände. „Das ist schon in Ordnung. Wie es aussieht, hätten sie mir sowieso nicht gepasst.“


    Sie stieß einen langgezogenen Seufzer aus und fügte leise murmelnd an: „Mir hätte klar sein müssen, dass sie für Männer gemacht sind…“ Sie klang frustriert.


    „Wir wollten sie dir bringen!“, stellte Navi schnell klar, damit Naboru nicht auf die Idee kam, von einem Mann übers Ohr gehauen worden zu sein. So wie die Fee die Gerudo einschätzte, hätte diese eine solche Tat niemals verziehen – erst recht keinem Mann.


    Den Blick stur zu Boden gerichtet fragte Naboru: „Ach ja? Was hat euch aufgehalten?“


    „Die Twinrova.“ Links Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Er wusste nicht, an wie viel Naboru sich aus den letzten sieben Jahren erinnern konnte, und wollte keine unangenehmen Bilder heraufbeschwören.


    Dennoch riss die Gerudo den Kopf wieder hoch und starrte Link mit einem entsetzten Ausdruck an. „Ja! … Jetzt, wo du es sagst… Ich erinnere mich daran, dass ich Gelächter gehört habe, während ich in der Eingangshalle auf euch gewartet habe. Ich wollte nachsehen, woher es kam, aber dann…“


    Sie stockte kurz als müsste sie ihre Gedanken ordnen und fuhr dann fort: „… aber dann kamen die alten Hexen plötzlich durch ein Loch in der Decke und stürzten sich auf mich. Ich bin aus dem Tempel gerannt und gestolpert…“


    Link fragte sich, ob sie hinter ihren geschlossenen Augen die Bilder der Vergangenheit sah und auf diese Weise ihre Entführung erneut durchlebte. Auch Navi zog ein mitfühlendes Gesicht, das deutlich verriet, dass sie nachfühlen konnte wie schwer Naboru das Erinnern fallen musste.


    Diese erzählte unterdessen mit zitternder Stimme weiter: „… Ich hab dich meinen Namen rufen hören und habe mich nach dir umgesehen, aber dann kam eine der Hexen mit erhobenem Zauberstab auf mich zu und dann…“


    Naboru zog die Augenbrauen zusammen und schien an einem imaginären Hautfetzen an ihrem Daumen zu knibbeln, während sie angestrengt nachdachte.


    Nach einer Weile schüttelte sie frustriert den Kopf und ließ die Schultern hängen. „Nichts! Danach erinnere ich mich an absolut nichts mehr…“


    Der mitfühlende Ausdruck auf Navis Gesicht intensivierte sich noch. Sie konnte sich gut vorstellen, wie erschreckend es sein musste, an einem unbekannten Ort zu sich zu kommen und nicht zu wissen, wie man dorthin gekommen war – vor allem, wenn man dann auch noch seine eigene Leiche sehen musste.


    Wieder drängt sich der Fee eine Frage auf, die sie bereits seit Langem beschäftigte: Verloren die Weisen und der Herr der Zeiten ihre Erinnerungen, wenn sich ihre Seelen in die Körper von Neugeborenen einnisteten?


    Link hatte zwar erzählt, dass er während seines siebenjährigen Schlafes Bilder aus vergangenen Leben gesehen hatte, aber weder er noch die erweckten Weisen schienen sich bewusst an irgendetwas vor dem aktuellen Leben zu erinnern.


    Navi dachte daran zurück, dass sie Link nach seinem Erwachen aus dem Bannschlaf erklärt hatte, in ihm würden zwei Seelen leben: die Seele des Sohnes seiner Eltern und die des Lichtwesens, das der Herr der Zeiten war.


    Heute glaubte sie nicht mehr an diese These…


    Inzwischen war sie vielmehr davon überzeugt, dass die Seelen der Lichtwesen die ihrer Wirtskörper ersetzten.


    Vielleicht bildete sich die Seele eines Lebewesens ja erst im Laufe der ersten Lebensjahre und bis dahin war jeder Körper ein leeres Gefäß, das die Lichtwesen gefahrlos besetzen konnten und so die Entwicklung einer eigenen Seele blockierten?


    Link befeuchtete unterdessen seine Lippen mit der Zungenspitze und erklärte Naboru in behutsamem Ton: „Die Twinrova haben dich gefangen genommen. Für die letzten sieben Jahre warst du ihre Geisel.“


    Die Gerudo riss die Augen auf und fragte entsetzt: „Sieben Jahre?! Wie geht es meinen Mädchen?“ „Dinah und den anderen geht es gut. Wir waren erst vor kurzem bei ihnen und ich habe sie mit eigenen Augen gesehen. Aus ihnen sind hervorragende Kriegerinnen geworden, die gut auf sich selbst aufpassen können“, beruhigte Link sie.


    Für einen Moment erwiderte Naboru das Lächeln, das um seine Lippen spielte. Dann schien sie jedoch zu erröten und fragte zögerlich: „Hab ich… habe ich… habe ich unter der Kontrolle der alten Hexen irgendetwas Grauenhaftes getan?“


    Der Herr der Zeiten zog ein bedauerndes Gesicht und zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Ich war selbst für sieben Jahre im Heiligen Reich gebannt und habe keine Ahnung, was in der Zwischenzeit passiert ist.“


    Als Naboru daraufhin verwirrt blickte, deutete Link auf das Heft des Master-Schwerts, das über seine rechte Schulter hinweg lugte, und murmelte: „Offenbar hat das Ding so eine Art Altersfreigabe. Kein Gefuchtel mit dem heiligen Bannschwert vor der Volljährigkeit oder so…“


    Naboru sah noch immer aus als verstünde sie kein Wort, doch sie deutete nur auf ihre sterblichen Überreste und fragte: „Und wie ist das passiert?“


    Link öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn jedoch schnell wieder, als er es nicht über sich brachte, Naboru zu gestehen, dass er sie getötet hatte.


    „Du wurdest als Weise der Geister ins Heilige Reich berufen“, sprang Navi ihrem noch immer um Worte ringenden Schützling zur Seite, „und deine Seele musste für diese Reise ihren Körper verlassen.“


    Naboru runzelte die Stirn und betrachtete skeptisch die große Blutlache unter ihrem Körper. Um ihr keinen Raum für unangenehme Fragen zu geben, redete Navi hastig weiter, während Link schuldbewusst auf seine Stiefelspitzen starrte: „Hyrule ist in den letzten Jahren in großes Unglück gestürzt worden. Das hylianische Königshaus ist gefallen und womöglich wurden all seine Angehörigen getötet, die Goronen wurden durch die Rückkehr des Feuerdrachen Volvagia beinah vollständig ausgelöscht und durch den Wasserdämon Morpha wurde das Reich der Zora von einer dicken Eisschicht überzogen – und das alles nur, weil der Großmeister des Bösen die schlimmsten Dämonenfürsten, die seit Anbeginn der Zeit in unseren Landen gewütet haben, wieder zum Leben erwacht hat.“


    Die Gerudo sah geschockt aus, blickte aber noch immer ein wenig störrisch, ganz so als wollte sie fragen, was das alles mit ihr zu tun habe. Navi lehnte sich in ihrer sitzenden Position ein wenig nach vorn und fixierte ihr Gegenüber ganz genau – ihre nächsten Worte würden Naboru vollständig auf ihre Seite ziehen, da war sich die Fee sicher.


    Nach einer dramatischen Kunstpause fuhr sie mit eindringlicher Stimme fort: „Wir brauchen dich, Naboru! Ohne dich kann selbst der Herr der Zeiten Ganondorf nicht aufhalten!“


    In den Augen der Gerudo blitzte etwas auf und ließ ihre Augen leuchten – wie ein Funke, der Feuer fing. „Ganondorf ist zum Großmeister des Bösen geworden?!“


    „Ja.“ Link nickte und sah endlich wieder von seinen Stiefeln auf. „Er ist vor sieben Jahren ins Heilige Reich eingedrungen und hat das Triforce an sich gerissen. Glücklicherweise ist es bei seiner Berührung zerbrochen und er konnte nur ein Fragment des Götterrelikts an sich bringen. Deshalb haben wir noch eine Chance, ihn aufhalten zu können – aber dafür brauche ich die Hilfe von euch Weisen. Von allen sieben. Wenn nur einer fehlt, mindert das–“


    Link wollte erklären, wie stark es seine Siegchancen gegenüber Ganondorf schmälern würde, sollte Naboru ihre Hilfe verweigern, doch die Gerudo fiel ihm rüde ins Wort: „Du? Wieso brauchst du meine Hilfe? Ich dachte, nur der Herr der Zeiten kann jetzt noch etwas gegen Ganondorf ausrichten.“


    Link fragte sich, ob er angesichts dieser Frage beleidigt sein sollte, doch Naboru hatte nicht abwertend geklungen, lediglich ehrlich neugierig. Unterdessen antwortete Navi an seiner Stelle: „Weil Link der Herr der Zeiten ist! Nur er kann das Böse jetzt noch aufhalten.“


    „Der Herr der Zeiten, hm?“ Naboru betrachtete Link mit einem merkwürdigen Blick, so als würde sie ihn zum ersten Mal wirklich wahrnehmen, und lächelte dann. „Du bist ja ein richtiger Held geworden, Kleiner. Das überrascht mich gar nicht.“


    Der junge Mann errötete tief, während seine Fee zustimmend nickte und die Gerudo nachdenklich zur Decke aufsah. „Wenn ich so dringend gebraucht werde“, überlegte sie laut, „sollte ich mich wohl auf den Weg ins Heilige Reich machen – wir haben schon genug Zeit mit reden vergeudet.“


    Mit diesen Worten verwandelte Naboru sich in eine orange Lichtkugel und schwebte davon, während ihre Stimme ein letztes Mal erklang: „Pass auf dich auf, Kleiner… nein, Link, Herr der Zeiten… Sag meinen Mädchen, dass ich stolz auf sie bin!“


    Link und Navi sahen der Lichtkugel hinterher wie sie durch die Decke hindurch davon schwebte und fragten sich beide stumm für sich, ob sich das Schweben für die erweckten Weisen genauso natürlich anfühlte wie das Gehen in ihrer sterblichen Gestalt zuvor. Jedenfalls schien bisher keiner von ihnen Probleme gehabt zu haben, sich an die neue Daseinsform zu gewöhnen.




    Nach einer Weile warf Link seiner Fee einen Seitenblick zu und fragte: „Und wohin jetzt?“ Navi zuckte die Schultern und erwiderte seinen Blick mit einem ratlosen Gesichtsausdruck. Es war das erste Mal seit sie damals keine Ahnung gehabt hatten, wo sie den dritten Heiligen Stein suchen sollten, dass sie nicht wussten, wohin sie als nächstes gehen sollten.


    „Ich denke, wir sollten Dinah und den anderen erzählen, was mit Naboru geschehen ist. Bei der Gelegenheit können wir auch gleich Epona wieder abholen. Sie vermisst uns sicherlich schon schrecklich“, schlug Link vor.


    Zu ihrer eigenen Verwunderung wollte Navi widersprechen und stattdessen den Vorschlag machen, nach Shiek zu suchen. Vielleicht hatte der gerissene Shiekah ja inzwischen etwas über den siebten Weisen herausgefunden und wusste, wo man ihn suchen musste.


    Doch in dem Moment, in dem sie den Mund aufmachte, erklang plötzlich Raurus Stimme: „Gut gemacht, Herr der Zeiten!“ An Navis überraschtem Gesichtsausdruck konnte Link ablesen, dass sie den Weisen des Lichts ebenfalls hörte.


    Dieser sprach unterdessen weiter: „Du hast die Bannsiegel, die auf den fünf Türmen unserer Länder lasteten, gebrochen und die mit den heiligen Stätten verbundenen Weise erweckt. Deine Aufgabe ist beinahe erfüllt. Du musst nur noch den siebten Weisen finden und Ganondorf besiegen! Doch kehre zunächst in die Zitadelle der Zeit zurück. Dort erwartet dich jemand, der sich schon lange nach einem Treffen mit dir sehnt.“


    Krieger und Fee verharrten noch eine Weile schweigend und warteten ab, ob Rauru noch etwas anfügen würde, aber der Weise des Lichts schien die Verbindung zu ihnen bereits wieder gelöst zu haben.


    Als sie sich sicher war, dass Rauru nichts mehr sagen würde, stieß Navi schnaubend Luft aus den Nasenlöchern und murrte: „‚Du musst nur noch Ganondorf besiegen‘ – der Alte hat ja echt Nerven! Als wäre ein Kampf gegen den Großmeister des Bösen nicht schwieriger als eine Kind die Bonbons zu klauen…“


    Die Fee sah ihren Schützling erwartungsvoll an und hoffte zumindest auf ein Zucken seiner Mundwinkel, das ein unterdrücktes Lächeln andeuten würde. Link hatte ihr jedoch überhaupt nicht zugehört.


    Sein Herz pochte dermaßen heftig, dass das Rauschen seines Blutes so laut in seinen Ohren dröhnte, dass es jedes andere Geräusch übertönte.


    Konnte es sein?


    Hatte Rauru womöglich wirklich von Zelda gesprochen?

    ZF-Signatur-2.jpg

    Avatar-Artwork von mokke; Signatur-Artwork von Kamui Fujiwara (official artwork)

  • Teil 4 - Die Auserwählten



    Shiekah-Legenden





    Bei diesem Gedanken wurde Link plötzlich trotz Goronen-Rüstuntg unerträglich heiß und er stammelte ein wenig geistesabwesend: „Ja… ja, ich glaube, es ist wirklich eine gute Idee, zur Gerudo-Festung zurückzukehren. Dinah und die anderen warten bestimmt schon sehnsüchtig auf Neuigkeiten.“


    Navi runzelte irritiert die Stirn und beugte sich ein wenig vor damit sie mehr vom Gesicht ihres Schützlings sah, obwohl sie auf seiner Schulter saß. Doch offenbar bemerkte Link die Bewegung und wandte rasch den Kopf, so als wolle er das Wandgemälde neben sich studieren.


    Nun noch irritierter fragte Navi zaghaft: „Ähm… du hast Rauru doch auch gehört, oder?“ „Hm-mh“, Link nickte ein wenig zögerlich. Ein Teil von ihm hätte gerne so getan als wüsste er nicht, was der Weise des Lichts ihnen mitgeteilt hatte. Der größere Teil von ihm brachte es jedoch nicht übers Herz einen Freund offen anzulügen.


    „Dann weißt du also auch“, fuhr Navi mit unbarmherziger Logik fort, „dass wir in die Zitadelle der Zeit müssen. Wieso holst du nicht endlich deine Okarina hervor? Und warum willst du immer noch zurück zu den Gerudos? Wir haben doch jetzt den Ansatzpunkt, den wir wollten.“


    Resigniert ließ Link Kopf und Schultern hängen und stieß einen langgezogenen Seufzer aus. Es hatte keinen Sinn, seiner Fee verheimlichen zu wollen, was in ihm vorging. Sie würde sowieso nicht locker lassen, bis sie ihm auch noch das letzte Detail aus der Nase gezogen hatte…


    „Ich…“, setzte er mit brüchiger Stimme an, räusperte sich und sprach dann so schnell weiter als wollte er alle Worte auf einmal sagen, um es hinter sich zu haben. Navi musste sich stark konzentrieren, um alles zu verstehen.


    „Ich weiß, dass Rauru uns gesagt hat, jemand warte in der Zitadelle der Zeit auf uns. Und ich habe auch einen Verdacht, wer das sein könnte – und genau deswegen will ich da nicht hin!“


    Navi riss überrascht die Augen auf und blinzelte ihren Schützling völlig perplex an. So ein Verhalten sah ihm überhaupt nicht ähnlich. Normalerweise wäre er viel zu pflichtbewusst, um jemanden warten zu lassen.


    Weil ihr keine andere Erklärung für seinen Widerwillen einfiel, sagte die Feenfrau in sanftem Ton: „Ganondorf hat sicherlich anderes zu tun als irgendwo auf uns zu warten – immerhin ist er der Regent eines Landes, wo in allen Städten und Dörfern trotz all seiner Bemühungen sein Volk einzuschüchtern noch immer der Widerstand schwelt.“


    „Ich weiß!“ Die Antwort fiel heftiger und rüder aus als Link gewollt hatte, aber das Chaos in seinem Inneren ließ ihn gereizt und bockig werden. Er wollte nicht über dieses Thema sprechen! Er wollte zurück zu den Gerudo gehen, sich ein wenig ausruhen und seine Gefühle ordnen.


    Von seinem harschen Ton getroffen, schnappte Navi sofort ein und blaffte: „Schön! Wovor hat der große Herr der Zeiten denn dann Angst, bitteschön?“


    Link stieß erneut einen langgezogenen Seufzer aus. Warum nur konnte Navi nie etwas gut sein lassen? Wieso musste sie ihn immer dazu nötigen, sie an seinem Gefühlsleben teilhaben zu lassen?


    Dabei wäre er am liebsten nicht einmal selbst darin involviert gewesen…


    Ein Teil von ihm freute sich wahnsinnig über die Aussicht, womöglich Zelda wiederzusehen. Dieser Teil vermisste die Prinzessin und hatte ihr gegenüber romantische Gefühle, die Link immer wieder irritierten, wann immer er an Zelda dachte. Wie konnte man in jemanden verliebt sein, den man kaum kannte?


    Der andere Teil von ihm hingegen fühlte sich von Shiek angezogen und empfand ihm gegenüber Dinge, die Link erröten ließen, wann immer er darüber nachdachte. Selbst jetzt noch fühlte er einen schwachen Nachhall des Kribbelns, das seinen ganzen Körper erfasst hatte, als Shiek ihn im Gefängnis der Gerudo-Festung mit Walnussöl eingerieben hatte, um seine Haut dunkler erscheinen zu lassen.


    Diese sich widersprechenden Emotionen gaben Link das Gefühl, von innen heraus zu zerreißen.


    Er wollte Zelda treffen, aber irgendwie auch nicht…


    Und er hatte Angst vor seiner Reaktion, wenn sie es tatsächlich war, die in der Zitadelle auf ihn wartete. Oder wenn sie es nicht war…


    „Fein, dann redest du eben gar nicht mehr mit mir“, schnappte Navi, die von seinem Schweigen verletzt war, in seine Gedanken hinein.


    Nun gesellte sich zu seinem inneren Aufruhr auch noch die Wut auf sich selbst, dass er zu schwach war, seine Gefühle im Zaum zu halten, und auch noch eine seiner letzten Freundinnen verletzt hatte.


    Die überkochenden Emotionen drückten gegen seine Brust wie ein Ballon, den man immer weiter aufpustete, bis schließlich irgendetwas in Link riss und er brüllte: „Na gut! Dann teleportieren wir uns halt in diese verfluchte Zitadelle!“




    Nur Sekunden später fanden die beiden Abenteurer sich in der Zitadelle der Zeit wieder – jedoch schien diese vollkommen leer zu sein. Von der ominösen Person, die sie hier treffen wollte, war keine Spur zu sehen.


    Mit grimmigem Gesichtsausdruck sah Link sich im gesamten Gebäude um und knurrte dann, nachdem seine Suche erfolglos geblieben war, seine Fee an: „Bist du jetzt glücklich? Hier ist niemand!“


    Navi, die nicht glauben konnte wie Link sich ihr gegenüber verhielt, schüttelte nur wortlos den Kopf. Was hatte sie bloß getan, dass er sie behandelte als wäre sie seine Feindin? Eben waren sie noch beste Freunde gewesen und – zack – hatte er sie angeschrien und behandelte sie seitdem als wäre sie Ursprung all seines Leids.


    Am liebsten wäre sie in diesem Moment aufgestanden und gegangen…


    Sie fühlte sich verraten und ausgenutzt…


    Einzig der Gedanke an all den Stress, den Link in den letzten Monaten erleiden musste, ließ sie bleiben. Vielleicht war er inzwischen an einem Punkt angekommen, an dem er allmählich verrückt wurde?


    Trotzdem hatte er kein Recht, seinen Zorn an ihr auszulassen! Sie hatte immer zu ihm gestanden und alles für ihn gegeben!


    Vielleicht hatte Vingor doch Recht gehabt und es war besser, wenn sich eine Begleitfee emotionalen Abstand ihrem Schützling gegenüber bewahrte…


    Link schien zu spüren, dass seine Fee dabei war, sich ihm gegenüber zu verschließen und seufzte auf. „Hör mal, Navi, das vorhin war nicht so gemeint. Ich…“


    Doch der Herr der Zeiten kam nicht dazu, sich zu erklären, denn in diesem Moment erklangen plötzlich Schritte vom Eingang der Zitadelle her.


    Sofort wirbelte Link herum und sein Herz machte einen erfreuten Sprung, während er sich gleichzeitig enttäuscht fühlte.


    Dort, auf der Teleportierplattform, stand Shiek und blickte mit schief gelegtem Kopf zu den beiden Abenteurern herüber. Als Link ein wenig näher kam, sagte der Shiekah: „Wie ich sehe, hat Rauru meine Nachricht überbracht.“


    „Ja.“ Der Herr der Zeiten fand an dieser Aussage nichts ungewöhnliches, doch Navis Misstrauen Shiek gegenüber war mit einem Schlag wieder erwacht: „Woher kennst du den Weisen des Lichts? Und wie kannst du mit ihm kommunizieren, während er im Heiligen Reich ist, du aber hier bist?!“


    Das Schimmern im unverhüllten Auge des Shiekah verriet, dass er lächelte. „Du wirst mir nie völlig vertrauen, oder, holde Navi? Nicht einmal nach allem, was ich bereits für euch getan habe?“


    Die Fee schüttelte heftig mit dem Kopf. „Niemals. Irgendetwas an dir ist faul, das habe ich von Anfang an gespürt!“


    Link lief bei dem scharfen Ton seiner Fee rot an und versuchte zu beschwichtigen: „Nimm das nicht zu ernst, Shiek. Navi und ich hatten uns vorhin ein wenig in den Haaren und sie ist vermutlich noch gereizt deswegen. Sie meint das eigentlich gar nicht so.“


    „Und ob ich das so meine!“, rief die Feenfrau aufgebracht.


    Zur großen Überraschung der beiden Abenteurer nickte Shiek und gab zu: „Nun ja, ich muss zugeben, dass ich euch gegenüber nicht ganz ehrlich war und euch meine wahre Identität verschwiegen habe.“


    „AH-HA!“ Navi stieß einen triumphierenden Laut aus, während Link das Gefühl hatte, man hätte ihm den Boden unter den Füßen entzogen. Trotz all der Warnungen seiner Fee hatte er dem Shiekah stets blind vertraut.


    Und nun sollte Navi tatsächlich Recht behalten…?


    Was war mit all diesen kleinen Momenten der emotionalen Nähe, die ihn mit Shiek verbunden hatten? Waren diese auch nur Scharade gewesen?


    Link fühlte sich plötzlich nackt und dumm und verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust, während er darauf wartete, was Shiek noch sagen würde. Dieser holte hörbar Luft und sagte: „Ich werde mich euch nun offenbaren, doch dazu muss ich etwas ausholen. Gestattet ihr mir dies?“


    Held und Fee gaben ihrem Gegenüber mit einer Geste zu verstehen, dass er mit seinen Ausführungen anfangen sollte. Dieser schien einen Moment zu überlegen wie er das Kommende formulieren sollte und begann dann: „Wie ihr sicherlich wisst, besagen die Legenden, dass wer immer das Triforce berührt, von den Göttinnen einen Wunsch erfüllt bekommt.“


    „Ja, wissen wir! Was hat das damit zu tun, wer du wirklich bist?“, herrschte Navi den Shiekah an, aber Link, der seinen Freund noch nicht vollends aufgeben wollte, wies sie zurecht: „Warte es doch ab. Er wird es schon noch erklären.“


    Shiek nickte ihm dankbar zu und fuhr fort: „Natürlich wisst ihr auch, dass das Triforce in seine drei Fragmente zerbricht, wenn es von jemandem berührt wird, dessen Herz und Charakter unausgewogen sind.“


    „Das ist der einzige Grund, weshalb wir noch eine Chance darauf haben, Ganondorf zu besiegen“, rief Navi und schüttelte dann resignierend den Kopf. „Ich weiß wirklich nicht, was das hier alles soll… Aber, bitte, fahr fort.“


    Zur großen Verwirrung der beiden Abenteurer begann Shiek die Bandagen um seine linke Hand abzuwickeln, während er fortfuhr: „Neu ist euch aber vielleicht, dass die Legende wie sie vom Volk der Shiekah überliefert wurde noch weitergeht. Im Gegensatz zu der Legende der Hylianer gibt die Shiekah-Legende Hinweise darauf, was in einem solchen Fall mit den anderen Fragmenten passiert und wie sich das Triforce wieder zusammensetzen lässt.“


    Der Shiekah hörte auf, seine Hand zu entwickeln und sah Link mit einem so intensiven Blick in die Augen, dass es diesem einen Schauer über den Rücken jagte. „Euch ist vermutlich bekannt“, fuhr Shiek fort, „dass die drei Fragmente des Triforce für die herausstechenden Charaktermerkmale der drei Göttinnen stehen. Din erschuf das Fragment der Kraft, Farore das Fragment des Mutes und Nayru schließlich das Fragment der Weisheit.


    In der Legende der Shiekah heißt es, dass derjenige, der das Triforce zum Zerbrechen bringt, das Fragment erhält, das seinem Herzen am ehesten entspricht. Es ist nicht überraschend, dass Ganondorf mit seiner Machtgier das Fragment der Kraft erhielt, als er vor sieben Jahren ins Heilige Reich eindrang.“


    Link und Navi nickten unwillkürlich und lauschten weiterhin gespannt. Sie konnten sich zwar immer noch keinen Reim darauf machen, was das alles mit Shieks wahrer Identität zu tun haben sollte, aber immerhin erzählte er ihnen tatsächlich etwas Neues.


    „Die Shiekah-Legende besagt weiter, dass die Fragmente, die nicht an denjenigen übergehen, der das Triforce berührt hat, an die Auserwählten übergehen.“ Als Shiek die irritierten Gesichter seiner Gegenüber sah, hielt er kurz inne und erklärte: „In jeder Generation gibt es drei Auserwählte – die rechtmäßigen Besitzer der jeweiligen Triforce-Fragmente.“


    Dann machte er eine kurze Kunstpause und eröffnete dann: „Der Auserwählte des Mutes bist du, Herr der Zeiten.“


    Link riss überrascht die Augen auf. „Was?“ Auch Navi beäugte ihn mit einem skeptischen Blick von der Seite. „Jaaaa… gut…“, murmelte sie schließlich, „ich muss schon zugeben, dass Link außergewöhnlichen Mut bewiesen hat, aber macht ihn das gleich zum Auserwählten Farores?“


    „Ich kann nicht der auserwählte Besitzer des Mut-Fragments sein. Ich bin doch schon der auserwählte Träger des Master-Schwerts“, wandte Link ein, dem die Vorstellung doppelt auserwählt zu sein, gar nicht behagen wollte.


    „Du bist es aber. Sie dir den Rücken deiner linken Hand an.“, forderte Shiek in auf. „Die Auserwählten sind auf der linken Hand mit dem Symbol des Triforce gezeichnet.“


    Zögerlich zog Link seinen Handschuh aus und warf dabei immer wieder skeptische Blicke auf Shiek. Er wirkte absolut sicher, aber er musste sich irren… ganz bestimmt… alles andere war völlig unmöglich!


    Nachdem er den Krafthandschuh abgelegt hatte, konnte Link zunächst nichts Ungewöhnliches an seiner Hand entdecken und wollte Shiek schon zeigen, dass er sich irrte, als Navi plötzlich lautstark nach Luft schnappte. „Link! Sieh nur!“


    Tatsächlich tauchte plötzlich ein dunkles Mal auf Links Handrücken auf wie etwas das an die Oberfläche eines Sees aufstieg. Das untere rechte Fragment stach besonders deutlich hervor.


    „Das… das kann nicht… nicht sein…“, stammelte Link, während Shiek bereits weitersprach: „Der Auserwählte Nayrus ist der siebte Weise, der Weise der Harmonie, dem es vorherbestimmt ist der alleinige Träger des vereinigten Triforce zu sein.“


    Mit diesen Worten ließ er die Bandagen seiner linken Hand fallen und präsentierte den beiden Abenteurern seinen Handrücken. Dort prangte ebenfalls das Triforce-Symbol, doch bei ihm zeichnete sich vor allem das untere linke Fragment besonders deutlich ab.


    „Absolut unmöglich!“, stieß Navi aus, während Link noch immer zu verstehen versuchte, was das alles bedeuten sollte. „Prinzessin Zelda ist die Weise der Harmonie!“, fuhr die Fee aufgebracht fort. „Du kannst nicht der Träger des Weisheit-Fragments sein! Du bist ein Schwindl-IEK!“


    In diesem Moment erstrahlte plötzlich ein gleißendes Licht um Shiek herum, das ihn vollständig einhüllte und seine Gegenüber blendete. Navi und Link rissen fast zeitgleich ihre Hände vors Gesicht und wandten die Köpfe ab.




    Nach mehreren Sekunden flaute das Licht ab und Link wagte einen schnellen Blick zu Shiek herüber – und schrie überrascht auf.


    Dort, wo zuvor der Shiekah gestanden hatte, stand nun eine junge Frau mit langem blondem Haar, violett-blauen Augen und einem schüchternen Lächeln auf den Lippen. Ihr schlanker Körper war in ein reichverziertes Seidenkleid gehüllt und in ihrem Haar steckte ein goldenes Diadem.


    „P-Prinzessin Zelda!“, stieß Navi hervor und sprach damit aus, was Link ebenfalls durch den Kopf geschossen war.


    Die junge Frau nickte und sagte: „Ja, ich bin es. Die Scharade tut mir leid, aber es war der einzige Weg, mich all die Jahre vor Ganondorf zu verstecken.“


    „Du… du bist Shiek?“ Link brachte kaum ein Wort hervor. Plötzlich hatte er überhaupt keine Ahnung mehr, was er denken sollte. Das Gefühl, betrogen worden zu sein, wurde beinah unerträglich.


    All die Zeit, in der er mit seinen verwirrenden Emotionen und Phantasien gekämpft hatte… Dabei war es von Anfang an Zelda gewesen, die ihm zur Seite gestanden und ihm den Kopf verdreht hatte… Er hatte sich wegen Nichts unzählige schlaflose Nächte bereitet…


    Während Link sich mit seinem aufgewühlten Geist auseinander setzte, nickte Zelda. „Ja, der bin ich. Oder besser gesagt, er ist ich.“ Dann lächelte sie Navi an und fragte: „Und du? Willst du mir noch immer nicht vertrauen?“


    „Doch!“ Die Fee strahlte plötzlich über das ganze Gesicht. Sie hatte Recht gehabt: mit Shiek hatte etwas nicht gestimmt, aber zum Glück hatte sich alles zum Guten gewendet!


    „Dann wirst du dich sicherlich von mir heilen lassen?“, fragte Zelda mit einem Schmunzeln und hob Navi vorsichtig von Links Schulter, wobei dieser kaum merklich vor ihr zurückwich.


    Sie hätte ihm die Wahrheit schon früher sagen können…


    Sie hätte ihm so viel Leid ersparen können, wenn sie ihm vertraut hätte…


    Zelda schloss die Hände über der zierlichen Fee und sofort erstrahlte goldenes Licht zwischen ihren Fingern hindurch. Ohne dass Link oder Navi gefragt hätten, erklärte sie: „In den Adern der hylianischen Königsfamilie fließt das Blut mächtiger Magier. Durch die Kraft des Triforce-Fragment der Weisheit verstärkt sich meine Macht sogar noch.“


    „So konntest du dich auch in Shiek verwandeln, richtig?“, fragte Navi neugierig, nachdem Zelda die Hände wieder geöffnet hatte.


    „Ehrlich gestanden reichten meine Kräfte dafür nicht aus. Gestaltwandeln ist uralte Shiekah-Magie. Dafür brauchte ich Impas Hilfe.“ Während die Prinzessin antwortete, inspizierte Navi ihren verletzten Flügel und stellte erfreut fest, dass der Riss in dem feinen Gewebe verschwunden war. Begeistert stieß sie sich von Zeldas Hand ab und sauste kichernd durch die Lüfte.


    Eine Zeit lang trat betretenes Schweigen ein, dann warf Zelda Link einen schüchternen Blick zu. „Du wirkst gar nicht erfreut, mich zu sehen…“


    Link atmete hörbar aus und entgegnete ausweichend: „Doch. Ich freu mich, dass du wohlauf bist. Wir hatten schon das Schlimmste befürchtet.“


    Bei dem kalten Beiklang seiner Worte zog Zelda die Schultern ein wenig hoch und stellte fest: „Du fühlst dich hintergangen, oder?“


    Ein Teil von ihm wollte sie anschreien: „Wie würdest du dich denn an meiner Stelle fühlen?!“


    Doch Navi, die auf ihrem Freudenflug von dem kurzen Gespräch der beiden nichts mitbekommen hatte, ließ sich plötzlich wieder auf Links Schulter nieder und rettete Link vor der Notwendigkeit einer Antwort, indem sie sagte: „Aber eines verstehe ich noch nicht ganz. Wenn Shiek die ganze Zeit über in Wahrheit du war, warum hast du dann eines Nachts versucht, uns die Okarina der Zeit zu stehlen?“


    Zelda betrachtete noch einen Moment lang Links verschlossenes Gesicht, dann wandte sie sich der Fee zu. „Ich wollte sie nicht stehlen. Ich hatte schlicht und ergreifend Heimweh und wollte etwas aus meinem früheren Leben in den Händen halten. Auf der Okarina hat meine Mutter mir früher öfter etwas vorgespielt, musst du wissen.“


    „Ach so!“ Navi strahlte wie ein Honigkuchenpferd, weil all die Ungereimtheiten, die sie in den letzten Monaten beschäftigt hatten, endlich geklärt und aus der Welt geschafft waren.


    Zelda musterte Link, der auf der Unterlippe kaute und stur zu Boden blickte, aus den Augenwinkeln und einen Moment lang schien es als wolle sie an ihr Gespräch von zuvor anknüpfen. Doch stattdessen schlug sie nun einen geschäftsmäßigen Ton an: „Ich habe übrigens noch etwas für dich, Herr der Zeiten.“


    Link hob langsam den Kopf und sah ihr ein wenig widerwillig ins Gesicht. „Ach ja?“ Als er das kurze Zucken ihrer Mundwinkel und den traurigen Schimmer in Zeldas Augen sah, tat ihm sein Verhalten sofort leid, aber er konnte nicht anders.


    Er fühlte sich dermaßen hintergangen…


    „Ganondorf ist wahnsinnig mächtig. Selbst mit der Hilfe von uns Weisen wirst du es schwer gegen ihn haben – zumal wir Weisen dir nicht im Kampf bestehen können. Alles, was wir tun können, ist es, ihn ins Schattenreich zu bannen, sobald du ihn im Kampf geschlagen hast. Solange er nicht besiegt ist, wird er sich unserem Bann widersetzen.“


    Bei der Erwähnung des Schattenreichs musste Link an sein dunkles Abbild denken, das er im Wassertempel getroffen hatte. Bei der Erinnerung an dieses Aufeinandertreffen zog sich noch immer alles in Link zusammen und ein merkwürdiges Gefühl von Trauer überkam ihn. Trotz der Feindseligkeit, die das Schattenwesen ihm gegenüber an den Tag gelegt hatte, fühlte es sich ein wenig an als habe er seinen Bruder getötet.


    Um sich von der Erinnerung an den dunklen Link abzulenken, konzentrierte sich der Herr der Zeiten auf Zeldas Ausführungen: „Wir können zwar, wie gesagt, nicht in den Kampf eingreifen, aber Rauru und ich haben trotzdem etwas, mit dem wir dich unterstützen können.“


    Mit diesen Worten hielt sie eine Hand mit der Handfläche nach oben vor sich. Nur einen Herzschlag später materialisierte sich etwas in ihrer Hand, das aussah wie ein Bündel goldener Pfeile.


    Dieses hielt sie Link entgegen und sagte: „Das hier sind heilige Lichtpfeile. Sie wurden von Rauru persönlich angefertigt. Ganondorf ist so sehr von Dunkelheit durchdrungen, dass diese Pfeile großen Schaden bei ihm anrichten werden. Wir hoffen, dir damit deine schwere Bürde ein wenig erleichtern zu können.“




    Link nahm die Pfeile entgegen und wollte sich gerade bedanken, als plötzlich die Erde zu beben begann und Zelda von einem rosa Licht eingehüllt wurde. Beinah reflexartig streckte Link die Hand nach ihr aus, stieß jedoch gegen eine massive Wand – das Licht schien sich irgendwie verfestigt zu haben.


    „Prinzessin!“ Navi trommelte mit ihren kleinen Fäustchen gegen die kristalline Wand, während Link sich panisch nach einem Angreifer umsah.


    Auf einmal ertönte ein körperloses Lachen, das die Wände der Zitadelle erschütterte. „Endlich habe ich Euch gefunden, Prinzesschen!“ Link zog es Magen zu einem harten Knoten zusammen als er die Stimme erkannte: Ganondorf!


    Fieberhaft tasteten der Herr der Zeiten und seine Fee das Lichtgefängnis der Prinzessin nach Rissen oder dergleichen ab – es musste doch eine Möglichkeit geben, Zelda zu befreien. Links Geist raste. Ob ein Schlag mit dem Goronenhammer ausreichen würde, um die kristallinen Wände zu zerbrechen? Und würde Zelda einen solchen Gewaltakt unbeschadet überstehen?


    Unterdessen sprach Ganondorf unbeirrt weiter: „Ich muss schon sagen, es ist wahrlich bewundernswert, dass Ihr Euch so lange direkt vor meiner Nase verstecken konntet. Ihr seid wirklich klug – so wie man es von dem Träger des Triforce-Fragments der Weisheit erwartet. Aber leider seid Ihr nicht klug genug…“


    Zu Links Entsetzen schwebte das rosafarbene Licht – und damit auch Zelda – plötzlich Richtung Zitadellenausgang davon. So schnell er konnte, hastete Link der Prinzessin hinterher, was Ganondorf zu amüsieren schien. „Nur zu, Herr der Zeiten, versuch nur sie zu retten!“


    Zelda schlug von Innen gegen ihr Gefängnis und schien Link etwas zuzurufen, doch kein Laut durchdrang das seltsame Licht. Also hetzte der Herr der Zeiten der entführten Prinzessin hinterher – durch die von Zombies bevölkerten Ruinen Hyrule-Stadts, durch den ehemaligen Schlosspark bis zu Ganondorfs schwarzer Festung.


    Link hatte sich so sehr beeilen müssen mit dem schwebenden Licht mitzuhalten, dass er es beinahe nicht mehr geschafft hätte, rechtzeitig am Rand des Lavagrabens abzustoppen.


    „Hey… warte… auf… mich…“ Navi, die in der Zitadelle der Zeit den Startschuss verpasst hatte, flog keuchend auf Link zu und schimpfte halbherzig: „Du hättest ruhig mal schauen können, ob ich noch da bin.“


    Anstatt auf ihren Tadel einzugehen, antwortete Link nur: „Wir haben sie verloren, Navi.“


    Plötzlich brannte das schlechte Gewissen über sein unterkühltes Verhalten wie Feuer in seiner Seele und der Herr der Zeiten starrte sehnsüchtig auf die andere Seite des Lavagrabens.


    Wie sollte er nur jemals dort hinüber kommen?

    ZF-Signatur-2.jpg

    Avatar-Artwork von mokke; Signatur-Artwork von Kamui Fujiwara (official artwork)

  • Auch wenn's hier eigentlich keine Sau mehr interessiert... Es geht weiter.


    Die Regenbogenbrücke

    „Hey, Link, jetzt bleib doch mal für einen Moment stehen und lass uns in Ruhe überlegen, was wir jetzt tun sollten.“ Navi, die dem rastlos am Rand des Lavagrabens auf und ab laufendem Herrn der Zeiten bis jetzt stetig hinterher geflogen war, ließ sich erschöpft auf einen großen Felsblocken sinken und sah ihren Schützling besorgt an.
    Seit Ganondorf Zelda entführt hatte, war Link wie von Sinnen. Obwohl die Hitze, die von dem flüssigen Gestein unter ihnen ausging, die Luft trocken und schwer zu atmen machte, hatte der junge Mann sich in der letzten Stunde noch keine Pause gegönnt. Der Schweiß lief ihm in breiten Bahnen über den Körper und färbte seine rote Tunika dunkel, aber Link schien dies überhaupt nicht zu bemerken.
    Stattdessen tigerte er unruhig hin und her und murmelte unablässig vor sich hin: „Es muss einen Weg auf die andere Seite geben – Ganondorf und seine Lakaien können die Festung ja auch irgendwie betreten…“
    Navi seufzte tief auf, als ihr bewusst wurde, dass ihr Freund sie überhaupt nicht gehört hatte. Er war so in seine eigenen Gedanken vertieft, dass er ihre Anwesenheit vollkommen ausblendete.
    Die Fee ließ ihren Blick auf die andere Seite des Lavagrabens wandern und überlegte, ob sie ein weiteres Mal herüberfliegen und nach einem Schalter oder dergleichen suchen sollte, der die Zugbrücke ausfahren würde. Gleich nachdem sie an Ganondorfs Festung angekommen waren, hatte Link sie mit diesem Auftrag hinüber geschickt, aber sie war erfolglos zurückgekehrt, weil sie nichts hatte entdecken können.
    Aber vielleicht war sie nicht gründlich genug gewesen…?
    Gerade als Navi sich wieder in die Lüfte schwingen wollte, passierte jedoch, wovor sie sich schon seit Minuten gefürchtet hatte: Link, der vor Ungeduld immer näher an den Rand des Lavagrabens gerückt war, trat auf einen losen Stein und drohte in die Tiefe zu stürzen.
    Navi streckte reflexartig einen Arm nach ihm aus, obwohl sie ihn niemals hätte halten können, und schrie: „NEIN!“
    Link ruderte wie wild mit den Armen und versuchte verzweifelt, sein Gleichgewicht wiederzufinden – doch ohne Erfolg…
    Nach nur wenigen Sekunden siegte die Schwerkraft und sein Körper wurde in die Tiefe gerissen.
    Seltsam unbeteiligt bemerkte Link, dass die Zeit plötzlich langsamer zu laufen schien, und dachte, dass er nie in Erwägung gezogen hatte zu verbrennen. Obwohl der Gedanke an den eigenen Tod schon seit langem ein stetiger Begleiter war, war ihm nie in den Sinn gekommen, dass er auf andere Weise sterben könnte als von einem Gegner niedergestreckt zu werden oder bei einer seiner waghalsigen Klettertouren in die Tiefe zu stürzen.
    Verbrennen… Ein grausamer Tod…
    Ihm würde zunächst die Haut schmelzen, bevor Fleisch und Knochen Feuer fangen würden. Er konnte nur hoffen, dass die plötzliche Hitze der Lava seinem Körper einen derartigen Schock versetzen würde, dass er augenblicklich das Bewusstsein verlor.
    Wie aus weiter Ferne nahm er wahr, dass Navi sich am Rand des Grabens die Seele aus dem Leib schrie und dann in lautes Schluchzen ausbrach. Es tat ihm leid, dass sie seinetwegen so litt.
    Er wollte sich entschuldigen…



    Dann schlug er plötzlich auf etwas Hartem auf und ihm wurde die Luft aus den Lungen gepresst. Aber abgesehen davon passierte… nichts. Weder verlor er das Bewusstsein noch wand er sich vor Hitze und körperlichen Qualen.
    Sollten die Göttinnen trotz seines Versagens so gnädig gewesen sein, ihm einen derart schellen, schmerzlosen Tod zu gewähren?
    Blinzelnd schlug der Recke die Augen, die er ängstlich zusammen gekniffen hatte, wieder auf und erschrak heftig.
    Er schwebte einige Meter über der Lavaoberfläche in der Luft!
    Aber er war doch auf harten Untergrund aufgeschlagen, das hatte er deutlich gespürt… Wie war das möglich?
    Nur mit Verzögerung nahm der junge Held war, dass sein Blick hinab auf die Lava nicht klar, sondern von einem milchig-weißen Schleier getrübt war. Doch bevor er sich darüber Gedanken machen konnte, warf sich ihm plötzlich Navi gegen die Wange und schlug mit ihren zierlichen Fäusten auf ihn ein.
    „Du Dummkopf! Du unvorsichtiger, leichtsinniger, kopfloser Dummkopf!“ Bunt schillernde Tränen rannen ihr übers Gesicht und ihr schmaler Körper erbebte unter heftigen Schluchzern.
    „Ich… Es… Es tut mir leid“, stammelte Link eine Entschuldigung, während er noch immer zu verstehen versuchte, was passiert war.
    Warum zum Deku lebte er noch?
    Hatte Navi ihn mit einer Art Feenzauber gerettet?
    Gerade als er seine Begleiterin danach fragen wollte, nahm er aus dem Augenwinkel plötzlich eine Bewegung wahr und drehte den Kopf. Auch Navi, die noch immer laut schniefte, sah sich um und keuchte überrascht auf.
    Vom Himmel her schwebten sechs verschiedenfarbige Lichtkugeln zu ihnen herab, die Link und Navi sehr vertraut vorkamen: die Weisen!
    Kaum dass sie die gleiche Höhe wie die beiden Abenteurer erreicht hatten, nahmen die Lichtwesen ihre früheren Gestalten an und betrachteten den Herrn der Zeiten mit unterschiedlichen Gesichtsausdrücken.
    Während Rauru missbilligend aus der Wäsche blickte, schien Darunia nur schwer ein Lachen unterdrücken zu können. Impa wirkte als sei sie mit den Gedanken bereits wieder bei Zelda und kümmere sich nicht um das Missgeschick ihres Helden. Naboru sah aus als würde sie sich fremdschämen und Salia und Ruto zeigten einen Ausdruck tiefster Erleichterung.
    Vorsichtig und langsam rappelte sich Link auf, damit er den Weisen nicht kniend begegnen musste und sah seine früheren Freunde fragend an.
    Als hätte sie seine Gedanken gelesen, erklärte Salia: „Wir haben unsere Kräfte vereinigt, um eine unsichtbare Brücke zu erschaffen. Du kommst jetzt ohne weitere Probleme auf die andere Seite.“
    Link nickte als würde er verstehen und schob zaghaft einen Fuß nach vorn. Trotz Salias Worte erwartete ein Teil von ihm, wieder in die Tiefe zu stürzen.
    „Das kommt ja reichlich früh!“, giftete Navi, der der Schrecken noch immer tief in den Gliedern saß. „Hättet ihr euch nicht nützlich machen können, BEVOR Link beinah in den Tod gestürzt und ich vor Angst fast gestorben wäre?!“
    Raurus missbilligende Miene verfinsterte sich noch und Link suchte verzweifelt nach Worten, die den Angriff seiner Fee abmildern würden, als Ruto entgegnete: „Wir haben so früh geholfen wie wir konnten, aber derartige Wunder brauchen eben ihre Zeit.“ „Genau. Außerdem mussten wir noch einiges für den finalen Kampf gegen Ganondorf vorbereiten“, pflichtete Naboru bei.
    „Was genau wollt ihr eigentlich tun, um mich dabei zu unterstützen? Rauru sagte damals, die Weisen würden dem Herrn der Zeiten zur Seite stehen, aber…“ Link biss sich auf die Zunge und wünschte augenblicklich, er könnte seine Worte zurücknehmen. Er schämte sich für seinen Ausbruch und hatte das Gefühl nicht das Recht zu haben, so mit den Weisen zu sprechen.
    Trotzdem erforderte es eine Menge Willenskraft, seine ehemaligen Freunde nicht lauthals anzuschreien, warum sie ihn allein gelassen hatten!
    Bis zu diesem Moment war ihm überhaupt nicht bewusst gewesen, wie verbittert er war und wie sehr er sich von den Weisen im Stich gelassen fühlte. Trotz aller Versicherungen, die Weisen sollten den Herrn der Zeiten unterstützen, hatten sie ihn allein gelassen.
    Navi war die Einzige gewesen, die stets an seiner Seite gewesen war und ihm Mut gemacht hatte, wenn er am Verzweifeln war. Selbst Salia, seine beste Freundin, hatte im Kampf gegen die Twinrova bis zur letzten Sekunde gewartet, bevor sie sich bemerkbar gemacht hatte!
    Plötzlich wurde ihm bewusst wie verraten und ausgenutzt er sich fühlte.
    Zelda hatte ihn über Monate hinweg belogen und in der Gestalt des Shiek mit seinen Gefühlen gespielt. Wie viel Selbstzweifel und Pein hätte sie ihm ersparen können, wenn sie sich ihm von Anfang an offenbart hätte?
    Und seine besten Freunde hatten ihn die ganze Zeit über beobachtet, aber nie Kontakt zu ihm aufgenommen, obwohl sie es problemlos gekonnt hätten wie er inzwischen wusste.
    Während die Weise angesichts von Links wütendem Ton besorgte Blicke wechselten, beschloss der junge Mann, fortzugehen sobald er seine Pflicht erfüllt hätte. Er wusste zwar nicht, wohin er gehen sollte, aber er spürte deutlich, dass er nicht in Hyrule bleiben konnte…
    Navi, die den Zorn und die Verbitterung ihres Freundes gut nachfühlen konnte, blickte zornig von einem schweigenden Weisen zum anderen. „Keine Antwort? Heißt das, ihr wollt einfach die Hände in den Schoß legen und wieder einmal tatenlos zuschauen wie Link sein Leben riskiert?!“
    Salia zog ein Gesicht als breche ihr das Herz und sie öffnete den Mund, um etwas zu entgegnen, aber Rauru schnitt ihr das Wort ab: „Wir sind nicht hier, um uns vor dem Herrn der Zeiten zu rechtfertigen. Jeder von uns spielt seine Rolle in diesem Stück so gut er kann und nur wenn wir uns alle an die uns zugewiesenen Aufgaben halten, können wir Hyrule noch retten. Also hört endlich auf, euch selbst zu bemitleiden und setzt euren Weg fort. Ganondorf wird mit jeder Sekunde mächtiger und für uns wird es auch wieder Zeit, ins Heilige Reich zurückzukehren. Sobald Link auf der anderen Seite ist, werden wir uns wieder zurückziehen und die von uns errichtete Brücke hinter ihm abbrechen.“
    Navi wurde angesichts von Raurus kleiner Ansprache so zornig, dass ihr der Atem stockte und ihr gesamter Körper dunkelrot anlief. Am liebsten hätte sie ihn mit wüsten Beleidigungen und Verwünschungen überschüttet, aber Link neben ihr wurde plötzlich stocksteif und entgegnete eisig: „Natürlich, Weiser des Lichts. Ich werde meine Rolle erfüllen – nur keine Angst.“
    Dann wandte er sich ruckartig ab und stakste auf unsicheren Beinen auf den Eingang zu Ganondorfs Festung zu. Salia stellte sich ihm in den Weg und schien ihn aufhalten zu wollen, doch Link schritt einfach durch sie hindurch.
    Trotz der unbändigen Wut, die Navi in diesem Moment den Weisen gegenüber empfand, zerriss es ihr bei diesem Anblick das Herz. Salia blickte Link mit so viel Schmerz in den Augen hinterher, dass die Fee am liebsten zu ihr herübergeflogen wäre, um sie zu trösten.
    Link jedoch wandte sich nicht einmal mehr um, als er das andere Ende der Brücke erreicht hatte. Stattdessen sprach er über die Schulter hinweg: „Gut, ich bin jetzt drüben. Ihr könnt in die Halle der Weisen zurückkehren.“ Dann fügte er mit beißendem Zynismus, sodass jede Silbe ein Dolchstoß in die Herzen seiner Freunde war, an: „Oh, und natürlich vielen Dank für meine Rettung. Wirklich, sehr uneigennützig von euch!“


    Navi, die noch immer zwischen den Weisen in der Luft schwebte, beobachtete nachdenklich, wie Link anschließend durch das Eingangsportal der Festung schritt, ohne auch nur einen Blick zurückzuwerfen.
    Vielleicht, überlegte sie, sollte sie ihn zurückhalten. Sie konnte seine Gefühle gut verstehen, aber sie war sich ebenso sicher, dass er es früher oder später bereuen würde, wenn er seine Freunde nun verstieß.
    Rauru hatte sich bereits wieder in eine Lichtkugel verwandelt und schwebte gen Himmel. Die anderen Weisen folgten ihm jedoch nur zögernd. Die meisten schienen sich eine Aussprache mit Link zu wünschen, doch in einem Punkt hatte der Weise des Lichts tatsächlich Recht: die Zeit drängte.
    Also verließen auch die anderen einer nach dem anderen diese Welt und kehrten in den Tempel des Lichts zurück.
    Salia blieb am längsten und blickte unendlich traurig auf den dunklen Torbogen, durch den Link verschwunden war. Dann seufzte sie schließlich auf und wandte sich an Navi, die noch immer wie gelähmt an ihrem Platz verharrte: „Pass gut auf ihn auf.“
    Bevor die Fee etwas erwidern konnte, verwandelte sich auch die Weise des Waldes in einen Lichtball und schickte sich an, ins Heilige Reich zurückzukehren.
    Kaum dass die letzte Weise diese Welt verlassen hatte, leuchtete die bislang unsichtbare Brücke in bunten Farben auf, sodass es für einen Moment aussah als sei der Lavagraben von einem Regenbogen überspannt. Dann zersprang die Regenbogenbrücke plötzlich in Scherben und fiel in die Lava, wo die einzelnen Bruchstücke langsam versanken.
    In einem Anflug von Wehmut dachte Navi, dieser Anblick sei eine treffende Analogie für das Leben, das Link und sie bislang geführt hatten.
    Am Ende zerfiel alles zu Scherben…

    ZF-Signatur-2.jpg

    Avatar-Artwork von mokke; Signatur-Artwork von Kamui Fujiwara (official artwork)

  • In Ganondorfs Reich

    Nachdem die Weisen sich wieder in das Heilige Reich zurückgezogen hatten, beeilte sich Navi wieder zu ihrem Schützling aufzuschließen. Sie konnte sich gut vorstellen, wie aufgewühlt sich Link nach diesem unerfreulichen Aufeinandertreffen mit seinen ehemaligen Freunden fühlen musste, und wollte ihn nur ungern sich selbst überlassen.
    Der einzig sichtbare Weg ins Innere der Festung führte durch einen imposanten Torbogen, der von drachenförmigen Wasserspeiern mit weit aufgerissenen Mäulern gesäumt war. Die spitzen Zähne der steinernen Bestien wirkten so real, dass Navi bei diesem Anblick eiskalt den Rücken herablief.
    Dennoch verharrte die Fee einige Herzschläge lang in dem Durchgang und späte vorsichtig in den Eingangsraum der Festung, um eventuelle Gefahren ausmachen zu können. Sie war sich sicher, in Ganondorfs Heiligstem würde es von Fallen nur so wimmeln.
    Zu ihrer großen Überraschung erwies sich der kurze Flur vor ihr jedoch als völlig friedlich und leer. Es waren weder Wachen noch Anzeichen für Fallen zu entdecken.
    Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend schwebte Navi ins Innere der Festung. Bedeutete das Fehlen von Wachen, dass Link diese bereits ausgeschaltet hatte oder fühlte sich Ganondorf dermaßen überlegen und siegessicher, dass er es nicht für nötig erachtete, Soldaten zum Schutz seiner Festung abstellen zu müssen?
    Oder wollte der Großmeister des Bösen sie gar ins Innere locken?
    Mit heftig schlagendem Herzen flog Navi durch den mit einem blutroten Teppich ausgelegten, dunklen Flur. Die nackten Wände bestanden aus dem gleichen, fast schwarzen Gestein wie die Außenfassade der Festung und schienen alles Licht zu schlucken, was die Fee angesichts des Hausherrn als absolut passend empfand.
    Sie folgte einer kurzen Treppe nach unten und zuckte heftig zusammen, als im Licht einer Fackel der metallene Mantel eines Stahlzyklopen aufblitzte. Navi presste sich flach an die Wand und rechnete jeden Augenblick damit vom Laserstrahl des Zyklopen erfasst und zu einem Häufchen Asche verbrannt zu werden.
    Nur mit Verzögerung bemerke die Feenfrau, dass das verräterische Zischen des Lasers überhaupt nicht zuhören war. Zögernd hob sie ein Augenlid und blinzelte zu dem vermeintlichen Angreifer hinüber.
    Erst jetzt fiel ihr auf, dass der Körper des Stahlzyklopen seltsam deformiert und ihm der Kopf vom Rumpf gerissen worden war.
    Link…, dachte Navi, verwarf diese Erklärung jedoch gleich wieder. Link hätte sich doch sicherlich einer seiner Bomben bedient, um einen Stahlzyklopen auszuschalten, aber sie hatte keine Explosion gehört. Außerdem wäre der Körper des Monsters dann deutlich stärker zerfetzt gewesen.
    Dieser Zyklop sah vielmehr so aus als hätte ihn jemand mit übermenschlichen Kräften zusammengeknüllt wie eine Papierkugel.
    Da das Monster in diesem Zustand keine Gefahr mehr darstellte, flog Navi näher an es heran, um es besser in Augenschein nehmen zu können.
    Tatsächlich konnte man auf der polierten Oberfläche des Zyklopen viele unterschiedlich große Dellen erkennen, die aussahen als wären sie durch Faustschläge oder Finger entstanden, die sich tief in das Metall gegraben hatten. An einer Stelle konnte Navi sogar einen fast kompletten Handabdruck entdecken und fröstelte bei diesem Anblick.
    Die Größe des Abdrucks passte perfekt zu der von Links Händen…


    Unterdessen hatte Link die zentrale Halle des Erdgeschosses erreicht und blickte sich staunend um. In der Mitte des gewölbeartigen Raumes schraubte sich ein imposanter Turm in die Höhe, der mit dem wie ein Drachenmaul aussehenden Torbogens wahrlich bedrohlich aussah. Rund um den Turm waren in gleich bleibendem Abstand sechs Türen verteilt, die in den Farben der Weisen gestrichen waren.
    Link überlegte gerade, ob es sich bei der Farbwahl um Absicht oder Zufall handelte, als plötzlich leise Orgeltöne an seine Ohren drang. Um sich besser auf die Musik konzentrieren zu können, schloss der Herr der Zeiten die Augen und spitzte angestrengt die Lauscher.
    Die Melodie war schaurig-schön und wurde offenbar von begabten und versierten Fingern gespielt. Das Wichtigste war jedoch, dass sie aus dem Turm zu komme schien.
    Augenblicklich war sämtliches Interesse an den farbigen Türen vergessen und Link strebte mit langen Schritten auf das weit aufgerissene Drachenmaul zu. Er hatte keine Zeit zu verlieren – Zelda brauchte ihn. Hyrule brauchte ihn.
    Außerdem wollte er die ganze Angelegenheit so schnell wie möglich hinter sich bringen, um endlich wieder selbst über sein Leben bestimmen zu können.
    Er hatte es so satt der Herr der Zeiten zu sein…


    Erst als er nur noch wenige Zentimeter vom Eingang zum Turm entfernt war, fiel ihm plötzlich das Kraftfeld auf, das den Turm gänzlich einzuschließen schien. Die Luft vor ihm waberte und flirrte wie an einem heißen Sommertag und gelegentlich zuckte ein blauweißer Blitz über den Zugang zum Turm.
    Wie hypnotisiert streckte Link eine Hand nach dem Kraftfeld aus – und bereute es sogleich schmerzlich!
    Seine Hand war nur noch Millimeter von dem Energiefeld entfernt, als ein Blitz auf seinen Arm übersprang. Augenblicklich fing der Krafthandschuh Feuer und Link stieß einen spitzen Schrei aus.
    Panisch versuchte der junge Mann, das lichterloh brennende Kleidungsstück auszuziehen, doch es saß so fest, dass es sich kaum vom Fleck bewegen ließ.
    Unterdessen schmolzen die silbernen Verzierungen und die Drachenschuppen, die den Krafthandschuhen ihre sagenumwobene Macht verliehen, rollten sich zu kleinen Trichtern auf und fielen vollkommen verkohlt zu Boden.
    Dabei entstand eine derartige Hitze, dass sogar der Ärmel von Links magisch verstärktem Kettenanzug schmolz. Das flüssige Metall fraß sich durch die bereits Brandblasen werfende Haut und versenkte ihm das Fleisch bis auf den Knochen.
    Bis Link es endlich geschafft hatte, den Handschuh auszuziehen, war sein linker Arm vollkommen ruiniert. Vom Handrücken bis hinauf zum Ellbogen war sämtliche Haut verschmort und geschmolzen und dunkelrotes Blut tropfte aus dem rohen Fleisch zu Boden.
    Die Schmerzen waren fast unerträglich, aber Link biss tapfer die Zähne zusammen und bemühte sich nach Kräften bei der Sache zu bleiben. Trotzdem drehte sich der Raum vor seinen Augen und es erforderte Links gesamte Willenskraft, nicht brüllend vor Qual auf dem Boden zusammenzubrechen.
    Wie sollte er in diesem Zustand kämpfen?
    In einem Anflug bitteren Zynismus‘ dachte der Herr der Zeiten, dass es einem Teil von ihm durchaus Vergnügen bereiten würde, zu versagen. Sollte Rauru sich doch selbst um Ganondorf kümmern!
    Doch dann sah er Malon und die anderen Bewohner der Lon-Lon-Farm sowie die Einwohner Kakarikos, Goronias, des Zora-Reichs und des Kokiri-Dorfs vor sich und schämte sich sogleich seiner Gefühle.
    Egal wie verraten er sich fühlen mochte, er durfte Hyrule und seine Bewohner nicht im Stich lassen.
    Es mochte ihm zwar nicht gefallen, aber das Heil unzähliger Seelen hing von seinem Erfolg ab…
    Also zog er mit schmerzverzerrtem Gesicht das Master-Schwert aus seiner Scheide, nahm es in die rechte Hand und machte ein paar Probeschläge. Er war mit rechts nie so geschickt gewesen wie mit links, doch er hatte keine Wahl.
    Entweder er schaffte es irgendwie, das heilige Bannschwert mit der rechten Hand zu führen oder alles war verloren.


    Gerade als Link sich umfassender in der großen Halle umsehen wollte, schloss Navi endlich zu ihm auf. Beim Anblick seines geschundenen Arms schlug die Fee eine Hand vor den Mund und sah ihren Schützling aus geweiteten Augen mitfühlend an.
    Doch dann wich die Sorge ein wenig aus ihrem Gesicht und machte Platz für Zorn: „Also hast du Stahlzyklopen tatsächlich mit bloßen Händen bekämpft! Manchmal glaube ich fast, du willst unbedingt sterben!“
    Link blinzelte seine Begleiterin irritiert an. „Was hat das eine denn mit dem anderen zu tun? Der Zyklop hatte mich nicht bemerkt und ich wollte die Gelegenheit nutzen, mich zumindest ein bisschen abzureagieren. Es bestand nie die geringste Gefahr.“
    Ja, das sehe ich!“, giftete Navi mit einem beredten Blick auf seinen linken Arm zurück. Link drehte den Oberkörper leicht, so als schmerzte es ihn, wenn sie sein nacktes Fleisch mit den Augen durchbohrte.
    „Das war nicht der Stahlzyklop.“ „Sondern?“ Der Herr der Zeiten deutete mit dem Kinn in Richtung Turm und erklärte: „Ich hab wissen wollen, wie stark das Kraftfeld ist.“
    „Und dafür hast du deinen Arm hinein gesteckt?!“ Navi starrte ihn aus kreisrunden Augen fassungslos an. Sie sah aus könnte sie jeden Moment auf ihn losgehen.
    Link zog unbehaglich die Schultern nach vorn. „Ich… Ich hab gedacht, im schlimmsten Fall würde es mich einfach zurückschleudern…“
    „Du könntest TOT sein – ist dir das überhaupt klar?!“ Navis Stimme überschlug sich vor ohnmächtiger Wut auf ihren Schützling. Wie hatte er nur dermaßen dumm und unvorsichtig sein können?!
    „Ich weiß!“, schrie dieser in einer für ihn ungewohnten Lautstärke zurück, bevor er die Schultern hängen ließ und in sich zusammen zu sinken schien. Dann sagte er mit gesenktem Haupt: „Ich war so wütend und so verletzt, dass ich nicht richtig nachgedacht habe. Ich wollte einfach nur so weit weg von Salia und den anderen wie möglich und dieses Kraftfeld war im Weg. Ich weiß, es war dumm, aber mir ist in diesem Moment überhaupt nicht in den Sinn gekommen, dass es ernsthaft gefährlich sein könnte.“
    Als er den Kopf wieder hob, standen Tränen in seinen Augen und Navis Groll schmolz wie Eis in der Sommersonne. Mit einem nachsichtigen Lächeln auf den fein geschwungenen Lippen legte sie ihrem Freund eine Hand gegen die Wange und sagte: „Shht. Ist schon gut. Es tut mir leid, dass ich dich so angefahren habe. Ich mach mir halt…“ „… einfach nur Sorgen um mich“, fiel Link ihr ins Wort und erwiderte ihr Lächeln zaghaft. „Ich weiß.“
    Die Fee zog ihre Mundwinkel noch ein wenig höher und nickte: „Genau. Und deswegen ist es jetzt auch viel wichtiger, dass wir uns etwas einfallen lassen wie wir deinen Arm wieder heilen können, anstatt uns darüber aufzuregen, dass dieses Missgeschick passiert ist.“
    Link nickte und bedachte seine Freundin mit einem dankbaren Blick, der ihr Herz mit wohliger Wärme erfüllte. Dann überlegte der Herr der Zeiten laut: „Ob die Feenkönigin, von der wir Dins Feuersturm erhalten haben, noch immer hier in der Gegend ist?“
    Bei diesem Gedanken leuchteten Navis Augen auf und sie klatschte begeistert in die Hände. „Aber natürlich, das ist es! Wir gehen zur Feenkönigin und lassen dich heilen! Durch den Fluch der Göttinnen kann sie schließlich nirgendwo anders sein als in ihrem Brunnen!“
    Zu ihrer Überraschung schüttelte Link mit dem Kopf und korrigierte mit müde klingender Stimme: „Nein. Du fliegst zum Brunnen der Feenkönigin und fragst, ob sie eine Möglichkeit weiß, uns zu helfen. Vielleicht haben wir ja wieder Glück und du kannst mit einer Feenweisen zurückkehren. Ich werde unterdessen hier bleiben und schauen, ob ich irgendwie dieses Kraftfeld lösen kann.“
    „Was? Nein!“, protestierte Navi. „Ich kann dich hier nicht allein lassen!“ „Doch, das wirst du müssen.“ In Links Augen stand ein resignierter Ausdruck, der Navi frösteln ließ. Es wirkte als hätte ihr Schützling akzeptiert, bei der Erfüllung seiner Pflicht zu sterben. Allein.
    Als sie daraufhin so heftig mit dem Kopf schüttelte, dass ihre Haare wie Peitschen durch die Luft flogen, nahm Link sie plötzlich in fest in die Hand und zwang sie ihn anzusehen. „Du musst, Navi! Ich kann diese Festung nicht verlassen, erinnerst du dich? Die Weisen haben ihre Brücke schon wieder zerstört. Du bist meine einzige Hoffnung. Lass mich jetzt bitte nicht im Stich.“
    Die Fee sah ihren Begleiter erschrocken an. Das hatte sie tatsächlich für einen Moment vergessen…
    Dann schluckte sie den Kloß in ihrer Kehle herunter, straffte die Schultern und drückte den Rücken durch, bevor sie Link zunickte. „Du hast Recht. Und du kannst dich auf mich verlassen. Ich bin bald wieder da und dann heilen wir deinen Arm in Null Komma Nichts damit du Ganondorf gehörig in den Hintern treten kannst!“
    Mit diesen Worten erhob sie sich wieder in die Lüfte und sauste davon, ohne sich noch einmal nach Link umzusehen. Dieser lächelte ihr für einen Moment dankbar hinterher und fragte sich, was er ohne sie täte, dann wandte er sich wieder um und nahm die Halle genauer unter die Lupe.


    Nach einigem Suchen entdeckte der junge Mann auf der Rückseite des Turms eine sonderbar anmutende Vorrichtung. Sie sah aus wie ein großes, metallenes Tablett mit Vertiefungen für sechs runde Gegenstände.
    Link kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf und wünschte sich, Navi wäre noch bei ihm. Sie hätte vielleicht eine Idee, was dieses seltsame Ding sein mochte – und ob es womöglich von Bedeutung war.
    Auf der Unterlippe kauend wiegte Link den Kopf hin und her und versuchte sich einen Reim auf seinen Fund zu machen. Wenn man genau hin sah, konnte man mehrere Schläuche entdecken, die bis zur Spitze des Turms zu führen schienen.
    Ob das merkwürdige Tablett irgendwie mit dem Kraftfeld in Verbindung stand?
    Da er die Untätigkeit nicht mehr aushielt, begann der Krieger grübelnd in der Halle auf und ab zu laufen, bis sein Blick wieder auf eine der farbigen Türen fiel.
    „Moment mal“, schoss es ihm plötzlich durch den Kopf, „sechs Vertiefungen, sechs Türen… Ich fress eine Dekuranha, wenn es da keinen Zusammenhang gibt!“
    Sofort wirbelte Link herum und strebte auf die blau gestrichene Tür zu.


    Etwa zeitgleich erreichte Navi die in der Nähe gelegene Feenquelle und erlitt einen schweren Schock: dort, wo sieben Jahre zuvor noch der Eingang zum Brunnen der Feenkönigin gewesen war, lag nun ein riesiger Felsbrocken und versperrte den Zugang zur Quelle.
    „Nein… das darf einfach nicht wahr sein!“ Navi hatte sofort wieder den grauenhaften Anblick von Links verbrannten Arm vor Augen und tastete fieberhaft die Ritzen zwischen Fels und Wand ab.
    Es musste einen Schlitz geben, der groß genug war, dass sie sich hindurch zwängen konnte!
    Es musste einfach…
    Doch nach Minuten fieberhaften Suchens musste die Fee sich eingestehen, dass sie die Feenkönigin nicht erreichen konnte.
    Was sollte sie jetzt bloß tun?
    Mit den Tränen kämpfend ließ Navi sich auf den verhängnisvollen Felsbrocken nieder und mahnte sich zu Selbstbeherrschung: „Reiß dich zusammen, Navi. Du hilfst Link nicht, wenn du dich jetzt selbst bedauerst und heulst wie eine unerfahrene Baby-Fee! Denk nach… denk nach… Was kannst du jetzt noch tun?“
    Die wildesten Gedanken zuckten wie Blitze in einem Sommergewitter durch ihren Geist, doch nichts davon schien sie irgendwie voran zu bringen.
    Link konnte die Festung nicht verlassen und die nächsten Feenquellen, von denen Navi wusste, waren in der Gerudo-Wüste, auf dem Todesberg und im Kokiri-Wald – und waren damit viel zu weit weg, um dort nach Hilfe zu fragen.
    Trotzdem schwang sich die Fee einer Ahnung folgend wieder in die Lüfte und sauste in Richtung Nordosten davon.


    Die Kälte schlug Link entgegen wie eine massive Wand und der Herr der Zeiten wich überrascht einen Schritt zurück, den Türknauf noch immer in der Hand. Wirklich perfekt wurde seine Überraschung allerdings erst, als er den Raum hinter der blauen Tür genauer in Augenschein nahm.
    Der Boden des Zimmers war komplett mit einer weißen Masse bedeckt, die wie Schnee aussah, und hier und da hingen riesige Eiszapfen von der Decke. Der ganze Raum sah aus als entstammte er der Höhle des blauen Feuers in der Nähe von Zoras Reich.
    Vorsichtig wagte Link sich in die seltsame Kammer hinein, wobei seine Schritte das typische, knarzende Geräusch machten als bewegte er sich tatsächlich durch Neuschnee. Die beißende Kälte brannte wie tausende Nadelstiche in seinem verletzten Arm und er hinterließ eine Spur aus kleinen purpurnen Punkten, wohin er auch ging.
    Auf den ersten Blick erschien der Raum bis auf die merkwürdige Winterlandschaft nichts zu enthalten, doch dann entdeckte Link in einer Nische ein kleines Podest, das vollkommen von rotem Eis überzogen war. Der junge Krieger bemühte sich redlich, zu erkennen was unter der magischen Eisschicht verborgen war, konnte jedoch nichts weiter als ein blaues, tellerartig aussehendes Irgendetwas erkennen.
    „Macht nichts, das haben wir gleich“, dachte der Herr der Zeiten bei sich und holte seinen Wunderbeutel hervor. Zunächst wollte er gewohnheitsgemäß seine linke Hand hineinstecken, zog diese jedoch schnell wieder zurück als bei der Berührung seines rohen Fleisches mit dem Leder des Beutels ein stechender Schmerz seinen Arm hinauffuhr.
    Nachdem sich seine Nervenbahnen wieder beruhigt hatten und er nicht mehr das Gefühl hatte, jeden Moment ohnmächtig zu werden, schob Link seine rechte Hand in den verzauberten Wunderbeutel und stellte sich eine bis zum Rand mit blauem Feuer gefüllte Glasflasche vor. Wider Erwarten blieb seine Hand jedoch leer anstatt auf magische Weise plötzlich das erwünschte Objekt zwischen den Fingern zu halten.
    Irritiert zog der junge Mann die Stirn kraus und konzentrierte sich noch stärker – jedoch ohne Erfolg. Noch immer hatte sich keine Flasche mit blauem Feuer in seiner Hand materialisiert.
    War etwa der Wunderbeutel kaputt?!
    Nein, beruhigte Link sich selbst, wahrscheinlicher war, dass er bei seinem letzten Besuch in Zoras Reich alles blaue Feuer, das er gesammelt hatte, auch verbraucht hatte.
    Doch was jetzt?
    Sich um die eigene Achse drehend sah sich der Herr der Zeiten fragend im Raum um. Wenn diese Kammer tatsächlich der Höhle des blauen Feuers nachempfunden war, dann musste es hier auch etwas von der namensgebenden magischen Flamme geben.
    Und tatsächlich!
    Etwas über Kopfhöhe entdeckte Link eine weitere Nische, in der ein verräterisches blaues Licht flackerte.
    Aber wie sollte er nur dort hinauf gelangen?
    Zum Springen war es jedenfalls viel zu hoch und ans Klettern wollte Link mit seinem verletzten Arm nicht einmal denken…
    „Vielleicht können mir diese Eiszapfen irgendwie behilflich sein…“, überlegte der Abenteurer, während er im Geist abzuschätzen versuchte, ob die Eissäule, die der Nische mit dem blauen Feuer am nächsten war, im richtigen Winkel auf den Boden auftreffen würde, wenn er sie zum Fallen brachte.
    Doch wie sollte er den gewaltigen Eiszapfen überhaupt von der Decke kriegen?
    Da ihm auf die Schnelle keine Möglichkeit einfallen wollte, kümmerte sich Link zunächst um etwas Dringlicheres: mit flinken Bewegungen holte er seine grüne Zipfelmütze sowie eine seiner Kindertuniken hervor. Dann füllte er die Mütze mit der weißen Substanz auf dem Boden, von der er inzwischen annahm, dass es sich dabei tatsächlich um Schnee handelte. Anschließend legte er sich die Mütze auf den verletzten Arm und band sie mit der in Streifen gerissenen Tunika notdürftig fest.
    Im ersten Moment war der Schmerz kaum auszuhalten, doch die Kälte des Schnees half ein wenig die überreizten Nerven zu beruhigen und auf diese Weise kam weniger Dreck in die offene Wunde.
    Leider wusste er noch immer nicht, wie er an das blaue Feuer gelangen sollte…
    Genervt trat Link gegen eine Eissäule, die sich vom Boden Richtung Decke erhob, und fluchte leise vor sich hin, als die Spitze abbrach und ihm auf den Fuß fiel. „Verdammter Dreck…“
    Sich die schmerzende Fußspitze haltend starrte Link missmutig auf den abgebrochenen Eisstalagmit, als ihm eine Idee kam. „Vielleicht, wenn ich eine Bombe an einen Pfeil binde…? Nein, das würde womöglich den ganzen Eiszapfen zerstören…“
    Link lief grübelnd auf und ab, wobei er sein Ziel keine Sekunde aus den Augen ließ. Dann blieb er plötzlich stehen und sagte zu sich selbst: „Ja, das könnte funktionieren!“
    Ohne auch nur eine weitere Sekunde zu verlieren, holte der Herr der Zeiten seinen Bogen und einen Pfeil aus dem Wunderbeutel hervor. Den Pfeil entzündete er an einer in der Nähe brennenden Fackel und legte dann an, um ihn so Richtung Decke zu schießen, dass er neben dem Eiszapfen im Gestein stecken blieb.
    Bei den ersten Versuchen fand die eiserne Spitze des Pfeils jedoch keinen Halt in dem harten Mauerwerk und das Geschoss fiel jedes Mal wieder herunter in den Schnee, wo es erlosch.
    Doch Link ließ sich nicht entmutigen und versuchte es wieder und wieder, bis seine Ausdauer endlich von Erfolg gekrönt war: Nach dem zwölften Schuss blieb der Pfeil endlich neben dem Eiszapfen stecken!
    Die Flammen, die von dem Pfeil ausgingen, entwickelten genug Hitze, um eine Kerbe in den Fuß des Eisstalagmits zu tauen. Jedoch war der Pfeil verbrannt, bevor die Kerbe groß genug war, dass es Link irgendwie vorangebracht hätte.
    Also wiederholte der Herr der Zeiten die Prozedur einige Male, bis der Eiszapfen schließlich durch sein eigenes Gewicht abbrach und zu Boden fiel. Beim Aufprall splitterten große Teile der Spitze ab und die Eissäule brach in der Mitte, doch das größte der übrig gebliebenen Stücke reichte zum Glück aus, dass Link sich von dort aus in die Nische mit dem blauen Feuer ziehen konnte.
    Sein verletzter Arm protestierte aufs Heftigste, aber der Krieger biss tapfer die Zähne zusammen. So schnell er konnte schöpfte er etwas blaues Feuer in eine leere Flasche und trug es zu dem Podest auf der anderen Seite des Raums.


    Kaum dass das blaue Feuer das rote Eis berührt hatte, schmolz es von lautem Knacken und Zischen begleitet. Darunter zum Vorschein kam etwas, das entfernt an einen reich verzierten Notenständer erinnerte – bloß dass dieser Ständer keine Notenblätter hielt, sondern eine blaue Scheibe, die schimmerte als wäre sie aus Kristall gefertigt.
    Link nahm das sonderbare Objekt vorsichtig in die Hand und staunte nicht schlecht, als er entdeckte, dass auf der Oberseite das Zeichen des Weisen des Wassers eingraviert war.
    Was hatte das zu bedeuten?
    Bevor sich der Herr der Zeiten einen Reim darauf machen konnte, ertönte plötzlich Rutos Stimme in seinem Geist: „Das ist das Medaillon des Wassers.“
    Links Körper versteifte sich augenblicklich, da er an die unerfreuliche Begegnung mit den Weisen auf der Regenbogenbrücke zurückdenken musste. Wie viel Zeit war seitdem vergangen? Eine Stunde? Zwei? Link wusste es nicht. Seit er Ganondorfs Festung betreten hatte, schien er sämtliches Gefühl für Zeitabstände verloren zu haben.
    Ruto schien von seinem Unbehagen jedoch keine Notiz zu nehmen und fuhr unbeirrt fort: „In diesem Medaillon ist die Macht früherer Wasser-Weisen eingeschlossen. Einst wurde es dazu benutzt, um dem Herrn der Zeiten Macht über das nasse Element zu verleihen, aber Ganondorf hat es zusammen mit den Medaillons der anderen Weisen gestohlen, als er auch das Triforce-Fragment der Kraft in seinen Besitz gebracht hat.“
    „Dann… dann kann ich jetzt das Wasser kontrollieren?“, fragte Link verblüfft. „Leider nicht.“ Ruto seufzte leise auf. „Ich weiß nicht, was Ganondorf mit den Medaillons gemacht hat, aber seine Magie hat sie irgendwie korrumpiert. Wir hatten gehofft, wir würden die Kontrolle über sie zurückerlangen, wenn du die Siegel auf ihnen löst, aber ich habe noch immer keinen Zugang zu der Macht des Wasser-Medaillons.“
    „Hm…“ Link machte ein grübelndes Gesicht und drehte das Medaillon zwischen den Fingern. „Ich wüsste zu gerne, wozu Ganondorf die Medaillons braucht.“ „Das kann ich dir leider nicht sagen.“ Ruto klang ehrlich bedauernd, bevor sie in nachdenklichem Ton anfügte: „Aber er entzieht ihnen auf jeden Fall viel Energie. Das spüren wir.“
    „Energie… Energie…“ Der Herr der Zeiten zog die Unterlippe zwischen die Zähne, als sich ein verschwommenes Bild vor sein inneres Auge schob. Er warb sich sicher, dass er so etwas Ähnliches wie dieses Medaillon schon einmal gesehen hatte.
    Dann fiel es ihm plötzlich wie Schuppen von den Augen und er hätte sich am liebsten die flache Hand vor die Stirn gehauen: die Vertiefungen in dem seltsamen Tablett hinter dem Turm hatten genau dieselbe Form und Größe wie dieses Medaillon.
    Das konnte kein Zufall sein!
    So schnell er konnte, hastete Link zurück zu der merkwürdigen Vorrichtung, die er zuvor entdeckt hatte und besah sich die Vertiefungen noch einmal genauer.
    Tatsächlich!
    Wenn man ganz genau hinsah, konnte man erkennen, dass in jede Einkerbung das Zeichen eines Weisen eingraviert war!
    Einer inneren Eingebung folgend fügte Link das Medaillon des Wassers in die dazugehörige Vertiefung ein und wartete bis zu den Haarwurzeln angespannt ab.
    Zunächst passierte überhaupt nichts, dann leuchtete plötzlich das den Turm einschließende Kraftfeld in den Farben der Weisen auf. Die blauen Farbstränge flackerten wild und erloschen schließlich ganz, was Link ein verschlagenes Grinsen auf die Lippen zauberte.
    Endlich schien er einen Weg gefunden zu haben, das Kraftfeld zum Einsturz bringen zu können!
    Auch Ruto, die die Verbindung zu ihm die ganze Zeit aufrechterhalten hatte, gratulierte anerkennend: „Das war hervorragend kombiniert! Aber ich habe von dem Mann, den ich als meinen Gemahl auserwählt habe, auch nichts anderes erwartet. Los, beeil dich und löse auch die Siegel, die auf den restlichen Medaillons liegen!“
    Dann wurde es still und Link dachte bereits, Ruto habe ihn wieder verlassen, bis sie plötzlich doch noch in sanftem Ton anfügte: „Und groll nicht zu lange mit Salia. Sie liebt dich und hat dir nie etwas Böses gewollt. Es ist für sie – genau wie für uns andere auch – nicht leicht, sich in ihre Rolle als Weise hineinzufinden. Sie wollte dich niemals im Stich lassen, sie war nur von ihren neuen Aufgaben zu sehr vereinnahmt, um zu merken, dass du sie gebraucht hättest.“
    Mit diesen Worten zog Ruto sich endgültig zurück und überließ Link seinem schmerzenden Herzen. War er tatsächlich unfair Salia gegenüber gewesen?
    Ja, befand er, ja, das war er gewesen. Salia hatte stets zu ihm gehalten – selbst damals schon als er nicht mehr gewesen war als ein ungeliebter Außenseiter. Sie hatte ihn stets unterstützt und sogar den eigenen Schmerz herunter geschluckt, um es ihm leichter zu machen, in die Welt hinauszuziehen und sein Schicksal zu erfüllen.
    Er musste sich so schnell wie möglich bei ihr entschuldigen!
    Mit langen Schritten hielt er deswegen auf die grün gestrichene Tür zu, hinter der er das Medaillon des Waldes vermutete.

    ZF-Signatur-2.jpg

    Avatar-Artwork von mokke; Signatur-Artwork von Kamui Fujiwara (official artwork)

  • Hoffen auf Rettung


    Inzwischen hatte Navi ihr Ziel erreicht und sie sah sich hilfesuchend in Kakariko um. Sie wusste, sie hatte hier einen Zauberladen gesehen, als sie das letzte Mal mit Link hier gewesen war. Aber wo war das bloß gewesen?
    Beinah panisch und von dem stetigen Gedanken begleitet, dass jede Sekunde kostbar war, hetzte die Fee zwischen den Häusern der immer weiterwachsenden Kleinstadt umher. Was, wenn Link angegriffen wurde, während sie hier herumirrte? Er verließ sich auf sie – sie durfte ihn nicht enttäuschen. Nicht sie auch noch...
    Navi war bereits den Tränen nahe, als sie den Zauberladen endlich auf einer Anhöhe, direkt neben dem Weg, der zum Todesberg führte, entdeckte. Während sie so schnell sie konnte darauf zu eilte, betete sie stumm zu den Göttinnen und bat sie um zwei Dinge:
    Erstens, dass der Zauberladen tatsächlich vorrätig hatte, auf was sie hoffte: eine Feenweise. Navi hasste diese Barbarei der Hylianer, die rosafarbenen Feen mit den sagenhaften Heilfähigkeiten in Flaschen zu sperren und zu verkaufen als wären sie keine Lebewesen, sondern Dinge, aus tiefstem Herzen. Doch in diesem Moment hätte sie ihren Artgenossen noch sehr viel mehr Leid zugemutet, wenn das bedeutet hätte, Link retten zu können.
    Zweitens betete sie darum, überhaupt einen Weg in den Laden hinein zu finden. Es würde ihr rein gar nichts nutzen, wenn hunderte Feenweisen feilgeboten würden, sie aber nicht eine davon erreichte.
    Glücklicherweise konnte sie nach kurzem Suchen auf der Hinterseite des Hauses tatsächlich ein angelehntes Fenster finden, durch das sie sich in den Laden hineinzwängen konnte.
    Im Inneren roch es erdrückend nach fremdländischen Gewürzen, Parfum und anderen Dingen, die Navi nicht zuordnen konnte – und von denen sie sich auch nicht sicher war, ob sie sie überhaupt zuordnen können wollte. Der Anblick milchig-trüber, körperloser Fischaugen, die aus einem Regal an der gegenüberliegenden Seite zu ihr herüberglotzten, jagte der Fee einen eiskalten Schauer über den Rücken.
    Mit flinken Fingern durchsuchte Navi die verschiedenen Ingredienzien, Fläschchen, Tiegel und Tuben auf der Suche nach etwas, das ihr weiterhelfen konnte – leider ohne Erfolg. Je länger sie sich durch die sonderbaren Zauberutensilien wühlte, desto sicherer wurde sie sich, dass sie hinten im Lager nicht fündig werden würde.
    Vorsichtig näherte sie sich dem Zugang zum Verkaufsbereich und hielt hinter dem zwischen den Türpfosten gespannten Vorhang inne, um auf verdächtige Geräusche zu lauschen. Zu ihrem Glück schien der Laden vollkommen leer zu sein. Trotzdem zog die Fee zuerst zaghaft den die Tür verhängenden Stoff zur Seite und spähte schnell in alle Ecken, um ganz sicher zu gehen, allein zu sein.
    Dann schlüpfte sie geschwind in den vorderen Bereich des Ladens und sah sich neugierig um. Auf langen Regalen, die an der Wand hinter einem langen Verkaufstresen angebracht waren, standen ein Wasserbassin mit lebenden Fischen, Gläser mit verschiedenen Monsterteilen, eine Flasche blaues Feuer und Phiolen mit ölig wirkendem Inhalt, den Navi nicht genauer zuordnen konnte. Unter den Regalen standen große Kessel, die bis zum Rand mit verschiedenfarbigen Tränken gefüllt waren, deren Dämpfe die Fee ganz schummerig machten, als sie ihnen zu nahe kam.
    Doch weit und breit war keine Feenweise zu entdecken...
    „Verdammt... und was jetzt?“ Vor Verzweiflung begann Navi die verschiedenen Flaschen und Gläser auf dem Regal hin und her zu schieben, in der irrsinnigen Hoffnung, dahinter doch noch zu finden, was sie suchte.
    Dabei machte sie jedoch so viel Krach, dass sie den herannahenden Ladenbesitzer nicht bemerkte...


    Als Link den Raum hinter der grünen Tür betrat, verspürte er sogleich einen Stich in seinem Herzen, fühlte es sich doch an als kehrte er nach langer Zeit in den Kokiri-Wald zurück. Der Boden war bedeckt von Moos und Laub und die Decke war hinter einem dichten Blätterdach verborgen, das von den Ästen und Zweigen der kleinen, in unregelmäßigen Abständen im Zimmer verteilten Bäume gehalten wurde.
    Geradezu ehrfürchtig trat Link in den Raum hinein und genoss das vertraute Einsinken seiner Sohlen in den weichen Untergrund sowie den Geruch nach Harz und Erde. Er hatte sich im Kokiri-Wald zwar nie wirklich wohl gefühlt, aber die Wälder waren das einzige Zuhause, das er kannte.
    Wie schon unzählige Male zuvor fragte sich der junge Mann, wie sein Leben wohl verlaufen wäre, wäre vor knapp zwanzig Jahren kein Krieg ausgebrochen wäre. Ob er eine richtige Schule besucht und nachmittags seiner Mutter bei der Hausarbeit geholfen hätte? Vielleicht hätte sein Vater ihm das Kämpfen beigebracht und ihn ermuntert in seine Fußstapfen als Gardist zu treten. Womöglich hätte er aber auch eine Lehre bei einem der Handwerker in Hyrule-Stadt angetreten, um ein Leben in Frieden zu führen, ohne Gewalt, Blut und Tod…
    Bei dem Gedanken seufzte der Herr der Zeiten laut auf und betrachtete missmutig seinen notdürftigen Verband um den linken Arm. Er machte sich doch bloß etwas vor…
    Selbst wenn er bei seinen Eltern aufgewachsen wäre, stünde er nun hier und wäre in dieser misslichen Lage. Das Überleben seiner Eltern hätte nichts an Ganondorfs Plänen geändert und auch nicht daran, dass er als einer der Auserwählten zu den Waffen gerufen worden wäre.
    Der Herr der Zeiten zu sein war sein Schicksal, das Erbe seiner Seele – nicht die Folge unglücklicher Ereignisse und fragwürdiger Entscheidungen. Es gab für ihn kein Entrinnen…
    Sein gesamter Körper erschauderte, als er daran dachte, dass seine Berufung womöglich nicht mit einem Sieg über Ganondorf beendet wäre. Wann immer Hyrule eine Bedrohung drohen würde, die aus mehr bestand als kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen Völkern, würde er wieder in seine Heldenrolle schlüpfen müssen – sei es nun in diesem oder irgendeinem nächsten Leben.
    Eine wahrhaft grauenhafte Vorstellung…
    Link war drauf und dran, sich in Selbstmitleid zu ergehen, als plötzlich ein Wolf aufjaulte und aus einer kleinen Höhle heraus auf ihn zu sprintete. Gewohnheitsgemäß hob der Abenteurer seinen linken Arm, um sein Schwert zu ziehen, zuckte jedoch heftig vor Schmerz zusammen, als sein provisorischer Verband auf der offenen Wunde scheuerte.
    Inzwischen hatte der Wolf ihn fast erreicht und setzte zum Sprung an. Ein derart großes Exemplar hatte Link noch nie in freier Wildbahn gesehen! Für einen kurzen Moment fragte er sich, ob Ganondorf es womöglich extra gezüchtet hatte, um das Medaillon des Waldes zu beschützen.
    Doch dann stieß sich der Wolf vom Boden ab und verdrängte jeden Gedanken aus Links Geist. Das Tier landete mit allen vier Pfoten auf der Brust seines Gegenübers und riss diesen so zu Boden.
    Die Luft wurde Link aus den Lungen gepresst und er schnappte reflexartig nach Luft, bevor einen gellenden Schrei ausstieß, als ihn der Wolf in die Schulter biss. Glücklicherweise, so dachte der rational analysierende Teil von ihm trotz der Schmerzen, hatte das Raubtier seine Fänge in seine linke Schulter geschlagen – so büßte er wenigstens nicht die bitter benötigte Funktionalität seines rechten Armes ein.
    Der Wolf knurrte bedrohlich und schnappte nach Links Kehle, als dieser versuchte, ihn irgendwie von seinem Körper zu schieben. Das wilde Tier war jedoch so schwer, dass der Herr der Zeiten es kaum bewegen konnte.
    Er musste irgendwie an eine Waffe kommen…
    Aber wenn er die rechte Hand von der Kehle des Wolfes nähme, würde dieser sofort wieder zubeißen – und dieses Mal wäre der Biss womöglich tödlich.
    Verzweifelt versuchte Link seinen Angreifer so erwürgen oder ihm das Genick zu brechen, aber seine Finger fanden keinen richtigen Halt in dessen dichtem Fell.
    Ohne eine Waffe ging es nicht…
    Die Zähne fest zusammen gebissen, schob Link so behutsam wie möglich seine verletzte Hand in seinen Wunderbeutel. Sein Körper krampfte sich immer wieder unter neuen Schmerzwellen zusammen, aber irgendwie schaffte er es trotzdem, einen Pfeil hervorzuholen.
    Ohne auf die Proteste seines verletzten Armes zu achten, riss der Herr der Zeiten seine Waffe in die Höhe und rammte sie dem Wolf bis zu den Federn ins Auge. Dieser jaulte laut auf und sprang zurück, um weiteren Attacken zu entgehen.
    Link kam keuchend wieder auf die Beine, die sich wackelig und weich anfühlten. Schmerz und Schock forderten ihren Tribut. Dennoch zog er schnell das Master-Schwert, um für einen erneuten Angriff des Wolfes gewappnet zu sein.
    Dieser umrundete ihn in immer enger werdenden Kreisen, wobei er bedrohlich die Zähne bleckte und wütend mit dem Schwanz peitschte. Blut quoll aus dem zerstochenen Auge und lief in einer breiten Bahn über seine Wange.
    Link umklammerte unterdessen fest das Heft seines Schwertes und wartete bang darauf, dass das Raubtier erneut zum Sprung ansetzen würde.
    Nur Sekunden später war es dann auch schon so weit: Der Wolf stieß sich mit aller Kraft, die er aufbringen konnte, ab und segelte mit weit aufgerissenem Maul auf den Herr der Zeiten zu.
    Dieser brachte sich mit einer Drehung des Oberkörpers aus der Gefahrenzone und ließ seine heilige Klinge auf den Nacken des Angreifers niedersausen. Als die Schneide auf Knochen traf, drohte die Waffe aus Links Hand zu entgleiten, doch dann schaffte er es doch noch, das Wolfshaupt vom Rumpf zu trennen.
    Der Schädel fiel augenblicklich zu Boden, während der kopflose Körper noch wenige Zentimeter weiter durch die Luft flog, bevor auch er im Moos aufschlug und mit seltsam verdrehten Gliedern liegenblieb.
    Erleichtert aufatmend schob Link sein Schwert zurück in die Scheide und klopfte sich grob den Schmutz aus den Kleidern. Er konnte nur hoffen, dass Navi mit einem Heilmittel zurückkehren würde, bevor auf Gegner traf, die bessere Kämpfer waren als ein wilder Wolf.
    Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dem Raum zu. Irgendwo hier musste das Medaillon des Waldes versteckt sein…


    Tatsächlich entdeckte Link das Artefakt bereits nach kurzem Suchen. Allerdings war der Altar, auf dem es aufgebahrt war, von sonderbaren Ranken überwuchert, die es ihm unmöglich machten, das Medaillon an sich zu nehmen. Sobald er eine Pflanze abschlug oder ausriss, wuchs augenblicklich eine neue nach, die deren Platz einnahm.
    Vor Anstrengung keuchend stand der Herr der Zeiten vor dem überwachsenen Altar und starrte missmutig auf die eng verwobenen Schlingpflanzen vor sich. Wieder einmal wünschte er sich, Navi wäre an seiner Seite. Sie war so viel pfiffiger als er, wenn es um solche Dinge ging…
    Als ihm schließlich doch noch eine Idee kam, setzte der Recke ein grimmiges Gesicht auf und murmelte: „Dann eben auf die ganz harte Weise!“
    Mit diesen Worten holte er Dins Feuerinferno hervor und ließ die darin eingeschlossene Feuersbrunst auf den Wald-Raum los. Sogleich fingen die Pflanzen um ihn herum Feuer und heizten das Zimmer unerträglich auf. Das Eis in Links Verband schmolz in Sekundenschnelle, sodass eine Pfütze zu seinen Füßen entstand, die beinah augenblicklich verdampfte.
    Der ganze Raum war von dem Knistern und Knacken der alles verzehrenden Flammen erfüllt und Link Lippen bekamen vor Hitze blutige Risse, aber dennoch jubelte er innerlich: Er hatte es tatsächlich geschafft, das Medaillon freizulegen.
    Schnell griff er in die noch immer brennenden Überreste der Ranken und schnappte sich die grüne Scheibe, die sich zu seiner Überraschung kühl anfühlte. Dann beeilte er sich, das Wald-Zimmer zu verlassen, bevor er noch eine Rauchvergiftung bekam oder sogar verbrannte.
    Dicker, grauer Rauch quoll durch die Ritzen der Tür, nachdem Link diese ins Schloss geschlagen hatte, aber das beachtete der Herr der Zeiten überhaupt nicht. Stattdessen beeilte er sich zu dem Tablett mit den Vertiefungen zu kommen, um das Medaillon einsetzen zu können.
    Erst als er es erreicht hatte, hielt er inne und lauschte in sich hinein. Irgendwie hatte er erwartet, Salia würde genau wie Ruto Kontakt zu ihm aufnehmen, sobald er das Medaillon in den Händen hielt. Aber da war nichts…
    Vielleicht wollte sie ja nicht mehr mit ihm reden, weil er sie mit seinem Verhalten auf der Brücke gekränkt hatte. Er hätte es ihr jedenfalls nicht verübeln können.
    Trotzdem wagte er sich vor: „Salia, bist du da? Ich… Es…“ „Ist schon gut, Link. Ich weiß.“ Die Stimme des Kokiri-Mädchens klang freundlich und warm, so als wäre es bereits durch Links Kontaktaufnahme völlig versöhnt.
    Unwillkürlich schoben sich die Mundwinkel des jungen Mannes nach oben. „Aber natürlich weißt du, dass es mir leid tut. Du kennst mich schließlich besser als ich selbst.“ Er konnte fast sehen wie Salia mit einem schelmischen Lächeln auf den Lippen nickte.
    „Bald hast du es geschafft“, sprach sie ihm Mut zu. „Ja… Wirst du beim finalen Kampf bei mir sein?“ Link schämte sich nicht, dass seine Stimme ein wenig zitterte. „Natürlich“, antwortete Salia, „ich werde immer bei dir sein.“
    Link schloss für einen Moment die Augen und rief sich seine liebste Erinnerung an seine beste Freundin vor sein geistiges Auge: wie sie zusammen Blumenkränze für ein Fest zu Ehren des Deku-Baums gebastelt hatten. Sie hatte so hübsch ausgesehen mit den verschiedenfarbigen Blüten im Haar… Und wie ihre Augen gestrahlt hatten, wann immer sie ihn angelacht hatte!
    Dann atmete der Herr der Zeiten langsam aus und setzte das Medaillon des Waldes in die richtige Vertiefung ein – in diesem Moment gab es nichts mehr, dass er und Salia hätten austauschen müssen. Es war alles gesagt.
    Die grünen Stränge des Kraftfelds flackerten auf und erloschen schließlich. Zeit, den nächsten Raum in Augenschein zu nehmen!


    Navi war noch immer vollkommen von ihrer Suche nach einer Feenweisen absorbiert, als plötzlich eine Glasflasche über sie gestülpt wurde. Vor Schreck zuckte die Fee heftig zusammen und sie brauchte einige Sekundenbruchteile, um zu realisieren, was mit ihr geschah.
    Dann sauste sie so schnell sie konnte auf den Flaschenhals zu, um noch rechtzeitig entkommen zu können, bevor die Flasche verschlossen wurde – doch zu spät…
    Der Korken wurde ihr hart ins Gesicht gestoßen, sodass sie heftig zurückprallte und vor Schmerzen leise aufstöhnte. Dann wurde die Flasche herumgedreht, sodass sie nicht mehr auf dem Kopf stand, und Navi purzelte, benommen wie sie noch immer war, durch den Flaschenhals zurück in den Bauch des Gefäßes, wo sie unsanft auf dem Rücken landete.
    Goldenes, im zuckenden Licht der Fackeln bunt schillerndes Blut tropfte aus ihrer zierlichen Stubsnase, aber das nahm Navi nur am Rande wahr. Anstatt ihr Nasenbein auf Verletzungen zu untersuchen, sprang sie sogleich wieder auf die Füße und begann mit den Fäusten gegen ihr gläsernes Gefängnis zu schlagen.
    „Lass mich hier raus!“, forderte sie mit schriller Stimme. „Ich muss zurück zu Link – davon hängt das Schicksal ganz Hyrules ab!“
    Der Besitzer des Zauberladens hob die Flasche ein wenig an, bis Navi sich auf Augenhöhe mit ihm befand. Für einen Moment glaubte die Fee, der Hylianer habe sie trotz der dicken Glaswände um sie herum gehört und verstanden, aber dann sagte dieser zu sich selbst: „Heute muss mein Glückstag sein! Da habe ich gerade meine letzte Fee verkauft und schon schwebt mir ein neues Exemplar direkt ins Haus!“
    „Was?“ Navi, die die Situation erst jetzt vollends begriff, schüttelte heftig den Kopf. „Ich bin doch keine Feenweise, du Trottel! Du kannst mich nicht verkaufen! Ich werde deine Kunden nur enttäuschen und dann werden sie nie wieder hier einkaufen. Hey! Hörst du mir gefälligst zu?!“
    Obwohl sie aus Leibeskräften schrie, bis ihre Halsschlagader anschwoll, schien der Ladenbesitzer die Fee nicht zu verstehen – oder sie nicht verstehen zu wollen. Stattdessen stellte er ihr gläsernes Gefängnis auf das Regal hinter dem Verkaufstresen und verschwand dann fröhlich vor sich hin pfeifend in seinem Lager.
    Navi war fassungslos…
    Nicht nur darüber, dass der Ladenbetreiber ihr Rufen ignorierte. Sie fragte sich vielmehr, wie sie selbst so unvorsichtig hatte sein können.
    Was sollte Link jetzt nur tun, wo sie ihm nicht mehr helfen konnte?
    Mit seinem verletzten Schwertarm hatte er keine Chance gegen Ganondorf… Der Großmeister des Bösen würde ihn zerschmettern als wäre er nicht mehr als eine Flickenpuppe…
    Voller Verzweiflung warf sich Navi mit der Schulter gegen die Flaschenwand. Wenn sie es irgendwie schaffte, das Glasgefäß vom Regal zu stoßen, gäbe es vielleicht noch Hoffnung.
    Ihr war bewusst, dass sie sich selbst womöglich schwer verletzte, wenn das Glas auf den Bodenfliesen zerschellen würde, aber das Risiko musste sie eingehen.
    Link brauchte Hilfe…


    Dieser stand einige Kilometer von Navi entfernt im Feuerraum von Ganondorfs Festung und zog ein missmutiges Gesicht. Dies war zum einen darin begründet, dass die großen Lavabecken, die sich rechts und links von dem schmalen Steg befanden, der quer durch den Raum zog, die Luft unerträglich aufheizten, sodass Link trotz seiner Goronen-Rüstung schwitzte. Viel schlimmer jedoch war, dass er vor einer unlösbaren Aufgabe zu stehen schien – und das aus eigener Dummheit.
    Zwar hatte er das Versteck des Feuer-Medaillons schnell ausgemacht, aber der Weg dorthin war von einem massiven Gesteinsblock versperrt, den er nicht zu bewegen vermochte.
    Er hatte schon versucht, sich mit vollem Körpergewicht dagegen zu werfen, aber das war genauso gescheitert wie der Versuch, den Block an einer Seite anzuheben, sodass er in ein Ungleichgewicht geraten und in das benachbarte Lavabassin kippen würde.
    Es sah ganz so aus als bräuchte er an dieser Stelle die Macht der Krafthandschuhe, doch diese war auf immer verloren, seit einer der Handschuhe durch den Kontakt mit dem Kraftfeld verbrannt war…
    Genervt und wütend auf sich selbst wandte Link sich abrupt von dem tiefschwarzen Gesteinsblock ab und stampfte aus dem Raum. Es hatte keinen Sinn, sich jetzt an diesem Problem festzubeißen. Darum würde er sich kümmern, wenn Navi wieder da war. Vielleicht würde der cleveren Fee ja eine Lösung einfallen.
    Bis zu ihrer Rückkehr wollte der Herr der Zeiten lieber so viele weitere Medaillons sammeln wie möglich. Deswegen lenkte er seine Schritte nun zu der orangefarbenen Tür des Geister-Raums.


    Dieser lag in fast vollkommener Dunkelheit und Link streckte beim Gehen die gesunde Hand nach vorn, um eventuelle Hindernisse rechtzeitig zu ertasten. Seine Augen gewöhnten sich nur langsam an die neuen Lichtverhältnisse, sodass er kaum mehr als vage Umrisse ausmachen konnte.
    Etwa in der Mitte des Raums stieß der Abenteurer auf eine große Statue, die ihn um mindestens eine Kopflänge zu überragen schien. Behutsam ließ Link seine nackten Finger über das Gestein gleiten, das sich kühl und glatt anfühlte. Neben der Beschaffenheit des Materials konnte er zusätzlich noch ertasten, dass der Künstler, der diese Statue einst gefertigt hatte, viele feine Rillen in den Stein gehauen hatte, sodass er sich nun anfühlte wie mit unzähligen kleinen Schuppen besetzt.
    Schuppen…?
    Sofort erinnerte sich Link an die Schlangenstatuen aus dem Geistertempel und griff um die Statue um ihn herum, um seinen Verdacht zu bestätigen.
    Und tatsächlich!
    Auf der Vorderseite der Skulptur war offenbar ein Spiegel eingelassen worden.
    Doch ohne Licht nutzte ihm diese neue Erkenntnis überhaupt nichts…
    Fragend ließ der Herr der Zeiten seinen Blick über die Decke wandern. Er hatte gerade einen verdächtigen Lichtschimmer entdeckt, als er plötzlich einen Luftzug auf der Wange spürte.
    Obwohl er in der Dunkelheit kaum etwas sehen konnte, wandte er sich reflexartig in die Richtung aus der er die Luftbewegung vermutete und griff nach seinem Schwert.
    Doch noch bevor seine Finger sich um das Heft geschlossen hatten, schlugen ihm plötzlich Krallen ins Gesicht und rissen es vom linken Nasenflügel bis hinunter zum Kieferknochen auf. Es war nichts weiter als pures Glück, dass sein Auge nicht auch in Mitleidenschaft gezogen wurde.
    Vor Schmerz und Schreck aufbrüllend zog Link endlich sein Schwert und schlug blind um sich, jedoch ohne etwas zu treffen. Warmes, klebriges Blut rann seinen Hals herab und klebte ihm den Kragen seines Hemdes an die Haut.
    Schutzsuchend presste sich der angeschlagene Kämpfer mit dem Rücken gegen die Schlangenstatue und hielt sein Schwert vor sich, in der Hoffnung seinen Angreifer bei einer erneuten Attacke aufspießen zu können.
    Dieser schien sich jedoch für den Moment damit zu begnügen, den Recken in panische Angst zu versetzen. Die Krallen des Monsters machten klackende und kratzende Geräusche auf dem steinernen Boden, während es in zufällig erscheinenden Mustern durch den Raum rannte.
    Links ganzer Körper zitterte vor Furcht so sehr, dass selbst sein Atem vibrierte und das Master-Schwert seinen schwitzigen Fingern zu entgleiten drohte. Er hatte es erst wenige Male mit Gegnern zu tun gehabt, die er nicht sehen konnte, und es hatte ihm jedes Mal aufs Neue eine Heidenangst eingejagt.
    Bislang hatte er sich wenigstens auf die Hilfe des Auges der Wahrheit verlassen können, doch in diesem Fall war auch das mächtige Shiekah-Relikt vollkommen nutzlos. Ohne Licht würde er auch durch das Auge der Wahrheit nichts sehen können.
    Licht…
    Er brauchte dringend etwas Licht!
    Obwohl es ein großes Risiko darstellte, seine Waffe wegzustecken, schob Link sein Schwert zurück in dessen Scheide und holte erneut Dins Feuerinferno heraus. Wenn er Recht hatte, befand sich ziemlich genau über ihm ein Fenster, das mit dicken Stoffbahnen verhangen war, die jegliches Licht schluckten.
    Wenn er es schaffte, den Stoff zu verbrennen, würde er vielleicht endlich etwas sehen…
    Gerade als Link den Zauber aktivierte, hörte er wie das Monster in seiner Nähe innehielt und anscheinend zu einem weiteren Angriff ansetzte. Im Schein des Feuers, das sich wie eine Walze durch den Raum schob, sah der junge Mann einen Todesgrabscher, der mit nach vorn gestreckten Krallen auf ihn zu sprang – bereit, ihm die Kehle aufzureißen.
    Doch bevor die tödlich scharfen Fingernägel der Monsterhand Link erreichen konnten, wurde der Grabscher von der Feuersbrunst des Zaubers erfasst und gegen eine Wand geschleudert. Etwa zeitgleich fielen die brennenden Überreste des Fenstervorhangs zu Boden und goldenes Licht flutete den Raum.
    Link kniff auf Grund der plötzlichen Helligkeit die schmerzenden Augen zusammen, zwang sich jedoch, sie so schnell wie möglich wieder zu öffnen, um kampfbereit zu sein.
    Anders als seine Artgenossen schien dieser Todesgrabscher dauerhaft sichtbar zu sein und Link bemerkte mit einem Schaudern, dass die feinen Haare auf dem Rücken der Monsterhand noch immer brannten, was ihr ein besonders gruseliges Aussehen verlieh.
    Außerdem schien die Feuerattacke das Monster in Rage versetzt zu haben. Kaum, dass es sich wieder aufgerappelt hatte, hechtete es schon wieder auf Link zu, der so schnell überhaupt nicht reagieren konnte. Alles, was er noch tun konnte, war sich reflexartig abzuwenden und zu hoffen, dass der Todesgrabscher an seinem Schild abprallen würde.
    Doch der befürchtete Aufprall blieb aus…
    Zaghaft drehte Link sich wieder um und spähte vorsichtig zu dem Todesgrabscher herüber. Das Monster wand sich offenbar unter Qualen auf dem Boden und schrumpfte immer mehr zu einer vollkommen verkrüppelten Miniaturversion seiner selbst zusammen, so als hätte irgendetwas ihm sämtliche Flüssigkeit entzogen.
    Im ersten Moment konnte Link sich keinen Reim darauf machen, aber dann kam ihm doch noch eine Idee. Konnte es sein, dass das gebündelte Licht, das von seinem Spiegelschild reflektiert worden war, den Todesgrabscher getötet hatte?
    Soweit er sich erinnern konnte, hatten sich die Monsterhände stets in dunklen oder zumindest nur schummerig beleuchteten Räume aufgehalten. Vielleicht vertrugen sie kein direktes Licht…
    Mit einem Schulterzucken entschied Link, dass es eigentlich auch egal war, was den Grabscher getötet hatte – Hauptsache, er war ihn los und konnte sich in Ruhe den Geisterraum ansehen.


    Hier und da waren die Folgen von Dins Feuerinferno zu sehen, aber abgesehen von verbrannten Wandteppichen und Gemälden schien das Feuer keinen allzu großen Schaden angerichtet zu haben – und um Ganondorfs Kunstgegenstände scherte sich der Herr der Zeiten kein bisschen.
    Viel wichtiger war, dass das Podest mit dem Medaillon der Geister noch intakt war. Es war von einer Art magischer Schutzaura eingeschlossen, ähnlich der, in der Ganondorf Prinzessin Zelda gefangen hatte.
    Ein Blick zurück zur Schlangenstatue brachte Link jedoch schnell auf die Lösung des Problems. An den Wänden rund um die Statue waren mehrere der goldenen Sonnen angebracht, wie der Recke sie bereits aus dem Geistertempel kannte.
    Es war offensichtlich, dass einige der Sonnen Fallen waren und es nur eine richtige Wahl gab, aber diese war mit Hilfe des Auges der Wahrheit in Windeseile gefunden. Die Statue zu drehen, erwies sich mit dem verletzten Arm als die größere Herausforderung, ließ sich mit etwas Geschick aber auch schnell erledigen.
    Kaum, dass die richtige Sonne im auf sie reflektierten Licht erstrahlte, öffnete sich die magische Barriere wie eine Blume und gab ihren Inhalt frei.
    Als Link das Medaillon an sich nahm, hörte er Naborus Stimme: „Gut gemacht, Kleiner.“
    Er lächelte über die Worte, machte sich aber nicht die Mühe, zu antworten. Stattdessen beeilte er sich, auch die orangefarbenen Anteile des Kraftfelds um den Turm herum zum Erlöschen zu bringen.
    Jetzt waren nur noch drei Siegel übrig.
    Aber wo, im Namen der Göttinnen, blieb Navi nur?!

    ZF-Signatur-2.jpg

    Avatar-Artwork von mokke; Signatur-Artwork von Kamui Fujiwara (official artwork)

  • Die letzten Siegel

    Eigentlich hatte Link vorgehabt, sich den Licht-Raum bis zuletzt aufzusparen, da er keinerlei Lust verspürte, erneut auf Rauru zu treffen – in welcher Form auch immer. Aber im Feuer-Raum kam er zurzeit nicht weiter und die Kammer der Schatten befand sich am gegenüberliegenden Ende der Halle.
    Also schob er seinen Widerwillen beiseite und schickte sich an, den Raum hinter der sonnengelben Tür zu betreten. Beim Herunterdrücken der Türklinge dachte der Herr der Zeiten bei sich, wie unpassend und deplatziert diese fröhliche Farbe in der ansonsten so düsteren und bedrohlich erscheinenden Festung wirkte.
    Im Gegensatz zu dem Raum der Geister war die Licht-Kammer hell erleuchtet und Link kniff geblendet die Augen zusammen. Blinzelnd bewegte der mutige Kämpfer sich in das Zimmer hinein und wartete darauf, dass sich seine Pupillen an die ungewohnte Helligkeit anpassten – jedoch ohne Erfolg. Selbst nach mehreren Minuten konnte er die Augen nicht länger offen halten als für ein paar Sekunden.
    Langsam ging es ihm gehörig auf die Nerven immer wieder blind umher stolpern zu müssen! Wenigstens schien sich zur Abwechslung mal kein Monster in diesem Raum aufzuhalten…
    Dafür erklang plötzlich ein merkwürdiges Schleifen, das näher zu kommen schien und Link die Haare zu Berge stehen ließ. Das Geräusch klang als eindeutig als würde Stein über Stein schaben – ganz so als senkte sich die Decke langsam auf ihn herab!
    Ängstlich hob der junge Mann den Blick und versuchte verzweifelt blinzelnd, irgendetwas zu erkennen. Bevor er jedoch hatte ausmachen können, ob die Decke tatsächlich herunter kam, ließ ihn ein anderes Geräusch heftig zusammenzucken und herumwirbeln. Was er dann sah, ließ dem Recken endgültig das Blut in den Adern gefrieren:
    Massive Eisenstangen waren vor der Tür zur Halle aus dem Boden geschossen und blockierten nun den einzigen Ausweg.
    Jetzt war Link sich sicher, dass sich die Decke herabsenkte…
    Er sollte vor Angst zitternd darauf warten, dass er zerquetscht wurde, während er in der Falle saß wie irgendein lästiges Ungeziefer. Das sah Ganondorf ähnlich!
    „Beruhige dich“, sprach Link sich selbst Mut zu, „du bist nicht ohne Grund der Herr der Zeiten! Du kannst einen Ausweg aus diesem Schlamassel finden. Bestimmt deaktiviert sich diese Falle wieder, wenn du das Siegel auf dem Medaillon brichst!“
    Halb blind wagte sich der Recke tiefer in den Raum hinauf und stieß einen leisen Schmerzenslaut aus, als er gegen eine unsichtbare Wand stieß. Irritiert klopfte er mit dem Fingerknöchel gegen das Hindernis stellte irritiert fest, dass es sich dabei um simples Glas handelte.
    Warum stellte Ganondorf mitten im Zimmer eine Glasscheibe in den Weg?
    Im ersten Moment konnte sich Link keinen Reim darauf machen, doch dann setzte seinen Herz einen Schlag lang aus, als ihm die Lösung in den Sinn kam: ein Labyrinth aus Glas und Spiegeln, das ihn verwirren und Zeit kosten sollte, damit er das Medaillon auf keinen Fall rechtzeitig fand.
    „Mögen dich sämtliche Flüche dieser und aller benachbarten Welten treffen, du Bastard!“ Link konnte nicht sagen warum, aber er war sich sicher, dass Ganondorf ihn hören konnte. Wahrscheinlich sah er ihm gerade auf die gleiche magische Weise zu wie er ihn und Zelda in der Zitadelle der Zeit beobachtet und belauscht hatte.
    Einige Herzschläge lang ließ sich der Herr der Zeiten dazu hinreißen, seinem Widersacher derart bildgewaltig verschiedenste Qualen und Abscheulichkeiten an den Hals zu wünschen, dass Navi stolz auf ihn gewesen wäre. Dann besann er sich wieder der Dringlichkeit seiner Situation und stürzte sich in das Labyrinth.
    Während er, die gesunde Hand stets schützend nach vorn gestreckt, durch die verschlungenen Gänge eilte und betete, er möge instinktiv den richtigen Weg finden, schob sich die Decke immer weiter Richtung Boden. Feiner Steinstaub rieselte auf den angeschlagenen Helden herab und brannte wie Feuer in seinen Wunden.
    „Beeil dich, Link!“, spornte sich der Krieger selbst an und schüttelte mit einem angedeuteten Lächeln leicht den Kopf. Es amüsierte und irritierte ihn noch immer zu gleichen Teilen, dass seine innere Stimme in solchen Situationen wie Navi klang.
    „Wenigstens ist sie jetzt nicht hier bei mir, sondern in Sicherheit“, schoss es Link durch den Kopf als erneut eine Staubwolke auf ihn niederging.
    Hustend zwang er sich weiter vorwärts und jubelte innerlich auf, als er nur wenige Meter vor sich das Medaillon des Lichts entdeckte. Er konnte es schaffen!
    Freudig erregt rannte er darauf zu – und prallte mit voller Wucht gegen eine weitere Wand!
    „Autsch…“ Link spuckte Blut aus, doch sein Mund füllte sich sogleich wieder mit der metallisch schmeckenden Flüssigkeit. Offenbar hatte er sich bei dem Aufprall auf die Zunge gebissen. Außerdem hatte er sich das rechte Knie angeschlagen, das bereits leicht anschwoll.
    Zum Jammern blieb jedoch keine Zeit…
    Heftig blinzelnd versuchte der Recke, etwas mehr von seiner Umgebung zu erkennen und erstarrte, als er seine eigene Reflektion sah. Ein Spiegel!
    Das Medaillon war nicht in greifbarer Nähe, sondern am anderen Ende des Raums!
    Inzwischen hatte sich die Decke so weit herabgesenkt, dass lautes Knirschen und Klirren verriet, dass die oberen Ränder der gläsernen Wände eingedrückt wurden.
    Einige Herzschläge lang war Link drauf und dran in Panik zu verfallen, doch dann brachte ihn das Geräusch von splitterndem Glas auf eine Idee. Mit flinken Fingern griff er in seinen Wunderbeutel und holte den Goronenhammer hervor.
    Mit einem wilden Kampfschrei, der alle Frustration der letzten Stunden enthielt, schlug sich der Herr der Zeiten eine Bresche durch die gläsernen Wände. Scharfkantige Scherben flogen durch die Luft und ritzten ihm die Haut über dem rechten Jochbein auf, aber das registrierte er überhaupt nicht. Für ihn zählte nur noch, das Licht-Medaillon rechtzeitig in die Hände zu bekommen.
    Bildete er sich das bloß ein oder senkte sich die Decke inzwischen immer schneller?
    Er hatte den Raum erst halb durchquert, als er sich bereits ducken musste. Inzwischen bedeckten unzählige Spiegelscherben und Glassplitter den Boden und Link drohte mehrfach auszurutschen.
    Dennoch schaffte er es irgendwie, das Podest, auf dem das Medaillon aufgebahrt worden war, zu erreichen, bevor es zerstört wurde. Obwohl die Decke nur wenige Millimeter davon entfernt war, ihm die Finger zu zerquetschen, griff der junge Mann beherzt zu und riss das heilige Relikt an sich.
    Im ersten Moment passierte gar nichts und Link fürchtete schon, er habe sich geirrt und der Siegelbruch würde die Falle gar nicht unschädlich machen. Doch dann blieb die Decke endlich stehen und bewegte sich kurz darauf sogar wieder nach oben. Sogar die Eisenstäbe vor der Tür versanken wieder im Boden.
    Vor Erleichterung gaben Links Knie nach und er sackte wie ein nasser Sack zu Boden, wo er in Tränen ausbrach wie ein Kind. Glücklicherweise hatte Medaillon-Podest weit genug von den gläsernen Wänden entfernt gestanden, sodass die Steinfließen an dieser Stelle weitgehend splitter- und scherbenfrei waren.
    Links Körper wurde von wilden, unkontrollierten Schluchzern durchgeschüttelt, während der psychisch völlig entkräftete Held sich an das goldfarbene Medaillon klammerte als könnte es ihn irgendwie vor den noch kommenden Gefahren bewahren.
    Rauru entschied sich unterdessen offenbar dafür, den Herrn der Zeiten sich selbst zu überlassen und ihm keine aufmunternden Worte mit auf den Weg zu geben wie es die anderen Weisen getan hatten.


    Etwa zur gleichen Zeit gab Navi ihre nutzlosen Versuche, ihr gläsernes Gefängnis vom Regal zu stoßen, auf und ließ sich schwer atmend auf den Hintern fallen. Ihre Schulter schmerze höllisch und Schweiß klebte ihr das lange Haar an den Körper, aber die Flasche, in der sie sich befand, hatte sich keinen Millimeter bewegt.
    Frustriert und voller Zorn beobachtete die Fee wie der Ladenbesitzer einige Monsterteile nachzählte und sich anschließend eine Notiz machte. Offenbar war es kurz vor Verkaufsschluss und die Bestände mussten aktualisiert werden.
    Wenn sie es doch nur irgendwie bewerkstelligen könnte, dass er ihr zuhörte…
    Aber entweder er hörte ihr Rufen tatsächlich nicht oder es war ihm egal. In den vergangenen Stunden hatte Navi immer wieder versucht, Kontakt zu ihm aufzunehmen, aber er hatte nicht einmal zu ihr herübergesehen.
    Sie saß verdammt tief in der Patsche…
    Dicke, in den Farben des Regenbogens funkelnde Tränen liefen ihr über die Wangen und sie schlang sich die Arme um die angezogenen Beine – ganz so wie sie es früher oft getan hatte, wenn sie aus Trauer über den Tod ihrer Familie geweint hatte.
    Link…
    Bei dem Gedanken an ihren Freund fühlte es sich an als würde ihr Herz zu zersplittern und die scharfkantigen Scherben schienen sich bei jedem Atemzug tiefer in ihr Fleisch zu bohren, bis sie keine Luft mehr bekam.
    Allein die Vorstellung, dass er sterben könnte, schnürte ihr die Kehle zu. Wenn sie dann auch noch daran dachte, er könnte dies womöglich in dem Glauben tun, sie hätte ihn im Stich gelassen, war es als stürzte sie in bodenlose Dunkelheit.
    Vor ihrem geistigen Auge sah sie den etwas tollpatschigen Knaben vor sich, der er einst gewesen war, und ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen.
    Sie liebte ihn… genauso wie sie einst ihre beiden Schwestern geliebt hatte.
    Sie hatte sich früher nie vorstellen können, einen Bruder zu haben, doch wenn sie jetzt an Links strahlendblaue Augen, sein stets leicht zerzaustes Haar oder sein latent schiefes Lächeln dachte, kam es ihr so vor als wäre er schon immer Teil ihrer Familie gewesen.
    Die Irrlichter hatten ihr bereits ihre leibliche Familie genommen – sie wollte nicht auch noch ihren hylianischen Bruder verlieren!
    Von neuem Eifer beseelt sprang die Fee wieder auf die Beine und schickte sich voller Grimmigkeit an, sich erneut gegen die Flaschenwand zu werfen, als plötzlich das Glöckchen über der Eingangstür klingelte und eine alte Vettel den Laden betrat.


    Es dauerte mehrere Minuten, bis Link sich wieder beruhigt hatte und sich wieder auf seine noch immer ein wenig wackeligen Beine hievte. Auch seine Finger zitterten noch leicht, als er den achtlos fallen gelassenen Goronenhammer wieder einsammelte und in seinem Wunderbeutel verstaute.
    Bereits im Geistertempel hatte der Herr der Zeiten deutlich gespürt, dass die psychische Dauerbelastung, der er jetzt schon seit Monaten fast ununterbrochen ausgesetzt war, allmählich ihren Tribut forderte.
    Ausgerechnet jetzt, wo er all seine Kräfte brauchen würde, spürte er deutlich, dass er nicht mehr so belastbar war wie früher. Er steckte selbst kleinere Verletzungen und vor allem Stresssituationen inzwischen deutlich schlechter weg als zu Beginn seiner Reise.
    Er fühlte sich alt und ausgebrannt, dabei hatte er das Erwachsenenalter gerade erst erreicht – und hatte noch dazu sieben Jahre seines Lebens in einem magischen Schlaf verbracht…
    Trotzdem hatte er bereits genügend Schmerzen und Aufregung für mehrere Leben durchgestanden. Er wünschte sich nur noch ein ruhiges, überschaubares, einfaches Leben.
    Vielleicht, überlegte er, während er mit schweren Schritten zu dem Tablett mit den Vorrichtungen herüber ging, um das Medaillon des Lichts einzusetzen, vielleicht würde er Zelda nach seinem Sieg über Ganondorf um etwas Land bitten, auf dem er eine kleine Farm errichten konnte.
    Ein Lächeln huschte ihm über das müde wirkende Gesicht, als er daran dachte, wie er einige Ziege und Schafe – und vielleicht sogar eine Kuh – hielt und sein eigenes Gemüse anbaute. Vor den Ställen der Tiere würde er eine Hundehütte aufbauen, in der ein alter, struppiger Hütehund hausen würde, der den ganzen Tag nichts anderes machte als zu schlafen oder zu fressen. Und Epona würde ihm dabei helfen, alle Erzeugnisse seiner Farm, die er nicht für sich selbst brauchte, nach Kakariko oder das neu errichtete Hyrule-Stadt zu bringen, wo er sie auf dem Markt verkaufen würde.
    Allein die Vorstellung eines solchen Lebens erfüllte sein Herz mit wohliger Wärme, auch wenn sich ein Teil von ihm fragte, ob er sich allein unter Tieren nicht doch irgendwann einsam fühlen würde. Für den Bruchteil einer Sekunde schob sich das Bild eines ganz anderen Lebens vor sein geistiges Auge:
    Zelda und er, beide in kostbare Gewänder gehüllt, Schulter an Schulter auf zwei mächtigen Thronen sitzend und auf ihr Volk herab blickend.
    Mit einem ruckartigen Kopfschütteln vertrieb der junge Mann dieses Traumbild jedoch schnell wieder. Er hatte die Nase voll davon, Verantwortung für das ganze Reich zu tragen. Wenn er etwas ganz bestimmt nicht sein wollte, dann König!
    Außerdem war er immer noch sauer auf Zelda, weil sie ihn so lange belogen hatte…
    Trotzdem ließ ihn das Gefühl nicht los, dass sie zusammen gehörten und er ohne Zelda auf Dauer nicht glücklich werden würde – ganz egal, was er tat.
    „Verdammte Lichtwesenseelen!“, murmelte Link, als er das Medaillon des Lichts in die dafür vorgesehene Vertiefung drückte. „Verfluchtes vorherbestimmtes Schicksal!“
    Während das Kraftfeld um den Turm herum in schon bekannter Manier auf das Einfügen eines neuen Medaillons reagierte, erinnerte sich der Herr der Zeiten an eine Unterhaltung, die er mit Navi im Waldtempel geführt hatte.
    Sie waren nach dem Kampf gegen Ganondorfs Phantom auf dem Weg aus dem Tempel heraus gewesen, als Navi ihn wegen seiner Schwärmerei für die Prinzessin ein wenig aufgezogen hatte. Dabei hatte sie allerdings auch erzählt, dass die Seelen des Herrn der Zeiten und der Weisen der Harmonie durch eine Liebe aus einem früheren Leben auf ewig mit einander verbunden waren.
    Damals hatte diese Vorstellung Link irgendwie gefallen. Sie hatte ihm Hoffnung gegeben, dass auch ein einfacher Junge vom Land wie er auf eine Zukunft an der Seite der Prinzessin hoffen durfte.
    Inzwischen jedoch hasste er diesen Gedanken!
    Er fühlte sich als hätte man ihm jede Entscheidungsfreiheit über sein Leben genommen. Er musste ein Held sein, obwohl er das Kämpfen verabscheute und womöglich konnte er sich nicht einmal aussuchen, mit wem er sein Leben verbringen wollte…
    Resigniert aufseufzend wandte sich der Recke der lilafarbenen Tür zur Schattenkammer zu. Warum verschwendete er eigentlich auch nur einen Gedanken an diese Angelegenheit? Wenn es ihm vorherbestimmt war, konnte er sich noch so sträuben, es würde nichts ändern. Also konnte er sein Schicksal auch gleich annehmen.
    Außerdem gab es sicherlich Schlimmeres als ein Leben an der Seite einer wunderschönen Frau, die noch dazu reich und mächtig war… Zusätzlich war Zelda zumindest als Kind witzig und warmherzig gewesen – Charakterzüge, die er auch bei Shiek, der ja Zelda war, immer wieder hatte durchblitzen sehen.
    Ja, vielleicht war sein Schicksal bei genauerer Betrachtung eigentlich gar nicht so schlimm…
    Dennoch konnte Link ein unbestimmtes Gefühl von Unbehagen nicht abschütteln, als er den Türknauf herumdrehte und das nächste Zimmer betrat.


    Die Kammer der Schatten schien auf den ersten Blick vollkommen leer und ungefährlich zu sein. Lediglich ein Altar mit dem aufgebahrten Medaillon stand mitten im Raum und lud dazu ein, sich das heilige Artefakt zu schnappen und dann wieder gelassen aus dem Zimmer zu schlendern.
    Es war genau diese offenkundige Harmlosigkeit, die Link stutzig machte und innehalten ließ. Schnell steckte er eine Hand in seinen verzauberten Lederbeutel und holte einen der Deku-Kerne hervor, die er als Kind als Munition für seine Schleuder benutzt hatte.
    Dann warf er den Kern nach vorn und beobachtete gespannt, wie dieser über die steinernen Fliesen rollte und plötzlich in den Boden hinein fiel.
    „Wusste ich’s doch!“, triumphierte der Herr der Zeiten stumm und holte das Auge der Wahrheit hervor. Obwohl der Fluch, der auf dem Shiekah-Relikt lastete, nur einmal bei Link zugeschlagen hatte und dieser seitdem dagegen immun zu sein schien, war der junge Mann noch immer jedes Mal nervös, wenn er das magische Auge benutzte.
    Zu seiner großen Erleichterung blieben die wispernden Gespensterstimmen, die den Fluch damals begleitet hatten, auch dieses Mal wieder stumm und er behielt die Oberherrschaft über seinen Geist und Körper.
    Ein blendet weißer Blitz zerriss Links Blickfeld, bevor sich der Blick des Abenteurers für magische Illusionen schärfte und er erkennen konnte, dass weite Teile des Steinbodens in Wirklichkeit gar nicht da waren. Nur ein schmaler, gewundener Pfad führte zu dem Altar herüber, neben dem dank des Auges der Wahrheit eine große Holztruhe sichtbar geworden war.
    Sich das Shiekah-Artefakt vors Auge haltend balancierte Link langsam und vorsichtig zu dem Altar herüber. Neben dem Steinsteg, der nur in etwa so breit war wie Links Unterarm lang, ging es mehrere Meter in die Tiefe und der Boden schien von spitzen Speeren und Pfählen bedeckt zu sein.
    Vor Konzentration standen dem Recken dicke Schweißperlen auf der Stirn, als er endlich das Plateau mit dem Altar erreichte. Ein paar Herzschläge lang atmete Link einfach nur tief durch, dann wandte er sich dem Medaillon und der Truhe zu.
    Was von beidem sollte er zuerst in Augenschein nehmen?
    Seine Erfahrung sagte ihm, dass die Truhe womöglich eine Falle war. Trotzdem riet ihm eine innere Stimme, sie zuerst zu öffnen.
    Für einige Sekunden war der Herr der Zeiten hin und her gerissen, dann entschied er sich, seiner inneren Stimme zu vertrauen und trat kräftig gegen das Truhenschloss, das sofort aufsprang und den Blick auf den Truheninhalt freigab.
    Auf einem in rote Seide eingeschlagenen Kissen lagen… die Krafthandschuhe!
    Link glaubte seinen Augen kaum!
    Es gab zwei Paar Krafthandschuhe?!
    Bei genauerem Hinsehen entdeckte der Abenteurer jedoch ein paar Unterschiede zwischen den Handschuhen, die er soeben gefunden hatte und jenen, die er im Geistertempel an sich gebracht hatte. Während der Rücken von letzteren mit versilberten Drachenschuppen besetzt gewesen war, glänzte der neue Fund golden. Außerdem war der Rubin, der diese Handschuhe verzierte, noch ein wenig größer und dunkler als der auf den Krafthandschuhen.
    Ob diese Handschuhe den gleichen Effekt hatten wie die anderen?
    Dann könnte er den Gesteinsbrocken im Feuer-Raum bewegen, sobald Navi mit einem Heilmittel für seinen Arm zurückkehrte und er an der linken Hand wieder einen Handschuh tragen konnte!
    Neugierig zog Link sich den verbliebenen Handschuh aus und taumelte augenblicklich unter einem leichten Schwächeanfall. Er hatte ganz vergessen, wie viel Energie von den Krafthandschuhen ausgehend durch seinen Körper floss. Offenbar hatte es eine Art Entzugserscheinungen zur Folge, wenn man das alte Gerudo-Artefakt für längere Zeit getragen hatte.
    Der Herr der Zeiten holte tief Luft, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen, und griff nach dem rechten der neu gefundenen Handschuhe. Ihm war etwas mulmig dabei zumute, ein Relikt zu benutzen, das er in Ganondorfs Reich gefunden hatte. Aber da er keine Ahnung hatte, wie er ohne ein intaktes Paar Krafthandschuhe an das Medaillon des Feuers kommen sollte, war die Hoffnung größer als die Vorsicht.
    Und tatsächlich!
    Kaum dass Link in den Handschuh geschlüpft war, rollte eine riesige Energiewelle über ihn hinweg – so heftig, dass es ihn buchstäblich umhaute und er sich am Rand der Schatztruhe festklammern musste, um nicht ohnmächtig zu Boden zu gehen. Es fühlte sich an als schwöllen sämtliche Muskeln seines Körpers an, bis sie vor Kraft nur so strotzten.
    Was immer dies für Handschuhe waren, sie verfügten über deutlich mehr Macht als die Krafthandschuhe!
    Link keuchte heftig, als das Gefühl in Flammen zu stehen endlich wieder abflaute und er mit zitternden Fingern den zweiten goldenen Handschuh für später in seinen Wunderbeutel steckte.
    Dann schnappte er sich das Medaillon der Geister vom Altar und rechnete fest damit, dass der Pfad zurück zur zentralen Halle einzustürzen beginnen würde. Zu seiner großen Überraschung passierte jedoch nichts dergleichen. Offenbar hatte die Herausforderung der Schattenkammer lediglich im Durchschauen der Illusion und einem Balanceakt bestanden. Eine willkommene Abwechslung!
    Während er sich vorsichtig zurück zur Tür begab, hörte er Impas Stimme in seinem Kopf: „Rette die Prinzessin!“ Link nickte zur Antwort lediglich und schickte sich an, das vorletzte Medaillon in das Tablett einzusetzen.
    Irgendwie verärgerte ihn Impas Wunsch, ohne dass er genau sagen konnte, warum. Vielleicht hatte es etwas damit zu tun, dass er sowieso keine andere Wahl hatte als Zelda zu retten…


    In einigen Kilometern Entfernung beobachtete Navi derweil wie die Vettel von dem Ladenbesitzer geradezu überschwänglich begrüßt wurde: „Asa, meine Liebe – welch Ehre! Was darf ich heute für dich tun?“
    Navis Mundwinkel zuckten unwillkürlich nach oben, als die steinalt wirkende Frau den Mann nur mit einem gelangweilten Blick bedachte und, ohne auf seinen einschleimenden Ton einzugehen, forderte: „Ich brauche sechs Echsalfos-Klauen, dreizehn Dekuranha-Zähne, eine Oktorok-Leber und…“ Ihr Blick fiel auf Navi, der es sogleich eiskalt den Rücken herunterlief. „… und eine Fee“, schloss die Alte.
    Navi schüttelte heftig mit dem Kopf, schrie und tobte, aber weder Verkäufer noch Kundin schienen davon Notiz zu nehmen.
    „Aber natürlich, Asa“, flötete der Ladenbesitzer widerlich vergnügt und machte sich sogleich daran, die gewünschten Artikel zusammenzusuchen. Als er die Flasche, in der Navi gefangen war, auf den Tisch stellte, versuchte die Fee erneut durch wildes, ausladendes Gestikulieren auf sich aufmerksam zu machen, aber ohne Erfolg. Es kam ihr beinah so vor als starrte die Vettel ganz bewusst in eine andere Richtung.
    Als der Verkäufer auch die letzten geforderten Waren herangeschafft hatte, steckte die die alte Frau alles in einen Beutel aus grobem Leinen und Navi gab auf. Es war als würde irgendetwas in ihr zerbrechen und sie hatte plötzlich nicht mehr die Kraft, weiterhin zu kämpfen.
    Resigniert setzte sie sich auf den Flaschenboden und dachte seltsam ruhig: „Das war’s dann also. Ich werde als Zutat für irgendeinen Zaubertrank enden.“ Sie stieß einen langgezogenen Seufzer aus und fügte dann in Gedanken gehässig hinzu: „So wie die Alte aussieht, wird sie mich bestimmt für einen Verjüngungstrank töten. Dabei ist da sowieso schon Hopfen und Malz verloren…“
    Die Fee hörte wie einige Rubine klimpernd den Besitzer wechselten, dann schien die Erde plötzlich zu beben und zu schwanken, als Asa sich wieder in Bewegung setzte und den Laden verließ.


    Etwa zur gleichen Zeit schlug Link frustriert die Tür zum Feuer-Raum hinter sich zu. Er hatte gehofft, die Macht seiner neuen Handschuhe sei groß genug, den störenden Gesteinsbrocken mit nur einer Hand bewegen zu können. Jedoch hatte sich diese Hoffnung als falsch erwiesen…
    So lange Navi nicht zurück und sein Arm wieder verheilt war, saß der Herr der Zeiten fest. Er konnte weder die Festung verlassen, noch das Kraftfeld lösen, das ihn daran hinderte, zu Ganondorf vorzudringen.
    Genervt ließ sich der junge Mann an der Wand entlang zu Boden gleiten und starrte missmutig auf seine Stiefelspitzen, wobei er ein paar kleine Glassplitter entdeckte, die sich in der Kammer des Lichts in das dicke Leder gebohrt hatten. Mit flinken Fingern zog er die Splitter heraus und ließ sie neben sich zu Boden fallen, während er sich ärgerlich fragte, wo seine Begleiterin bloß blieb.
    Sie wusste doch, dass die Zeit drängte!
    Für einen Moment ließ die Sorge, Navi könnte etwas passiert sein, sein Herz sich bang zusammenkrampfen, aber er schob den Gedanken bestimmt zur Seite. Er durfte die Hoffnung nicht aufgeben, dass sie bald wieder auftauchen würde.
    Wenn er sich jetzt auch noch fragte, ob seine Freundin womöglich in der Klemme steckte, würde er den Verstand verlieren, da war er sich sicher.


    Der Weg zu Asas Haus war ziemlich lang – selbst wenn man den altersbedingt langsamen Gang der Vettel berücksichtigte – daher nahm Navi an, dass die Alte am Rand der Kleinstadt lebte. Einen Moment lang überlegte die Fee, ob Asa schon immer in Kakariko gelebt hatte oder erst nach dem Fall von Hyrule-Stadt hierher umgezogen war. Doch als die alte Frau die Tür zu ihrem Heim aufstieß, entschied Navi, dass Asas Herkunft ihr völlig egal war.
    Die Alte legte ihren Einkaufsbeutel auf dem Esstisch ab und holte sogleich Navis Flasche heraus, um die Fee neugierig zu betrachten. Navi erwiderte ihren Blick aus trüben, müden Augen, machte sich aber nicht die Mühe aufzustehen oder gar zu rufen.
    Es wäre ja doch sinnlos…
    Asa zog die Augenbrauen zusammen als wäre sie irritiert und sagte dann: „Du flatterst ja gar nicht mehr umher wie ein aufgeregtes Glühwürmchen!“ Beim Sprechen entblößte sie grauschwarze Zahnstummel, die Navi furchtbar anwiderten. Doch das war nicht der Grund, weshalb sich die Fee bei diesen Worten abwandte und mit zu Fäusten geballten Händen an die Wand starrte. Die Ursache hierfür war vielmehr Wut!
    Hatte die Alte es etwa amüsant gefunden wie sie verzweifelt um Aufmerksamkeit gekämpft hatte?!
    Navis Zorn verrauchte jedoch sogleich wieder, als die Vettel die Flasche entkorkte und sie aufforderte, herauszukommen: „Raus mit dir. Du hast doch eine Aufgabe zu erfüllen oder irre ich mich da?“ Die Stimme der Alten klang so rau und heiser, dass Navi sich für sie räuspern wollte.
    Ein wenig misstrauisch, aber vor allem neugierig schwebte die Fee aus dem Flaschenhals empor in die Freiheit. Wie gut es tat, endlich wieder frische Luft zu atmen!
    Navi tat ein paar tiefe Atemzüge, dann wandte sie sich mit kraus gelegter Stirn Asa zu: „Woher weißt du von meiner Aufgabe?“
    Die alte Frau lachte keckernd und machte eine Armbewegung, die auf das gesamte Innere ihres Heims deutete. „Sieh dich um“, forderte sie, „dann wirst du es bestimmt verstehen.“
    Navi ließ ihren Blick durch das kleine, aus nur einem einzigen Raum bestehende Haus schweifen und staunte nicht schlecht, als sie große Kessel mit dubios wirkendem Inhalt sowie unzählige Regale entdeckte, die bis zum Bersten mit allerlei Zaubermaterialien gefüllt waren.
    „Du bist eine Hexe?“, schlussfolgerte die Fee zaghaft und atmete erleichtert auf, als Asa nickte. Irgendwie machte die Alte ihr Angst, obwohl sie ihr bislang nur Freundlichkeit entgegen gebracht hatte – zumindest seit sie allein waren.
    Asa sah Navi erwartungsvoll an als würde sie auf weitere Eingebungen der Fee warten, aber diese starrte bloß verwirrt zurück und fragte dann: „Das ist ja… äh… schön, aber was hat das mit meiner Aufgabe zu tun?“
    Erneut ließ die Vettel ihr seltsames Lachen erklingen, das wie eine Mischung aus auf einander klackende Steine und einem pfeifenden Teekessel klang, und mutmaßte: „Du weißt nicht viel über Hexen, oder?“
    Navi wollte gerade einwerfen, dass die einzigen Hexen, denen sie je begegnet war, die Twinrova gewesen waren, als Asa auch schon abwinkte und murmelte: „Eigentlich sollte mich das nicht verblüffen, schätze ich. Seit die grässlichen Gerudo-Hexen unseren Berufsstand in Verruf gebracht haben, verbringen meine Schwestern und ich unser Leben im Verborgenen.“
    Die Alte ließ sich schwer auf einen Stuhl fallen und betrachtete die Fee vor sich aus erstaunlich wachen Augen. „Aber früher, musst du wissen, hat es viele Hexen in Hyrule gegeben. Sie entstammten den verschiedenen Geschlechtern unseres Landes und arbeiteten mit den Herrschern der verschiedenen Königshäuser zusammen, um den Frieden und Wohlstand in Hyrule zu bewahren. Und deswegen weiß ich auch von…“ Asa lächelte, als Navi wie vom Donner gerührt aus der Wäsche guckte und rief: „Von Links Queste!“
    „Genau.“ Die Hexe nickte bedächtig. „Vor sieben Jahren stand plötzlich Impa auf meiner Schwelle und berichtete mir, was passiert war: Ganondorf hatte das Triforce-Fragment der Kraft an sich gerissen und war zum Großmeister des Bösen geworden; Zelda war mit Hilfe uralter Shiekah-Magie als ein Junge aus Impas Volk getarnt worden und der Herr der Zeiten war unauffindbar.“
    „Das Master-Schwert hatte ihn gebannt“, erklärte Navi. „Er wurde von der heiligen Klinge in einen siebenjährigen Schlaf versetzt, weil er zu jung war, um sie zu führen.“
    Die Alte nickte erneut. „Ja, das erklärt so manches.“ Dann fügte sie nach einer kurzen Pause mit einem erneuten Blick auf Navi an: „Aber Impa kam damals nicht nur zu mir, um einen netten Plausch zu halten und mich auf den neuesten Stand der Dinge zu bringen. Sie hatte in erster Linie eine Aufgabe für mich.“
    Navi folgte gespannt Asas ausgetrecktem Arm, als diese auf eine riesige, handgemalte Karte Hyrules deutete, die an eine Wand genagelt worden war. Fasziniert bemerkte Navi, dass auf der Karte zwei farbige Punkte funkelten: ein großes, grünes Licht befand sich innerhalb des ehemaligen Schloss Hyrules und ein kleinerer, blauer Lichtpunkt leuchtete am Rand von Kakariko.
    Mit vor Überraschung geweiteten Augen wandte sich Navi wieder der Hexe zu, die abermals nickte. „Ganz recht. Impa hat mich damals gebeten, einen Ortungszauber für den Herrn der Zeiten und seine Begleiterin zu sprechen, damit wir sie schnellstmöglich finden würden.“
    „Deswegen wusste Shiek… ich meine, Zelda auch immer, wo wir uns befanden!“ Navi fühlte sich wie vom Blitz getroffen. Asa grinste breit, sagte aber nichts dazu. Stattdessen fragte sie: „Aber möchtest du mir nicht erklären, was du im hiesigen Zauberladen gemacht hast? Ich muss gestehen, ich war etwas irritiert, als ich die Position deines Lichtes auf der Karte gesehen habe.“
    Dieses Mal war es die Fee, die nickte, bevor sie die Situation schnell zusammenfasste. Sie berichtete, wie Link sich verletzt hatte, dass sie sich aufgemacht hatte, um eine Feenweise zu finden und wie der Zauberladenbesitzer sie dabei gefangen genommen hatte.
    „Verstehe“, war der einzige Kommentar, den Asa zu Navis Geschichte abgab. Dann hievte sie sich schwerfällig wieder auf die Beine und schlurfte zu dem Kessel herüber, dessen Inhalt im Kaminfeuer munter vor sich hin blubberte.
    „Dann trifft es sich ja gut, dass ich heute erst ein wenig blaues Elixier gekocht habe.“ Die Alte nahm sich eine leere Flasche aus einem Regal und füllte sie mit Hilfe eines Schöpflöffels randvoll mit einer dunkelblauen Flüssigkeit.
    Navi, die sich ihr neugierig über die Schulter geschaut hatte, verzog angewidert die Lippen. „Was ist das denn für ein Gebräu? Sieht ja giftig aus!“ „Es schmeckt auch ziemlich ekelhaft“, räumte Asa ein, „aber es heilt sämtliche Verletzungen. Ein Schluck genügt schon, um erste Verbesserungen zu spüren.“
    „Das ist ja sagenhaft!“ Navis Miene leuchtete auf vor Begeisterung, doch dann trübten sich ihre Gesichtszüge wieder. „Aber die Flasche ist viel zu schwer für mich. Die kriege ich niemals bis zu Ganondorfs Festung herüber geschleppt…“
    Ein schelmisches Funkeln trat in Asas Augen, als sie Navi spielerisch tadelte: „Na, na! Du vergisst, wem du gegenüberstehst.“ Als die Fee sie daraufhin verständnislos ansah, lächelte die Hexe nur und sagte: „Du wirst die Flasche nur kurz festhalten und an deinen Freund denken müssen. Denk ganz fest an ihn, so dass du ihn regelrecht vor dir siehst.“
    Navi war noch immer hochgradig irritiert, klammerte sich aber ohne weitere Fragen an die warme Flasche und kniff die Augen zusammen, um sich besser auf ein Bild von Link konzentrieren zu können.
    Dann spürte sie wie sie mit etwas pudrigem bestäubt wurde und hörte Asa leise murmeln: „Hylia, Göttin von Zeit und Raum, Mutter unseres Landes, trag dein Kind auf Windesschwingen an den Ort, den sein Herz begehrt.“
    Die alte Hexe schnippte mit den Fingern und plötzlich schien alles Licht der Welt um Navi herum zu explodieren. Die Fee fühlte sich als wäre sie auf einmal in der Mitte eines Strudels und sie klammerte sich mit aller Kraft an die Flasche mit dem blauen Elixier.


    Nur Sekunden später schien sich die Welt um die Fee herum wieder beruhigt zu haben, doch sie traute sich nicht, die Augen aufzuschlagen, bis sie Links irritierte Stimme hörte: „Navi?!“
    Vorsichtig hob die Angesprochene ein Augenlid und entdeckte ihren Schützling, der gegen die Wand gelehnt auf dem Boden saß und offenbar gerade eine Rast eingelegt hatte. Neben ihm stand eine fast gänzlich geleerte Flasche Lon-Lon-Milch und auf seinem Schoß hatten sich einige Brotkrumen gesammelt.
    Bei seinem Anblick drückte sich ein Schluchzer Navis Kehle hinauf – zum einen vor Erleichterung, dass sie es endlich zu ihm zurück geschafft hatte, zum anderen, weil er wahrhaft übel zugerichtet aussah. Sein Gesicht war über und über mit kleinen Kratzern bedeckt und zusätzlich durch vier tiefe Schnitte entstellt, auf seiner Schulter klaffte offensichtlich eine Bisswunde und das rohe Fleisch seines verbrannten Armes, den er wieder aus dem provisorischen Verband befreit hatte, um etwas Luft an die Wunde zu lassen, sah bereits leicht entzündet aus.
    Gegen Tränen anblinzelnd flog Navi zu ihrem Freund herüber und verkündete strahlend: „Ich hab dir blaues Elixier mitgebracht!“
    Der Herr der Zeiten nahm ihr die Flasche ab, sobald sie in Reichweite war und betrachtete sie mit einem fragenden Ausdruck in den Augen. „Äh… danke, nehm ich an. Aber was genau ist blaues Elixier?“
    Bei der verwunderten Miene ihres Schützlings musste Navi unwillkürlich lachen. Sie war unendlich froh, dass sie es noch rechtzeitig zu ihm zurück geschafft hatte! Wenn Ganondorf endlich besiegt war, würde sie zu Asa zurückkehren und sich gebührend bedanken!
    Nachdem ihr Anfall spontanen Amüsements vorüber war, erklärte Navi Link schnell, was blaues Elixier war und wie sie überhaupt an so etwas Seltenes gekommen war. Während er ihr zuhörte, weiteten sich Links Augen immer mehr und er ballte wütend die Hände zu Fäusten. „Diesem Zauberladen-Heini werd ich was erzählen, wenn wir das nächste Mal in Kakariko sind!“
    Navi schmunzelte über seine Worte und deutete dann auf die Flasche in seinen Händen. „Mach dir darüber mal keinen Kopf. Ich hab es ja trotzdem geschafft, zurückzukommen. Trink lieber dein Elixier.“
    Irgendwie hatte Navi fast damit gerechnet, dass Link noch ein wenig über den Ladenbesitzer schimpfen würde, aber stattdessen setzte er die Glasflasche mit dem blauen Inhalt an seine Lippen und trank sie in einem Zug halb leer. Dann verzog er angewidert das Gesicht und machte ein würgendes Geräusch, wobei er die Zunge herausstreckte. Navi bemerkte amüsiert, dass die Oberfläche seiner Zunge nun leicht blau war.
    „Uargh… Das schmeckt ja wirklich schauderhaft…“ Link schüttelte sich heftig, aber jeder Gedanke an den Geschmack des Gebräus war vergessen, als sich seine Wirkung zeigte. Innerhalb von Sekunden hatten sich sämtliche Wunden geschlossen. Dort, wo noch einen Augenblick zuvor rohes Fleisch zu sehen gewesen war, zeigte sich nun neue, zart rosafarbene Haut.
    „Es mag widerwärtig schmecken, aber es wirkt“, stellte Navi überflüssigerweise fest und lächelte ihren Schützling breit an. Dieser starrte fasziniert auf die Flasche in seinen Händen und rief: „Das ist ja ein tolles Zeug!“
    Dann schien ihm plötzlich etwas einzufallen und er verstaute das Elixier schnell im Wunderbeutel. Im Austausch holte er dabei den zweiten Handschuh, den er in der Kammer der Schatten gefunden hatte, wieder hervor.
    Als Navi den neuen Ausrüstungsgegenstand sah, klappte ihr der Mund auf und sie stieß verblüfft aus: „Wo hast du denn die Titanenhandschuhe gefunden?! Ich wusste nicht mal, dass es sie tatsächlich gibt und sie nicht nur ein Märchen sind!“
    Link betrachtete seine neuen, goldenen Handschuhe mit verhaltenem Interesse und zuckte dann mit den Schultern. „Hab sie in der Schattenkammer gefunden.“ Navi sah ihn entgeistert an. „Ganondorf lässt die Titanenhandschuhe einfach unbewacht herumliegen? Die Titanenhandschuhe?! Und was viel wichtiger ist“, fügte sie aufgebracht hinzu, „du ziehst einfach so einen Ausrüstungsgegenstand an, den du in der Festung deines Erzfeindes findest?“
    Der Herr der Zeiten sprang lachend auf die Füße. Er fühlte sich plötzlich wieder ganz wunderbar, so als hätte das blaue Elixier nicht nur seine Wunden geheilt sondern auch seine geistigen Reserven wieder ein bisschen aufgefüllt.
    „Ich hatte meine Gründe“, versicherte er seiner Fee, die ihn noch immer fassungslos anstarrte. „Außerdem ist alles gut gegangen. Also hör auf, dich aufzuregen und komm lieber mit. Wir haben ein Kraftfeld zu brechen!“ Mit diesen Worten lief Link beschwingt in Richtung des Feuer-Raums davon und Navi musste sich sputen, ihn wieder einzuholen.
    Glücklicherweise hatte die Feuerkammer keine weiteren Überraschungen mehr auf Lager und Link konnte das Medaillon des Feuers problemlos an sich nehmen, nachdem er den störenden Felsblock aus dem Weg geräumt hatte. Kaum, dass sich seine Finger um das Medaillon geschlossen hatten, ertönte Darunias Stimme hinter seiner Stirn: „Jetzt hast du es fast geschafft, Bruder.“
    So schnell er konnte, setzte Link auch noch das letzte Medaillon in die dafür vorgesehene Vertiefung ein und beobachtete mit einiger Genugtuung wie das Kraftfeld in sich zusammenfiel.
    Jetzt konnte es endlich weitergehen!

    ZF-Signatur-2.jpg

    Avatar-Artwork von mokke; Signatur-Artwork von Kamui Fujiwara (official artwork)

  • Der Teufelsturm

    Den beiden Abenteurern war gehörig mulmig zumute, als sie durch das aufgerissene Maul des Drachen den Turm betraten. Doch trotz ihres Unwohlseins konnte Navi nicht umhin, die Steinmetzkunst des Tores zu bewundern. Wer immer das Gestein bearbeitet hatte, hatte wirklich eine Glanzleistung abgeliefert.


    Das Drachenmaul war so detailreich gestaltet, dass Navi sich nicht gewundert hätte, wenn man sich an den spitzen Zähnen tatsächlich hätte verletzen können. Dementsprechend dankbar war die Fee, dass es zwischen den Fängen reichlich Platz gab, sodass Link keine Gefahr lief, sich an einem der Zähne das Bein aufzuschlitzen.


    Durch das Drachenmaul gelangten die Beiden in einen nur schlecht beleuchteten, runden Raum, der bis auf wenige Fackeln und einigen entlang der Wände aufgestellten Rüstungen vollkommen leer zu sein schien. Das Wichtigste war jedoch die mit einem dicken roten Teppich ausgelegte Treppe, die sich in einem weiten Bogen zum nächsten Stockwerk nach oben wand.


    Während Link zu einer der Rüstungen hinüberging, lauschte Navi auf die schaurige Orgelmusik, die deutlich lauter geworden war, seit sie den Turm betreten hatten. Irgendwie war die Vorstellung, dass Ganondorf gemütlich dort oben in seinem Turmzimmer hockte und Orgel spielte, während der Herr der Zeiten sich durch seine Festung kämpfte, obskur.


    Der Großmeister des Bösen musste sich seiner selbst verdammt sicher sein, wenn er angesichts der Fortschritte, die sein Feind bereits gemacht hatte, noch immer in Seelenruhe seiner Musik frönen konnte…


    Link hatte unterdessen die Rüstung erreicht und legte nachdenklich den Kopf schief. Die Rüstung bestand aus einem stählernen Helm, einem ebenso stählernen, massiven Brustharnisch mit passenden Arm- und Beinschützern, sowie aus Überresten erlesenen Stoffes in den Farben der hylianischen Königsfamilie.


    Irgendwie empfand Link die Anwesenheit dieser Rüstungen als bedrohlicher als alles andere, das er in der Festung bereits gesehen hatte.


    „Hmm… Ganondorf hat auf mich nie den Eindruck eines Kunstsammlers gemacht“, sagte der junge Mann mehr zu sich selbst als zu seiner Begleiterin und streckte die Hand aus, um den Helm, der zu weit nach unten gerutscht war, wieder zu richten. Doch kaum, dass er die Kopfbedeckung angehoben hatte, riss er seine Hand auch schon wieder mit einem entsetzten Aufschrei zurück.


    Sofort war Navi an seiner Seite und sah sich besorgt nach einer Bedrohung um. „Was ist los?“, fragte sie nervös, als sie keinen Angreifer entdecken konnte. Links Gesicht war aschfahl, als er zu ihr aufsah, sodass die frischen, noch leicht rötlichen Narben auf seiner Wange besonders deutlich hervorstachen. „D-Da steckt noch jemand drin.“ Die Stimme des Recken zitterte heftig, aber das schien ihm völlig egal zu sein.


    „Wie ‚da steckt noch jemand drin‘? Was meinst du damit?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, stemmte die Fee den Helm der Rüstung ein wenig nach oben und stieß einen spitzen Schrei aus, als auch sie den Schädel entdeckte, an dem noch immer Reste dunkelblonden Haares klebten.


    „Bei den Göttinnen, ist das ekelhaft!“ Obwohl der Anblick des fast vollständig verwesten Kopfes zu den widerlichsten Dingen gehörte, die Navi in ihrem Leben je gesehen hatte, ging eine morbide Faszination von ihm aus und die Fee musterte Links Fund neugierig. „Meinst du, alle Rüstungen hier sind in Wirklichkeit die Wachen, die vor sieben Jahren das Schloss beschützt haben?“


    „Darüber will ich, ehrlich gestanden, überhaupt nicht nachdenken.“ Link stand mit verschränkten Armen mitten im Raum und sah aus als würde er am liebsten davon rennen.


    Obwohl er wusste, dass sein Vater bereits vor fast 20 Jahren, kurz nach Links Geburt, gestorben war, konnte sich der junge Mann nicht der Vorstellung erwehren, in einer dieser Rüstungen könnten die Überreste seines Vaters stecken. Auch wenn er sich an seine Eltern nicht erinnern konnte, ließ allein dieser Gedanke sein Herz schmerzhaft krampfen.


    Navi warf ihm wegen des merkwürdigen Untertons in seiner Stimme einen Blick über die Schulter hinweg zu und schien seine Gedanken zu erraten: „Dein Vater war auch Soldat, oder?“ Sie ließ endlich den Helm los und flog zu ihrem Schützling herüber.


    „Ein Hauptmann der königlichen Garde, ja“, antwortete Link tonlos. „Das ist zumindest das, was mir der Deku-Baum erzählt hat.“


    Während sie sich daran machten, die Treppe in das nächste Stockwerk zu erklimmen, musterte Navi ihren Freund von der Seite und erschrak fast darüber wie verschlossen sein Gesicht plötzlich wirkte. Offenbar waren seine Eltern ein Thema, mit dem er sich nur ungern beschäftigte und noch viele unverarbeitete Gefühle im Hintergrund lauerten.


    Nach einigem Zögern fragte die Fee dennoch: „Erinnerst du dich überhaupt nicht an sie? Deine Eltern, meine ich.“


    Link blieb abrupt stehen und atmete tief durch. Dann antwortete er mit einem nach innen gewandt wirkenden Blick: „Jedenfalls nicht bewusst. Manchmal, wenn ich mich in dieser merkwürdigen Übergangsphase zwischen Schlaf und Wachsein befinde, glaube ich, ihre Stimmen zu hören. Aber ich weiß natürlich nicht, wie viel davon tatsächlich auf unbewussten Erinnerungen beruht und wie viel lediglich meiner Phantasie entspringt.“


    Navi machte ein mitfühlendes Gesicht und fragte sich wieder einmal, was schlimmer war: Sich daran zu erinnern wie man seine Familie verloren hatte oder völlig ohne Erinnerungen an seine Verwandten zu sein?


    Mit einem Seufzen setzte Link sich wieder in Bewegung und überraschte Navi, indem er ohne weitere Aufforderung anfügte: „Und manchmal träume ich von meiner Mutter, glaube ich. Wenn ich dann aufwache, verschwimmt ihr Gesicht sofort wieder vor meinen Augen und ich erinnere mich wieder an nichts. Zurück bleibt dann nur ein komisches Gefühl verlassen worden zu sein.“


    Nach dieser Offenbarung schwiegen die beiden Abenteurer und hingen ihren eigenen Gedanken nach. Während Navi versuchte, sich in die Gefühlswelt ihres Schützlings zu versetzen, bemühte Link sich verzweifelt, eine Erinnerung an seine Eltern zu erzwingen. Irgendwie fühlte er sich wie ein Verräter, weil er ihre Gesichter nicht kannte. Er wusste ja nicht einmal ihre Namen…


    Die Zwei hatten die Treppe bereits fast gänzlich erklommen, als Navi plötzlich wie aus dem Nichts fragte: „Würdest du gerne mehr über deine Eltern erfahren?“ Link warf ihr einen etwas irritierten Seitenblick zu. „Natürlich. Aber wen sollte ich fragen? Ich kenne niemanden, der Kontakt zu meinen Eltern gehabt haben könnte.“


    „Salia hat zumindest deine Mutter kurz gesehen, als diese dich ins Kokiri-Dorf gebracht hat“, wandte die Fee ein, als sie sich an dieses Detail aus der Erzählung des Deku-Baums erinnerte. Link nickte, wirkte dabei jedoch ziemlich resigniert. „Stimmt. Aber seit sie sich als die Weise des Waldes entpuppt hat, kann ich schlecht zu ihr gehen und einen Plausch über meine Mutter halten.“


    Navi wusste selbst nicht, warum sie das Thema nicht einfach auf sich beruhen lassen konnte. Vielleicht war es der verloren wirkende Ausdruck in Links Augen, der sie dazu brachte, ihn um jeden Preis trösten zu wollen. Nach einem letzten Strohhalm greifend schlug sie vor: „Wenn Ganondorf besiegt ist, könnten wir in Kakariko ein wenig herumfragen. Vielleicht lebt dort ja jemand, der früher in der Nähe deiner Eltern gewohnt hat und sich noch an deine Familie erinnert!“


    Trotz der Leere, die er empfand wann immer er an seine Eltern dachte, musste der Herr der Zeiten bei diesen Worten lächeln. Navi war wirklich eine wunderbare Freundin. Sie hätte sich eigenhändig das Herz herausgerissen, wenn sie ihn damit hätte retten können, das wusste er.


    Mit vor Rührung belegter Stimme antwortete er daher: „Ja, das können wir tun. Danke.“ Die Fee lief rot an und machte eine unwirsche Handgeste. „Ach, wofür denn?“


    Die Antwort blieb Link ihr jedoch schuldig, da sich in diesem Moment plötzlich Feuerflatterer von Decke auf sie stürzten. „Woa! Wo zum Deku kommen diese Biester plötzlich her?!“ Sein Schwert schwingend bemühte sich der Kämpfer nach Kräften, die angriffslustigen Feuerfledermäuse von sich und seiner Fee fernzuhalten, während sie sich so schnell wie möglich auf die Tür am Ende der Treppe zu bewegten.


    Glücklicherweise waren die geflügelten Monster nicht besonders intelligent, sodass sie im Schwarm angriffen anstatt sich aufzuteilen und von allen Seiten zu kommen. So gelang es den beiden Abenteurern tatsächlich, sich in den nächsten Raum zu retten, ohne verletzt zu werden.


    Doch leider war ihnen auch dort keine Atempause vergönnt…




    Kaum dass die Tür hinter den Beiden ins Schloss gefallen war, kam von der anderen Seite des Raumes ein Echsalfos auf sie zu. Weder Link noch Navi hatten je ein derart großes und kräftiges Exemplar gesehen wie dieses. Zudem erschien dieser Echsenkrieger auch noch deutlich intelligenter zu sein als seine Artgenossen, was dem Herrn der Zeiten einen eisigen Schauer über den Rücken jagte.


    Der Echsalfos betrachtete ihn aus seinen seltsam klug wirkenden Schlangenaugen und sagte plötzlich: „Herr der Zzzzzeiten, sssssssseid gegrüsssssssst. Issss bin der erssssssste Wächter desssss Teufelsssssturmsssss. Beweissssssst mir eure Macht.“


    Hylianer und Fee tauschten einen verschreckten Blick. Seit wann konnten Echsalfos sprechen?!


    Link hatte jedoch keine Zeit, sich über dieses Phänomen den Kopf zu zerbrechen, da der Echsenkrieger mit gezücktem Schwert auf ihn zu sprang und ihm beinah den Brustkorb spaltete. Es war allein den schnelle Reflexen des inzwischen versierten Kämpfers zu verdanken, dass Link sich gerade noch rechtzeitig aus der Gefahrenzone drehen konnte. Dennoch zeigte ein langer Schnitt auf der Vorderseite seiner Goronenrüstung, wie knapp es er der Attacke ausgewichen war.


    „Hey! Ich brauch die Rüstung vielleicht noch!“ Link betrachtete das neue Loch in seiner roten Tunika, das den Blick auf eine Narbe freigab, die er sich im Schattentempel zugezogen hatte, als er beinah in die rotierenden Klingen einer unsichtbaren Sense gelaufen wäre.


    Der Echsalfos kniff die Augen ein wenig zusammen und zischte: „Hör auf, herumzzzzzzualbern und kämpf!“ „Ja, ja, ist ja schon gut!“ Link hoffte, er könnte den Echsenkrieger unvorsichtig machen, wenn er so tat als nähme er den Kampf überhaupt nicht ernst. Navi sah sich unterdessen ein wenig um, ob sie etwas entdecken konnte, dass ihrem Schützling im Kampf vielleicht nützlich sein könnte. Der Raum war jedoch bis auf einige Fackeln, die in reich verzierten Wandhalterungen steckten, vollkommen leer.


    Den nächsten Angriff blockte Link mit seinem Schild und versuchte eine Konterattacke, indem er unter dem unteren Rand des Schildes entlang schlug. Der Echsalfos schien jedoch etwas Derartiges geahnt zu haben und sprang rechtzeitig nach hinten.


    Dem Herrn der Zeiten standen die Haare zu Berge, als er sah wie schnell sich sein Kontrahent bewegte. Schon seine früheren Kämpfe gegen Echsenkrieger waren hart gewesen und dieser hier schien zu allem Überfluss auch noch eine Art Elitekämpfer zu sein.


    Trotzdem ließ Link sich nicht entmutigen und ging im Geist seine Ausrüstung durch: Welche Gegenstände hatte er dabei, die ihm in dieser Situation von Nutzen sein könnten? Er könnte zum Beispiel eine Deku-Nuss auf den Boden werfen und den Moment, in dem der Echsalfos geblendet sein würde, ausnutzen.


    Der Echsenkrieger schien jedoch seine Gedanken zu erraten und warnte: „Denk nisss mal dran! Sssssssobald du dein Ssssssschwert oder Ssssssssschild ssssssssinken lässssssst, um zzzzzu einem deiner kleinen Tricksss zzzzzzu greifen, hack isss dir den Arm ab!“


    Der Ausdruck in den vertikal geschlitzten Augen der Echse überzeugte Link von der Ernsthaftigkeit der Drohung. Für ihn selbst war ein Griff zu seinem Lederbeutel also nicht möglich. Aber vielleicht konnte ja Navi…?


    Hilfesuchend sah sich der Kämpfer nach seiner Begleiterin um, doch diese schien einen eigenen Plan zu verfolgen.


    Als sie gesehen hatte, wie gefährlich dieser Echsenkrieger war, hatte sie verzweifelt nach einer Möglichkeit gesucht, Link zu unterstützen. Er brauchte all seine Kraft für den Kampf gegen Ganondorf! Sie konnten es sich nicht erlauben, dass er hier wertvolle Energie und Zeit mit dieser Echse verbrauchte.


    Nach einer gründlichen Inspektion des Raums hatte die Fee schließlich einen großen Splitter entdeckt, der von einer der Fackeln abstand. Sie hatte ihr volles Körpergewicht aufwenden müssen, um den Splitter abzubrechen, war am Ende aber doch erfolgreich gewesen.


    Nun schwebte sie heftig keuchend vor der Fackel und entzündete den abgebrochenen Splitter an deren Feuer. Dann wandte sie sich um und sauste so schnell sie konnte, ohne dass die Flammen wieder erloschen, auf die beiden Kämpfenden zu.


    Link sah aus dem Augenwinkel wie Navi auf sie zu eilte und dabei einen Flammenschweif hinter sich her zog. Was hatte sie nur vor?


    Im ersten Moment konnte sich der Herr der Zeiten keinen Reim auf das Verhalten seiner Fee machen, doch dann kam ihm eine Idee und er drehte sich so, dass der Echsenkrieger seitlich zu Navi stehen musste, wenn er ihn weiterhin attackieren wollte. Als sie das sah, stahl sich ein breites Grinsen auf die Lippen der Fee. Allmählich verstanden ihr Schützling und sie sich ohne Worte.


    Nur Sekunden nachdem Link den Echsalfos dazu gebracht hatte, seine Position zu verändern, rammte Navi diesem den brennenden Holzsplitter tief ins Auge. Das Reptil kreischte laut auf und grünliches Blut spritzte der Fee ins Gesicht. Sich vor Schmerzen windend griff sich der Echsalfos an das verletzte Auge und versuchte, den Span herauszuziehen.


    Beeindruckt nahm Link zur Kenntnis, dass der Echsenkrieger sein Schwert noch immer umklammerte und offenbar bereit war, weiterzukämpfen. Der kurze Moment der Unaufmerksamkeit hatte dem Herrn der Zeiten jedoch gereicht, um sich in Schlagweite zu bringen.


    Bevor der Echsalfos registrieren konnte, in welch misslicher Lage er sich befand, hatte Link ihm auch schon das Master-Schwert bis zum Heft in die Kehle getrieben. Die heilige Klinge war am Nacken der Echse wieder ausgetreten und zähes, grünes Blut fiel in dicken Tropfen von seiner Spitze.


    Während er seine Waffe wieder aus dem toten Monster zog und sie mit der Mütze, die er zuvor als provisorischen Verband benutzt hatte, säuberte, lobte der Krieger seine Fee: „Danke, Navi. Das war wirklich gut mitgedacht.“


    „Ja, nicht wahr?“ Sie klatschte aufgeregt in die Hände und grinste von einem Ohr zum anderen. „Ich bin total begeistert, dass du sofort verstanden hast, was ich vorhatte! Ich hatte schon befürchtet, es würde viel schwieriger werden, dem Echsalfos den Splitter ins Auge zu rammen, aber du hast super mitgearbeitet. Wir sind ein absolutes Spitzenteam!“


    Link schmunzelte über Navis Begeisterung und steckte das Master-Schwert zurück. „Du wirst noch eine richtige Krieger-Fee!“ Diese lachte auf und folgte ihrem Freund zur nächsten Treppe, die in den zweiten Stock führte. „Und dabei haben sich meine Eltern immer gewünscht, ich würde eine Gelehrte.“


    Link stieß einen grunzenden Laut aus, als er daraufhin ein Lachen unterdrückte. „Was?“ Navi funkelte ihn bedrohlich von der Seite an. „Gar nichts.“


    Link warf ihr einen Seitenblick zu, während seine Mundwinkel unkontrolliert zuckten. Dann brach er schließlich in schallendes Gelächter aus und prustete: „Entschuldige, aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie du vor einer Klasse junger Feen stehst und sie mit der erhabenen Ruhe und Gelassenheit einer Gelehrten unterrichtest. Du würdest viel eher mit einem anderen Lehrer vor der versammelten Klasse raufen, weil er eine deiner Theorien in Frage gestellt hat!“


    Navi verengte die Augen zu Schlitzen und warf ihm einen bitterbösen Blick zu, bevor auch sie über diese Vorstellung lachen musste. „Das ist alles nur dein schlechter Einfluss!“, behauptete sie. „Bevor ich auf dich getroffen bin, war ich ruhig und besonnen und ein Muster an akademischer Ernsthaftigkeit!“


    Link lachte noch lauter und Navi betrachtete ihn mit einem Lächeln. Er war hübsch, wenn er lachte. Gut, dass er es trotz allem, was ihm bereits widerfahren war, noch nicht verlernt hatte. Vielleicht, überlegte die Fee mit einem Anflug von Stolz, war sie einer der Gründe, weshalb er noch lachen konnte. Womöglich hatte der Deku-Baum genau deswegen sie ausgewählt und nicht eine erfahrenere Fee, die dem Herrn der Zeiten mit besserem Rat hätte zur Seite stehen können.


    Vielleicht hatte der weise Deku-Baum schon damals geahnt, dass Link eine Freundin nötiger haben würde als eine Lehrerin…




    Die beiden Abenteurer scherzten noch immer miteinander, als sie den zweiten Stock erreichten und durch die nächste Tür schritten. Doch als Navi den verlassen wirkenden Raum sah, wurde sie plötzlich wieder ernst und warnte mit leiser Stimme: „Sei vorsichtig, Link. Irgendetwas stimmt hier nicht.“


    Der Herr der Zeiten blieb stehen und warf seiner Fee angesichts des friedlich wirkenden Zimmers einen fragenden Blick zu. „Hörst du wieder irgendwelche Stimmen?“ Bei dem latent amüsierten Unterton in seiner Stimme presste Navi die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. Sie wusste ja, dass es ihm die Vorstellung, dass selbst leblose Gegenstände wie Gebäude eine Seele hatten, aber hatte sie nicht oft genug bewiesen, dass sie sich diese Stimmen nicht nur einbildete?


    Trotzdem bemühte sie sich, dass man ihrer Antwort ihre Verstimmung nicht anmerkte. Sie wollte nicht streiten. „Nein“, sagte sie mit einem verstärkenden Kopfschütteln. „Hier spricht überhaupt nichts zu mir. Es ist einfach… Findest du es nicht auch verdächtig, dass dieser Raum so friedlich wirkt? Das schreit doch nach einer Falle!“


    Link verlagerte sein Gewicht auf das andere Bein und schien das Zimmer um sich mit neuen Augen zu sehen, während er sich an die Licht-Kammer erinnerte. Dort hatte auf den ersten Blick auch alles harmlos gewirkt, aber dann hatte sich der Raum als einer der schrecklichsten und bedrohlichsten erwiesen.


    Gerade als er Navi versprechen wollte, extra vorsichtig zu sein, erklang plötzlich schauriges Gelächter und ein Wandteppich, der Szenen aus der Gerudo-Mythologie zu zeigen schien, wurde ruckartig zur Seite gerissen. Dahinter kamen zwei Skelettkrieger zum Vorschein, die langsam mit gezückten Schwertern auf die beiden Abenteurer zuschritten.


    Link stieß einen leisen Fluch aus und griff nach seiner eigenen Waffe, während Navi auf seiner Schulter landete und ihn flüsternd erinnerte: „Denk dran, ihr Schwachpunkt sind ihre Halswirbel. Nur dort sind sie wirklich verletzlich. Ich werde versuchen, einen von beiden abzulenken, damit du dir den anderen in Ruhe vornehmen kannst.“


    Der Herr der Zeiten nickte, um seiner Fee stumm zu verstehen zu geben, dass er ihren Plan verstanden hatte. Dann erhob sich diese wieder in die Lüfte und sauste auf den hinteren Angreifer zu.


    Bevor sie ihn erreichen konnte, verneigten sich die beiden Skelette jedoch plötzlich vor Link und stellten sich vor: „Sei gegrüßt, Herr der Zeiten. Wir sind die Gebrüder Mykono. Früher waren wir die Leibwächter des hylianischen Königs, doch heute dienen wir dem großen Ganondorf. Wir gratulieren dir, dass du die ersten Prüfungen, die unser Meister dir auferlegt hat, bestanden hast. Aber hier ist deine Siegesserie vorüber. An uns kommst du nicht vorbei. Mach dich bereit, zu sterben!“


    Mit diesen Worten stießen sie beide gleichzeitig die gezackten Klingen ihrer Anderthalbhänder auf Link herab, der nur knapp noch rechtzeitig seinen Schild hochreißen konnte. Navi starrte unterdessen vollkommen verblüfft die beiden Skelette an.


    Das sollten die berühmten Gebrüder Mykono sein?


    Sie erinnerte sich, dass sie in einem Geschichtsbuch über die Brüder gelesen hatte. Sie waren hünenhafte Zwillinge gewesen, die in einem inzwischen verlassenen Dorf aus den Bergen am Rande Hyrules aufgewachsen waren. Die Krieger aus jener Provinz hatten seit jeher als besonders widerstandsfähig und stark gegolten – vielleicht, weil das raue Klima in den fast durchgängig von Schnee bedeckten Bergen sie von klein auf an abgehärtet hatte.


    Doch die Gebrüder Mykono hatten alle anderen Provinzkrieger noch überflügelt und galten bis heute als die besten Kämpfer, die Hyrule je gesehen hatte. Doch die Brüder waren bereits vor Hunderten von Jahren gestorben…


    Hatte Ganondorf etwa ihre Gräber geplündert?


    Bei der Vorstellung wurde der Körper der Fee von einem heftigen Schauer erfasst. Ihr Ekel wurde jedoch schnell von Sorge verdrängt, als sie sah wie die beiden Skelette ihren Schützling durch den Raum trieben. Die Brüder bewegten sich wie eine Einheit und mit derart fließenden Bewegungen, dass ihre Attacken fast wie ein Tanz wirkten. Link hatte alle Hände voll damit, sich zu verteidigen – an einen Gegenangriff war derzeit überhaupt nicht zu denken.


    Wenn das so weiter ging, würde der Herr der Zeiten irgendwann ermüden und dann unterliegen…


    Während Link tapfer einen Schwerthieb nach dem anderen parierte und nach einer Lücke in dem Angriffsmuster der Skelettkrieger suchte, überlegte Navi fieberhaft, wie sie ihm helfen konnte.


    Obwohl sie keine große Hoffnung hatte, dass es funktionieren würde, versuchte die Fee, einen der Brüder abzulenken. Wenn sie es schaffte, dass einer der beiden sich auf sie konzentrierte, würde das Link vielleicht genügend Luft geben, um eine Gegenattacke zu starten.


    Doch wie bereits befürchtet, ignorierten die Skelette Navi völlig – ganz egal, wie penetrant sie vor ihrem Gesicht herum flog. Die Brüder waren Soldaten durch und durch. Für sie gab es nur ein Ziel und bis sie es erreicht hatten, würden sie sich von nichts und wieder nichts davon abbringen lassen.


    Navi musste sich etwas anderes einfallen lassen…


    Für einen Moment sah sie vor ihrem geistigen Auge wie Link ihr Bomben zuwarf, die sie in den Brustkörben der Gebrüder festklemmte, bevor Link sie mit Dins Feuerinferno zur Explosion brachte und die Skelettkrieger so völlig zerfetzte. Leider hatte weder Link die Zeit, in seinen Wunderbeutel zu greifen, noch war sie kräftig genug, um eine Bombe zu tragen.


    Frustriert und zunehmend panisch raufte Navi sich die Haare und zermarterte ihr Hirn weiter auf der Suche nach einer Lösung. Es musste einen Weg geben! Sie waren nicht so weit gekommen, um jetzt hier zu scheitern!


    Zu ihrer großen Überraschung nahm Link die Sache plötzlich selbst in die Hand, indem er etwas absolut unvorhergesehenes tat: Er schleuderte den völlig verdatterten Brüdern Schwert und Schild entgegen und rief: „Fangt!“ Dann nutzte er den kurzen Moment der Irritation, um auf dem Absatz kehrt zu machen und auf die andere Seite des Raumes zu sprinten.


    Navi war genauso verblüfft wie die beiden Skelette, die nun versuchten, Link einzukreisen. Doch dann bemerkte sie den Gegenstand, den der Herr der Zeiten noch im Lauf aus seinem Wunderbeutel gezogen hatte: Nayrus Umarmung.


    Die Gebrüder Mykono hatten ihn inzwischen erreicht und in der Nische, in der zuvor gewartet hatten, in die Enge getrieben. Mit einem schaurigen Lachen schüttelten die beiden mit den Köpfen und Navi entschied, dass das Gruseligste an ihnen diese vollkommene Synchronizität war.


    „Wir hätten es lieber gesehen, dich mit dem Master-Schwert in der Hand niederzustrecken“, sagte der eine Bruder und der zweite komplettierte: „Aber wenn du es vorziehst, unbewaffnet zu sterben, soll uns das auch recht sein.“ Mit diesen Worten ließen die Beiden ihre erhobenen Schwerter auf Link niedersausen.


    Dieser aktivierte den Zauber in seiner Hand erst im allerletzten Augenblick. Die Klingen der Brüder trafen hart auf den magischen Schutzschild und wurden ihnen aus den Händen gerissen. Angesichts dieser Entwicklung zeigten sich die Skelettkrieger deutlich geschockt, doch Link gab ihnen kaum Gelegenheit, das Geschehene zu verarbeiten.


    Sobald die Brüder entwaffnet waren, ließ er Nayrus Umarmung fallen und griff nach oben, um die beiden Skelette an ihrer Nasenöffnung zu packen. Dann zog er ruckartig an und riss ihnen mit der Kraft der Titanhandschuhe den Schädel mitsamt dem Rückgrat vom Rest des Körpers. Die restlichen Knochen fielen zu einem Haufen zusammen als wäre der Zauber, der sie bislang zusammengehalten hatte, gebrochen.


    Navi erschrak über diese ungewohnte Brutalität, rief ihrem Schützling aber dennoch sofort zu: „Sie können sich wieder zusammensetzen, so lange die Wirbelsäule intakt ist!“


    Wieder nickte Link nur, warf die beiden Schädel zu Boden und zertrümmerte ihnen mit zwei gezielten Tritten die Nackenwirbel. Dann sammelte er seine fallengelassenen Ausrüstungsgegenstände wieder ein und sah zu seiner Fee auf.


    Diese schluckte hart und versuchte zu lächeln, was ihr ziemlich gründlich misslang. Manchmal vergaß sie, dass ihr Schützling eine dunkle Seite hatte, die durch die Belastungen seiner Reise entstanden war. Sie konnte verstehen, dass er manche Situationen physisch und psychisch nur deswegen überlebt hatte, weil er es geschafft hatte, sein Herz in einem massiven Eispanzer einzuschließen. Trotzdem machte ihr diese Seite von ihm Angst. Es war fast als stünde sie in diesen Momenten einer anderen Person gegenüber.


    Link atmete tief durch und schien ein wenig zu sich selbst zurückzufinden, als er fragte: „Kommst du?“ „Natürlich!“ Navi beeilte sich, zu ihm aufzuschließen und sagte dann, um die angespannte Atmosphäre wieder zu lockern: „Weißt du eigentlich, dass du gerade die besten Krieger aller Zeiten besiegt hast? Damit geht der Titel jetzt auf dich über: bester Krieger aller Zeiten! Na? Klingt das gut?“


    Die Fee hatte sich um einen heiteren Ton bemüht, aber das Gesicht ihres Begleiters blieb eine undurchschaubare, emotionslose Maske. Die Stufen in den nächsten Stock hinauf steigend antwortete er ernst: „Danke, aber der Titel ‚Herr der Zeiten‘ ist mir bereits mehr als genug.“




    Während sie die Treppe erklommen und dabei durch das Licht der bereits fast vollständig untergegangenen Sonne, das durch die schmalen, in regelmäßigen Abständen in der Wand verteilten Schießscharten in den Flur fiel, immer wieder in eine blutrote Aura gehüllt wurden, fragte Navi sich, ob es einen großen Unterschied machte, ob man mit einer Waffe oder der bloßen Hand tötete.


    Sie selbst hatte noch nie ein Leben beendet und konnte deswegen weder in der einen noch in der anderen Situation nachvollziehen, wie man sich dabei fühlte. Ihr war jedoch aufgefallen, dass Link sich deutlich öfter hinter seine selbst errichteten Mauern zurückzog, wenn er einen besonders blutigen Kampf bestritten oder mit bloßer Hand getötet hatte.


    Sie hätte ihren Schützling gerne danach gefragt, fürchtete aber, ihre Neugierde würde ihn nur noch mehr dazu bringen, sich in sein Schneckenhaus zurückzuziehen. Es fiel Navi noch immer schwer mit Links plötzlich auftretender Gefühlskälte umzugehen – vor allem dann, wenn sie kurz zuvor noch vergnügt mit einander gescherzt und gelacht hatten.


    Nur zu gern hätte sie irgendetwas gesagt oder getan, um die Anspannung, die wie eine undurchdringliche Dunstglocke über ihnen schwebte, wieder zu lösen. Doch dann betraten sie den dritten Stock und Navi musste einsehen, dass sie ihre Aufmunterungsversuche erst einmal hintenan stellen musste.


    Als Link die beiden Eisenprinzen entdeckte, die bereits auf ihn warteten, fluchte er leise: „Das darf doch nicht wahr sein! Ich hab keine Zeit für sowas!“


    Die beiden Prinzen erhoben sich von ihren Thronen und gingen gemäßigten Schrittes auf Link zu. Irgendwie wirkten sie dabei geradezu majestätisch und Navi bemerkte, dass der Brustharnisch des in weiß gekleideten Eisenprinzen Ausbuchtungen für einen weiblichen Busen hatte. „König und Königin“, schoss es der Fee durch den Kopf, „wie bei einem Schachspiel. Selbst die Farben passen.“


    Nach den Erlebnissen in den tiefer gelegenen Stockwerken rechneten die beiden Abenteurer fest damit, dass die Eisenprinzen ein paar Worte an sie richten würden, was jedoch nicht geschah. Stattdessen beschleunigten sie ihre Schritte und schienen sich zum Angriff bereit zu machen.


    Der Herr der Zeiten schluckte hart. Er konnte sich gut daran erinnern, wie schwer ihm die Kämpfe gegen die anderen Eisenprinzen gefallen waren – und da hatte er es immer nur mit jeweils einem zu tun gehabt.


    Wie sollte er gegen zwei dieser Kolosse gleichzeitig bestehen?


    Doch dann fiel ihm sein erster Kampf gegen einen Eisenprinzen ein und ein grimmiges Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Das war die Idee!


    Wer sagte eigentlich, dass er alleine kämpfen sollte?


    Navi zog irritiert die Stirn kraus, als Link einen einzelnen Pfeil aus seinem Wunderbeutel zog und ihn auch noch kurz hinter der Spitze abbrach. Als er ihr das scharfkantige Metalldreieck entgegenhielt, verstand sie seine Absichten jedoch sofort und erschrak heftig.


    Zählte er im Kampf tatsächlich auf sie? Im Kampf?!


    Klar, sie hatte ihn schon häufiger gerettet, aber in fast allen dieser Fälle war sie derart panisch gewesen, dass sie mit der Kraft der Verzweiflung gekämpft hatte.


    Konnte sie auch dann ihre Furcht gegenüber dieser Metallkolosse herunterschlucken, wenn Link nicht in Lebensgefahr schwebte?


    Mit zitternden Händen nahm sie die Pfeilspitze entgegen und sprach sich selbst stumm Mut zu: „Du kannst das, Navi, altes Mädchen. Du hast schon einmal einen Eisenprinzen besiegt. Du musst auch überhaupt nicht kämpfen. Du musst nur schnell sein.“


    „Du nimmst den Weißen, ich kümmere mich um den Schwarzen“, befahl Link und stürzte sich mit einem wilden Kampfschrei auf die herannahenden Monster.


    Navi wusste, sie musste jetzt den zweiten Eisenprinzen ablenken und versuchen, die Bänder, die diese magisch zum Leben erweckte Rüstung zusammenhielten, zu durchtrennen. Aber ihr gesamter Körper fühlte sich plötzlich an wie paralysiert und ihre Zunge klebte ihr am ausgedörrten Gaumen.


    Nur ein Schlag von diesen Wesen und sie wäre Feenbrei…


    Inzwischen hatten beide Eisenprinzen Link erreicht und schlugen abwechselnd mit ihren gewaltigen Breitäxten nach dem Herrn der Zeiten, der nur mit Mühe und Not ausweichen konnte. Ein winziger Fehler würde ihm das Leben kosten…


    „Navi! Was tust du denn?! Ich brauche deine Hilfe!“ Panik ließ die Stimme des jungen Mannes ungewöhnlich schrill klingen. Dennoch konnte seine Fee sich noch immer nicht rühren. Erst als die Klinge des weißen Eisenprinzen so knapp an Links Kopf vorbei durch die Luft zischte, dass anschließend ein paar Haarspitzen des Hylianers zu Boden schwebten, erwachte Navi endlich wieder aus ihrer Starre.


    Es spielte keine Rolle, was mit ihr passierte! Aber Link musste um jeden Preis überleben, um Ganondorf in seine Schranken verweisen und Hyrule retten zu können.


    So schnell sie konnte flog sie zu den Eisenprinzen herüber, die glücklicherweise beide so sehr auf Link fixiert waren, dass sie von der Fee überhaupt keine Notiz nahmen. Die scharfkantige Pfeilspitze ritzte Navi die Handflächen auf, als sie damit die dicken Lederbänder an der Rückenseite des Brustharnisches durchsäbelte, doch das kümmerte die Fee wenig.


    Die weiße Rüstung fiel von lautem Gepolter begleitet zu Boden und für einen Moment war es als stünde die Zeit still.


    Link und Navi hatten beide erwartet, dass der in der Panzerung gefangene Geist gen Himmel fahren oder sich ganz einfach auflösen würde, sodass außer der Rüstungsteile nichts mehr auf die frühere Anwesenheit des Eisenprinzen hindeuten würde.


    Doch aus der Rüstung entwich kein körperloser Geist…


    Stattdessen stürzte eine erschreckend frisch wirkende Frauenleiche aus der Panzerung und schlug hart auf den Steinfliesen auf. Die Leiche hatte langes, platinblondes Haar, eine klaffende Wunde auf der Brust, so als wäre ihr das Herz herausgerissen worden, und ein wunderschönes Diadem aus Gold und Edelsteinen auf der Stirn.


    Sie sah Prinzessin Zelda derart ähnlich, dass Link für einen Moment der Atem aussetzte. Doch dann stieß Navi genauso geschockt klingend wie er sich fühlte aus: „Die Königin! Oh, bei den Göttinnen!“


    Vor Schreck hatte die Fee die Pfeilspitze fallen gelassen und sich die Hände vor den Mund geschlagen, sodass sie nun ihr eigenes Blut schmeckte. Das nahm sie jedoch nur am Rande war. Sie war viel zu geschockt über die Erkenntnis, wer in dieser Rüstung gesteckt hatte: Königin Serafina von Hyrule, Zeldas Mutter!


    Der übrig gebliebene Eisenprinz stieß einen gequält klingenden Laut aus und stürzte sich mit neuem Eifer auf Link. Dieser war noch immer so konsterniert, dass er die neuerliche Attacke um ein Haar verpasst hätte und beim überstürzten Ausweichen das Gleichgewicht verlor.


    Der Aufprall auf den harten Steinfliesen presste dem jungen Mann die Luft aus den Lungen, aber er hatte kaum Zeit, neuen Atem zu schöpfen. Wie ein Berserker ging der schwarze Eisenprinz auf ihn los und ließ immer wieder seine mächtige Axt hinabsausen. Link blieb nichts weiter übrig als auf dem Rücken liegend rückwärts zu kriechen und immer wieder Arme und Beine aus der Schlagzone zu ziehen. Dort, wo sich die Klinge der Axt in den Boden bohrte, hinterließ sie tiefe Furchen im Stein.


    Bei diesem Anblick vergaß Navi ihren Schrecken schnell wieder und sie stieß hinab, um zwischen den verstreut daliegenden Rüstungsteilen nach der fallengelassenen Pfeilspitze zu suchen.


    Mit zitternden Händen wühlte sich die Fee durch Metallteile und Stofffetzen, während ihr Schützling rief: „Äh… Navi? Ich könnte hier etwas Hilfe gebrauchen!“


    Gerade als Navi endlich die Pfeilspitze wiedergefunden hatte, hatte der Eisenprinz Link gegen die nächste Wand getrieben. Obwohl sein Gesicht unter dem Helm natürlich nicht zu sehen war, wirkte es als grinste das Monster, als es erneut seine Kriegsaxt hob – bereit, Link den Brustkorb zu spalten.


    Navi stieß sich so kräftig sie konnte vom Boden ab und sauste zu den Beiden herüber, während sie stumm zu den Göttinnen betete, sie möge schnell genug sein. Link riss instinktiv die Arme über den Kopf und kniff die Augen fest zusammen, um sein Ende nicht sehen zu müssen.


    Dann spürte er etwas schwer auf seine Unterarme aufschlagen und war sich sicher, im nächsten Augenblick in zwei Hälften zerteil zu werden, aber der erwartete Schmerz blieb aus.


    Blinzelnd schlug er die Augen wieder auf und entdeckte Navi, die über ihm in der Luft schwebte. Bunt schillerndes Blut tropfte von ihren fragil wirkenden Fingern und auf ihrem Gesicht lag eine derart tiefe Trauer, dass sich der Herr der Zeiten für einen Moment verwirrt fragte, ob er womöglich doch gestorben und nun ein Geist war.


    Doch als er sich aufrichtete und sah, was um ihn herum verteilt auf dem Boden lag, verstand er ihre Traurigkeit und auch, was ihn am Arm getroffen hatte. Navi hatte es gerade noch rechtzeitig geschafft, den Eisenprinzen unschädlich zu machen und beim Auseinanderfallen der Rüstung war der Helm gegen Links Unterarm gestoßen.


    Zwischen den Rüstungsteilen lag die Leiche eines großen, breitschultrigen Mannes mit dichtem, braunem Haar auf dem Bauch und starrte mit leeren, gebrochenen Augen an die gegenüberliegende Wand. Der kompakt wirkende Körper des Mannes steckte in einer purpurnen, mit Pelz verbrämten Samtrobe mit schwarzen Hosen und seine Schultern waren von einem kurzen, tannengrünen Umhang bedeckt.


    Link, der über die Identität der Leiche nur spekulieren konnte, sah seine Fee an und fragte mit zitternder Stimme: „Der König?“ Navi nickte. „Ja, König Johanson.“


    Dann brach sie plötzlich in Tränen aus und warf sich gegen Links Brust, wo sie sich mit erstaunlicher Kraft in dem Stoff seiner Tunika festkrallte und weinte wie ein Kind. Etwas verlegen legte Link seine Hand um sie und versuchte, sie irgendwie zu trösten.


    Als sie sich nach einigen Minuten endlich ein wenig beruhigte, sah sie mit verquollenem Gesicht zu ihrem Freund auf und flüsterte: „Ich weiß, es stimmt nicht, aber irgendwie fühle ich mich als hätte ich sie umgebracht.“


    Eine sonderbare Mischung aus liebevoller Wärme und Zorn machte sich auf Links Gesicht breit, als er mit dem Kopf schüttelte. „Du hast sie nicht getötet, Navi, oder ihnen auf sonst irgendeine Weise etwas angetan – ganz im Gegenteil. Du hast ihnen ihren wohl verdienten Frieden gebracht und sie aus Ganondorfs Fängen befreit.“


    Dann ballte er die Fäuste fest zusammen und der wütende, harte Ausdruck auf seinem Antlitz gewann die Oberhand. „Es wird allerhöchste Zeit, dass ich dieses Monster aufhalte. Ich wusste ja, dass er bösartig ist, aber was ich heute hier gesehen habe, übersteigt alles, was ich mir in meinen schlimmsten Albträumen ausgemalt habe!“


    Navi wischte sich letzte Tränen von den Wangen und holte schniefend Luft, bevor sie nickte und zustimmte: „Das kannst du laut sagen!“ „Meinst du, du bist schon bereit, weiterzugehen?“ Die Fürsorge in Links Stimme rührte Navi und ihre Augen drohten sich erneut mit Tränen zu füllen. Daher nickte sie vehement und rief etwas zu enthusiastisch: „Na, darauf kannst du Gift nehmen!“


    Der junge Mann bedachte seine Begleiterin mit einem langen, besorgten Blick, dann wandte er sich der nächsten Tür zu, durch die man zu einer weiteren Treppe gelangte.




    Dieser Treppenaufgang war gänzlich gestaltet als jene, die die beiden Abenteurer bislang passiert hatten. Hier gab es keine Schießscharten sondern große, kunstvoll gestaltete Buntglasfenster, die trotz des schwachen Lichtes von draußen vielfarbige, miteinander verschlungene Muster auf den roten Teppich malten.


    Die Orgelmusik, die bereits in der ganzen Festung zu hören gewesen war, wurde mit jeder Stufe, die Navi und Link erklommen, lauter und der Herr der Zeiten spürte deutlich, fast am Ziel seiner Reise angekommen zu sein.


    Seine Fee warf ihm einen verwunderten Seitenblick zu, als Link das Tempo drosselte und auf jeder Treppenstufe für den Bruchteil einer Sekunde verharrte, bevor er sich wieder bewegte.


    So sehr er den finalen Kampf gegen Ganondorf herbeisehnte, genauso fürchtete er sich auch davor und er wollte die letzten Meter ausnutzen, um sich ein letztes Mal zu sammeln, bevor es um alles ging.


    Vor seinem geistigen Auge sah er noch einmal die verschiedenen Stationen seiner Reise vor sich, während er sich an all die Schwierigkeiten erinnerte, die er bereits durchgestanden hatte, und sich ins Gedächtnis rief, dass er seinen Kopf jedes Mal wieder aus der Schlinge hatte ziehen können – egal, wie brenzlig die Situation auch gewesen war.


    Er dachte an all die Personen, die er während seiner Reise getroffen hatte und die ihm helfend zur Seite gestanden hatten: die mütterliche Wirtin aus Hyrule-Stadt, Hector und Link, die Goronoen, Kallaha und Mia, die Zora, Dinah, Zeherasade, Miccahia und Aveil, die Gerudo-Kriegerinnen, der alte Historiker aus Kakariko… Zudem waren da ja auch noch die Weisen: Rauru, Salia, Darunia, Ruto, Impa und Naboru.


    Und Shiek… Zelda…


    Sie alle hatten ihren Anteil daran, dass er es bis hierher geschafft hatte.


    Er würde Ganondorf für sie alle und für all die anderen Bewohner Hyrules besiegen, damit dieser Dämon nie wieder irgendwelches Unheil anrichten und andere verletzen konnte!


    Inzwischen hatten die beiden Abenteurer die Treppe erklommen und standen nun vor einer reich verzierten Tür, die in das höchstgelegene Turmzimmer führte. Es war unverkennbar, dass das Orgelspiel von hier kam.


    Ganondorf… Sie hatten ihn endlich erreicht…


    Link sah zu Navi auf, die entschlossen zu ihm zurückblickte. „Bist du bereit?“ Als seine Fee nickte, drückte der Herr der Zeiten die Türklinge herunter und betrat die Privatgemächer seines Erzfeindes.

    ZF-Signatur-2.jpg

    Avatar-Artwork von mokke; Signatur-Artwork von Kamui Fujiwara (official artwork)

  • Mut versus Kraft

    Die unerwartete Schönheit des saalartigen Raumes verschlug den beiden Abenteurern für einen Moment den Atem. Die Wände ringsum bestanden ausschließlich aus Buntglasfenstern, die bei genauerem Hinsehen die Entstehungsgeschichte des Triforce erzählten.


    Der Boden war mit einem kostbar wirkenden Teppich ausgelegt, der mit Gerudo-typischen Ornamenten verziert war, und in einer Ecke stand ein breites, von hauchdünnen Stoffbahnen verhangenes Bett, das aussah als wäre es aus purem Gold geschmiedet. An der dem Bett gegenüberliegenden Wand stand ein wuchtiger Schreibtisch, auf dem mehrere Bögen hochwertigen Pergaments verteilt lagen.


    Für einen Moment fragte sich Navi, ob Ganondorf seine Pflichten als Herrscher womöglich tatsächlich irgendwie ernst nahm und sich auf seine verquere Art um die Belange des Königreichs kümmerte. Dann beschied sie jedoch, dass die Pergamentbögen vermutlich entweder Anweisungen an seine Lakaien oder weitere finstere Pläne enthielten, und ihre Augen kehrten an die gegenüberliegende Wand zurück, wo sich der beeindruckendste Einrichtungsgegenstand befand.


    Beinah die gesamte Wand wurde von einer Orgel mit golden glänzenden Pfeifen eingenommen. Die fast schwarz wirkenden, hölzernen Teile des imposanten Musikinstrumentes waren mit Intarsien aus Gold und silbern schimmernden Halbedelstein verziert.


    Vor der Orgel saß, auf einem niedrigen Hocker, der Großmeister des Bösen und spielte mit mehr Leidenschaft und Feingefühl als die beiden Helden ihm jemals zugetraut hätten. Sein gesamter Oberkörper schwankte hin und her als befände er sich während hohen Seegangs an Bord eines Segelschiffs, und sein rotes, vom Luftzug bewegtes Haar schien zu lodern wie die Flammen einer Fackel.


    Link wollte etwas sagen, um auf sich aufmerksam zu machen, doch die melancholischen Orgeltöne hatten etwas derart Hypnotisches, das er nur dastehen und glotzen konnte. Also starrte er auf den Faltenwurf von Ganondorfs seidenem Umhang, der immer wieder zerfloss und neue Formen annahm so als bestünde er aus Wasser.


    Als er sein Lied schließlich beendete, ließ der Gerudo seine Hände auf der Klaviatur der Orgel ruhen und sagte, ohne sich umzuwenden: „Du bist also tatsächlich gekommen. Ich muss gestehen, als ich dich das erste Mal gesehen habe, damals durch das Fenster des Thronsaals, hätte ich mir niemals erträumen lassen, dass du mir derart viele Schwierigkeiten machen würdest. Vor sieben Jahren habe ich noch geglaubt, du seist ein gewöhnliches Kind – nervig, widerlich, aber in keiner Weise gefährlich.“


    Ganondorf drehte sich langsam auf seinem Klavierhocker zu Link und Navi um und betrachtete seinen Widersacher mit einem grübelnden Blick. Der junge Mann fühlte sich noch immer wie gelähmt und starrte sein Gegenüber stumm an, während ihm das Herz vor Angst bis zum Hals schlug. Auch Navi versuchte sich noch kleiner zu machen als sie von Natur aus war und versteckte sich unter dem Pferdezopf ihres Freundes.


    Das Gesicht des bösartigen Herrschers war befremdlich offen, als er in nachdenklichem Ton fortfuhr: „Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich dich selbst dann nicht für eine Gefahr gehalten habe, als du Anstalten gemacht hast, dein Leben wegzuwerfen, um mir zu verschweigen, in welche Richtung die Prinzessin geflohen war.


    Damals sah ich in dir tatsächlich so etwas wie einen ahnungslosen Helfer. Mit deinem abscheulich reinen Herzen konntest du erreichen, was mir verwehrt worden war: Das Vertrauen der anderen Könige zu erlangen und die Heiligen Steine in deinen Besitz zu bringen. Du warst mein Schlüssel zum Heiligen Reich.“


    „Ich weiß“, flüsterte Link mehr zu sich selbst, „und ich habe es seither jeden Tag bereut.“


    Ganondorf hob die Augenbrauen, was ihm einen überraschten Ausdruck verlieh, aber Link konnte nicht sagen, ob der Großmeister des Bösen verwundert darüber war, dass er seine Rolle im Verlauf der Geschichte bedauerte, oder darüber, dass er den Mund aufgemacht hatte. Navi streichelte ihrem Schützling die Halsseite und hoffte, er verstand auf diese Weise auch ohne Worte, dass sie immer für ihn da war.


    Ohne auf Links Bemerkung einzugehen, sprach Ganondorf weiter, ganz so als müsste er sich einen schon lange währenden Druck von der Seele reden: „Selbst als du das Master-Schwert aus dem Stein zogst, habe ich nicht erkannt, wer du wirklich bist. Ich dachte damals, die Macht dieser heiligen Klinge würde dich zerstören und mir so die Arbeit abnehmen.


    Aber stattdessen hat sie dich nur in einen magischen Schlaf versetzt und sieben Jahre später tauchtest du plötzlich wieder auf und entpupptest dich als lästige Schmeißfliege!“ Ganondorfs olivfarbene Haut lief um die Wangenknochen herum rot an und seine bislang ruhige Stimme war zu einem Schreien angeschwollen.


    Es erforderte offensichtlich einige Anstrengung vom Großmeister des Bösen zu seiner vorherigen Besonnenheit zurückzufinden, während er fortfuhr: „Egal, wen ich dir aus meiner Untergebenenschar entgegenschickte, stets warst du derjenige, der als strahlender Sieger aus der Konfrontation hinausging. Ich habe wirklich alles versucht, dich loszuwerden. Ich habe jeden Dämon dieser Welt auf dich losgelassen und sogar dein Gegenstück aus der Schattenwelt herübergeholt und auf dich gehetzt – alles ohne Erfolg!“


    Ein stechender Schmerz durchfuhr Links Herz, als er an die Konfrontation mit seinem Doppelgänger zurückdachte. Er fühlte sich noch immer schuldig, dass er den Schatten-Link getötet hatte. Anfangs hatte er den anderen Mann für eine Ausgeburt Ganondorfs gehalten, eine Art Phantom wie er ihm im Waldtempel begegnet war.


    Doch in den letzten Sekunden vor seinem Tod hatte plötzlich so viel Schmerz und Leid in den Augen des anderen gestanden, dass Link plötzlich verstanden hatte, dass er es mit einem fühlenden Wesen mit eigenen Träumen und Hoffnungen zu tun gehabt hatte.


    Dass sein Gegner sich in kaum etwas von ihm unterschied...


    Als er dies erkannt hatte, wollte er die Bombe, die er seinem dunklen Gegenüber zugeworfen hatte, wieder zurückholen oder zumindest den Feuerzauber, den er bereits aktiviert hatte, irgendwie aufhalten.


    Aber es war zu spät gewesen...


    Seitdem fühlte sich Link als hätte er etwas Wichtiges verloren, als hätte er seinen Zwilling getötet...


    Als Ganondorf sah, dass der Herr der Zeiten bei der Erwähnung seines Doppelgängers zusammenzuckte, stahl sich ein gehässiges Grinsen auf seine Lippen. Bei diesem Anblick konzentrierte Link all seinen Zorn, den er sich selbst gegenüber empfand, auf den Großmeister des Bösen und presste zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor: „Du bist ein Monster!“


    „Na, na, na!“ Ganondorf schlug eine Art nachsichtiger-Lehrer-Ton an. „Wer hat den armen Dark getötet und seinen Körper in alle Winde verstreut? War ich das oder du?“


    Vor blinder Wut machte Link einen Satz nach vorn so als wollte er seinem Gegenüber an die Kehle springen. Dieser hob jedoch nur gebieterisch die Hand und mahnte: „Beherrsche dich! Oder glaubst du wirklich, du könntest mich besiegen, wenn du dich Hals über Kopf in einen Kampf mit mir stürzt?“


    Der Gerudo schüttelte beinah bedauernd wirkend den Kopf. „Weißt du, eine Zeit lang habe ich wirklich geglaubt, ich hätte dich unterschätzt. Dich ganz allein als Person. Aber dann wurde mir etwas klar, das du mir mit der Reaktion gerade eben noch einmal verdeutlichst hast: Ich habe dich nie unterschätzt. Du bist nur ein dummer, heißsporniger Junge ohne allzu viel Verstand. Was ich unterschätzt habe, ist die Macht des Triforce-Fragments des Mutes. Ohne es bist du ein Nichts!“


    Link betrachtete nachdenklich den Rücken seiner linken Hand. Wegen des Titanenhandschuhs konnte er das Triforce-förmige Mal auf seiner Haut zwar nicht sehen, aber er wusste genau, dass es da war.


    Stimmte es, was Ganondorf sagte? War das Triforce-Fragment des Mutes der einzige Grund, dass er es so weit gebracht hatte?


    Navi, die seine Selbstzweifel erahnte, riss leicht an seiner Ohrmuschel und forderte: „Glaub ihm kein Wort. Es ist nicht so, dass das Triforce-Fragment, dir besondere Kräfte verleiht – ganz im Gegenteil! Du wurdest als sein Träger auserwählt, weil du seiner würdig bist. Weil dein Herz von sich aus das mutigste und größte weit und breit ist!“


    Bei den Worten seiner Fee lächelte Link ein wenig verlegen, bevor sich wieder ein grimmiger Ausdruck auf sein Gesicht legte und er Ganondorf widersprach: „Du hast keine Ahnung, wovon du redest. Ich bin nicht hier, weil ich Farores Auserwählter bin. Ich bin hier, weil ich Freunde habe, die an mich glauben und mir die Kraft geben zu tun, was getan werden muss, um Hyrule aus deinen Klauen zu befreien. Ich habe es bis hierher geschafft, weil sie und ganz Hyrule mich brauchen. Ich bin hier, weil ich nicht versagen darf! Aber fein, unterschätz mich meinetwegen weiterhin. Kommt mir nur gelegen!“


    Der Großmeister des Bösen brach nach Links Rede in schallendes Gelächter aus und fragte spöttisch: „Du meinst Freunde wie sie hier?“


    Dann schnippte er den Fingern und plötzlich erschien Prinzessin Zelda, noch immer in dem seltsamen rosafarbenen Licht gefangen. Bei ihrem Anblick fiel den beiden Abenteurern ein Stein vom Herzen. Als sie Zelda in dem Turmzimmer nicht hatten entdecken können, hatten sie sich bereits gefragt, ob die Prinzessin womöglich in einem düsteren, feucht-kalten Kellerverließ kauerte.


    Die Wiedersehensfreude wurde jedoch schnell wieder getrübt, als Ganondorf weitersprach und seinen Finger in Links frische Wunde legte: „Ich bin ganz sprachlos vor Neid, wenn ich mir eure wunderbare Freundschaft ansehe. Wie lange hat sie dich belogen? Drei, vier Monate? Oder sogar länger? Und oh, wie du dich gequält hast, wann immer dir Shiek zu nahe gekommen ist und du deine eigenen Gefühle nicht verstanden hast! Und sie hat es die ganze Zeit gewusst…“


    Während Ganondorf seine Lippen zu einem gehässigen Lächeln verzog, fragte sich Navi, woher der Großmeister des Bösen von Links Selbstzweifeln und Gefühlschaos wusste. Der Herr der Zeiten selbst warf seinem Gegenüber jedoch nur hasserfüllte Blicke zu und zischte: „Wenn du so sprachlos bist, wie wär’s, wenn du dann endlich die Klappe hältst und gegen mich kämpfst? Oder hast du etwa Angst?“


    Erneut dröhnte Ganondorfs Lachen durch den Raum, bevor er anerkannte: „Ich bewundere Männer, die selbst im Angesicht ihres eigenen Todes noch Mut zeigen. Und ich gebe dir vollkommen Recht: Genug geredet! Es wird Zeit, dass ich mir die restlichen Fragmente aneigne und das Triforce in mir vereine!“


    Mit diesen Worten schnippte der Großmeister des Bösen erneut mit den Fingern, woraufhin nicht nur Zelda wieder ins Irgendwo verschwand. Auch die Orgel, die Möbelstücke und sogar der kostbare Teppich lösten sich scheinbar in Nichts auf.


    Dann stieß sich Ganondorf leicht vom Boden ab und versetzte Link und Navi damit in Erstaunen, dass er tatsächlich schweben konnte.




    „Ganz wie sein Phantom“, schoss es dem jungen Krieger durch den Kopf, als er sich an den Kampf im Waldtempel erinnerte. Auch Navi schien sich dieser Auseinandersetzung zu entsinnen, als sie ihrem Schützling ins Ohr raunte: „Sieht ganz so aus als würde er eine ähnliche Strategie verfolgen wie sein Schatten!“


    Während sich in Ganondorfs Hand der erste Energieball formte, fügte die Fee murmelnd an: „Hm… Eigentlich gar nicht so unerwartet.“ „Wieso?“ Link dämpfte seine Stimme zu einem leisen Flüstern und fixierte sein Gegenüber, um rechtzeitig reagieren zu können, sobald dieser eine Attacke starrten sollte. Ganondorf schien Link jedoch genauso zu belauern wie er ihn.


    „Denk doch mal nach“, forderte Navi. „Phantom Ganon war nur Ganondorfs Schatten. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die beiden sich zumindest Teile von Ganondorfs Persönlichkeit geteilt haben.“ „Du meinst, eigentlich hab ich diesen Kampf schon einmal gewonnen und muss es nur wieder tun?“ Link umklammerte fest das Heft des Master-Schwerts. Seine Finger fühlten sich vor Nervosität ein wenig taub und schwach an.


    „Najaaaaaaa….“ Navi kratzte sich nachdenklich am Nasenrücken. „Ich nehme schon an, dass der echte Ganondorf etwas einfallsreicher sein wird als sein Phantom.“ „Danke, Navi“, stieß der Herr der Zeiten mit einem Seufzen aus, „das war ganz genau das, was ich hören wollte…“


    Die Fee zog den Kopf ein wenig ein und lächelte entschuldigend, obwohl ihr Freund es nicht sehen konnte, weil sie noch immer in seinem Nacken hockte. „Tut mir… leid?“


    Link hätte gerne etwas Bissiges entgegnet, doch in diesem Moment entschied Ganondorf offenbar, dass er keine Lust mehr hatte, darauf zu warten, dass sein Kontrahent den ersten Schritt machte. Mit einem lauten Zischen flog die Energiekugel durch die Luft und verfehlte Links Arm, den dieser gerade noch zur Seite reißen konnte, nur um Haaresbreite.


    „Auf jeden Fall schmeißt er seine Energiebälle deutlich schneller als sein Phantom“, stellte Navi unnötigerweise fest, während sie sich an den Kragen von Links Tunika klammerte und an seinem Hals vorbei aus ängstlich geweiteten Augen zum Großmeister des Bösen herüberstarrte.


    Dieser warf bereits die nächste leuchtende Kugel und sammelte sofort wieder Energie für das nächste Geschoss. Dieses Mal gelang es Link jedoch, den Energieball mit dem Master-Schwert zu treffen und so umzulenken, dass er nun auf Ganondorf zuraste. Da dieser schon mit den Vorbereitungen für die nächste Attacke beschäftigt war, konnte er das Geschoss nicht mehr rechtzeitig abwehren.


    Die Energiekugel traf den Gerudo genau auf der Brust und schleuderte ihn zu Boden, wo er auf dem Rücken liegen blieb. Link, der seine Chance gekommen sah, rannte mit gezücktem Schwert auf den am Boden Liegenden zu, sprang und ließ seine heilige Klinge auf seinen Kontrahenten herabsausen.


    Dieser hob jedoch die Hand und ergriff das Master-Schwert an seiner Schneide. Der Herr der Zeiten und seine Fee keuchten überrascht auf, als sie sahen, dass Ganondorf die Klinge des Master-Schwerts packen und festhalten konnte, ohne sich zu verletzen.


    „Wie kann das sein?“ Navis Stimme war vor Schock kaum mehr als ein Flüstern. „Das Master-Schwert müsste ihn verbrennen! Niemand, der unreinen Herzens ist, kann es berühren!“ Link nickte und dachte bei sich: „Ganz abgesehen davon, dass er sich schneiden müsste…“


    Der Großmeister des Bösen grinste grimmig als er die verdatterten Gesichter seiner Kontrahenten sah. „Dachtest du wirklich, ich würde gegen dich antreten und fair spielen? Du naiver, kleiner Junge…“


    Mit diesen Worten legte er die freie Hand auf Links Brust und schoss aus nächster Nähe einen seiner Energiebälle ab. Der junge Kämpfer wurde quer durch den Raum geschleudert und krachte hart gegen eine Wand, die unter der Wucht des Aufpralls nachzugeben drohte. Bunte Glasscherben regneten wie ein Schauer aus Edelsteinen aus ihren verbogenen Fassungen auf Link herunter und zerschnitten ihm die Haut an den Ohren.


    Navi, die sich gerade noch rechtzeitig in die Luft hatte schwingen können, beobachtete mit krampfendem Herzen wie ihr Schützling langsam und schwerfällig wieder auf die Beine kam. Der Stoff seiner Tunika und seines Hemdes wie auch sein Kettenanzug waren im kompletten Brustbereich verbrannt, sodass man die versengte Haut darunter sehen konnte.


    Wie gerne hätte Navi ihrem Freund geholfen!


    Sie fühlte sich nutzlos und fehl am Platz, so als stünde sie lediglich im Weg.


    Wenn sie wenigstens eine Idee gehabt hätte, warum Ganondorf vom Master-Schwert nicht verletzt worden war…!


    Link richtete sich stöhnend wieder auf und nahm seine Verletzung mit einem schnellen Blick in Augenschein. Sie war flächenmäßig groß und nässte stark, aber zum Glück war sie nicht besonders tief. Dann machte er einen Probeschlag und verzog leicht das Gewicht. Es tat weh, sich zu bewegen, jedoch glücklicherweise nicht so sehr, dass er nicht mehr hätte kämpfen können.


    Mit einem grimmigen Gesichtsausdruck machte sich der Herr der Zeiten für den nächsten Angriff seines Kontrahenten bereit, der auch prompt kam. Ganondorf schoss seine Energiebälle so schnell auf Link, dass dieser sie lediglich wegschlagen konnte, um sie von sich fern zu halten. Daran, eine der Energiekugeln so abzulenken, dass sie gezielt zu Ganondorf zurückflogen, war nicht zu denken. Link konnte nur hoffen, dass ihm ein Glückstreffer gelingen würde.


    Und was dann?


    Eisige Kälte breitete sich in dem Körper des jungen Mannes aus, als ihm mit einiger Verspätung völlig klar wurde, was die vorangegangene Situation bedeutete: Er konnte Ganondorf nicht verletzen…


    Wie sollte er einen Kampf gewinnen, wenn sein Gegner immun gegen seine Waffen war?!


    Panik schnürrte ihm die Kehle zu und für einen Moment war er geneigt, aufzugeben. Vielleicht wäre Ganondorf ja so gnädig, um dann zumindest einen schnellen, vergleichsweise schmerzfreien Tod zu gewähren.


    Mit einem Kopfschütteln versuchte Link, derlei Gedanken schnell wieder zu vertreiben. Der Großmeister des Bösen würde ihm niemals irgendetwas gewähren – er würde irgendwelche sadistischen Spiele mit ihm spielen, um seinen kranken Humor zu befriedigen.


    Außerdem war er Hyrules letzte Hoffnung, rief sich Link ins Gedächtnis, er durfte nicht aufgeben.


    Niemals.




    Auf diese Weise zog sich der Kampf minutenlang hin, während Ganondorf Katz und Maus mit Link spielte. Die wunderschönen Buntglasfenster ringsum waren inzwischen von Brandflecken und Löchern von umherfliegenden Energiebällen übersät.


    Der Herr der Zeiten keuchte heftig, registrierte aber mit einer gewissen Genugtuung, dass auch seinem Gegenüber der Schweiß auf die Stirn getreten war. Navi hatte sich durch eine der zu Bruch gegangenen Fensterscheiben nach draußen geflüchtet und beobachtete voller Sorge den ungleichen Kampf.


    Wie lange würde Link noch durchhalten?


    Gerade, als ihr diese Frage durch den Kopf geschossen war, streifte ein Energieball Links Schulter und der junge Mann schrie laut auf. Navi schlug sich die Hände vors Gesicht und verfluchte sich stumm, weil ihr noch immer nichts einfallen wollte wie Link Ganondorf besiegen konnte.


    Link hatte kaum Zeit, sich nach dem Treffer wieder zu fokussieren, da Ganondorf schon die nächste Salve Energiebälle auf ihn einprasseln ließ. Dem jungen Krieger blieb nichts weiter übrig, als sich mit einem Hechtsprung in Sicherheit zu bringen. Als er sich über den Boden abrollte, bohrten sich mehrere der herumliegenden Glassplitter in seine Haut. Vor allem eine Scherbe, die in seiner verbrannten Schulter stecken geblieben war, bereitete ihm große Schmerzen.


    Lange würde er dem nahezu ununterbrochenen Ansturm von Ganondorfs Attacken nicht mehr standhalten können. Schon jetzt merkte er wie ihn seine Kräfte immer mehr verließen.


    In einem Anflug von Verzweiflung stürmte Link auf den Großmeister des Bösen zu, der von der unerwarteten Aktion seines Kontrahenten derart irritiert war, dass er für einen Moment vergaß, weiterhin mit Energiebällen um sich zu werfen. Mit einem wilden Schrei sprang er seinen Feind an und riss ihn mit sich zu Boden, wo er mit den Fäusten auf ihn einschlug.


    „Das ist für den Fluch, den du dem Deku-Baum angehängt hast!“ Link schmetterte Ganondorf seine Faust gegen die Nase, die zur Überraschung beider tatsächlich brach. Dickflüssiges Blut rann in breiten Bahnen aus beiden Nasenlöchern und ließ in einem schaurig schwarzroten Bach an der Wange des Gerudo herunter.


    Von diesem ersten Erfolg beflügelt, prügelte Link weiter auf den am Boden liegenden ein. „Und das ist für alles, was du den Goronen angetan hast! Und das für die Zoras! Und das hier für…“


    Doch er kam nicht mehr dazu, auszuführen, für wen oder was sein vierter Schlag sein sollte. Ganondorf, dessen Gesicht inzwischen reichlich verquollen war, hatte ihn an der Gurgel gepackt und stand nun langsam auf, wobei er Links Kehle fest umklammert hielt. Da der Gerudo den Herrn der Zeiten um deutlich mehr als eine Kopflänge überragte, baumelten Links Füße nun frei schwebend in der Luft, während der junge Mann mit dem Ersticken kämpfte.


    „Du Wurm! Wie kannst du es wagen?!“ Das zornverzerrte Antlitz des Großmeisters des Bösen wirkte durch all das Blut, das noch immer aus seiner Nase strömte und sich inzwischen breitflächig verteilt hatte, noch furchteinflößender als es ohnehin schon ausgehen hätte.


    „Ich werde dich zerquetschen und zermalmen und deine Leiche ausstellen damit deinen so genannten Freunden auch noch das letzte Bisschen Hoffnung vergeht!“ Als er Link anschrie, spritzte dem Herrn der Zeiten ein wenig mit Blut vermischter Speichel ins Gesicht.


    Navi, die sich noch immer hinter ihren Händen versteckt hatte, sah bei dem Geschrei wieder auf und erstarrte vor Schreck. Links Lippen liefen bereits blau an und ihr Schützling kämpfte hörbar um jeden noch so kleinen Atemzug, während er wild mit den Füßen strampelnd an Ganondorfs ausgestrecktem Arm baumelte.


    Die Fee war schon halb durchs Fenster wieder ins Innere geklettert, um den Gerudo hoffentlich so weit abzulenken, dass er den Griff um Links Kehle etwas lockern würde, als Navi plötzlich etwas einfiel. Sie blieb wie angewurzelt in der Luft stehen und riss die Augen weit auf.


    Das war es!


    Die Lösung zu ihrem Problem!


    So laut sie konnte rief sie ihrem Schützling zu: „Link! Die Lichtpfeile, Link!“


    Dieser schien im ersten Moment nicht zu reagieren, doch dann sah Navi, dass sich eine seiner Hände von Ganondorf lösten und zu dem Lederbeutel an seiner Hüfte wanderte. Nur Sekunden später zog er einen goldenen Gegenstand hervor und schlug damit auf Ganondorfs Unterarm ein.


    Der Großmeister des Bösen ließ ihn daraufhin fallen wie eine heiße Kartoffel und machte einen Satz zurück, während sich ein Ausdruck der Panik in seinen Augen breit machte.


    Endlich hatten sie eine Waffe gegen ihn gefunden!


    Obwohl er es vorgezogen hätte, auf dem Boden sitzen zu bleiben und nach Luft zu schnappen, hechtete Link seinem Widersacher hinterher und rammte ihm den Lichtpfeil mit der Kraft der Titanenhandschuhe mitten ins Herz.




    Während sich Links keuchender Atem allmählich normalisierte, holte nun der Großmeister des Bösen zunehmend röchelnd Luft.


    Es war fast als entzöge der Herr der Zeiten seinem Feind die Luft zum Atmen…


    Dennoch hievte sich der Gerudo mühsam auf die Füße und schlug Link so heftig gegen die verletzte Brust, dass dieser in die Knie ging wie eine Marionette, deren Fäden durchtrennt worden waren.


    „Glaub… ja… nicht… dass… du… schon… gewonnen… hast…“ Obwohl Ganondorf sich kaum noch auf den Beinen halten zu können schien, sammelte er wieder Energie in seiner Handfläche und beäugte den noch immer auf dem Boden knienden Herrn der Zeiten mit einem wahnsinnigen Blick.


    Die Energiekugel, die er dieses Mal bildete, war viel größer als die anderen zuvor und explodierte zu einer Art Funkenflug kaum, dass Ganondorf sie von sich geschleudert hatte.


    Bei diesem Anblick fragte sich Link, der von dem Luftmangel zuvor noch immer ein wenig benebelt war, für einen Moment, ob er bereits gewonnen hatte und die Einwohner Hyrules nun ein Feuerwerk für ihn veranstalteten. Doch dann wurde ihm die tödliche Bedrohung bewusst und er rappelte sich schnell wieder auf und zog sein Schwert, das er vor seiner Faustattacke gegen Ganondorf in seine Scheide zurückgesteckt hatte.


    Navi, die das Ganze mit wild schlagendem Herzen beobachtete, wollte ihm noch zurufen, er solle Nayrus Umarmung einsetzen, aber es war schon zu spät.


    Die Energiekugeln schienen den Herrn der Zeiten in sich einzuschließen und seine Fee war sich bereits sicher, dass er es nicht mehr lebend dort herausschaffen würde. Doch dann ertönte plötzlich ein weiterer Kampfschrei und die Energiebälle stoben in alle Richtungen hervor.


    Im Zentrum dieser Explosion stand Link, das Master-Schwert vor sich gestreckt, und wirbelte um die eigene Achse. Einige der Energiekugeln hatten ihn getroffen, sodass sich frische Brandwunden in seinem Gesicht, an einem Knie und an der Hüfte zeigten, aber das schien der tapfere Recke kaum wahrzunehmen.


    Stattdessen warf er das Schwert zur Seite und holte mit einer blitzschnellen Bewegung seinen Bogen und einen weiteren Lichtpfeil hervor. Ganondorf glotzte ihn mit einem idiotischen Gesichtsausdruck überrascht an und schien nicht fassen zu können, was er sah.


    Der Großmeister des Bösen schien vor Verblüffung noch immer bewegungsunfähig zu sein, als Link anlegte und schoss. Der goldene Pfeil surrte beinah geräuschlos durch die Luft und bohrte sich Ganondorf direkt zwischen die Augen.


    Für einen Moment blieb der Gerudo trotz des Treffers stehen und schien auf das Geschoss in seiner Stirn zu starren. Dann gaben schließlich seine Knie nach und Ganondorf sackte in sich zusammen wie ein einstürzender Turm.


    Auch Link fiel wieder auf die Knie und blickte keuchend auf seinen Feind.


    Es war tatsächlich geschafft!


    Er hatte es wirklich getan!
    Der Großmeister des Bösen war endlich besiegt

    ZF-Signatur-2.jpg

    Avatar-Artwork von mokke; Signatur-Artwork von Kamui Fujiwara (official artwork)

  • Flucht aus der Festung des Bösen

    Kaum, dass Ganondorf zusammengebrochen war, gaben auch Links Knie nach und der junge Held sank ebenfalls zu Boden, wo er in einem beinah hysterischen Weinkrampf ausbrach.
    Er hatte es tatsächlich endlich geschafft…
    Der tapfere Recke hatte kaum noch wahrgenommen, wie groß der Druck gewesen war, der auf ihm gelastet hatte. Erst jetzt, wo sich die Anspannung in ihm langsam löste, wurde Link wieder richtig bewusst, wie schwer die Last seines Schicksals und der Zukunft Hyrules auf seinen Schultern gelegen hatte.
    Navi, die mit angehaltenem Atem das Ende des Kampfes vom Fenster aus beobachtet hatte, stürzte sich, ebenfalls weinend, auf ihren Schützling und überschüttete ihn mit Lob, während sie sich an seine Halsbeuge schmiegte: „Du Teufelskerl! Du hast den Großmeister des Bösen einfach in den Boden gestampft! Zack – bumm – und Ganondorf wusste gar nicht, wie ihm geschah!“
    Link, der aus dem Augenwinkel sah, dass Zelda und die Möbel, die Ganondorf zuvor auf magische Weise hatte verschwinden lassen, wieder auftauchten, zog geräuschvoll die Nase hoch und wischte sich mit dem Handrücken einige Tränen von der Wange, bevor er mit einem zittrigen Lachen erwiderte: „So leicht war es leider nicht. Zwischendurch habe ich wirklich gedacht, es wäre alles aus. Wären dir nicht die Lichtpfeile wieder eingefallen, hätte Ganondorf mich mit Sicherheit erwürgt. Also bist eigentlich du der Held – nicht ich.“
    Navis Wangen bekamen einen zarten Rotschimmer und sie lächelte verlegen aber das Funkeln in ihren Augen verriet deutlich, wie stolz sie auf sich selbst war.
    Inzwischen war Zelda, deren magisches Gefängnis sich durch Ganondorfs Tod aufgelöst hatte, vollständig in das Turmzimmer zurückgekehrt und trat nun mit schüchtern wirkender Miene an die beiden Abenteurer heran.
    Während Navi mit einem strahlenden Lächeln zu ihr aufsah, bedachte Link die Prinzessin mit einem eigentümlichen Blick, den diese nicht zu deuten vermochte. Einige Herzschläge lang verwoben sich die Blicke der zwei und es wirkte als versuchten beide, die Gedanken des jeweils anderen zu lesen. Navis Augen zuckten derweil unruhig zwischen Held und Prinzessin hin und her, während die Fee stumm darauf hoffte, die beiden würden sich jede Sekunde vor Freude um den Hals fallen und die vorangegangenen Spannungen vergessen.
    Doch nach einem langen Moment wandte Link sich derart ruckartig um, dass Navi vor Schreck zusammenzuckte und Zelda den Kopf hängen ließ und betreten zu Boden sah.
    Den Blick stur auf die zerstörten Buntglasfenster neben ihm geheftet, versuchte der junge Mann verzweifelt, Herr über das Gefühlschaos in seinem Inneren zu werden.
    Ein Teil von ihm wollte aufspringen und Zelda umarmen, weil sie die Bedrohung, die seit nunmehr sieben Jahren wie ein Schatten über Hyrule gelegen hatte, endlich abgewendet hatten.
    Ein anderer Teil von ihm wollte die Prinzessin anschreien, wie sie es hatte wagen können, ihn derart zu belügen und wie eine Schachfigur zu manipulieren.
    Ein dritter Teil von ihm wünschte sich unterdessen nichts mehr als diesen grausigen, unglückseligen Ort schnellstmöglich zu verlassen und mit seinem Schicksal als Herr der Zeiten endlich abzuschließen.
    Da ihm dieser dritte Teil als am vernünftigsten erschien, holte Link seinen Rest blauen Elixiers hervor und heilte seine Wunden. Die unzähligen Löcher in seiner Kleidung konnte der Heiltrank jedoch nicht flicken, sodass die Goronen-Rüstung noch immer in Fetzen an seinem schlanken Körper hing.
    Als Navi dies bemerkte, flachste sie in der Hoffnung, die angespannte Situation zwischen Held und Prinzessin ein wenig auflockern zu können: „Schäm dich, Link! Du siehst aus wie ein Bettler! So kannst du dich doch nicht deiner Regentin zeigen!“
    Link warf Zelda einen eisigen Blick zu und murrte an seine Fee gewandt: „Ich sehe aus wie ein Krieger, der gerade den härtesten Kampf seines Lebens bestritten hat. Wenn das blaublütigen Anwesenden nicht passt, kann ich da auch nichts für!“
    Navi biss sich auf die Lippe und zog betroffen die Schultern nach vorn. Das war wohl ein Schuss nach hinten gewesen… Doch als Link trotz seiner garstigen, abwehrenden Worte die Zora-Rüstung hervor holte und die zerschlissenen Überreste seiner GoronenTunika abstreifte, schnellten die Mundwinkel der Fee schnell wieder in die Höhe.
    Er mochte noch so wütend und enttäuscht sein, der Gedanke, vor Zelda eine schlechte Figur zu machen, bereitete dem jungen Mann dennoch Bauchgrimmen – auch wenn er dies niemals freiwillig zugegeben hätte.
    Zelda, die um die Nase herum rot anlief, sobald sich Link die zerfetzte Oberbekleidung über den Kopf zog, wandte sich verlegen ab, beobachtete jedoch weiterhin aus den Augenwinkeln wie der Herr der Zeiten sich umkleidete. Da er unter der Tunika noch ein Hemd und seinen Kettenanzug trug, gab es dabei nicht besonders viel zu sehen, aber das hinderte Navi nicht daran, laut zu hüsteln, als sie die Blicke der Prinzessin bemerkte. Die wortlose Ermahnung der Fee ließ Zelda noch tiefer erröten, brachte sie aber trotzdem nicht dazu wegzusehen.
    Den Kopf schüttelnd lächelte Navi nachsichtig in sich hinein.
    Es war derart offensichtlich, dass Link und Zelda sich zu einander hingezogen fühlten, dass es schon beinah lächerlich wirkte…
    Dennoch hätte Link momentan lieber mit einer der Twinrova ein Bett geteilt als der Prinzessin seine wahren Gefühle zu zeigen.
    Navi konnte seine Reaktion zwar verstehen, hoffte aber gleichzeitig, ihr Freund würde sich nicht aus Trotz die Chance auf eine glückliche Zukunft verbauen. Daher nahm sie sich fest vor, ein ernstes Wort mit ihm zu reden, sobald er die Gelegenheit gehabt hatte, etwas Abstand zu den Erlebnissen der letzten Monate zu gewinnen.
    Unterdessen hatte Link seine Oberbekleidung gewechselt und sogar seinen Zopf, aus dem sich während des Kampfes einige Strähnen gelöst hatten, neu gebunden. Dennoch sah er wegen der Brandlöcher, die Ganondorfs Energiebälle in den Ellbogen sowie das rechte Knie des Kettenanzugs gebrannt hatten, ein wenig mitgenommen aus.
    Das schien ihm jedoch herzlich egal zu sein. Viel mehr schien ihn die Frage zu beschäftigen, was er nun mit den Überresten der Goronen-Tunika tun sollte. Sollte er sie mitnehmen, obwohl die Rüstung durch die unzähligen Löcher sicherlich völlig unbrauchbar war? Oder war es in Ordnung, sie wegzuschmeißen, obwohl sie ein Geschenk der Goronen gewesen war?
    Eine Zeit lang stand Link mit der zerfetzten Tunika in der Hand da und zog ein gequältes Gesicht, während er mit sich selbst rang. Dann zuckte er schließlich mit den Schultern und legte das zerschlissene Kleidungsstück fein säuberlich gefaltet auf Ganondorfs Schreibtisch. Es einfach auf den Boden fallen zu lassen wie einen ausgedienten Putzlappen, hatte der junge Mann nicht übers Herz gebracht. Dennoch erschien es ihm irgendwie richtig, die durchlöcherte Tunika ebenso hier zurückzulassen wie all die schlechten Erinnerungen, die er mit dem Großmeister des Bösen verband.
    Als er sich wieder zu seinen beiden Begleiterinnen umwandte, wirkte er so entspannt wie lange nicht mehr – ganz so als hätte er tatsächlich alle Sorgen und Schmerzen der vergangenen Monate zusammen mit der ausgedienten Rüstung abgelegt.
    Zelda lächelte ihm zaghaft zu, doch als Link seinen Blick stur auf Navi heftete und so tat als wäre die Prinzessin nichts weiter als Luft, ließ sie ihre Mundwinkel schnell wieder sinken. Navi setzte daraufhin eine strenge Miene auf und versuchte, ihrem Schützling mit Blicken zu bedeuten, er solle gefälligst freundlicher zu Zelda sein. Zumindest ein wenig.
    Angesichts des stummen Tadels seiner Fee stieß Link einen Seufzer des Widerwillens aus, öffnete aber dennoch den Mund, um endlich das eisige Schweigen zwischen ihm und Zelda zu brechen. Die Prinzessin kam ihm jedoch zuvor, indem sie mit Blick auf Ganondorfs Leiche laut nachdachte: „Ganondorf… eine bedauernswerte Kreatur… Sein Hunger nach Macht hat ihn blind und unzugänglich für die wahren Freunden des Lebens gemacht, bis er aus kaum mehr bestand als aus Leere, Traurigkeit und dem konstanten Streben nach Mehr.“
    Navi zog eine Augenbraue in die Höhe und machte ein ungläubiges Gesicht. „Bei allem Respekt, Eure Hoheit, Ganondorf war ein Monster, das Euch, Link und vielen anderen mehr nach dem Leben trachtete! Mitleid erscheint mir hier fehl am Platz.“
    Link hingegen betrachtete die sterblichen Überreste seines Erzfeindes mit neuen Augen und überraschte die anderen beiden, indem er sich auf Zeldas Seite schlug: „Du hast natürlich Recht, Navi. Ganondorf war ein Monster und hat Unverzeihliches getan, wofür seine Seele hoffentlich noch in tausend Jahren büßt! Aber ich kann trotzdem verstehen, warum Zelda Mitleid mit ihm hat.
    Stell dir nur einmal vor, wie seine Kindheit gewesen sein muss.
    Als einziger Mann seines Volkes musste er schon früh die Verantwortung eines Königs übernehmen. Viel Zeit zum Kindsein blieb da vermutlich nicht.
    Und denk dran, wer ihn aufgezogen hat: die Twinrova!
    Da ist es vermutlich kein Wunder, dass sein Herz vom Bösen durchdringen war. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ganondorf je erfahren hat, was Liebe ist oder dass die alten Schachteln ihm jemals beigebracht haben, was richtig und was falsch ist. Wahrscheinlicher erscheint mir, dass er nur dann ein bisschen Zuwendung bekommen hat, wenn er sich als nützlich für die Pläne der Hexen erwiesen hat und noch ein wenig mächtiger und kaltblütiger geworden war.
    Kannst du ihn unter diesen Umständen wirklich noch von ganzem Herzen hassen, ohne einen Funken Mitleid?“
    Bei diesen Worten lächelte Zelda Link erneut hoffnungsvoll an, was dieser jedoch wie zuvor geflissentlich ignorierte. Navi verschränkte unterdessen die Arme vor der Brust und wollte gerade protestieren, dass Link selbst unter ähnlich lieblosen Umständen aufgewachsen, aber im Gegensatz zu Ganondorf trotzdem nicht zum wahnsinnigen Oberschurken geworden war.
    Doch bevor die Fee auch nur den Mund hatte öffnen können, ließ plötzlich ein mächtiges Beben den Turm erzittern. Zelda verlor das Gleichgewicht und landete etwas schmerzhaft auf dem Hintern, während sich die anderen beiden geschockt ansahen. „Was war das?“ Instinktiv sah Link sich nach Monstern um, konnte jedoch nichts entdecken.
    Zelda rieb sich den schmerzenden Steiß und mutmaßte mit leichenblassem Gesicht: „Ich schätze, es ist eine letzte Bösartigkeit Ganondorfs. Ein Zauber, der – sollte Ganondorf je in einem Kampf unterliegen – den Teufelsturm in sich zusammenstürzen lässt und so den Gewinner nachträglich noch in den Tod reißt.“
    Navi ballte die Hände zu Fäusten und knurrte: „Ich hasse schlechte Verlierer!“ Link zog unterdessen die Augenbrauen zusammen und betrachtete Zelda mit zornigen Blicken. Die Prinzessin hatte mit einer seltsamen Ruhe gesprochen, die dem Herrn der Zeiten sauer aufgestoßen war.
    Es hatte geklungen als hätte sie ihren eigenen Tod bereits akzeptiert und würde nicht einmal versuchen wollen, zu fliehen…
    Als der resignierte Ausdruck nicht aus Zeldas Augen wich, packte Link sie plötzlich am Handgelenk und zerrte sie grob auf die Füße.
    Egal, wie enttäuscht er von ihr war – er würde sie hier nicht sterben lassen. Niemals. Selbst dann nicht, wenn er sie dafür gegen ihren Willen zur Flucht zwingen musste!
    Zelda sah Link ob seiner Grobheit irritiert an und zuckte beim Anblick seiner zornfunkelnden Augen zusammen, was dieser jedoch als Reaktion auf das Krachen der einstürzenden Decke wertete. Während um sie herum Putz herabbröselte und Deckentrümmer zu Boden krachten, stieß Link Zelda unsanft in Richtung Tür und schrie „Dann nichts wie raus hier, verdammt!“
    Die Prinzessin erwachte nur langsam aus der Starre, die der Schock über Ganondorfs letzte Tat ausgelöst hatte, aber dann lief sie so schnell sie konnte zum Ausgang herüber. Link sah ihr kopfschüttelnd nach und fragte sich, wie sie sich in diesen Schuhen und diesem Kleid so schnell bewegen konnte. Dennoch würde es vermutlich verdammt eng werden, die Festung noch rechtzeitig zu verlassen, bevor alles in sich zusammenstürzen würde.
    Zelda, die Links sorgenvolle Blicke, die er mit Navi wechselte, missdeutete, ballte in trotzig die Hände zu Fäusten und unterdrückte nur mühsam den Impuls, sich zu den beiden umzudrehen und sie anzufauchen, dass sie, als sie ihre Kleider ausgewählt hatte, nicht damit gerechnet hatte, aus einer in sich zusammenfallenden Festung fliehen zu müssen.
    Doch als sie die Türklinke herunterdrückte und daran zog, waren alle Gedanken an die vermeintlich missbilligenden Gesichter der anderen schlagartig vergessen.
    „Link!“ Der schrille Tonfall der Prinzessin ließ den Herrn der Zeiten, der gerade das zuvor fallengelassene Master-Schwert wieder aufsammelte, sofort alarmiert zu ihr herüberschauen. Beim Anblick ihres angstverzerrten Gesichts lief es dem Recken eiskalt den Rücken herunter: Sie war tatsächlich noch blasser geworden als zuvor – er hatte nicht geglaubt, dass dies möglich wäre.
    „Was ist los?“ Sofort war die Anspannung, die nach dem Kampf gegen Ganondorf von ihm abgefallen war, wieder da. Auch Navis Miene war ungewohnt ernst und besorgt, während ihre Augen zwischen Zelda, Link und der Decke hin und her zuckten, um die anderen beiden notfalls vor herabstürzenden Trümmern warnen zu können.
    „D-Die Tür“, erklärte Zelda atemlos, „sie lässt sich nicht öffnen!“
    Link erstarrte wie vom Blitz getroffen in der Bewegung und starrte die Prinzessin aus riesigen, schreckgeweiteten Augen an, während er stammelte: „A-Aber das be-bedeutet ja…“ „… dass wir in der Falle sitzen wie Ratten“, beendete Zelda seinen Satz und nickte zur Bekräftigung.
    Wie sollten sie bloß aus dieser Situation lebend wieder herauskommen?



    „Es hat keinen Zweck…“ Link musterte die Tür mit einem säuerlichen Blick. In der verzweifelten Hoffnung, Zelda sei nur zu schwach, um die durch einen Energieballtreffer verzogene Tür zu öffnen, hatte der Recke selbst am Türgriff gerüttelt und gerissen, bevor er versucht hatte, die Tür einzutreten. Als auch dies erfolglos blieb, hatte er sogar den Goronenhammer hervorgeholt, um kurzerhand das Türblatt zu zerschlagen. Die metallene Tür hatte sich jedoch als widerstandsfähiger als erhofft erwiesen.
    Navi betrachtete auf der Unterlippe kauend wie Zelda und Link mit hoffnungslosen Gesichtern auf die vermaledeite Tür starrten. Während der Herr der Zeiten sich noch Mühe gab, nicht aufzugeben, hatte sich die Prinzessin neben dem Türrahmen niedergelassen und die Arme um die angezogenen Beine geschlungen.
    Die Fee schüttelte sich leicht und schluckte an einem Kloß in ihrer Kehle. Sie musste hier raus… Sie ertrug die Trostlosigkeit dieses Anblicks nicht länger…
    Mit belegter Stimme rief sie: „Ich sehe mich mal draußen um, ob ich dort etwas entdecke, das uns weiterhelfen könnte.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, schlüpfte die Feenfrau durch eines der zerborstenen Buntglasfenster und verschwand.
    Link sah seiner Fee hinterher, während Zelda mit resigniertem Gesichtsausdruck die demolierten Goldverzierungen im Türblatt betrachtete, ohne sie wirklich zur Kenntnis zu nehmen. Ihr Blick war in Wirklichkeit auf die bodenlose Schwärze gerichtet, die sie in ihrem Inneren empfand.
    „Das muss Teil von Ganondorfs Zauber sein“, überlegte sie laut. „Er hat die Tür bestimmt magisch verriegelt, um uns an der Flucht zu hindern.“
    Der hoffnungslose Ton der Prinzessin schürte erneut Links Zorn und der junge Kämpfer brüllte sie so laut an, dass sie sich ängstlich ein Stück von ihm abrückte: „Und wenn schon! Dann finde ich eben einen Weg, diesen verdammten Zauber zu brechen! Ich bin nicht so weit gekommen, habe nicht so viel gekämpft und gelitten, um mich jetzt noch auf so feige Weise besiegen zu lassen! Ich habe Ganondorf bereits einmal geschlagen und ich werde es wieder tun – also tu mir im Namen der Göttinnen einen Gefallen und hör endlich auf, so zu tun als wäre alles verloren!“
    Zelda zog angesichts dieser Zurechtweisung ein Gesicht, das zwischen Schreck, Trotz und Bewunderung schwankte. Doch bevor sie sich entscheiden konnte, was sie entgegnen wollte, kam Navi zurück und klatschte aufgeregt in die Hände.
    „Hast du etwas entdeckt?“ Hoffnung erhellte Links Gesicht und er betete stumm zu den Göttinnen, seine Fee möge gute Nachrichten bringen. Als diese nickte, fiel dem Herrn der Zeiten ein Stein vom Herzen und vor Erleichterung wären ihm beinah die Knie eingeknickt.
    „An der Außenfassade der Festung führt eine Balustrade bis ins Erdgeschoss herab. Du musst nur dieses Fenster da drüben zerstören.“ Navi deutete auf eine noch überraschend intakte Buntglasscheibe auf der gegenüberliegende Raumseite.
    Sofort stürmte Link zu dem angezeigten Fenster herüber, wobei er über einige herabgestürzte Deckentrümmer klettern musste. Das konstante Beben, das den Teufelsturm immer wieder erzittern ließ, machten dies zu einem erstaunlich schwierigen Unterfangen. Mehr als einmal drohte der Herr der Zeiten abzurutschen oder das Gleichgewicht zu verlieren.
    Als er endlich am Fenster angekommen war, holte der Krieger sogleich den Goronenhammer wieder hervor und schlug die bunten Scheiben mitsamt ihrer Einfassungen heraus. Scherben in allen Farben des Regenbogens fielen wie ein Regen aus Edelsteinen an der Außenfassade des Turms herab in die Tiefe.
    Hinter dem Fenster kam die Balustrade zum Vorschein, die sich als kaum mehr als ein schmaler Metallsteg entpuppte – gerade breit genug, dass Link beide Füße nebeneinander abstellen konnte.
    Nur ein einziger Fehltritt würde ausreichen, um in den sicheren Tod zu stürzen…
    Trotzdem war es ihre beste Chance aus der Festung zu entkommen.
    Ungeduldig warteten der Herr der Zeiten und seine Fee neben dem ausgeschlagenen Fenster auf die Prinzessin, die sich mit ihrem langen Rock und den Schuhen mit Absatz verständlicherweise schwer tat, über die Trümmerbrocken hinweg zu steigen.
    Link warf Navi einen genervten Blick zu und flüsterte: „Bei den Göttinnen! Wenn sie noch langsamer macht, geht sie gleich rückwärts!“ Navi konnte ein amüsiertes Zucken ihrer Mundwinkel nicht verbergen, entgegnete jedoch: „Hab etwas Verständnis. In derart unpraktischen Kleidern wärst du auch nicht schneller. Hilf ihr lieber, anstatt dich zu beschweren!“
    Der junge Recke wollte gerade etwas Zynisches antworten, als plötzlich ein Zittern den Turm erfasste, das viel heftiger war als die vorangegangenen Beben. Das Schlimmste daran war, dass auf einmal der Boden des Zimmers mit einem lauten Krachen in ungleich große Teile brach.
    Mit schockgeweiteten Augen beobachtete Navi wie die Steinfliesen unter Zeldas Füßen zerbröselten und in die Tiefe stürzten, so als bestünden sie lediglich aus trockenem, lockerem Sand.
    Unterdessen reagierte Link instinktiv, noch bevor er die Situation rational hatte erfassen können. Mit einem beherzten Sprung hechtete er zu der Prinzessin herüber und packte gerade noch rechtzeitig ihr Handgelenk.
    Mit einem schrillen Kreischen stürzte Zelda in die Tiefe, bevor sie erkannte, dass sie nicht dem Tode geweiht war. Zumindest noch nicht.
    Im ersten Moment sah sie irritiert zu Link auf, der bäuchlings auf dem bröckelnden Boden lag und mit beiden Händen ihren Unterarm umklammerte. Vor Anstrengung standen ihm dickte Schweißperlen auf Stirn und Oberlippe, aber Zelda wusste nicht, ob sie von ihrem Gewicht herrührte oder von der Befürchtung, ihr mit der Macht der Titanenhandschuhe die Knochen zu zermalmen.
    Als die erste Schrecksekunde überstanden war, packte Zelda mit der freien Hand Links Arm und half ihm so gut sie konnte, sie aus dem Loch zu ziehen. Dann hasteten beide zum Fenster, während der Boden unter ihnen immer weiter in sich zusammenfiel.
    An der Balustrade angekommen, drehte sich die Prinzessin noch einmal um, um das Ausmaß der Verwüstung in Augenschein zu nehmen, und erstarrte, als sie durch den zerstörten Boden im Stockwerk unter sich eine vertraute Gestalt ausmachte.
    „Mutter…?!“
    Wie hypnotisiert ging Zelda immer weiter auf den Abgrund zu, die Augen fest auf die von herabstürzenden Trümmern fast vollständig bedeckte Leiche der hylianischen Königin gerichtet.
    Als Link bemerkte, was los war, packte er Zelda an den Schultern, riss sie grob zu sich herum und sagte in eindringlichem Ton: „Deine Eltern sind seit Jahren tot! Das, was du da unten siehst, ist nur eine der vielen Gemeinheiten Ganondorfs, die unsere Seelen und unsere Moral brechen sollen – also reiß dich zusammen!“
    Die Prinzessin nickte, machte aber noch immer ein verstörtes Gesicht, während Navi tadelte: „Das hätte man aber auch netter sagen können.“ Ihr tat die junge Frau leid, die ganz offensichtlich unter Links ungewohnter Feindseligkeit litt. Für Zelda hatte sich durch die Offenbarung ihrer wahren Identität nichts verändert und es fiel ihr schwer, Links Zorn und Enttäuschung nachzuvollziehen.
    „Wir haben keine Zeit, auf Nettigkeiten zu achten!“ Die Miene des Herrn der Zeiten war hart und undurchdringlich, aber er war deutlich sanfter als zuvor, als er Zelda aus dem Fenster auf die Balustrade hinaus schob.
    „Man hat immer Zeit für einen höflichen Ton und etwas Nachsicht“, beharrte Navi, doch Link blaffte wütend zurück: „Aber nicht jetzt! Nicht, während der Turm um uns herum zusammenfällt und ich uns alle irgendwie unbeschadet hier rausbringen muss. Nicht, während Frau Hochwohlgeboren mir das Leben zusätzlich schwer macht, indem ich permanent auf sie achten muss!“
    Er warf der Prinzessin einen wütenden Blick zu und rollte bei dem, was er zu Gesicht bekam, genervt mit den Augen. „Heiliger Deku, sieh dir das an!“
    Zelda fühlte sich von Links zornigem Ausbruch dazu angestachelt, ihm zu beweisen, dass sie sehr wohl selbst auf sich aufpassen konnte, und hatte sich in Bewegung gesetzt. Sie war die Balustrade bereits ein Stück weit entlang balanciert, doch das konstante Beben der Festung und ihr unpassendes Schuhwerk ließen sie schwanken wie einen betrunkenen Matrosen auf Landgang.
    Link schüttelte resigniert den Kopf. „Sie bricht sich noch das Genick…“ „Dann hilf ihr doch endlich!“ Allmählich ging Navi das feindselige Verhalten ihres Schützlings auf die Nerven. Dieser rollte erneut mit den Augen und murmelte: „Als hätte ich etwas anderes vorgehabt…“
    Trotz des konstanten Schwankens des Turms war der Recke mit wenigen Schritten bei der Prinzessin und hob sie mit einer schwunghaften Bewegung hoch.
    „Was im Namen der Göttinnen soll das werden?!“ Zelda kämpfte ein wenig gegen die sie haltenden Arme an, hatte Links durch die Titanenhandschuhe verstärkter Kraft aber nichts entgegenzusetzen. Also ergab sie sich in ihr Schicksal, jedoch nicht, ohne eine sauertöpfische Miene aufzusetzen.
    Links Verhalten, das er seit ihrem Aufeinandertreffen in der Zitadelle der Zeit an den Tag gelegt hatte, hatte sie tief verletzt und sie wollte seine Hilfe nicht!
    Sie wollte sein Mitleid nicht!
    Sie wollte nicht, dass er nur deshalb bei ihr war, weil er es als seine Pflicht ansah, ihr zu helfen.
    Sie wollte, dass er sie noch einmal so ansah wie zu der Zeit, in der er noch geglaubt hatte, sie sei Shiek…



    Link wirbelte die Prinzessin herum, sodass sie auf seinem Rücken saß und die Beine um seine Hüften schlingen konnte. Trotz der angespannten Situation musste Zelda sich eingestehen, dass sich die körperliche Nähe ausgesprochen gut anfühlte und sie schmiegte sich noch ein wenig näher an den Herrn der Zeiten.
    Dieser schien überraschenderweise durch den engen Körperkontakt ebenfalls ein wenig besänftigt zu sein und fragte in unerwartet sanftem Ton: „Sitzt du bequem?“ Dennoch verriet die Anspannung in seinen Rücken- und Schultermuskeln, dass er sich nicht gänzlich wohl in seiner Haut fühlte.
    Navi, die neben den beiden in der Luft schwebte, lächelte angesichts dieser zaghaften Annäherung in sich herein und strahlte sogar noch mehr, als Zelda zur Antwort nickte und dabei ihre Wange dicht an Links Hals brachte. Dieser errötete leicht und nuschelte, um seine Verlegenheit zu überspielen: „Äh… gut. Dann halt dich gut fest. Ich versuche, uns so schnell wie möglich runter zu bringen.“
    Trotz des zusätzlichen Gewichts bewegte der junge Recke sich erstaunlich leichtfüßig über die schmale Balustrade. Wegen des ständigen Bebens musste er immer wieder innehalten und seine Balance erneuern, aber insgesamt kam er gut vorwärts.
    Einige Minuten lang schwiegen die drei Abenteurer und hingen ihren eigenen Gedanken nach. Navi betete zu den Göttinnen, dass sie keine weiteren unliebsamen Überraschungen erleben mochten. Link konzentrierte sich völlig auf seine nächsten Schritte und Zelda fragte sich, wie es mit Hyrule weitergehen sollte. Sie war die rechtmäßige Thronerbin und als Weise der Harmonie zur Königin bestimmt.
    Aber war sie auch bereit, dieses Schicksal anzunehmen?
    Während der sieben Jahre, die sie als Shiek durch die Lande gestreift war, hatte sie eine Freiheit kennen gelernt, die es am königlichen Hof nie gegeben hatte. Obwohl sie ständig fürchten musste, von Ganondorf enttarnt und gefangen genommen oder gar getötet zu werden, hatte sie sich seltsam unbeschwert gefühlt. Sie hatte hingehen wohin sie wollte und hatte tun und lassen können, wonach auch immer ihr der Sinn stand.
    Zusammen mit der hylanischen Krone kamen auch eine Menge Pflichten und Aufgaben auf sie zu, die ihre Selbstbestimmtheit massiv beschneiden würden. Von ihr würde wieder erwartet werden, eine Lösung für die Sorgen ihrer Untertanen zu haben und ein Vorbild an Sittsamkeit, Besonnenheit und Liebenswürdigkeit zu sein.
    Selbst dann, wenn in ihr Trauer und die Sehnsucht nach wahrer Freiheit herrschten…
    Vielleicht, dachte sie mit einem kleinen Lächeln auf den fein geschwungenen Lippen, sollte sie mit Link und Navi fortgehen. Einfach davon laufen. Niemand wusste, dass sie Ganondorfs Angriff vor sieben Jahren überlebt hatte.
    Mit einem leisen Seufzen gestand sie sich jedoch ein, dass sie ihre Pflichten nicht ausschlagen konnte. Sie hätte für den Rest ihres Lebens ein schlechtes Gewissen ihren Untertanen gegenüber und würde nie wirklich glücklich werden.
    Außerdem hatte Link ein Anrecht auf einen Neubeginn – ohne sie…
    Er sollte die Chance bekommen, sein Leben so zu gestalten wie er es sich immer erträumt hatte.
    Plötzlich platzte Navi in ihre Gedanken: „War es eigentlich sehr schlimm, von Ganondorf gefangen genommen zu werden? Hattet Ihr große Angst?“
    Zelda schüttelte den Kopf. „Hör auf, mich anzureden als wäre ich bereits Königin. Im Moment bin ich nicht mehr als eine weitere Weise, die ihr befreit habt.“ Sie lächelte die Fee an, die erst zögerlich, dann aber über das ganze Gesicht zurückgrinste. Dann fuhr die Prinzessin fort: „Ich hatte große Angst ja. Aber weniger um mich als um euch. Ich hatte die Befürchtung, meine Entführung könnte euch womöglich dazu verleiten, etwas Unüberlegtes zu tun und euch in unnötige Gefahr zu bringen.“
    Navi bedachte Link mit einem viel sagenden, wissenden Blick, den dieser jedoch gar nicht wahrzunehmen schien. Er war völlig von der Aufgabe absorbiert, einen Fuß vor den anderen zu setzen.
    Unterdessen fuhr Zelda fort: „Ganondorf selbst habe ich kaum zu Gesicht bekommen. Er war wohl zu beschäftigt damit, sich auf die Konfrontation mit Link vorzubereiten.“
    „Wo ward Ihr… Wo warst du eigentlich, nachdem Ganondorf dich hat verschwinden lassen?“, wollte Navi wissen und schämte sich ein bisschen wegen ihrer unstillbaren Neugierde. Zelda schien daran jedoch keinen Anstoß zu nehmen. Stattdessen schürzte sie die Lippen und dachte einen Moment nach, bevor sie antwortete: „Das weiß ich selbst nicht so genau. Ich glaube, er hat mich auf eine andere Ebene oder in eine andere Dimension gehoben oder so.“
    Sie schüttelte den Kopf, weil sie nicht verstand, was mit ihr geschehen war. „Für mich sah es aus als wäre ich noch immer in dem Turmzimmer und Ganondorf und ihr wärt verschwunden. Ich konnte sogar noch eure Stimmen hören, aber ich konnte euch nicht sehen. Es war sehr merkwürdig…“
    Navi machte ein nachdenkliches Gesicht, während sie zu begreifen versuchte, was Zelda widerfahren war – jedoch ohne Erfolg. Was immer der Großmeister des Bösen mit der Prinzessin getan hatte, es überstieg die Vorstellungskraft der Fee.
    Da Navi ins Grübeln verfallen war, legte sich erneut Schweigen über die Gruppe. Inzwischen hatten die Drei schon einiges an Weg zurückgelegt und passierten nun die Fenster des zweiten Stocks. Link stand vor Anstrengung der Schweiß auf der Stirn und er keuchte leicht beim Atmen.
    Zelda wollte ihm gerade anbieten, von seinem Rücken zu steigen und alleine weiterzugehen, als ein heftiges Beben die Festung erzittern ließ. Diese erneute Erschütterung fiel deutlich stärker aus als die vorangegangenen und Link fuchtelte wild mit den Armen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, während Zelda sich instinktiv noch fester an ihn klammerte.
    Nach mehreren Minuten ließ das Beben wieder nach und die drei Abenteurer wollten bereits wieder aufatmen, als plötzlich die Balustrade unter ihnen brach und schräg nach vorn kippte. Wie auf einer Rutsche schlidderte Link mit einer kreischenden Zelda auf dem Rücken auf den Abgrund zu.
    Der Herr der Zeiten versuchte, die Füße in den Boden zu stemmen und so ihre Rutschpartie zu stoppen, aber die metallene Balustrade war derart glatt, dass er keinen Halt fand. Navi raufte sich vor Angst die Haare und rief: „So tu doch was, Link!“
    Der junge Mann hätte angesichts dieser überflüssigen Aufforderung am liebsten laut aufgelacht. Wenn er wüsste, was er tun sollte, täte er es lange…
    Unterdessen kam der Abgrund immer näher.
    Unaufhaltsam.
    Zelda kniff die Augen fest zusammen und presste die Lippen aufeinander, um ihr panisches Gekreische zu unterdrücken. Ein Sturz aus dieser Höhe war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tödlich.
    Dabei hatte sie gerade angefangen, daran zu glauben, dass Link sie alle sicher aus der Festung bringen konnte…
    Es waren nur noch wenige Zentimeter bis zum Abgrund, als sich der Herr der Zeiten plötzlich zur Seite warf. Es war eine Verzweiflungstat und er hatte nicht den Hauch einer Ahnung, ob der Plan, den er sich schnell zurechtgelegt hatte, überhaupt funktionieren konnte.
    Navi riss bei diesem Anblick die Augen noch weiter auf und keuchte: „Oh, Farore, halte deine schützende Hand über ihn…“
    Tatsächlich schien die Göttinnen des Mutes ihrem Auserwählten noch immer wohlgesinnt zu sein: Durch die plötzliche Verlagerung seines Körpergewichts konnte Link Zeldas und seine Flugbahn so verändern, dass sie anstatt auf den Abgrund, auf den Turm zuschossen.
    „Din, Farore, Nayru… Lasst es klappen… bitte…“ Link zog die Beine an und zog Zelda im Fallen nach vorne auf seinen Bauch, bevor er sich so drehte, dass er dem Turm den Rücken zuwandte. Navi schlug sich die Hände vors Gesicht und hielt gespannt den Atem an.
    Jetzt waren es nur noch Sekunden bis zum Aufprall.
    Es dauerte nur noch wenige Wimpernschläge lang, bis sich herausstellen würde, ob Links Plan funktionierte oder fulminant scheiterte.
    Die Zeit schien plötzlich still zu stehen und der Fee kam es so vor als würden sich Krieger und Prinzessin in einzelnen, starren Bildern durch die Luft bewegen, anstatt in einer fließenden Bewegung.
    Dann zerriss ein lautes Klirren die Stille und Zelda und Link krachten durch ein Fenster ins Innere des Turmes.
    Navi atmete erleichtert auf und dankte stumm den Göttinnen. Wäre Links Aufprallpunkt nur leicht verschoben gewesen, der Herr der Zeiten wäre mit voller Wucht gegen die massive Steinwand des Turms gekracht und zusammen mit Zelda in den Tod gestürzt.
    Unterdessen schirmte Link Zelda mit seinem Körper so gut es ging gegen herumfliegende Scherben und den harten Aufprall ab. Ein Glassplitter bohrte sich in seine Schulter, blieb aber glücklicherweise bereits in den oberen Hautschichten hängen.
    Als sich die beiden endlich ausgerollt hatten und zum Stillstand kamen, verharrten sie für einen Moment in inniger Umklammerung. Zelda musterte mit feuchten Augen Links Gesicht, das ihrem eigenen so nah war und vor Erleichterung und Dankbarkeit strahlte.
    „D-Du hast mir das Leben gerettet.“ Sie brachte nur ein heiseres Flüstern zustande, aber mehr brauchte es auch nicht. Link zog einen Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln nach oben und Zelda spürte plötzlich den beinah unbändigen Drang, ihn zu küssen.
    „Stets zu Diensten, Majestät.“ Noch Minuten zuvor hätte die Prinzessin eine solche Entgegnung als verletzend empfunden, doch nun lag solch eine Wärme in Links Augen, dass sie nicht anders konnte als zurückzulächeln.
    Navi, die nach den beiden sehen wollte, verharrte am zerbrochenen Fenster, als sie das leise Tuscheln hörte. In solch einem Moment wollte sie nicht stören.
    Zelda legte Link eine Hand gegen die Wange und zeichnete mit dem Daumen seine Lippenkonturen nach. Im ersten Moment schreckte der junge Mann vor der Berührung zurück, ließ sie dann aber dennoch zu. Sein Herz schlug unterdessen derart heftig gegen seine Rippen, dass Zelda jedes Pochen fühlte als wäre es ihr eigenes.
    In diesem Moment verstand Zelda endlich wie verletzlich Link wirklich war und dass sich hinter der Fassade des auserwählten Helden ein Junge steckte, der bereits zu oft verletzt und enttäuscht worden war.
    Ihrem Impuls nachgebend, schob sie ihren Körper noch ein wenig näher an seinen und hob den Kopf, um ihre Lippen auf seine zu pressen. In Links Augen schlich sich ein Ausdruck von Panik, der sie lächeln ließ und sie wollte ihm versichern, dass er keine Angst zu haben brauchte.
    Doch in diesem Moment wurde sie plötzlich aus seinen Armen und in die Luft gerissen. Eine skelettartige Hand umklammerte ihren Hinterkopf und hob sie so hoch, dass ihre Beine hilflos in der Luft strampelten.
    Vom Fenster her hörte Zelda wie Navi erschreckt aufkeuchte, doch der Blick der Prinzessin war fest auf Link geheftet, der sich vor ihren Augen vom verletzlichen Jungen wieder in den abgebrühten Herrn der Zeiten verwandelte und wieder auf die Füße sprang.
    Mit einem bedrohlich wirkenden Gesichtsausdruck musterte der Krieger sein Gegenüber und sagte in trügerisch ruhigem Ton: „Ich dachte, ich hätte dich getötet.“



    Der Skelettkrieger schien zu grinsen, obwohl er keine Lippen mehr hatte, die er hätte verziehen können. „Du warst nah dran, Herr der Zeiten, nah dran…“
    Link blickte demonstrativ an dem Mykono-Bruder vorbei als suche er jemanden und fragte mit einem süffisanten Lächeln: „Ich sehe deinen Bruder nirgends. Hatte ich bei ihm mehr Erfolg?“
    Die rotglühenden Augen des Stalfos‘ wurden zu harten, funkensprühenden Murmeln und der Skelettkrieger krallte seine Finger noch fester in Zeldas Nacken, was diese leise wimmern lies. Navi kaute unterdessen am Nagel ihres Daumens und hoffte, Link wusste was er tat, wen er sein Gegenüber so reizte.
    „Allerdings“, gab der Mykono-Bruder widerwillig zu, bevor er zunächst die von seiner Hand baumelnde Zelda und dann wieder Link mit schief gelegtem Kopf ansah und sagte: „Und genau deswegen werde ich dir jetzt auch etwas nehmen, das du liebst. Sag ‚Lebwohl, Prinzessin‘!“
    Zelda kniff die Augen fest zusammen und Navi stieß einen ohrenbetäubenden Schrei aus, während der Herr der Zeiten sich schneller bewegte als es sein Feind oder seine Freunde für möglich gehalten hätten. Mit einer fließenden, drehenden Bewegung riss er sein Schwert aus der Scheide und ließ die Klinge auf das Ellbogengelenk des Skelettkriegers niedersausen.
    Der Knochen zersplitterte mit einem leisen Krachen und Zelda landete unsanft auf den Füßen. Da sie mit dem Sturz nicht gerechnet hatte, verlor sie das Gleichgewicht und fiel nach vorn auf die Knie. Sofort war Navi an ihrer Seite, um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen: „Alles noch dran, Majestät?“
    Zelda nickte benommen und wollte die Fee daran erinnern, dass sie eine derart formelle Anrede nicht besonders mochte, erstarrte aber plötzlich, als sich die abgehakte Hand in ihrem Nacken bewegte. Navi deutete ihren geschockten Gesichtsausdruck als Zeichen des Schmerzes und betastete besorgt das Gesicht der Prinzessin. Als sie die Hand samt Unterarm bemerkte, die sich mit den Fingern trippelnd auf den Skelettkrieger zubewegte, stieß sie ein schrilles Kreischen aus und machte einen beeindruckenden Satz nach hinten.
    Während die Gesichter von Prinzessin und Fee Masken des Horrors waren, beobachtete der Mykono-Bruder seinen Arm mit einem amüsierten Glänzen in den Augen. Link hingegen schaute beinah gelangweilt aus der Wäsche.
    Bevor die Hand ihren Besitzer erreichen konnte, trat der Herr der Zeiten seinem Gegenüber plötzlich mit voller Wucht gegen die Brust, sodass einige Rippen brachen und mit einem hellen Klacken auf die Steinfließen fielen. Der Skelettkrieger, der nicht mit der Attacke gerechnet hatte, taumelte einige Schritte rückwärts und zog dann seinerseits mit zornfunkelnden Augen sein Schwert.
    „Du willst es also auf die schmutzige Art?“ Die Stimme des Stalfos‘ war ein wütendes Grollen, das ein wenig wie ein herannahendes Sommergewitter klang. Link schüttelte den Kopf und schwang bereits wieder sein Schwert in Richtung seines Gegners. „Nein, ich will es auf die schnelle Art! Es mag dir ja nicht aufgefallen sein, aber diese Festung bricht in sich zusammen – und ich wäre gerne draußen, bevor sie ganz kollabiert.“
    Einige Minuten lang hieben die beiden Kontrahenten aufeinander ein, wobei sie nicht nur auf die Hiebe des jeweils anderen, sondern auch noch auf herabstürzende Trümmer achten mussten.
    Link umklammerte zornig das Heft des Master-Schwerts. Er hatte keine Zeit für diesen Kampf! Sie mussten so schnell es irgend ging aus der Festung heraus…
    Der Herr der Zeiten überlegte noch immer, wie er den Skelettkrieger überlisten und ausschalten konnte, als er überraschend Hilfe bekam. Der Mykono-Bruder trieb Link gerade mit mächtigen Schlägen, die dieser nur mit Mühe mit seinem Hylia-Schild parieren konnte, an Zelda und Navi vorbei, als die Prinzessin ein Bein ausstreckte und den Stalfos zum Stolpern brachte.
    Das Skelett machte ein paar unbeholfene Hüpfer nach vorn, in der Hoffnung, sein Gleichgewicht wiederzufinden. Doch Link, der schnell mitgedacht hatte, wirbelte um den Stalfos herum und verpasste ihm einen Tritt in den Rücken, sodass er kopfüber in eine brennende Fackel fiel.
    Der Herr der Zeiten und seine Begleiter glaubten, die trockenen Knochen des Skelettkriegers würden zu einem Haufen Asche verbrennen. Tatsächlich fing der Stalfos Feuer, aber er fiel nicht in sich zusammen und starb. Stattdessen wirbelte er fuchsteufelswild herum und kam erneut auf Link zu.
    Die Fackel, in die das Skelett gefallen war, war umgestürzt und die brennenden Kohlen waren gegen einen Wandteppich gerollt, der sogleich Feuer fing. Dicker, schwarzer Rauch füllte allmählich den Raum.
    Mit angstgeweiteten Augen beobachtete Link das brennende Monster, das schwertschwingend auf ihn zukam, und rief seinen beiden Begleiterinnen panisch zu: „Macht, dass ihr hier raus kommt! Sofort!“
    Navi, die aus Erfahrung wusste, dass ihr Schützling sich nur dann voll auf einen Kampf konzentrieren konnte, wenn er sie in Sicherheit wusste, schoss bereits auf die nach unten führende Tür zu, aber Zelda stand kopfschüttelnd auf. „Ich werde dich nicht allein lassen!“
    Der Herr der Zeiten warf ihr einen schnellen, aber nichtsdestotrotz eindringlichen Blick zu und brüllte sie an: „Doch! Verschwinde endlich! Bring dich in Sicherheit!“
    Zu seiner Überraschung machte sich ein Ausdruck des Zorns auf dem Gesicht der Prinzessin breit und sie stemmte wütend die Fäuste in die Hüften. Navi eilte zurück an ihre Seite und flüsterte in ihr Ohr: „Zelda, ich bitte dich! Link hat jetzt keine Zeit, uns zu beschützen. Du hilfst ihm viel mehr, wenn du jetzt gehst – vertrau mir!“
    Doch die besänftigend wirkenden Worte brachten Zelda nur noch mehr auf und sie rief, die Arme in einer theatralischen Geste in die Luft werfend: „Wieso haltet ihr mich eigentlich für derart wehrlos?! Ja, ich trage unpassende Kleider für Balanceakte und schnelle Fluchten, aber das heißt doch nicht, dass ich zu nichts zu gebrauchen bin! Ich habe mich sieben Jahre ohne euch durchgeschlagen – ich brauche euren Schutz nicht!“
    Mit diesen Worten streckte sie eine Hand in Richtung eines besonders großen Trümmerhaufens aus und schien sich auf irgendetwas zu konzentrieren. Link hatte keine Gelegenheit, sie zu beobachten – er musste den Angriffen des Mykono-Bruders ausweichen – aber Navi staunte nicht schlecht über das, was sie sah: zwischen den gespreizten Fingern der Prinzessin erstrahlte plötzlich ein lilafarbenes Licht und die Trümmer begannen zu schweben.
    „Link, runter! Duck dich!“
    Der Herr der Zeiten hatte keine Ahnung, warum Zelda dies von ihm verlangte, ließ sich aber dennoch ohne zu zögern auf den Bauch fallen. Nur Sekunden später spürte er knapp über sich einen starken Luftzug und nur einen Wimpernschlag später wurde der brennende Skelettkrieger von Steinbrocken erfasst, gegen die nächste Wand geschleudert und von den Trümmern begraben.
    Einige Herzschläge lang rechnete Link damit, der Stalfos würde die Brocken einfach abschütteln und erneut greifen, aber alles blieb still und ruhig. Da der Mykono-Bruder besiegt zu sein schien, wandte sich der junge Recke wieder seinen beiden Begleiterinnen zu und hätte bei deren Anblick beinah laut aufgelacht.
    Während Zelda eine übertrieben triumphierende Miene zur Schau trug, glotzte Navi sie mit unverhohlener Bewunderung aus kreisrunden Augen an. „Du… du beherrscht Telekinese?!“
    Angesichts von Navis Begeisterung mischte sich Verlegenheit unter den trotzigen Triumph, der noch immer Zeldas Gesichtszüge beherrschte. Ihre Stimme hingegen klang deutlich bescheidener, als sie mit einem Achselzucken sagte: „In meiner Zeit als Shiekah habe ich einiges über Zauberei gelernt.“
    „Wow!“ Navi sah aus als wollte sie auf der Stelle alles über Zeldas Magiewissen erfahren, aber Link fasste die Prinzessin an der Schulter und zog sie sanft Richtung Tür. „Wir sollten hier so schnell wie möglich verschwinden!“



    Vom stetig stärker werdenden Beben begleitet, hastete die kleine Gruppe den Turm herunter. Offenbar waren auch in den unteren Stockwerken einige Fackeln aus ihren Halterungen gefallen und die gesamte Festung stand lichterloh in Flammen.
    Sehnsüchtig dachte Link an seine zerstörte Goronen-Rüstung, während er sich mit Navi und Zelda einen Weg zurück in die Haupthalle der Festung bahnte. Um sich selbst ein wenig Mut zu machen, lächelte er seine Begleiterinnen an und sagte: „Jetzt ist es nicht mehr weit!“
    Die Beiden nickten und lächelten zurück, wobei Navi dennoch ein wenig besorgt aussah. Je näher sie dem Ausgang der Festung kamen, desto mehr beschäftigte sie die Frage, wie Link und Zelda den Lavagraben überqueren sollten.
    Ob die Weisen wohl wieder ihre Regenbogenbrücke errichten würden?
    Kaum dass Link über die Zähne des Drachenmauls in die Halle getreten war, verdrängte jedoch eine andere Sorge vorrübergehend alle anderen aus Navis Geist. Eine der Leichen, die noch immer in den Rüstungen der hylianischen Soldaten steckten, setzte sich plötzlich in Bewegung und umklammerte von hinten Links Beine.
    Der Recke stürzte wie ein gefällter Baum zu Boden und biss sich beim Aufprall die Lippe auf, während Zelda reflexartig nach dem Angreifer trat. Als ihr Schuh mit der spitzen Hacke im modrigen Fleisch der Leiche steckenblieb, verzog die Prinzessin angewidert das Gesicht. Dennoch ließ sie sich nicht davon abhalten, den zweiten Schuh auszuziehen und damit auf den Zombie einzuschlagen.
    Navi feuerte sie dabei an und zog ihrerseits an den Haaren der Leiche, die unter dem Visier des stählernen Helmes hervorlugten. Die Fee hatte keine Ahnung, ob der Zombie überhaupt Notiz von ihren Bemühungen nahm, aber alles war besser als nichts zu tun.
    Tatsächlich lenkten die beiden Frauen den Angreifer genug ab, dass Link sich aus der Umklammerung befreien und die Leiche mit einem gezielten Tritt in die Flammen eines brennenden Teppichs stoßen konnte. Anders als der Mykono-Bruder verwandelte sich der Zombie glücklicherweise nicht in eine noch gefährlichere Version seiner selbst, sondern verbrannte vollends.
    Der Herr der Zeiten rappelte sich schnell wieder auf und wandte sich seinen Begleiterinnen zu, um sich zu bedanken. Als sein Blick jedoch durch das Drachenmaul zurück in den Teufelsturm fiel, erbleichte er und verschob seinen Dank auf später. Stattdessen packte er Zelda am Handgelenk und forderte: „Lauf!“
    Scherben und kleine Steinsplitter bohrten sich in die nackten Sohlen der Prinzessin, doch sie rannte tapfer weiter, obwohl sie nicht wusste, wovor sie davonliefen: der zusammenbrechenden Festung oder einer anderen Bedrohung. Navi, die neben ihrem Kopf in der Luft flog, wandte im Gegensatz zu Zelda den Kopf und schüttelte sich vor Ekel: aus dem Eingang zum Teufelsturm drängten noch mehr Zombies, die mit ihren verfaulten Armen nach Link und der Prinzessin haschten.



    Glücklicherweise erwiesen sich die lebenden Leichen als nicht besonders schnell, sodass es der kleinen Gruppe leicht gelang, vor ihnen davon zu laufen. Auch ansonsten begegneten sie keinerlei Schwierigkeiten mehr, bis sie aus dem Eingangstor der Festung ins Freie traten.
    Navi sog gierig Luft ein, obwohl sie nach Schwefel und Rauch roch. Ganondorfs Festung endlich wieder zu verlassen, war ein Segen und sie fühlte sich sogleich befreiter, auch wenn die Gefahr noch nicht vorüber war.
    Wie die Fee schon erwartet hatte, hatten die Weisen keine neue Brücke errichtet…
    Link bremste gerade noch rechtzeitig ab und blieb gemeinsam mit Zelda am Rand des Lavagrabens stehen. „Verdammt!“ Seiner Stimme war seine Frustration deutlich anzuhören. „Das hatte ich ja ganz vergessen!“
    Die Augen des Kriegers zuckten unruhig hin und her, während er verzweifelt nach einer Lösung suchte. Navi tastete unterdessen erneut die Außenfassade der Festung ab und hoffte darauf, eine Art Schalter oder irgendetwas anderes zu finden, das ihnen weiterhelfen konnte.
    Es musste einen Weg auf die andere Seite geben!
    „Äh, ich könnte doch…“, setzte Zelda an, aber Link schnitt ihr grob das Wort ab: „DA! Das ist unsere Chance! Renn!“
    Einer der kleineren Ecktürme stürzte gerade direkt vor ihrer Nase in den Graben. Link fasste erneut Zeldas Unterarm und wollte sie dazu bringen, auf den stürzenden Turm zu klettern. Zu seiner großen Überraschung zog die Prinzessin jedoch ihren Arm zurück und schüttelte den Kopf.
    „Zelda! Was soll das?! Wir haben keine Zeit!“ Entsetzt starrte er die Prinzessin an, die ein latent genervtes Gesicht zog, das auch Navi irritierte. „Wenn du mich hättest ausreden lassen, wüsstest du, was das soll. Deine Idee ist unnötig halsbrecherisch. Ich werde nicht über einen umstürzenden Turm rennen, um im letzten Moment abzuspringen und zu hoffen, dass ich es auf die andere Seite schaffe!“
    Link blickte sie entgeistert an und versuchte, ihr Verhalten zu begreifen. Als sie auch noch über seinen Gesichtsausdruck lachte, war seine Verwirrung komplett. Doch dann streckte sie ihren Arm in Richtung des Turmes, der kurz davor war, auf der Lava aufzutreffen, und Link begriff!
    Vor Anstrengung bildeten sich feine Schweißperlen über Zeldas Oberlippe, aber sie schaffte es, den Turm so präzise zu bewegen, dass er sich zwischen der Festungsinsel und dem Festland festklemmte und eine perfekte Brücke bildete.
    „Du bist unglaublich!“ Ohne nachzudenken packte Link Zelda bei den Hüften und wirbelte sie lachend herum. Im ersten Moment war die Prinzessin erschrocken, brach dann aber in losgelöstes Kichern aus. Auch Navi grinste breit vor sich hin. Nicht nur, weil Link und Zelda gerettet waren. In erster Linie freute sie sich darüber, dass die Anspannung zwischen den beiden offenbar gelöst war.
    Doch nach dem ersten Moment der Euphorie wurde Link bewusst, was er tat und er lief schlagartig puterrot an. Genauso schnell stellte er Zelda wieder ab und deutete mit dem Kinn auf den Turm. „Ich… äh… ich geh vor und teste, wie sicher der Überweg ist.“
    Zeldas Augen spiegelten die Verletzung, die sie in diesem Moment empfand, aber sie nickte nur. Vermutlich war es sowieso besser für sie beide, wenn sie ein wenig Distanz zu einander bewahrten, denn schon bald würden sie in verschiedenen Welten leben…
    Dennoch hätte sie Link, der bereits behände den Turm erklomm, gern zurückgerufen und sich in seine Arme geworfen.
    „Reiß dich zusammen!“, ermahnte sie sich selbst und beobachtete mit zu Fäusten geballten Händen wie Link auf die andere Grabenseite balancierte. Navi runzelte angesichts ihrer starren Haltung irritiert die Stirn, sagte aber nichts. Sie hätten noch alle Zeit der Welt, um über Gefühle zu reden, sobald sie diesen trostlosen Ort verlassen hatten.
    Sekunden später hatte Link die gegenüberliegende Seite erreicht und bedeutete Zelda, dass sie sich gefahrlos herübertrauen konnte. Da sie ihre unpraktischen Schuhe verloren hatte, stellte sie sich dabei deutlich geschickter an als zuvor auf der Balustrade.
    Als auch die Prinzessin die Brücke überquert hatte, atmeten die drei Abenteurer auf und Zelda sank sogar zu Boden und schloss vor Erschöpfung und Erleichterung die Augen, während Link und Navi mit morbider Faszination zusahen wie Ganondorfs Festung vollends in sich zusammenfiel.
    Sie hatten es tatsächlich lebend aus dieser Mörderfalle herausgeschafft!


    ZF-Signatur-2.jpg

    Avatar-Artwork von mokke; Signatur-Artwork von Kamui Fujiwara (official artwork)

  • Seine letzte Schlacht


    Link wusste nicht, wie lange er schon am Rand des Lavagrabens stand und zu den Überresten von Ganondorfs Festung herüberstarrte. Angesichts der Tatsache, dass die schwarze Burg inzwischen vollständig in sich zusammengefallen war, musste es sich um etliche Minuten handeln, aber der junge Mann hatte jedes Zeitgefühl verloren.


    Er nahm auch nicht wahr, dass von Osten her dunkle Gewitterwolken herangezogen kamen und orangerotes Wetterleuchten den Nachthimmel erleuchtete. Auch die ersten Regentropfen, die dem Gewitter vorausgingen, registrierte er nicht.


    Links Geist war vollauf damit beschäftigt, zu begreifen, was er vollbracht hatte.


    Der Großmeister des Bösen war besiegt und sie waren alle mit dem Leben davon gekommen!


    Noch immer konnte der Herr der Zeiten nicht vollständig glauben, dass er sein Schicksal erfüllt hatte und er nun endlich Zeit haben würde, sein eigenes Leben zu leben.


    Ein wenig verstohlen warf er einen Blick über die Schulter zu Zelda, die noch immer neben dem umgestürzten Turm auf dem Boden saß und sich leise mit Navi unterhielt, die erschöpfter und ausgelaugter wirkte als Link sie je gesehen hatte.


    Was würden die Beiden nun, da die Gefahr abgewendet war, wohl tun? Wie würden sie ihre Zukunft gestalten?


    Link hatte wenig Zweifel daran, dass Zelda ihr Erbe als Thronfolgerin antreten und den hylianischen Thron besteigen würde. Obwohl er immer gewusst hatte, dass sie dazu bestimmt war, Regentin zu werden, fühlte sich der Gedanke, Zelda würde bald Königin werden, für Link komisch an – vor allem, wenn er daran dachte, was er mit ihrem Alter Ego Shiek alles erlebt hatte. Irgendwie konnte er sich Zelda besser als Anführerin einer Diebes- oder Piratenbande vorstellen denn als Königin.


    Aber was würde Navi nun tun?


    Ursprünglich hatte sie sich nur mit Link zusammengetan, weil der Deku-Baum dies von ihr verlangt hatte. Inzwischen waren die Beiden jedoch zu Freunden geworden – mehr noch, zu einem Duo zusammengewachsen – und Link konnte sich ein Leben ohne seine Fee kaum noch vorstellen.


    Doch ging es ihr diesbezüglich ähnlich oder freute sie sich bereits darauf, endlich wieder eigene Wege gehen zu können?


    Als hätte sie seine Gedanken gelesen oder zumindest seinen Blick auf sich gespürt, wandte Navi den Kopf, lächelte zu ihrem Schützling herüber und rief: „Willst du da eigentlich Wurzeln schlagen oder kommst du endlich her und überlegst dir mit uns, was wir jetzt machen?“


    Das Strahlen in Navis Augen vertrieb die trüben Gedanken, die für einen Moment Links Herz bedrückt hatten. Selbst wenn Navi ihn nun, da ihr Abenteuer überstanden war, nicht mehr permanent begleiten würde, sie würden für immer Freunde bleiben und sich gegenseitig besuchen – da war sich der junge Mann vollkommen sicher.


    Mit einem vergnügten Grinsen auf den Lippen überbrückte er die wenigen Schritte zu den beiden Frauen hinüber und ging in die Hocke, damit Zelda nicht den Kopf in den Nacken legen musste, wenn sie ihm ins Gesicht schauen wollte. „Dann schießt mal los“, forderte er von plötzlichem Tatendrang beseelt, „wie sehen eure Pläne aus?“


    „Ich habe vorgeschlagen, zunächst nach Kakariko zu gehen und uns dort ein wenig auszuruhen“, sagte Navi. Zelda nickte und ergänzte: „Nachdem wir uns ein paar Tage Auszeit gegönnt haben, sollte ich mich auf Reisen begeben und die anderen Völker Hyrules besuchen. Fast alle von ihnen müssten einen neuen Herrscher ernennen und ich hoffe, dass ich ihnen dabei behilflich sein kann. Außerdem kann ich bei der Gelegenheit mein Anrecht auf den hylianischen Thron deklarieren. Ich halte es zwar für relativ unwahrscheinlich, dass mir jemand mein Erbe streitig machen wollen wird, aber es kann nicht schaden, die neuen Regenten der anderen Völker hinter mir zu haben.“


    Bei diesen Worten grinste Link noch ein wenig breiter als zuvor und korrigierte seinen früheren Gedanken. Er konnte sich Zelda sehr gut als Piratenanführerin und als Königin vorstellen!


    Lachend fragte er: „Und ich spiele die Leibwache und begleite dich? Es wäre schön, meine alten Freunde mal wiederzusehen, ohne ständig den Gedanken an Ganondorfs nächste Bösartigkeit im Hinterkopf zu haben.“


    Während Navi angesichts von Links offensichtlich guten Laune wie ein Honigkuchenpferd strahlte und vergnügt „Oh ja!“ rief, schien Zelda diese überhaupt nicht zu bemerken. Sie nestelte nervös am Saum ihres Kleiderärmels und blickte mit einer Trauermiene, die vollkommen fehl am Platz wirkte, zu Boden.


    Der Herr der Zeiten und seine Fee wechselten bei diesem Anblick irritierte Blicke, aber die Prinzessin ließ ihnen keine Zeit für Fragen. Stattdessen fuhr sie mit der Planung ihrer nächsten Schritte fort: „Danach sollte ich nach Kakariko zurückkehren und mit der Rekrutierung einer neuen Armee beginnen. Vielleicht kann ich mir sogar ein paar Soldaten der anderen Völker ausleihen. Auf jeden Fall wird es Zeit, dass Hyrule-Stadt von diesen widerlichen Zombies gereinigt wird, damit wir es wieder neuaufbauen können.“


    Link, der noch immer bemüht war, seinen Part dieses Plans zu entdecken, hakte nach: „Und Navi ist dabei deine strategische Beraterin und ich der Hauptmann deiner neuen Armee?“ Die Fee klatschte begeistert in die Hände und rief: „Oh ja! ‚Strategische Beraterin‘ klingt super!“


    Zelda jedoch schien die Freude erneut nicht teilen zu können. Stattdessen stahl sich ein gequälter Ausdruck auf ihr Gesicht, der Link alarmierte.


    Besorgt streckte er eine Hand nach ihrem Kinn aus und zwang sie sanft, ihn anzusehen. „Was ist los? Warum guckst du wie sieben Tage Regenwetter, obwohl wir allen Grund zum Feiern haben?“


    Als Zelda daraufhin stumm seinen Blick erwiderte, zuckte Link vor Schreck ein wenig zusammen. Er hatte noch nie Augen gesehen, in denen so viel Trostlosigkeit und Verzweiflung gestanden hatten.


    Was quälte sie nur derart?


    Der junge Mann suchte nach Worten, doch ihm wollte partout nichts einfallen, was er in dieser Situation hätte sagen können. Auch Navi schien es ausnahmsweise die Sprache verschlagen zu haben. Sie schwebte neben Zeldas Gesicht in der Luft und blickte zwischen der Prinzessin und Link hin und her als rekonstruiere sie in Gedanken das vorangegangene Gespräch, um zu verstehen, was Zeldas Reaktion ausgelöst haben mochte.


    Vielleicht, dachte der Recke und setzte sich dicht neben Zelda, waren Worte im Moment aber gar nicht so wichtig. Zaghaft, so als wäre er sich nicht ganz sicher, ob er sie berühren durfte, schob er einen Arm über die Schultern der Prinzessin und zog sie leicht an sich.


    Zunächst versteifte Zelda sich unter der Berührung und Link war bereits drauf und dran, seinen Arm wieder zurückzuziehen. Dann aber warf sich die Prinzessin regelrecht in die Umarmung und klammerte sich am Kragen von Links Tunika fest als stürzte sie ohne in eine bodenlose Tiefe.


    Der Herr der Zeiten und seine Fee sahen sich besorgt an.


    Was war nur los?


    Link strich Zelda in der Hoffnung, sie so ein wenig beruhigen zu können, sanft über den Rücken und murmelte: „Es ist alles gut. Wir haben es überstanden.“ Als ihm eine weitere mögliche Erklärung für Zeldas Verhalten in den Sinn kam, fügte er an: „Du musst die Bürde der Krone nicht alleine tragen. Wir stehen dir jederzeit zur Seite, wenn du das möchtest.“ Navi nickte bekräftigend und sagte: „Stimmt genau. Oder du überlässt dem Thron einfach jemand anderem.“


    Bei diesen Worten krümmte sich Zelda zusammen als hätte sie jemand in den Magen geboxt und sie konnte nur mit Mühe ein Schluchzen unterdrücken. Link sah hilflos zu Navi hoch, die genauso ratlos war wie er und mit den Schultern zuckte als wollte sie sagen: „Frag nicht mich.“


    Da ihm nichts Besseres einfiel, zog Link Zelda noch ein wenig näher an sich heran und flüsterte verzweifelt: „Was hast du denn nur?“ Die Prinzessin schüttelte den Kopf und vergrub ihr Gesicht in seiner Halsbeuge.


    Allmählich machte sie ihm ernsthaft Angst…


    Doch bevor Link einen erneuten Versuch unternehmen konnte, Zeldas Verhalten zu ergründen, ertönte aus Richtung der zusammengefallenen Festung her plötzlich das Geräusch aufeinanderschlagender Steine.


    Sofort schnellten die Köpfe der Drei herum, um das Gelände mit den Augen nach der Ursache des Lautes abzusuchen. Als sie nichts entdecken konnten, mutmaßte Link: „Sieht so aus als wäre unser Mykono-Freund womöglich immer noch am Leben. Wirklich hartnäckig, diese Skelettkrieger!“


    Mit einem Seufzen versuchte er, sich wieder aufzurichten, aber Zelda hielt ihn fest und flüsterte: „Nein, geh nicht weg! Ich… Ich brauch dich doch!“


    Angesichts dieses Geständnisses machten sich zugleich Schmerz und Freude auf Links Gesicht breit und er sah erneut hilfesuchend zu seiner Fee, die ähnlich aus der Wäsche guckte wie er. „Aber Zelda“, hob Navi mit sanfter Stimme an, „Link muss gehen und diesem lästigen Stalfos ein für alle Mal den Garaus machen. Stell dir nur vor, wir würden jetzt gehen und das Monster so auf direktem Wege nach Kakariko führen!“


    Für einen Moment sah Zelda aus als wollte sie erneut protestieren, aber dann glättete sich ihr Gesicht zu einer starren Maske und sie stieß Link regelrecht von sich. Dieser blinzelte ob ihres plötzlichen Stimmungsumschwungs irritiert, schüttelte dann jedoch den nur den Kopf und beschied, dass er keine Zeit hatte, sich darum Gedanken zu machen.


    Vielleicht war derartiges Verhalten genau das, über was sich Ehemänner beschwerten, wenn sie über die Launen ihrer Gattinnen klagten. Link hatte dergleichen schon öfter gehört, wenn er in einem Wirtshaus gegessen oder durch die Straßen Hyrule-Stadts oder Kakarikos gegangen war.


    Achselzuckend machte der Herr der Zeiten sich daran, den als Brücke fungierenden Turm zu erklimmen. Was immer der Grund für Zeldas Stimmungswechsel war, es war ihm in diesem Moment reichlich egal. Der Mykono-Bruder war ein ernstzunehmender Gegner und er brauchte jedes bisschen Konzentration, um als Sieger aus dem Gefecht herauszugehen.


    Auf der anderen Seite des Lavagrabens angekommen, folgte der Recke dem immer wieder ertönenden Geräusch von Stein auf Stein. Es klang als würde jemand oder etwas versuchen, sich aus einem Trümmerhaufen heraus zu graben, was Link in seiner Annahme, der Mykono-Bruder sei noch am Leben und Verursacher der Laute, noch bestärkte.


    Es dauerte nur wenige Minuten, bis Link die Geräuschquelle entdeckte: Es war ein riesiger Geröllhaufen in der Mitte des Geländes, in dessen Inneren sich etwas zu bewegen schien.


    Routiniert zog Link sein Schwert und wartete. So lange der Gegner noch von Schutt bedeckt war, hatte ein Angriff wenig Sinn. Also legte Link sich lieber auf die Lauer und hoffte auf eine Gelegenheit, blitzschnell zuzuschlagen, sobald sich das Monster freigewühlt hätte.


    Doch plötzlich gab es einen lauten Knall wie bei einer Explosion und die Geröllbrocken schossen in alle Himmelsrichtungen davon. Es gelang Link nur knapp, seinen Kopf noch rechtzeitig einzuziehen und einem herumfliegenden Stück Wand auszuweichen.


    Der wahre Schrecken fuhr dem Herrn der Zeiten jedoch erst in die Glieder als er den Kopf hob und sah, mit wem er es zu tun hatte. Lautes Keuchen aus Richtung Hyrule-Stadt bezeugte, dass Navi und Zelda den Feind ebenfalls entdeckt hatten.


    Ganondorf!


    Seine Augen, die zuvor trotz des Rotstiches in den Iriden stets menschlich gewirkt hatten, waren nun komplett rot, was ihm ein schauriges Aussehen verlieh. Seine Haare flatterten wie lodernde Flammen im Wind und seine Haut war von unzähligen Riss- und Schnittwunden übersät. Links Augen jedoch klebten am Schaft des Lichtpfeils, der noch immer in der Stirn Ganondorfs steckte.


    Wie konnte der Großmeister des Bösen noch leben?!


    Link schüttelte leicht den Kopf und kniff sich möglichst unauffällig in den Oberschenkel, in der Hoffnung, sich in einem sehr realistischen Albtraum zu befinden. Der Schmerz, der seinen Schenkel augenblicklich durchzuckte, bewies ihm jedoch, dass er nicht träumte. Das hier war die Realität…


    Aber wie war das möglich…?


    Ganondorf richtete seine blutrot glühenden Augen auf Link und keuchte wie nach einem langen Lauf. Offenbar bereitete ihm selbst diese minimale Bewegung große Schmerzen. Dennoch stahl sich ein kaltes Grinsen auf seine Lippen, als er den Herrn der Zeiten entdeckte.


    „Hast du etwa geglaubt, es sei schon vorbei, Bürschchen? Ich lasse mich nicht besiegen – schon gar nicht von einem Kind wie dir! Nun wirst du die wahre Macht des Triforce-Fragments der Kraft erfahren!“ Der Gerudo brach in schallendes Gelächter aus und warf den Handschuh seiner linken Hand fort, bevor er Link den Rücken seiner Faust präsentierte.


    Zuerst verstand dieser nicht, was er sah, aber dann erkannte er, dass Ganondorf – genau wie er selbst – ein Triforce-Mal auf dem linken Handrücken hatte. Doch anders als bei Link trat beim Großmeister des Bösen nicht das untere linke Fragment besonders deutlich hervor, sondern das obere.


    Bevor sich der Herr der Zeiten fragen konnte, warum Ganondorf ihm sein Mal zeigte, begann dieses plötzlich zu leuchten und zu strahlen wie eine Supernova. Es war so hell, dass Link die Augen zukneifen und das Gesicht abwenden musste. Selbst Zelda und Navi, die das Geschehen vom Rand des Lavagrabens aus gespannt verfolgten, hoben die Arme, um ihre Augen abzuschirmen.


    Link hatte keine Ahnung, was mit Ganondorf, der komplett von dem seltsamen Leuchten eingehüllt wurde, passierte, aber das Knirschen und Knacken, das wie das Brechen von Knochen klang, verhieß nichts Gutes.


    Es dauerte mehrere Minuten, bis das blendende Leuchten endlich an Intensität verlor und Link einen erneuten Blick auf seinen Feind werfen konnte. Was er dabei zu sehen bekam, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren und er stolperte einige Schritte rückwärts, bis er sich daran erinnerte, dass er als Herr der Zeiten nicht fliehen durfte…


    Vor ihm stand ein riesiges, unförmiges Monster, das abgesehen von der langen, feuerroten Mähne mit dem Gerudo von zuvor nichts mehr gemein hatte. Es war höher als ein Haus, hatte stechende, gelbe Augen, eine Schweinsnase und ein schmallippiges Maul mit rasiermesserscharfen Zähnen. Sein Körper war von blau-grünen Schuppen besetzt und nur am Unterkörper von einem zottigen, schwarzbraunen Pelz bewachsen. Durch die krummen Oberschenkel konnte Link einen langen, umherpeitschenden Schwanz erkennen, der mit spitzen Stacheln besetzt war und groteskerweise in allen Farben des Regenbogens leuchtete.


    Am beeindruckendsten waren jedoch die riesigen Schwerter mit goldfarbenen, leicht gezackten Klingen, die in etwa so lang waren wie Link hoch. Bei diesem Anblick wurden sämtliche Glieder des Herrn der Zeiten dermaßen weich, dass ihm beinah das Master-Schwert aus der Hand gerutscht wäre.


    Ein knackendes Geräusch wie von brechenden Knochen erklang in mehrfacher Folge, während sich das Monstrum zu voller Größe aufrichtete und die Schultern straffte. Link musste den Kopf in den Nacken legen, um zu seinem Gegenüber ins Gesicht zu sehen, was diesen süffisant lächeln ließ. Offenbar gefiel es der Bestie, dass er sich neben ihr fühlte wie ein hilfloses Kind.


    „Warum dieses entsetzte Gesicht, Herr der Zeiten? Noch nie einen Schweinedämon gesehen?“ Das Monster lachte und Link wich noch einen Schritt zurück. Obwohl sich sein Aussehen radikal verändert hatte, sprach Ganondorf noch immer mit seiner normalen, menschlichen Stimme. Dies wirkte derart grotesk, dass es Link noch mehr gruselte als es das abstoßende, brutal wirkende Äußere der Bestie eh schon tat.


    Als der Herr der Zeiten nicht antwortete, fuhr das Monster fort: „Gestatte mir, dass ich mich dir erneut vorstelle. Mein Name ist Ganon, Prinz der Schweinedämonen!“


    Bei der Erwähnung dieses Namens ging ein Ruck durch Links Körper als wäre er vom Blitz getroffen worden und vor seinem geistigen Auge tauchten Bilder auf, die er zunächst nicht einzuordnen vermochte. Er sah sich selbst wie er umringt von einer Schar Soldaten einer gigantischen Schweinebestie entgegen rannte – ähnlich jener, der er nun gegenüberstand. Schräg vor ihm ritt eine junge Frau mit rotblondem Haar auf einem Schimmel und reckte angriffslustig ein bereits blutbeflecktes Florett in die Höhe.


    Im ersten Moment konnte sich Link nicht erklären, woher diese Bilder kamen, doch dann wandte die Reiterin ihm das Gesicht zu und ihm fiel wieder ein, wo er ihrer früher schon einmal ansichtig geworden war: Während seines magischen, siebenjährigen Schlafes hatte er im Traum Erinnerungen an die früheren Leben, die seine Lichtwelt-Seele bereits durchlebt hatte, gesehen. Darunter war auch der Tod des ersten Herrn der Zeiten gewesen, der nach einer schweren Schlacht auf den Stufen vor dem Zeitfels verblutet war. An seiner Seite hatte die erste Weise der Harmonie gesessen und um ihn geweint. Es war dieselbe Frau gewesen, die in seiner jetzigen Vision mit ihm in den Kampf zog.


    Plötzlich platzte Ganon mit seinem grollenden Lachen in seine Gedanken, ganz so als wären die Bilder vor Links geistigem Auge auch für ihn sichtbar gewesen: „Ja, wir sind uns bereits in einem früheren Leben begegnet, Herr der Zeiten. Damals konntest du nur meinen sterblichen Körper vernichten, was mich dazu zwang, mich zurückzuziehen, bis ich ein neues geeignetes Gefäß gefunden hatte. Du selbst hast in jenem Kampf dein Leben gelassen, obwohl du um einiges älter und reifer als heute, erfahrener im Kampf und von vielen Untergebenen unterstützt warst. Was, glaubst du, kannst du dieses Mal gegen mich ausrichten?“


    Unterdessen beobachteten Zelda und Navi die Geschehnisse von der anderen Seite des Lavagrabens aus. Während die Prinzessin bang die Hände wrang und leise murmelnd zu den Göttinnen betete, um sie um Beistand zu bitten, war die Fee hin und her gerissen zwischen bleiben und zur Hilfe eilen.


    Auf der einen Seite wusste sie ganz genau, dass Link sie in derartigen Situationen, in denen die Gefahr nicht einzuschätzen war, am liebsten in Sicherheit wusste. Dann konnte er sich voll auf den Kampf konzentrieren, ohne sich auch noch um sie Sorgen zu müssen und aufzupassen, dass ihr kein Leid zugefügt wurde. Andererseits konnte sie ihn aber auch nicht einfach im Stich lassen – schließlich war er ihr Freund!


    Mit sich selbst ringend flog Navi am Rand des Lavagrabens hin und her und versuchte, die Situation einzuschätzen. Sie konnte immer noch nicht glauben, dass sich Ganondorf vor ihren Augen zu einer gigantischen Bestie verwandelt hatte. Die bösartige Aura, die von dem Monstrum ausging, war so stark, dass es Navi die feinen Härchen an den Armen und im Nacken aufstellte, obwohl sie einige Meter entfernt war.


    Dennoch schien es Link nicht angreifen zu wollen, zumindest noch nicht. Navi verstand zwar kein Wort, konnte aber das Gemurmel von Stimmen hören, das ihr verriet, dass Krieger und Bestie für den Moment noch mit Reden beschäftigt waren. Die Feenfrau fragte sich, über was die beiden wohl sprachen.


    Versuchte Ganondorf Link einzulullen und abzulenken?


    Oder wollte Link sich ein wenig Zeit verschaffen, um einen Plan auszuhecken?


    Diese letzte Überlegung brachte Navi endlich zu einer Entscheidung: Sie konnte Link nicht alleine lassen – nicht, wenn auch nur die geringste Möglichkeit bestand, dass sie ihm mit einem Tipp oder einer Beobachtung den entscheidenden Hinweis geben könnte. Da sie selbst nicht aktiv in den Kampf eingebunden war, sah sie ganz andere Dinge als Link, der sich permanent darauf konzentrieren musste, am Leben zu bleiben.


    „Ich…“, setzte die Fee an, um Zelda über ihr Vorhaben zu unterrichten, aber diese nickte, bevor Navi ihren Satz beenden konnte, und sagte: „Ich weiß. Geh und steh ihm zur Seite. Ich werde für euch beide beten.“


    „Du willst nicht mitkommen? Mit deinen magischen Fähigkeiten könntest du Link bestimmt von Nutzen sein.“ Navi warf der Prinzessin einen Blick zu, der zwischen Vorwurf und Verständnis schwankte. Zelda schüttelte den Kopf, sodass ihr langes, blondes Haar sanfte Wellen schlug. „Ich werde meine Kräfte noch brauchen, fürchte ich.“


    Einige Herzschläge lang wunderte sich Navi über diese Antwort, doch dann entschied sie, dass es ihr egal war, ob Zelda mitkam oder nicht. Sie ließ Link auf jeden Fall nicht im Stich! Also wandte sie sich ruckartig ab und flog in Richtung der eingestürzten Festung davon.


    Link betrachtete die gewaltigen Schwerter Ganons und die dicken, festen Muskelstränge, die sich unter der schuppigen Haut abzeichneten. Allein die Oberarme des Schweinedämons hatten den Umfang von Links Brustkorb.


    Der junge Krieger verspürte mehr Furcht als je zuvor in seinem Leben. Trotzdem richtete er den Blick fest auf die rotglühenden Augen seines Gegenübers und antwortete wahrheitsgemäß: „Ich weiß es nicht. Vielleicht bin ich in diesem Leben zu schwach, um dir auch nur einen Kratzer zuzufügen. Vielleicht bin ich bereits in wenigen Minuten tot.“


    Er zuckte mit den Achseln als wäre ihm sein eigenes Schicksal völlig egal, fasste dann jedoch das Master-Schwert fester und setzte eine entschlossene Miene auf, bevor er weitersprach: „Aber eines weiß ich ganz genau – ich werde dich bis zu meinem letzten Atemzug bekämpfen!“


    Irgendwie hatte Link damit gerechnet, Ganon würde bei dieser Kampfansage in Lachen ausbrechen. Stattdessen überraschte der Schweinedämon ihn jedoch damit, dass ein freudiges Funkeln in seine Augen trat und er antwortete: „Nichts anderes habe ich erwartet, Herr der Zeiten!“


    Dann bewegte sich die Bestie trotz ihrer gewaltigen Masse plötzlich derart schnell, dass Link kaum Zeit zum Reagieren blieb. Mit nur einem langen Schritt war Ganon direkt vor ihm und ließ eines seiner Schwerter auf ihn nieder sausen. Link riss im letzten Moment das Master-Schwert nach oben, um den Schlag abzulenken, unterschätzte jedoch die Kraft seines Gegners.


    Das Aufeinandertreffen der beiden Klingen geschah mit so viel Wucht, dass Link seine Waffe regelrecht aus der Hand gerissen wurde. Das heilige Schwert flog in hohem Bogen durch die Luft als hätte der Herr der Zeiten es fortgeschleudert.


    Navi, die die Flugbahn der Waffe kreuzte wurde beinah aufgespießt und starrte mit wild schlagendem Herzen dem Schwert hinterher, das sich neben Zelda in den Boden bohrte. Die Prinzessin stieß einen spitzen Schrei aus und machte vor Schreck einen Satz nach hinten.


    Zu Links Erleichterung fasste Zelda sich jedoch schnell wieder und ergriff die heilige Klinge, um sie Link zuzuwerfen. Einige Herzschläge lang fragte sich die junge Frau, ob sie kräftig genug war, das Master-Schwert weit genug zu werfen. Mit einem energischen Kopfschütteln wischte sie jegliche Bedenken zur Seite. Selbst wenn sie das Schwert in den Lavagraben werfen sollte, war das kein Beinbruch – dann würde sie halt ihre telekinetischen Fähigkeiten nutzen, um es wieder nach oben zu holen!


    Trotzdem atmeten alle drei Helden erleichtert auf, als das Master-Schwert mit lautem Scheppern auf der Festungsseite des Lavagrabens aufschlug und schlingernd zu liegen kam. Navi, die unbewusst die Daumen gedrückt hatte, löste die verkrampfte Haltung ihrer Hände und applaudierte, was Zelda mit einem Winken beantwortete.


    Doch als Link sich ruckartig umwandte und in Richtung Lavagraben rannte, um seine heilige Waffe aufzusammeln, schlug die Erleichterung der Drei schnell wieder in Anspannung um. Die Schweinebestie schüttelte ihren massiven Kopf und warnte: „Denk nicht mal dran!“ Dann schnippte sie mit den Fingern und zwischen dem Herrn der Zeiten und seiner Waffe flammte eine haushohe Feuerwand auf, die sich schnell ausbreitete.


    Link konnte gerade noch rechtzeitig abstoppen und kam stolpernd zum Stehen. Dennoch verriet der unverwechselbare Gestank nach verbranntem Haar überdeutlich wie knapp der Recke dem Feuertod entkommen war. Dennoch hielt er nicht inne, sondern suchte nach einem anderen Weg zu seiner heiligen Waffe, bis Navi ihm zurief: „Das hat keinen Sinn!“


    Durch ihre erhöhte Position erkannte die Fee sofort, was Link noch nicht begriffen hatte: Die Flammen hatten sich zu einem Ring geschlossen, der das Gelände der zusammengestürzten Festung komplett einschloss und so jeden Weg zum Rand der Festungsinsel abschnitt.


    Link schluckte hart, als er begriff, was Navi ihm sagen wollte, und wandte sich mit heftig schlagendem Herzen wieder zu Ganon um. Er war allein, ohne seine Waffe und ohne die geringste Fluchtmöglichkeit, während er einem körperlich überlegenen Gegner gegenüberstand, der offenbar über magische Fähigkeiten besaß.


    Der einzige positive Gedanke, der ihm in dieser Situation einfallen wollte, war, dass es unmöglich noch schlimmer kommen konnte…


    Während Ganon mit schweren Schritten, die den Boden ringsum erzittern ließen, auf Link zu stapfte, schloss Navi endlich zu ihrem Schützling auf. In ihrem Gesicht spiegelte sich die gleiche Ratlosigkeit, die auch Link empfand und bemerkte zur Begrüßung lakonisch: „Das… äh… ist ziemlich dumm gelaufen.“ Dabei fixierte sie das Master-Schwert, das trotz der prasselnden Flammen noch immer am Rand der Festungsinsel auf dem Boden zu erkennen war.


    Link hingegen ließ seinen herannahenden Gegner nicht aus den Augen und antwortete: „Was du nicht sagst! Hast du vielleicht eine Idee, wie ich dieses Problem lösen kann oder bist du nur hier, um Offensichtliches festzustellen?“


    Angesichts seiner harschen Wortwahl schnitt die Fee eine Grimasse in seine Richtung, wurde aber schnell wieder ernst und entgegnete: „So viel Dunkelheit wie ich in seiner Aura spüre, würde ich darauf wetten, dass du mit den Lichtpfeilen einigen Schaden anrichten kannst.“


    Der Herr der Zeiten dachte an den Pfeil, der noch immer zwischen Ganons Augenbrauen saß und dem Schweinedämon offenbar nicht allzu viel ausmachte. Mit kraus gelegter Stirn hakte der junge Krieger deswegen nach: „Und worauf soll ich zielen? Die vermutlich empfindlichste Stelle habe ich schon getroffen – aber das scheint ihn eher noch stärker gemacht zu haben!“


    Navi schüttelte den Kopf und wollte gerade erklären, dass Ganondorfs Verwandlung in die riesige Bestie, der Link nun gegenüberstand, nichts mit dem Lichtpfeiltreffer zu tun hatte – genau wie in dem Herr der Zeiten und den sieben Weisen hatte auch in Ganondorf eine uralte Seele gelebt, die jedoch aus der Welt der Schatten stammte und dem Bösen entsprungen war. Es war diese Seele, die durch den Tod ihrer Mittelwelthülle entfesselt worden war und nun ihr wahres Gesicht zeigte.


    Doch als Navi sah, wie nah Ganon bereits war, verlor sie kein Wort darüber. Stattdessen sagte sie nur: „Schieß einfach irgendwohin – Hauptsache, du triffst seinen Körper. Das Licht, das von den Pfeilen ausgeht, wird ihn über kurz oder lang von innen heraus vergiften.“


    Link, der bereits eine Hand in seinem Wunderbeutel hatte, zog seinen Bogen und die verbliebenen Lichtpfeile in seinem Lederköcher hervor und knurrte mit Blick auf Ganon, der schon fast in Schlagweite war: „Hoffentlich eher kurz als lang…“


    Navi warf einen Blick auf die wenigen goldenen Pfeile, die in dem Köcher lagen und nickte. Zelda hatte ihnen leider nur eine Handvoll der mit Lichtmagie verstärkten Munition gegeben und zwei Pfeile waren bereits verbraucht. Sie konnten nur hoffen, dass die noch verbliebenen Pfeile ausreichen würden, um Ganon in die Knie zu zwingen…


    Dieser hatte die beiden Abenteurer inzwischen erreicht und höhnte: „Ich fürchte, ich muss eure heimelige Plauderei nun unterbrechen…“, bevor er Link mit einem seiner riesigen Schwerter attackierte. Dieser sprang jedoch in letzter Sekunde zur Seite und brachte sich so in Sicherheit.


    Zum wiederholten Male staunte Navi stumm über die gelassene Routine mit der ihr Schützling solche Ausweichmanöver inzwischen durchführte. Sie konnte sich noch gut daran erinnern, wie er bei seinen ersten Kämpfen wie Espenlaub gezittert hatte. Damals hatte sie kaum daran glauben können, dass dieser zierliche Junge, den der Deku-Baum ihr anvertraut hatte, der Auserwählte sein sollte. Nie im Leben hätte sie sich träumen lassen, dass er eines Tages die Abgebrühtheit besitzen würde, mit dem Ausweichen bis zum allerletzten Moment zu warten, um den Gegner in falsche Sicherheit zu wiegen.


    Auch Ganon war auf diese Verzögerungstaktik hereingefallen und hatte mit voller Wucht zugeschlagen, sodass sich die scharfe Schneide seines Schwertes tief in den Steinboden gegraben hatte, wo sie nun feststeckte.


    Während der Schweinedämon am Heft seiner Waffe zog, um sie wieder aus dem Stein zu ziehen, wirbelte Link blitzschnell herum und schoss einen Pfeil in die Seite von Ganons Knie. Das Geschoss drang leicht schräg ein und durchschlug Haut, Sehnen und Fleisch, bevor es von hinten auf das Kniegelenk traf und stecken blieb.


    Das getroffene Monster stieß einen fauchend klingenden Schrei aus und riss mit einem wütenden Funkeln in den Augen den Kopf herum, um den Herrn der Zeiten wieder zu fixieren. Dieser warf seiner Fee einen kurzen Seitenblick zu und murmelte: „Ich glaube, das hat ihn lediglich sauer gemacht. Toller Plan!“


    Navi schluckte hart und bekam erste Zweifel an ihrer Theorie, das Licht aus den goldenen Pfeilen würde Ganon vergiften, als sie sah, dass sich die Bestie recht unbeeindruckt von dem Angriff zeigte. Zwar zog Ganon nun das rechte Bein leicht nach, aber das war auch schon alles.


    Da der Fee jedoch keine andere Idee einfallen wollte, riet sie ihrem Schützling: „Gib nicht auf! Versuch es weiter!“ Dieser nickte und legte einen weiteren Pfeil ein, obwohl er alles andere als überzeugt wirkte. Es war allein sein Vertrauen auf Navis Intelligenz, ihr strategisches Geschick und ihren Einfallsreichtum, das ihn weitermachen ließ.


    Die Feenfrau krampfte nervös die Hände ineinander. Was sollten sie bloß tun, wenn sie sich irrte?!


    Inzwischen hatte Ganon sein Schwert wieder befreien können und das Monstrum wandte den Oberkörper, um eine erneute Attacke auf Link zu starten. In diesem Moment ließ der Herr der Zeiten einen weiteren Pfeil von der Sehne sausen. Der Pfeil zischte von einem leisen Summen begleitet durch die Luft und bohrte sich tief in Ganons Augapfel.


    Vor Schmerz ging die Bestie in die Knie und ließ eines ihrer Schwerter fallen, um nach dem verletzten Auge zu greifen. Ein gequältes Wimmern stieg aus ihrer Kehle hervor und drehte Link den Magen um.


    Er hatte nie gerne gekämpft und Auseinandersetzungen wie diese, in denen er sich schmutziger Tricks oder besonderer Brutalität bedienen musste, um sein Leben zu retten, hasste er ganz besonders. Obwohl Ganon bereits in seiner menschlichen Form nur Leid und Verderben über alle, die mit ihm in Kontakt gekommen waren, gebracht hatte, wollte Link ihm keine Grausamkeiten antun…


    Während er die Göttinnen stumm für sein Schicksal, das ihn immer wieder in derlei Situationen brachte, verfluchte, jubelte Navi: „Hah! Siehst du? Es funktioniert doch!“


    Die Heiterkeit der Fee verflog jedoch schnell, als Ganon sich wieder aufrichtete und sich den Pfeil mitsamt dem Augapfel, in dem er steckte, herausriss. Zähflüssiges, grünlich-schwarzes Blut schoss in einem dicken Schwall aus der leeren Augenhöhle und lief dem Dämon übers Gesicht, bevor es vom Kinn zu Boden tropfte.


    Dort, wo Blutstropfen auf den Steinboden fielen, stiegen kleine Rauchsäulen auf, die verrieten, dass Ganons Blut sich in den Stein ätzte.


    Link und Navi starrten die Schweinebestie gleichermaßen fassungslos an. Die Schmerzen des Monsters mussten schier unerträglich sein…


    Dennoch war Ganon sich offenbar noch immer sicher, die Oberhand zu haben. Mit zornverzerrtem Gesicht fauchte er Link an: „Wag das nie wieder oder ich zermalme jeden einzelnen Bewohner deines ach so kostbaren Hyrules zu Staub und lasse dich dabei zusehen!“


    Der junge Recke machte einen unsicheren Schritt nach hinten. Seine Beine fühlten sich plötzlich weich und wackelig an. Er hatte keinerlei Zweifel daran, dass Ganon seine Drohung ohne mit der Wimper zu zucken wahrmachen würde.


    Was also, wenn er, Link, diesen Kampf nicht gewinnen konnte?


    Vielleicht war es ja das Klügste für Hyrule, wenn er einfach aufgab. Dann wäre sein Leben zwar vorbei und Ganon würde das Land weiterhin ausbeuten, aber zumindest würden seine Bewohner weiterleben können.


    Oder?


    Navi hingegen schien von Ganons Drohung regelrecht beflügelt zu sein. Eine Faust auf die Fläche der anderen Hand schlagend rief sie: „Das ist es! Schieß ihm noch einen Pfeil ins andere Auge – dann ist er blind!“


    Links Blick zuckte verunsichert zwischen seiner Fee und dem Schweinedämon hin und her. Weiterkämpfen und auf einen schier unmöglich erscheinenden Sieg hoffen oder aufgeben, das eigene Leben verschenken und hoffen, dass Ganon die Bewohner Hyrules verschonen würde?


    Es war Salias Stimme, die ihn aus seiner Schockstarre befreite: „Gib nicht auf. Auch wenn es so aussehen mag – du bist nicht allein. Wir werden dir helfen, Ganon zu besiegen! Du musst es nur irgendwie schaffen, ihn so weit zu schwächen, dass unser Zauber wirken kann.“


    Mit einem angedeuteten Nicken fasste Link seinen Bogen, den er beinah hätte zu Boden fallen lassen, wieder fester und griff nach einem weiteren Pfeil. Salia hatte Recht! Er durfte nicht aufgeben. Er hatte schon oft in ausweglos erscheinenden Situationen gesteckt und es trotzdem irgendwie geschafft, als Sieger daraus hervor zu gehen.


    Also warum ließ er sich von diesem zu groß geratenen Rüsselvieh dermaßen einschüchtern?!


    Mit neuem Selbstvertrauen drückte der Herr der Zeiten den Rücken durch und antwortete Ganon: „Dafür musst du erst einmal an mir vorbei!“


    Der Schweinedämon hob überrascht die Augenbrauen, was einen erneuten Schwall Blut aus seiner leeren Augenhöhle drückte. Als wollte er seinem Gegner erklären, was er gemeint hatte, legte Link den bereits aus dem Köcher gezogenen Pfeil an und schoss ihn auf Ganons zweites Auge ab.


    Dieses Mal schien das Monster jedoch mit der Attacke gerechnet zu haben und schaffte es, das Geschoss abzuwehren, indem es den Pfeil im Flug zur Seite wegschlug. Statt in Ganons Augapfel bohrte sich der Pfeil in die Überreste eines Pfeilers. Ein Lichtblitz wie von einer zerbrechenden Deku-Nuss verriet, dass der Lichtzauber des Geschosses verbraucht und der Pfeil damit nutzlos geworden war.


    Ganon schnappte sich sein fallengelassenes Schwert und ging erneut auf Link zu, wobei er seine Waffen vor sich kreisen ließ wie zwei Flügel einer Windmühle. Der Herr der Zeiten wich langsam zurück und versuchte verzweifelt, einen weiteren guten Treffer zu laden.


    Statt des Auges der Bestie traf der Recke jedoch nur ihren Hals, das Jochbein und vor allem den Unterarm, wenn sie diesen zum Abblocken des Angriffs nach oben gerissen hatte. Einige Pfeile wurden jedoch auch von dem Schweinemonster umgelenkt und verbrauchten ihren Lichtzauber an Festungstrümmern. Einmal traf ein Pfeil sogar beinah Navi, die sich jedoch mit einem geschickten Flugmanöver gerade noch rechtzeitig retten konnte.


    Als Link seine Hand ein weiteres Mal in den Köcher steckte und nur noch einen einzigen, letzten Pfeil ertastete, krampfte sich sein Herz schmerzhaft zusammen. Jetzt kam es drauf an…


    Mit zitternden Fingern legte der Herr der Zeiten den Pfeil an, während Ganon ihn mit seinen kreisenden Schwertern immer weiter zurück trieb. Eigentlich hätte Link zum Zielen gerne etwas mehr Abstand zu seinem Gegner gehabt, aber für jeden Schritt, den Ganon machte, musste er selbst mindestens fünf machen. Als er dann auch noch mit dem Rücken gegen eine noch fast vollständig stehende Wand der ehemaligen Festung stieß, war jede Hoffnung auf eine optimale Schussdistanz dahin.


    Jetzt oder nie…


    Link zielte auf Ganons zweites, noch immer rot glühendes Auge und konzentrierte sich auf das rhythmische Kreisen seiner Schwerter. Er musste den Schuss zeitlich so abpassen, dass Ganon keine Gelegenheit mehr haben würde, ihn zu blocken, der Pfeil aber auch nicht an einer Schwertklinge abprallte.


    Als er die Sehne losließ, kniff Link reflexartig die Augen zusammen und betete stumm. Navi hingegen starrte wie gebannt auf den Pfeil, der sich wie in Zeitlupe zu bewegen schien.


    Das Geschoss flog schnurgerade durch die Luft, während es sich um die eigene Achse drehte. Es war ein schöner Schuss – kraftvoll, hoch, gerade. Trotzdem war schon im Ansatz klar, dass der Pfeil Ganons Kopf um mehrere Zentimeter verfehlen würde. Aus Angst und Anspannung, daneben zu schießen, hatte Link den Bogen im letzten Augenblick doch noch verrissen…


    Navi fragte sich bereits bang, was sie nun tun sollten, als der Pfeil plötzlich seine Flugbahn änderte. Wie ferngesteuert, flog das Geschoss plötzlich eine enge Kurve und bohrte sich doch noch in das Auge des Schweinedämons.


    Dieser schrie aus Überraschung und Schmerz laut auf und schlug blind um sich, um Link irgendwie zu erwischen. Während der Herr der Zeiten, der beim Aufschrei des Monsters wieder die Augen geöffnet hatte, den ziellosen Attacken mühelos auswich, suchte Navi mit den Augen nach Zelda.


    Sie hatte doch nicht etwa…?


    Als sie die Prinzessin mit ausgestrecktem Arm am Rand des Lavagrabens entdeckte, bestätigte sich der Verdacht der Fee jedoch schnell – erst recht, als Zelda hochsah, Navis Blick traf und ihr grinsend zuwinkte. Ganz offenbar hatte die Prinzessin ihre telekinetischen Fähigkeiten genutzt, um den letzten Pfeil sein Ziel finden zu lassen.


    Navi lächelte breit zurück und deutete zum Dank eine Verbeugung an. Zelda hatte ihnen wirklich sehr geholfen! Ein blinder Gegner war weitaus weniger gefährlich als ein sehender.


    Dennoch war Link noch weit von einem Sieg entfernt. Das wurde Navi spätestens dann klar, als ihr Schützling fragte: „Und was jetzt? Das Master-Schwert ist immer noch unerreichbar und ich habe keine Ahnung, wie ich Ganon ohne Lichtpfeile schaden soll!“


    Navi musterte den Schweinedämon nachdenklich und beobachtete, wie er sich bewegte. Trotz seiner Blindheit schien er recht gut einschätzen zu können, wo sich Link befand. Zwar kamen die Schwertschläge deutlich weniger präzise als zuvor, doch sie gingen stets in die richtige Richtung.


    Wie konnte das sein?


    „Vermutlich hört er, wo Link ist…“, überlegte die Fee, nachdem sie das Katz-und-Maus-Spiel der beiden für eine Weile beobachtet hatte. Zudem fiel ihr jedoch noch etwas anderes an Ganons Bewegungen auf.


    Also sauste sie so schnell sie konnte zu ihrem Schützling und flüsterte ihm ins Ohr: „Ich glaube, Ganons Schwachpunkt ist sein Schwanz. Achte mal drauf, wie er ihn immer in der Nähe seiner Beine hält, um nicht versehentlich irgendwo mit ihm anzustoßen. Ich bin mir sicher, sein Schwanz ist sehr schmerzempfindlich!“


    Link nickte langsam und entgegnete: „Ich glaube, ich kann zwischen seinen Beinen hindurch rutschen. Und dann schlag ich mit dem Goronenhammer auf seinen Schwanz ein!“


    „Gute Idee“, bestätigte Navi, warnte ihren Freund jedoch noch: „Aber sei leise! Ich glaube, Ganon hört an deinen Schrittgeräuschen, wo du dich befindest.“


    Link nickte erneut und ging sofort in die Knie, um seine Stiefel auszuziehen. So musste er zwar besser darauf achten, nicht in Scherben zu treten, aber er konnte sich auch deutlich leiser fortbewegen. Um Ganon zusätzlich in die Irre zu führen, warf er die ausgezogenen Stiefel einige Meter von sich.


    Tatsächlich riss das Monster irritiert den Kopf zur Seite und hielt in der Bewegung inne. Wahrscheinlich überlegte es, so dachte Link bei sich, wie sich sein Gegner von jetzt auf gleich so weit von der Stelle bewegen konnte.


    Die kurzfristige Verwirrung des Monstrums ausnutzend, schlich Link um es herum und holte seinen Goronenhammer hervor. Der Herr der Zeiten hob das mächtige Relikt hoch über den Kopf und betete stumm zu den Göttinnen, Navi habe Recht mit ihrer Vermutung. Diese drückte die Daumen und hielt angespannt die Luft an.


    Doch bevor der Krieger zuschlagen konnte, peitsche Ganon plötzlich mit dem Schwanz. Der mit bunten Schuppen besetzte und mit Stacheln bewehrte Schweif des Dämons prallte so hart gegen Links Brust, dass dieser den Goronenhammer fallen ließ. Anschließend wurde der Recke von den Füßen gerissen und gegen einen in der Nähe stehenden Wandrest geschleudert.


    Navi und Zelda keuchten vor Sorge und Überraschung und sahen mit Schrecken, dass Link wie ein nasser Sack von der Wand abprallte und zu Boden fiel, wo er reglos liegen blieb als wäre er ohnmächtig.


    Oder Schlimmeres…


    Unterdessen ließ Ganon sein schauriges Lachen erklingen. „Ihr naiven Kinder! Habt ihr wirklich geglaubt, ich bräuchte meine Augen, um zu wissen, wo mein Gegner ist? Ich bin ein Schweinedämon! Ich rieche meine Kontrahenten!“


    Navi starrte die Bestie aus weit aufgerissenen Augen entsetzt an. Das hatte sie überhaupt nicht bedacht! Es war ihre Schuld, dass Link in Ganons Falle getappt war. Sie hatte diese gewissermaßen sogar vorbereitet!


    Würde er ihr das je verzeihen?


    Konnte sie sich das je verzeihen?


    Link dröhnte der Schädel und es fühlte sich an als hätte er sich jeden einzelnen Knochen im Körper gebrochen. Zudem schmeckte er Blut, obwohl er sich ziemlich sicher war, sich nicht auf die Zunge gebissen zu haben.


    Trotzdem bemühte er sich schwerfällig wieder auf die Füße zu kommen, sobald der Schwindel nachgelassen und die Welt aufgehört hatte, sich vor seinen Augen zu drehen wie ein Brummkreisel. Ein Stechen in seiner Flanke, das sich anfühlte als stecke ein Dolch in seiner Seite, verriet dem jungen Krieger, dass er sich tatsächlich mindestens eine Rippe gebrochen hatte. Bei jedem Atemzug bohrte sich die scharfe Bruchkante des Knochens in sein Fleisch und verursachte grausame Schmerzen.


    Navi schwebte neben seinem Gesicht in der Luft und murmelte eine Entschuldigung nach der anderen, obwohl er sich auf keine davon einen Reim machen konnte. Es war doch nicht ihre Schuld, dass er unvorsichtig gewesen war und sich zu sehr darauf verlassen hatte, ein blinder Gegner stelle keine Gefahr dar.


    Ganon brach unterdessen in Lachen aus, als er hörte wie Link stöhnend versuchte, sich wieder aufzurichten, nur um dann vor Schmerzen wieder zu Boden zu sinken. „Du bist zäher als ich erwartet habe, Herr der Zeiten! Vielleicht habe ich doch nicht nur die Macht deines Triforce-Fragmentes unterschätzt… Aber das spielt nun keine Rolle mehr. Dein Leben wird schon bald enden!“


    Mit diesen Worten setzte sich der Schweinedämon wieder in Bewegung und schickte sich an, seinem Gegner den Gnadenstoß zu versetzen. Sich an der Wand hinter sich abstützend, kam Link endlich wieder auf die Füße und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Der rasende Schmerz, der in seinem Brustkorb und Kopf pulsierte, machte dies jedoch zu einer schier unmöglichen Aufgabe.


    Glücklicherweise übernahm Navi das Denken für ihren Schützling: „Such den Goronenhammer! Ich versuche so lange, Ganon irgendwie abzulenken.“


    Link nickte benommen, obwohl er nicht so recht wusste, wie er irgendetwas suchen sollte, während er das Gefühl hatte, nicht einmal geradeaus gucken zu können. Unterdessen stürzte Navi sich todesmutig auf die Schweinebestie und riss an dem noch immer in ihrem Augapfel steckenden Pfeilschaft. Ganon brüllte vor Schmerz auf und schlug in der Hoffnung, Navi irgendwie zu erwischen, wild um sich. Der flinken Fee gelang es jedoch zum Glück recht mühelos, den Angriffen des Monsters auszuweichen.


    Währenddessen suchte Link mit den Augen den Boden ab, wobei er immer wieder blinzeln musste, um seinen Blick scharf zu stellen. Unwillkürlich drängte sich ihm die Frage auf, ob er sich wohl eine Gehirnerschütterung zugezogen hatte.


    Doch der junge Recke hatte keine Zeit, sich um seine Verletzungen zu sorgen. Er musste so schnell wie möglich seine Waffe widerfinden, um Navi zur Hilfe zu kommen. Momentan schien Ganon ihr zwar nichts antun zu können, während sie an seinen Haaren, seinen Ohren und dem Pfeil in seinem Auge riss, aber Link wollte sich leider nicht darauf verlassen, dass der Dämon sich keine dreckigen Tricks einfallen lassen würde.


    Die gebrochene Rippe bohrte sich bei jedem Schritt in sein Fleisch und ließ den Herrn der Zeiten immer wieder vor Schmerz innehalten. Gerade zu stehen schien ein Ding der Unmöglichkeit zu sein und immer wieder drohten heftige Übelkeitswellen, die von dem Geschmack nach Blut begleitet wurden, ihn zu überwältigen.


    Trotzdem suchte der Krieger weiterhin tapfer nach seiner verlorenen Waffe.


    Unterdessen kniete Zelda mit geschlossenen Augen am Rand des Lavagrabens und murmelte ein Gebet. Nur zu gerne hätte sie das Geschehen auf der anderen Seite des Grabens besser im Blick behalten und gegebenenfalls erneut eingegriffen. Doch der Prinzessin war schmerzlich bewusst, dass sie ihre Kräfte auf anderes konzentrieren musste, wenn sie Ganon endgültig besiegen wollten.


    Während Link und Navi das Einstürzen der Festung beobachtet hatten und sie gegen den als Brücke dienenden Turm gelehnt auf dem Boden gesessen hatte, hatte sich Rauru, der Weise des Lichts, auf telepathischem Wege mit ihr in Verbindung gesetzt. Er hatte gewusst, dass Links Kampf noch nicht vorbei gewesen war.


    Doch der Weise hatte nicht Kontakt zu Zelda aufgenommen, um sie zu warnen, sondern um ihr die nächsten Schritte zu erklären. Link sollte gegen Ganon in den Kampf ziehen und ihn so weit schwächen, dass die Weisen mit vereinten Kräften einen Zauber über den Dämon sprechen konnten.


    Dafür würde die Prinzessin all ihre Kräfte brauchen.


    Die Kampfgeräusche und ihre damit verbundenen Sorgen auszublenden, erforderten jedoch fast mehr Konzentration als die junge Frau aufbringen konnte. Immer wieder hob sie blinzelnd die Augenlider, um sich zu vergewissern, dass Link und Navi noch lebten.


    Nur zu gerne hätte sie einen Schutzzauber über die beiden gesprochen…


    Als Link endlich den Goronenhammer entdeckte, stieß er einen leisen Fluch aus und wünschte, er hätte sich nicht zuvor seiner Stiefel entledigt, um leiser schleichen zu können: das Goronen-Relikt lag nämlich inmitten unzähliger Scherben, die dem Aussehen nach von den Buntglasscheiben des Turmzimmers stammten.


    Einige Herzschläge lang sah sich der Recke nach seinem fortgeworfenen Schuhwerk um, doch als er es nicht in der Nähe entdecken konnte, biss er schlussendlich doch in den sauren Apfel und trat nur mit Socken bekleidet in den Scherbenhaufen. Obwohl die dicke Wolle die kleineren Scherben abhielt, waren Links Fußsohlen bereits nach wenigen Schritten vollkommen zerschnitten.


    Jedes Auftreten tat höllisch weh und drückte die scharfkantigen Glasreste noch tiefer in das weiche Fußfleisch, bis der Recke nur noch humpeln konnte. Dennoch kämpfte Link sich mutig vorwärts, bis er den Goronenhammer wieder an sich gebracht und den Scherbenhaufen wieder verlassen hatte. Dann zog er sich schnell die verbliebenen Splitter aus den Fußsohlen und rannte anschließend so schnell er auf seinen geschundenen, brennenden Füßen konnte zu Navi und Ganon herüber.


    Die Fee war noch immer damit beschäftigt, den Schweinedämon zu triezen und musste zu ihrer Schande gestehen, dass es ihr sogar ein wenig Spaß machte, Ganon an der Nase herumzuführen und ihn vor Schmerzen schreien zu lassen, indem sie den Pfeil in seinem Auge bewegte. Trotzdem war sie erleichtert, als sie sah, dass Link mit dem Goronenhammer angelaufen kam. Ihre Erleichterung vermischte sich jedoch mit Sorge, als sie die blutigen Fußabdrücke entdeckte, die ihr Schützling bei jedem Schritt hinterließ.


    Navi wollte zu ihm herüberfliegen und fragen, was passiert war, doch in diesem Moment schloss sich plötzlich Ganons riesige Pranke um sie. Der kurze Moment der Unaufmerksamkeit hatte der Bestie ausgereicht, um ihre flinke Piesakerin endlich doch noch zu fassen zu bekommen.


    Navi schrie in Panik auf, während Ganon seine klauenartigen Finger allmählich immer fester zusammenpresste. Offenbar wollte er sie in seiner Faust zermalmen – und dies auch noch so langsam, dass er jede Sekunde und jeden kleinen Schmerzenslaut auskosten konnte.


    Vielleicht, dachte Navi, war dies die Strafe dafür, dass sie beim Quälen des Monsters fast so etwas wie Freude empfunden hatte…


    Trotzdem dachte die Fee nicht im Traum daran, sich kampflos in ihr Schicksal zu ergeben. Mit aller Kraft stemmte sie sich gegen Ganons Finger, biss und kratzte ihn und versuchte, durch einen Fingerzwischenraum zu entfliehen.


    Ohne Erfolg…


    Inzwischen hatte der Schweindämon seine Faust so fest zusammengepresst, dass Navi nur noch flach auf dem Rücken liegen konnte und kaum noch Luft bekam. Aus Richtung ihres Brustkorbs drang ein schauriges Knirschen, das das baldige Nachgeben ihrer Knochen ankündigte.


    Doch gerade als die Fee sich mit ihrem Ende abfinden wollte, stieß Ganon auf einmal einen trommelfellzerreißenden Schrei aus und stürzte wie ein gefällter Baum zu Boden, wobei er den Griff um Navi soweit lockerte, dass diese aus seiner Faust schlüpfen konnte.


    Zunächst konnte sie sich keinen Reim auf ihre plötzliche Rettung machen, aber dann entdeckte sie Link, der breitbeinig über Ganons Schwanz stand und immer wieder mit dem Goronenhammer zuschlug. Bei jedem Schlag spritzte grün-schwarzes Blut und verätzte dem jungen Krieger das Gesicht. Sogar seine Arme wurden trotz des Kettenanzugs ein wenig in Mitleidenschaft gezogen.


    Der Schweinedämon wand sich in offensichtlichen Qualen auf dem Boden, während sein Schwanz zu Brei geschlagen wurde. Bei diesem Anblick hatte Navi fast Mitleid mit ihm, obwohl er sie nur Sekunden zuvor hatte zerquetschen wollen. Sie kam auch nicht umhin, seinen Kampfeswillen zu bewundern.


    Obwohl Ganon unübersehbar grausame Schmerzen durchlitt, schaffte er es, Link mit einem gezielten Tritt gegen die Brust von sich zu schleudern.


    Der Herr der Zeiten flog einige Meter durch die Luft, bevor er auf den Boden aufschlug und sich mehrfach überschlug, bevor er schließlich zum Liegen kam. Kleine Steinchen und Glassplitter rissen ihm Kleidung und Haut auf und ließen ihn aus unzähligen Wunden bluten.


    Außerdem schien sich die gebrochene Rippe durch den Tritt in Links Lunge gebohrt zu haben, was den jungen Mann bei jedem Atemzug das Gesicht zu einer Fratze der Pein verziehen ließ.


    Der Herr der Zeiten rappelte sich mühsam wieder auf und spuckte einen Mund voll Blut aus, bevor er seine Waffe fester packte und humpelnd wieder zum Angriff überging. Das Rasseln, das bei jedem Luftholen in seinem Brustkorb erklang, verriet ihm, dass sich seine Lunge langsam mit Blut füllte.


    Wenn er den Kampf nicht schnell beendete, würde er ersticken.


    An Land ertrunken an seinem eigenen Blut…


    Plötzlich wurde der Himmel von einem gleisenden Blitz erhellt und die ersten Regentropfen, die sich innerhalb von Sekunden zu einem Wolkenbruch auswuchsen, fielen herab. Offenbar hatte das Gewitter, das sich im Osten über dem Todesberg zusammengebraut hatte, inzwischen Hyrule-Stadt erreicht.


    Es dauerte keine Minute, bis Link bis auf die Knochen durchnässt war. Zu allem Überfluss machte der Regen den steinernen Boden rutschig und glitschig, was schnelle Ausweichmanöver zusätzlich zu den Verletzungsschmerzen noch erschwerte.


    Ganon kämpfte sich mühselig wieder auf die Füße und warf einen gequälten Blick auf seinen Schwanz, von dem nur noch eine blutige, breiige Masse übrig war, die lose von Sehnen und Knochen zusammengehalten wurde. Als hätte dieser Anblick auf einmal den Zorn der Bestie heraufbeschworen, rannte Ganon plötzlich los und ließ seine Schwerter auf Link niedersausen.


    Der Herr der Zeiten hatte kaum noch Zeit, den Goronenhammer hochzureißen, um den Schlag abzublocken. Bei dem Aufprall der Waffen ging eine Vibrationswelle durch Links Körper, die in jeder seiner Wunden ein schmerzhaftes Ziehen verursachte und ihn in die Knie zwang.


    Mit einem schaurigen Grinsen drehte Ganon seine Handgelenke ein wenig und klemmte den Kopf des Goronenhammers zwischen den Klingen seiner beiden Schwerter ein. Dann machte er eine ruckartige Bewegung und riss Link das Goronen-Relikt aus den Händen.


    Horror machte sich in dem Herrn der Zeiten und seiner Fee breit, als der Hammer in hohem Bogen über die Kante der Festungsinsel flog und mit einem unverwechselbaren Platschen in der Lava landete. Schnell ging Navi im Geiste die restlichen Ausrüstungsgegenstände ihres Schützlings durch, doch egal wie sie es drehte und wendete – Link schien keine Waffe mehr zu besitzen, mit der er Ganon etwas anhaben konnte.


    Er stand seinem Erzfeind nun vollkommen ohne Verteidigung gegenüber und war noch dazu bereits ziemlich angeschlagen…


    Noch dazu schien Ganon durch die Verstümmelung seines Schwanzes in Rage geraten zu sein. Wie ein Berserker stürmte er hinter Link her, der zunehmend Schwierigkeiten mit dem Ausweichen hatte. Das Blut, das langsam seine Lunge füllte, machte jeden Atemzug mühsamer als den vorangegangenen und seine geschundenen Füße, schmerzten so sehr, dass er am liebsten gar nicht mehr aufgetreten wäre.


    Zelda beobachtete unterdessen das Geschehen mit krampfendem Herzen von der anderen Seite des Lavagrabens aus und versuchte verzweifelt, sich auf ihre Gebete zu konzentrieren, um alle in ihr schlummernden Kräfte für den entscheidenden Moment zu mobilisieren.


    Mehrere Minuten lang rannte Link trotz seiner Schmerzen von einem Ende der Festungsinsel zur anderen, immer in der Hoffnung, Ganon würde schneller ermüden als er. Der Schweinedämon schien jedoch noch lange nicht am Ende seiner Kräfte angelangt zu sein – ganz im Gegenteil! Wenn ihm Trümmerhaufen oder die Überreste einer Wand im Weg waren, rannte er diese einfach um als bestünden sie lediglich aus Pappmasche.


    Dem Herrn der Zeiten wurde ganz anders, als er sah wie die mächtigen Schwerter des Monsters durch Stein schnitten wie durch Butter. Er wollte sich lieber nicht vorstellen, was diese Klingen mit seinem Körper anstellen würden, sollte er es einmal nicht schaffen, ihnen auszuweichen…


    Navi sah mit wachsender Sorge zu, wie ihr Schützling Haken schlagend über das Gelände der einstigen Festung spurtete, aber zunehmend langsamer wurde. Es würde nicht mehr lange dauern, bis Ganon ihn erwischen würde.


    Obwohl ihr die beinah-Begegnung mit dem eigenen Tod noch in den Knochen steckte, stürzte sich die Fee mutig gegen den Schaft des Pfeils, der dem Monstrum noch immer im Auge steckte. Ganon blieb sofort wie angewurzelt stehen und fauchte vor Zorn und Qual, während Navi zu Link herüberschoss und rief: „Such dir ein Versteck! Schnell!“


    Dem Herrn der Zeiten war zwar bewusst, dass sein Gegner sehr schnell erschnüffeln würde, wo er war, aber er war trotzdem dankbar für die kurze Verschnaufpause. Mit einem Hechtsprung ging er hinter einem umgestürzten Pfeiler in Deckung, rollte sich ab und blieb auf dem Hintern sitzen. Tränen der Erleichterung stiegen ihm in die Augen, als er die Beine ausstreckte und seinen gepeinigten Füßen ein wenig Ruhe gönnte.


    Navi schwebte neben seinem Gesicht und versuchte sich an einer aufmunternden Miene, die ihr jedoch gründlich misslang. Ihre Sorge und ihre Angst waren ihr deutlich ins Antlitz geschrieben.


    Link legte den Kopf in den Nacken, schloss die Augen und holte tief Luft, was ihn in trockenes Husten ausbrechen ließ. Navi musste sich auf die Unterlippe beißen, um nicht laut aufzuschluchzen, als ihr Schützling mit jedem Keuchen einige dicke, hellrote Blutstropfen aushustete.


    Noch schlimmer war es, seine raue, von einem asthmatischen Pfeifen begleitete Stimme zu hören: „Ich glaube, dieses Mal schaffe ich es wirklich nicht… Ich kann nur hoffen, dass ich dieses Monstrum mit mir in den Tod reiße!“


    An einem Kloß in ihrer Kehle schluckend schüttelte Navi den Kopf. „Sag doch so etwas nicht.“ Link blinzelte sie unter halb geöffneten Lidern hinweg an und seine Fee erschrak, wie glasig seine Pupillen bereits wirkten. Auch wenn sie es sich nicht eingestehen wollte, ihr Freund stand bereits mit einem Bein im Grab.


    Verzweifelt suchte die Fee nach Worten – nach irgendetwas, das sie sagen konnte, um ihm den Glauben an einen glorreichen Sieg zu geben – doch bevor ihr etwas einfallen wollte, tauchte Ganon mit erhobenen Schwertern hinter Links Versteck auf.


    „Vorsicht!“ Am liebsten hätte Navi Link zur Seite gestoßen, um ihn aus der Gefahrenzone zu bringen, aber sie wusste nur zu genau, dass er es vermutlich kaum gespürt hätte, selbst wenn sie sich mit vollem Gewicht gegen ihn geworfen hätte.


    Glücklicherweise funktionierten seine antrainierten Reflexe offenbar noch immer wunderbar: Der Herr der Zeiten warf sich augenblicklich zur Seite und rollte sich ab, bevor er wieder auf die Füße kam. Trotz der schnellen Reaktion rissen ihm umherfliegende, scharfkantige Steinsplitter die dünne Haut an Hals und Ohrmuscheln auf.


    Sobald seine zerschnittenen Fußsohlen wieder den Boden berührten, verzog der junge Krieger das Gesicht zu einem Ausdruck tiefster Qual. Bei diesem Anblick zerriss es Navi endgültig das Herz und sie warf sich erneut auf Ganon, um notfalls den Kampf selbst zu beenden!


    Doch der Schweinedämon erwies sich leider als lernfähig…


    Mit einer unwirschen Handbewegung wischte er Navi einfach beiseite wie eine lästige Schmeißfliege und knurrte: „Nicht schon wieder!“ Die Fee wurde mit voller Wucht getroffen und knallte nach wenigen Metern hart gegen einen Trümmerhaufen. Die obersten Geröllstücke lösten sich, stürzten zu Boden und begruben Navi unter sich.


    „Navi! NEIN!“ Link stand nur eine Schwertlänge von seinem Gegner entfernt, aber er nahm ihn gar nicht mehr wahr. Stattdessen starrte er mit weit aufgerissenen Augen auf die Trümmer, unter denen seine Fee begraben war. Ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, wie leichtsinnig es war, seinem Widersacher den Rücken zuzukehren, rannte Link zu dem Geröllhaufen herüber und begann, den Schutt beiseite zu schaffen.


    Zelda bemerkte mi Schrecken, dass Ganon sich anschickte, die Unaufmerksamkeit des Herrn der Zeiten auszunutzen. Mit einem gehässigen Grinsen auf den Lippen baute sich die Schweinebestie hinter dem knienden Krieger auf und hob eines ihrer Schwerter, um Link aufzuspießen wie einen besonders seltenen Schmetterling.


    „Ach, zum Teufel mit diesen elendigen Gebeten!“ So schnell sie konnte rappelte Zelda sich auf und konzentrierte sich auf einen besonders großen Pfeilerrest. Vor Anstrengung traten ihr feine Schweißperlen auf die Schläfen, aber das nahm sie nur am Rande wahr. Ihre Aufmerksamkeit galt allein Link, der noch immer nach Navi grub, und Ganon, der gerade Maß nahm, um dem Herrn der Zeiten das Herz zu durchstoßen.


    Genau in dem Moment, in dem der Dämon seine Waffe herabsausen ließ, riss Zelda ihre ausgestreckten Arme zur Seite. Der Pfeilerrest flog zur Seite und erfasste Ganon, der in der letzten Sekunde noch den Kopf zur Seite riss, an der Flanke. Die riesige Schweinebestie wurde von der Wucht des Aufpralls mehrere Meter zur Seite geschoben, bevor sie schließlich das Gleichgewicht verlor und zu Boden stürzte.


    Link, der die Geschehnisse um ihn herum vor Sorge um Navi völlig ausgeblendet hatte, zuckte bei dem dumpfen Dröhnen erschrocken zusammen und wirbelte herum. Als er erkannte, wie knapp er dem Tod entkommen war, richtete er sich schweren Herzens auf und wandte sich von dem Trümmerhaufen ab. „Du hast hier einen Kampf zu bestreiten – konzentrier dich!“, rief er sich selbst ins Gedächtnis, obwohl jede Faser seines Körpers darauf drängte, weiter nach Navi zu suchen.


    „Sie würde dich auch nicht im Stich lassen!“, rief eine entrüstete Stimme in seinem Inneren. „Du kannst ihr sowieso nicht mehr helfen“, hielt der Pessimist in ihm dagegen, was den Realisten dazu veranlasste bestärkend anzufügen: „Also entehre ihr Opfer nicht, indem du dein Leben achtlos wegwirfst.“ Der Herr der Zeiten schüttelte leicht den Kopf, um die körperlosen Stimmen aus seinem Geist zu vertreiben.


    Er konnte sich jetzt kein Zwiegespräch mit sich selbst erlauben. Er musste zu allererst Ganon irgendwie ausschalten – dann hätte er vielleicht immer noch Zeit, Navi zur Hilfe zu eilen.


    Unterdessen wurde der Regen noch stärker und ein Blitz jagte den nächsten über den pechschwarzen Himmel. Der Regenvorhang wurde so dicht, dass alles, das weiter als anderthalb oder zwei Meter entfernt war, dahinter verschwand. Wasser lief gurgelnd und Blasen werfend in kleinen Bächlein auf die Ränder der Festungsinsel zu und spülten kleine Steine und Glasscherben davon.


    Ganon hievte sich schwerfällig wieder auf die Beine. Offenbar hatte sich bei seinem Sturz eine lange Metallstange in seinen Oberarm gebohrt und bereitete ihm nun Schmerzen. Link vermutete, der golden schimmernde Metallstab habe früher als Vorhangstange gedient.


    Ein lautes Donnergrollen ließ die ganze Gegend erbeben und schluckte beinah Zeldas Worte: … erlischt!“ „WAS?“ Link versuchte, gegen den aufkommenden Wind anzuschreien, ohne seinen Blick von Ganon zu nehmen, der sich die Stange aus dem Arm zog und damit nach Link warf.


    Die Prinzessin schrie aus Leibeskräften, aber egal, wie sehr sie sich auch bemühte, bei Link kamen nur Bruchstücke dessen an, was sie ihm zurief: „… Feuer… -schwert hol–…“


    Der Krieger schüttelte irritiert den Kopf. Was immer Zelda ihm auch sagen wollte, er hatte keine Zeit, es zu enträtseln. Ganon stürmte bereits wieder auf ihn zu wie ein wildgewordener Stier.


    Der Herr der Zeiten rannte so schnell er auf seinen kaputten Füßen auf dem rutschigen Untergrund konnte davon und stolperte gleich mehrfach fast über Trümmerstücke, die er wegen des dichten Regens nicht gesehen hatte. Während er stumm über den Regen fluchte, kam ihm dadurch jedoch eine Idee: Vielleicht konnte er Ganon ja dazu bringen, über die Kante der Festungsinsel in die Lava zu stürzen, wenn er ihn nah genug an den Rand lotste!


    Ohne eine weitere Sekunde zu verschwenden, rannte der junge Mann auf den Lavagraben zu – und stieß beinah mit Zelda zusammen, die offenbar auf dem Weg ins Zentrum der ehemaligen Festung war.


    „Was machst du denn hier?!“ Link starrte die Prinzessin an als hätte er einen Geist gesehen. Diese deutete auf den Rand der Festungsinsel und rief über den immer stärker werdenden Sturm hinweg: „Der Regen hat das Feuer gelöscht. Such das Master-Schwert. Ich kümmere mich um Navi!“


    Vor Dankbarkeit, dass sie sich nur für seine Fee in die Gefahrenzone begab, wäre Link ihr am liebsten um den Hals gefallen. Stattdessen nickte er jedoch nur und rannte an der Kante der Insel entlang, um den Boden nach seiner heiligen Waffe abzusuchen.


    Zelda ging unterdessen vor dem Trümmerhaufen, unter dem Navi begraben war, in die Knie und schaufelte mit bloßen Händen Gesteinsbrocken zur Seite.


    Ganon hielt plötzlich in der Bewegung inne und schnüffelte, anstatt Link weiterhin zu verfolgen. Als er Zelda ganz in der Nähe witterte, huschte ein grimmiges Grinsen über sein Gesicht. Es spielte für ihn keine Rolle, ob er zuerst den Herrn der Zeiten oder die Weise der Harmonie tötete. Er wollte nur, dass beide starben. In welcher Reihenfolge war egal. In sich herein lachend brach er die Verfolgung Links ab und stapfte stattdessen auf die Prinzessin zu.


    Als Link das Master-Schwert endlich entdeckte, rutschte ihm das Herz in die Hose. Eines der Bächlein, die das Regenwasser von der Festungsinsel in den Lavagraben spülten, verlief direkt unter der heiligen Waffe und hatten sie bereits so weit über den Rand hinweg getragen, dass die kleinste Erschütterung ausreichen würde, um sie auf Nimmerwiedersehen in die Lava stürzen zu lassen.


    Zelda riss sich beim Graben die Finger auf, bis sie bluteten, aber das hielt sie nicht auf. Stattdessen grub sie mit Feuereifer weiter und weiter, bis sie Navi endlich freigelegt hatte. Ihr Feenglanz war erloschen, ein Flügel fast vollständig abgerissen und an ihrer Stirn prangte eine beeindruckend große Platzwunde. Zelda blieb bei diesem Anblick das Herz stehen, bis sie bemerkte, dass die Fee noch schwach atmete. Sofort streckte die Prinzessin ihre Hände nach Navi aus, um sie mit Hilfe eines Zaubers zu heilen.


    Unterdessen kam Ganon unaufhaltsam näher. Der Schweinedämon malte sich im Geist bereits aus wie er seine Schwerter in Zeldas Rücken rammte und das splitternde Geräusch ihres brechenden Rückgrats genoss.


    Ohne lange Nachzudenken hechtete Link mit einem Bauchplatscher nach vorn und griff nach dem Heft des Master-Schwerts. Durch die Vibrationen des Aufpralls kippte die heilige Waffe nach vorn und der Herr der Zeiten hielt gespannt die Luft an. Für den Bruchteil einer Sekunde schien das Schwert an der Inselkante festzuhängen, dann stürzte es in die Tiefe – doch genau in dem Moment schlossen sich Links Finger um das sich so wohlig-vertraut anfühlende Heft.


    Er hatte endlich seine Waffe zurück!


    Obwohl er bei jedem Luftholen das Gefühl hatte durch einen feuchten Schwamm hindurch zu atmen und jede Faser seines Körpers schmerzte wie noch nie zuvor in seinem Leben, empfand er mit dem Master-Schwert in der Hand wieder ein wenig Zuversicht.


    Navis Lider flatterten und sie schlug langsam die Augen auf. „P-Prinzessin… Ha-Haben wir…?“ Zu sprechen fiel der Fee noch immer sehr schwer, doch sie spürte wie das Leben allmählich wieder in sie zurückkehrte. Zelda schüttelte den Kopf, wobei einige Strähnen ihres nassen Haares an ihrer Stirn kleben blieben. „Nein, Link kämpft noch immer.“


    In diesem Moment erklang plötzlich Ganons schauriges Lachen im Rücken der Prinzessin: „Der Herr der Zeiten ist genauso verloren wie ihr!“


    Zelda wirbelte erschrocken herum. Sie hatte gewusst, dass sie sich einem Risiko aussetzte, indem sie sich in die Kampfzone wagte, aber sie hätte niemals erwartete, dass Ganon von Link ablassen würde.


    Mit wild hämmerndem Herzen beobachteten Prinzessin und Fee wie der Schweinedämon seine Waffen hob, um mit nur einem Schlag Zeldas Körper in Zwei zu schlagen. Zelda murmelte einen Schutzzauber, war sich aber nicht sicher, ob sie ihn beenden konnte, bevor Ganon zuschlug.


    Doch plötzlich tauchte aus dem Regenvorhang eine blaugewandete Gestalt mit einem blitzenden Schwert in der Hand auf.


    Als Link erkannte, dass Ganon drauf und dran war, Zelda und Navi zu töten, handelte er ohne nachzudenken. Todesmutig sprang er dem Schweinedämon von hinten auf den Rücken und kletterte an ihm bis zu den Schultern hinauf. Der Regen hatte die Schuppen des Ungetüms glitschig gemacht und dass Ganon versuchte, ihn irgendwie abzuschütteln, machte die Kletterpartie nicht gerade einfacher.


    Zelda und Navi beobachteten mit angehaltenem Atem wie Link trotz Ganons Bemühungen, den Herrn der Zeiten loszuwerden, dessen Schulter erklomm und ihm das Master-Schwert tief in die Kehle stach.


    Das Monster schrie fürchterlich und rannte plötzlich wie von der Tarantel gestochen los. Zuerst konnte Link sich keinen Reim auf diese Reaktion machen, doch als er die immer näher kommende Wand bemerkte, wurde ihm schlagartig klar, was Ganon vorhatte: Er wollte Link zwischen seinem Körper und der Wand zerquetschen.


    Dem Herrn der Zeiten blieb nichts anderes übrig als sich zu Boden fallen zu lassen. Das laute Knacken und der darauf folgende, stechende Schmerz verrieten dem jungen Krieger überdeutlich, dass er sich beim Aufprall den Knöchel gebrochen hatte.


    Hinter sich hörte er Zelda irgendetwas murmeln, aber der Sturm um ihn herum war zu laut, um auch nur ein Wort zu verstehen.


    Ganon wirbelte zu ihm herum und schlug mit seinen Schwertern auf den Herrn der Zeiten ein. Dieser konnte sich nur mit seinem Hylia-Schild verteidigen, der unter Ganons Hieben zunehmend verbeulte. Jegliche Zuversicht, die Link beim Wiedererhalt des Master-Schwerts verspürt hatte, löste sich schlagartig wieder auf.


    Mit dem verletzten Knöchel würde er Ganons Attacken nicht ausweichen können und sobald der Hylia-Schild zerstört wäre, wäre es auch um ihn geschehen…


    Unterdessen sprach Zelda mit Hilfe ihrer telepathischen Fähigkeiten zu den Weisen: „Ich bitte euch, ihr Weisen, leiht Link eure Kraft! Ich weiß, ihr glaubt, wir brauchen all unsere Macht, um ein Siegel zu erschaffen, dass Ganon auf ewig bannen kann – aber wenn wir dem Herrn der Zeiten jetzt nicht beistehen, werden wir niemals die Gelegenheit bekommen, irgendein Siegel zu schaffen, weil es dann keinen Sieg über Ganon geben wird!“


    Ohne eine Antwort abzuwarten legte die Prinzessin ihre Hände so aneinander, dass zwischen ihren Daumen und Zeigefingern ein Dreieck entstand und konzentrierte sich auf all die Energie in ihrem Inneren. Nur Sekunden später schoss plötzlich ein blendend helles, goldenes Licht aus ihren Händen hervor, das auf Ganons Rücken traf, ihn durchschlug und die gesamte Bestie einhüllte.


    Link stolperte bei diesem Anblick erschrocken zurück und ließ beinah sein Schwert fallen, als dieses zuerst in den Farben der Weisen und dann golden aufleuchtete.


    Wegen des Sturms wandte sich Zelda, die vor Anstrengung in die Knie ging, telepathisch an Link: „Schnell, versetz ihm den Gnadenstoß!“


    Sogleich ließ der Herr der Zeiten seinen demolierten Schild fallen und humpelte auf den am Boden kauernden Ganon zu. Offenbar lähmte Zeldas Lichtmagie ihn und machte ihn so gut wie bewegungsunfähig.


    Link nahm Maß, hob das Master-Schwert über den Kopf und trieb dem Schweinedämon die heilige Klinge tief ins Hirn.


    Im ersten Moment war der junge Mann lediglich verblüfft darüber, dass er einen stechenden Schmerz im Brustkorb verspürte, als er Ganon das Master-Schwert in den Schädel rammte. Doch dann hörte er Navi und Zelda aufschreien und sah an sich herab. In seiner Brust steckte die Spitze von Ganons Schwert und trotz des durchnässten Stoffes war der dunkelrote Fleck, der sich rundherum auf Links Tunika ausbreitete, gut zu erkennen.


    Offenbar war der Dämon doch nicht vollständig gelähmt gewesen…


    Link sah noch wie sich unter Ganons Körper ein weiß schimmerndes Portal auftat, dann gaben seine Knie nach und er stürzte zu Boden, wo er liegen blieb wie eine Marionette deren Fäden durchtrennt worden waren.


    Während die restlichen sechs Weisen Ganon zurück in das Schattenreich schickten, aus dem er einst nach Hyrule gekommen war, stürzten Navi und Zelda zu Link herüber.


    Der Herr der Zeiten lag auf dem Rücken und obwohl seine Augen geöffnet waren, sah er nicht wie sich die beiden Frauen weinend über ihn beugten. Auf seinen Lippen lag ein seltsam entrückt wirkendes Lächeln, das nicht recht zu seinen Verletzungen und vor allem dem klaffenden Loch in seiner Brust passen wollte. Navi war jedoch sofort klar, was ihren ehemaligen Schützling lächeln ließ:


    Seine Aufgabe war erfüllt, seine letzte Schlacht geschlagen…

    ZF-Signatur-2.jpg

    Avatar-Artwork von mokke; Signatur-Artwork von Kamui Fujiwara (official artwork)

  • Epilog

    „Nein! Du stirbst nicht!“ Zelda schüttelte Link an den Schultern und versuchte irgendwie, den Herrn der Zeiten wieder zu Bewusstsein zu bringen. Dicke Wasserströme rannen der Prinzessin über die Wangen, aber sie wusste selbst nicht, ob es sich dabei um Regen, Tränen oder beides handelte.
    Link gab ein leises Röcheln von sich, reagierte aber ansonsten nicht auf Zeldas Bemühungen, ihn am Leben zu halten. Das Blut, das aus seinen unzähligen Wunden sickerte, wurde sofort vom Regen fortgewaschen, sodass sich ein blassrotes Rinnsal von der Mitte der Festungsinsel bis zum Lavagraben gebildet hatte.
    Zeldas Herz krampfte schmerzhaft, wann immer sie daran dachte, wie viel Blut Link bereits verloren haben musste. Seine ansonsten so rosige Gesichtsfarbe war inzwischen zu einem wächsern wirkenden Aschgrau geworden und seine offenstehenden, aber dennoch blinden Augen waren von einem trüben Schleier verhangen. Wäre da nicht das schwache Heben und Senken seines Brustkorbs gewesen, Zelda hätte geglaubt, Link sei bereits tot.
    Sie musste etwas tun. Irgendetwas!
    „Warum heilst du ihn nicht mit einem Zauber, so wie bei mir vorhin?“ Navis Stimme war ein leises Flüstern, das fast im Heulen des Windes und dem Prasseln des Regens unterging. Sie starrte mit ungläubigen, kreisrunden Augen auf den Körper ihres Freundes und schien nahezu vollkommen paralysiert zu sein. Gedanken tröpfelten nur zäh in ihren tauben Geist, so als müssten sie sich erst durch ein zu engmaschiges Sieb drücken, und ihr Körper fühlte sich an wie der einer Fremden, als wäre sie gar nicht richtig mit ihm verbunden.
    Link konnte nicht sterben. Nicht hier. Nicht jetzt.
    Navi hatte schon oft um das Leben ihres Schützlings gebangt, aber ihr war niemals klar gewesen, dass sie nie wirklich daran geglaubt hatte, er könnte tatsächlich sterben.
    Bis jetzt…
    Zelda warf ihr einen unendlich traurigen Blick zu und schüttelte zaghaft mit dem Kopf. „Das habe ich schon versucht. Aber ich kriege einfach keinen Zauber zustande – egal, wie sehr ich mich auch konzentriere. Ich fürchte, die Lichtmagie, mit der ich Ganon paralysiert habe, hat mich meine ganze Energie gekostet.“
    Navi schien die Antwort der Prinzessin gar nicht wahrgenommen zu haben. Stattdessen starrte sie weiterhin vollkommen unbewegt auf Link, so als wäre sie zur Salzsäule erstarrt. Vor ihrem geistigen Auge sah sie verschiedene Situationen aus den vergangenen Jahren, sah sich ein weiteres Mal mit Link zu einer Einheit zusammenwachsen.
    Jedes einzelne Bild ließ einen weiteren Riss in ihrem Herzen entstehen, bis es schließlich zerbarst wie ein Glasbehälter, auf den zu viel Druck ausgeübt wurde.
    Sie dachte an das erste Mal, dass sie ihren Schützling gesehen hatte. Damals hatte er noch im Bett gelegen und sich von Albträumen geplagt hin und her geworfen. Er hatte so klein und zerbrechlich gewirkt, wie er in den durchgeschwitzten Laken um sich getreten hat, dass Navi direkt wieder umdrehen und dem Deku-Baum sagen wollte, dass er sich geirrt hatte. Dieser Junge konnte unmöglich der Auserwählte sein…
    Doch sie war geblieben und Link hatte sie ein aufs andere Mal überrascht, entweder indem er sich im Kampf als geschickter und einfallsreicher erwies als Navi es ihm zugetraut hatte oder indem er sein großes, mitfühlendes Herz offenbar hatte.
    Und er hatte sie zum Lachen gebracht…
    Oft hatte sie ein wenig genervt getan, wenn sie sich spielerisch beharkt hatten, aber in Wirklichkeit hatte sie diese Kabbeleien stets genossen. Sie hatten ihr – und auch Link – die Kraft gegeben, nicht zu verzweifeln, obwohl um sie herum die ganze Welt in Schatten versank.
    Navi wusste nicht, wann es passiert war – es musste wohl ein schleichender Prozess gewesen sein – doch irgendwann hatte sie sogar angefangen, in Link mehr als einen Freund zu sehen. Auch wenn sie unterschiedlichen Spezies angehörten, er war ihr Bruder.
    Sie konnte nicht schon wieder ihre Familie verlieren…
    Plötzlich explodierte etwas in Navi und sie schrie Zelda an: „Dann nimm meine, verdammt nochmal!“ Die Prinzessin biss sich auf die Unterlippe und schien hin und her gerissen zu sein. „Aber das könnte dich –“ „Töten?“, fiel die Fee ihr unwirsch ins Wort. „Und wenn schon! Ich werde nicht tatenlos hier herumstehen und dabei zusehen wie Link stirbt!“
    Zelda strich sich das völlig durchnässte Haar aus dem Gesicht, dessen Züge furchtbar gequält wirkten. „Ich weiß, wie du dich fühlst, Navi. Ich will doch auch nicht, dass er stirbt, aber…“ Sie holte tief Luft und sah dann zum ersten Mal von Link zu Navi herüber. „Ich weiß nicht, ob deine Energie ausreichen wird. Womöglich bringe ich dich bei dem Versuch, Link zu retten um, ohne dass es irgendetwas an seinem Ende ändert.“
    Navi betrachtete Links Gesicht, das ihr vertrauter war als ihr eigenes. Sein Pferdezopf hatte sich während des Kampfes ein wenig gelockert, sodass einige der kürzeren Strähnen locker neben seinen Ohren hingen. Die blasse Haut war von oberflächlichen Schnitten übersät und die frischen Narben, die er sich in Ganondorfs Festung zugezogen hatte, traten unnatürlich deutlich hervor. Auf seinen Wangen lag der dunkle Schatten neusprießender Bartstoppeln und seine Lippen waren blutleer und rissig.
    Vor Navis geistigem Auge verheilten all die Wunden und Narben ihres Schützlings bis er wieder aussah als wäre er bei bester Gesundheit und ihr vergnügt und ein bisschen verschwörerisch zulächelte. Sie liebte dieses Lächeln, das so breit war, dass man seinen leicht schief stehenden rechten Eckzahn sehen konnte.
    Es spielte keine Rolle, was mit ihr geschah, so lange es den Hauch einer Hoffnung gab, dass es Link das Leben retten konnte. Er hatte zu viel gelitten, zu viel entbehrt, um so zu enden…
    „Du musst es trotzdem versuchen.“ Navi streckte Zelda die Hände entgegen, damit diese den nötigen Körperkontakt herstellen konnte, indem sie der Fee einen Finger reichte. Als Navi bemerkte, dass die Prinzessin zögerte, stellte sie klar: „Das ist keine Bitte! Nimm meine Energie!“


    Zelda rang noch einen Moment mit sich, dann legte sie ihren Zeigefinger auf Navis ausgestreckten Hände. Die Fee umklammerte sofort ihren Finger als fürchte sie, Zelda könne einen Rückzieher machen.
    Mit einem Seufzen schloss die Prinzessin die Augen und stellte sich Navis Energie als einen Strom goldenen Lichtes vor, der den Körper der Fee bis in die letzten Winkel durchdrang. Dann ließ sie diesen Strom langsam über ihren Zeigefinger in ihren eigenen Körper und von dort in ihre linke Hand fließen, die mit gespreizten Fingern auf Links Brust lag.
    Navi atmete erleichtert auf, als sie das goldene Schimmern zwischen Zeldas Fingern bemerkte, das anzeigte, dass ein Heilzauber im Gange war. Bildete sie sich das bloß ein oder begann die klaffende Wunde in Links Brustkorb bereits sich langsam zusammenzuziehen?
    Das Hochgefühl währte jedoch nicht lange, da Navi schon bald die Nebenwirkungen des Energieentzugs zu spüren bekam.
    Zuerst überkam sie leichter Schwindel, der immer stärker wurde, bis sie sich schließlich nicht mehr auf den Beinen halten konnte und auf den Boden setzen musste. Dann wurde ihr furchtbar übel und in ihren Extremitäten breitete sich von den Fingern beziehungsweise Zehen ausgehend vollkommene Taubheit aus. Als nächstes wurde ihr Kopf zu schwer, um ihn aufrecht zu halten, sodass sie mit dem Kinn gegen die Brust stieß. Als Letztes wurden ihre Lider so bleiern, dass sie die Augen nicht mehr offenhalten konnte.
    Alles in allem fühlte es sich an als würde ihr Körper allmählich versteinern, während ihr Leben in den Leib eines anderen strömte. Sie konnte nur hoffen, dass ihr Opfer etwas brachte und Link eine zweite Chance bekommen würde.
    Doch plötzlich riss Zelda ihren Finger weg und unterbrach so den Energiefluss. Sofort kehrte das Leben in Navis eigenen Körper zurück, der darauf mit heftigem Kribbeln reagierte. Zuerst wollte Navi die Prinzessin deswegen anschnauzen, aber dann sah sie Zeldas Gesicht und schloss ihren Mund wieder, bevor auch nur eine Silbe ihre Lippen hatte verlassen können.
    Zeldas Lippen bebten und ihr ganzer Körper wurde von heftigen Schluchzern erschüttert. „Es… es tut mir leid, Navi, a-aber ich kann das nicht! Sieh doch nur! Ich hätte dich fast getötet, doch der Erfolg ist nur marginal!“ Sie machte eine unwirsche Handbewegung in Links Richtung, bevor sie sich sehr unadelig Rotz von der Nasenspitze wischte.
    Navi betrachtete die Wunde in Links Brust und musste widerwillig zugeben, dass Zelda Recht hatte. Zwar war an den Rändern der Ansatz neuer Haut zu erkennen, aber das Loch war noch immer viel zu groß, um damit leben zu können. Zudem war Links Atem noch flacher geworden, was sicher kein gutes Zeichen war.
    Plötzlich mischte sich unbändige Wut unter die gequälten Gesichtszüge der Prinzessin und sie legte den Kopf in den Nacken, bevor sie dem Himmel entgegenschrie: „So tut doch endlich was! Din! Farore! Nayru! Er ist euer Auserwählter! Er hat seine Kindheit, seine Jugend, seine Freunde und seine Unschuld geopfert, um euch zu Diensten zu sein und Hyrule zu beschützen, was, wenn ihr mich fragt, eigentlich eure Aufgabe gewesen wäre! Also lasst ihm verdammt nochmal wenigstens sein Leben!“
    Für einen langen Moment passierte gar nichts, außer dass Zelda sich ein wenig erleichtert fühlte, weil sie ihrem Zorn Luft gemacht hatte. Dann verzog Navi die Lippen zu einem schiefen Grinsen und brüllte: „Genau! Rettet ihn gefälligst oder ich verspreche euch, Ganon wird nicht euer schlimmster Albtraum gewesen sein! Ich schwöre euch, ich bin furchterregender als ich aussehe!“
    Trotz der dramatischen Situation musste Zelda bei dieser Drohung lachen. Vor Scham über diese Reaktion schlug sie sich die Hand vor den Mund, so als hoffte sie, sie könnte das Geräusch nachträglich noch einfangen und aufhalten. Dass Navi sie aus riesigen Augen wie gebannt anstarrte, verstärkte das schlechte Gewissen der Prinzessin noch.
    Doch dann riss die Fee den Arm hoch, deutete auf Zeldas Handrücken und rief: „Sieh doch!“
    Irritiert streckte Zelda den Arm aus und begutachtete ihren linken Handrücken. Zu ihrer großen Überraschung leuchtete ihr Triforce-Mal wie von innen beleuchtet. So etwas hatte sie noch nie gesehen und die Prinzessin konnte sich keinen Reim darauf machen, bis sie plötzlich spürte wie ihr Körper auf einmal wieder vor Energie strotzte.
    „Du scheinst sie überzeugt zu haben. Offenbar erzittern sogar Göttinnen vor deinem Zorn.“ Die Prinzessin bedachte Navi mit einem dankbaren Lächeln und legte alle neue Kraft in ihren Heilzauber. Jetzt konnte sie Link retten, da war sie sich sicher!


    Im war als triebe er auf warmem Wasser dahin, während die Welt um ihn herum vollkommen leer war. Da war nichts. Kein Lachen, kein Weinen, kein Zeichen von Leben, kein Krieg. Nur erholsame, alles einnehmende Stille.
    Link war nicht bewusst gewesen, wie sehr er sich danach gesehnt hatte, endlich ausruhen zu können, bis er an diesen seltsamen Ort gelangt war.
    Ein Teil von ihm machte sich Sorgen um Navi und Zelda, aber dieser Part schien weit weg zu sein. Es war als hörte er seine eigene Stimme, aber durch dicke Stofflagen gedämpft, bis die Worte nicht mehr zu verstehen waren.
    Ganz selten drangen auch andere Stimmen durch die alles einnehmende Stille, aber Link hörte nicht hin. Er wollte lieber weiterhin auf dem Kuschelwasser dahintreiben und an nichts denken.
    Er fühlte sich frei. Geborgen.
    Doch dann zerriss plötzlich ein stechender Schmerz die friedvolle Szenerie und Link schreckte hoch so als wäre gerade kurz vor dem Ertrinken gewesen. Als müsste er aus den Tiefen eines Sees oder Meeres zurückkehren, wurde sein Geist nach oben getragen, bis er schließlich die Oberfläche durchschlug und ins Leben zurückkehrte.
    Das Erste, das er wieder spürte war das Trommeln des Regens auf seinem Gesicht. Dann fühlte er das Gewicht winziger Füße auf seiner Brust und das Streichen einer zarten Hand an seiner Wange.
    Navi und Zelda…
    Obwohl er wusste, dass sie darauf warteten, dass er die Augen aufschlug, hielt er sie noch einen Moment geschlossen und versuchte, sich zu sortieren.
    Was war passiert?
    Er erinnerte sich an seinen Kampf gegen Ganon. Er war hoffnungslos unterlegen gewesen, aber mit vereinten Kräften hatten Zelda, Navi und er es trotzdem irgendwie geschafft, den Schweinedämon zu besiegen. Link entsann sich, dass er der Bestie das Master-Schwert in den Schädel gerammt hatte und dann…
    Leere.
    Das unscharfe Bild eines gewaltigen Schwertes, das aus seiner Brust ragte, tauchte vor den Augen des Helden auf. Aber konnte das sein? War er tatsächlich… gestorben?
    Vorsichtig hob er ein Augenlid, um herauszufinden, wo er war. Sogleich warf sich Navi gegen seinen Hals und schluchzte: „Du bist zurück! Du bist wirklich zurück!“
    Nein, er konnte unmöglich tot sein!
    Vorsichtig setzte er sich auf, wobei er schützend eine Hand über Navi hielt, damit sie nicht herunterpurzelte. Seine Glieder fühlten sich ein wenig steif an und seine Brust kribbelte, aber ansonsten fühlte er sich erstaunlich gut.
    Etwas verwirrt blickte er zu Zelda herüber, in der Hoffnung, sie würde ihm erklären, was passiert war. Doch als er in ihre rotgeweinten Augen sah, schluckte er die Fragen, die ihm bereits auf der Zunge lagen, wieder herunter. Stattdessen streckte er einen Arm nach ihr aus und zog sie sanft gegen seine Brust, was die Prinzessin nur zu gern geschehen ließ.


    So saßen die Drei eine ganze Weile und hielten sich an einander fest wie Schiffsbrüchige an einem Stück Treibgut. Um sie herum zog das Gewitter allmählich weiter und der tosende Sturm flaute zusehends ab.
    Auch der Regen hatte fast gänzlich aufgehört, als Link schließlich Zelda sanft von sich weg schob, um ihr ins Gesicht zu sehen. Eigentlich hatte er vorgehabt, sie nach den Geschehnissen nach dem Ende seines Kampfes gegen Ganon befragen, entschied sich dann aber doch anders. Wenn er genau darüber nachdachte, wollte er gar nicht wissen, wie nah er dem Tod wirklich gewesen war. Er war noch am Leben und das war alles, was zählte.
    Daher sagte er stattdessen: „Ich schätze, es wird langsam Zeit, diesen grausigen Ort zu verlassen. Lasst uns nach Kakariko gehen und uns mal so richtig ausschlafen. Außerdem habe ich einen Bärenhunger! Ich könnte ein ganzes Schwein verdrücken!“
    Während Navi kicherte und nickte, zeigte Zelda erneut dieses gequälte Gesicht, das sie bereits vor dem Auftauchen von Ganon gezogen hatte. Link legte bei diesem Anblick die Stirn in Falten, doch bevor er nachfragen konnte, was ihre verdrossene Miene verursachte, entgegnete Zelda: „Wir sollten zuerst zur Zitadelle der Zeit gehen.“
    „Wieso das denn?“ Navi war derart verblüfft, dass ihr nicht einmal auffiel wie schroff ihre Worte klangen. Link, der sich im Geiste dieselbe Frage gestellt hatte, legte den Kopf schief und sah Zelda neugierig von der Seite an.
    Diese atmete tief ein und stieß die Luft nach einem kurzen Moment mit geblähten Backen wieder aus, bevor sie antwortete: „Du musst das Master-Schwert wieder in den Zeitfels stoßen, um das Siegel gegen alles Böse zu erneuern. Bei dieser Gelegenheit werde ich dich in deine Kindheit zurückschicken.“ Dabei sprach sie so schnell, dass die Worte nahtlos ineinander übergingen und die beiden anderen Probleme hatten, sie zu verstehen.
    Während Link die Prinzessin nur verständnislos anglotzte, begriff Navi sofort. Zelda wollte ihr persönliches Glück opfern, um Link die Chance auf ein anderes Leben – ein Leben ohne Jahre langes Kämpfen – zu ermöglichen!
    „Das hattest du von Anfang an vor, oder?“, hakte die Fee nach. „Deswegen hast du so trauernd aus der Wäsche geschaut, als wir uns vor Ganons Erscheinen über die Zukunft unterhalten haben.“
    Zelda fummelte mit der rechten Hand nervös am Nagel ihres linken Daumens und nickte zaghaft, bevor sie einräumte: „Ja. Deswegen und weil Rauru mich kontaktiert hatte, um mir zu sagen, dass der Kampf noch nicht vorbei war.“
    „Was?! Du hast das gewusst?!“, stieß der Herr der Zeiten ungläubig aus, während Navi zeitgleich rief: „Du hättest Link warnen müssen!“
    „Ich…“ Zelda wollte sich rechtfertigen und erklären, dass sie in diesem Moment von der Neuigkeit vollkommen erschlagen und überfordert gewesen war, dass sie keinen klaren Gedanken hatte fassen können, dass sie es nicht hatte wahrhaben wollen und sich bis zum Schluss an die Möglichkeit geklammert hatte, Rauru würde sich irren. Doch alles, was über ihre Lippen kam, war nur ein leises „Ich weiß.“
    Link rückte von ihr ab und stand auf, während Navi auf ihren Stammplatz auf seiner Schulter kletterte. Die Enttäuschung, die in ihren Blicken geschrieben stand, war fast mehr als Zelda aushalten konnte.
    Als hätte jemand die Zeit zurückgedreht, kehrte Link schlagartig zu dem unterkühlten Verhalten zurück, dass er nach Offenbarung von Shieks wahrer Identität an den Tag gelegt hatte. In verletzend geschäftsmäßigem Ton fragte er: „Und warum willst du mich in meine Kindheit zurückschicken?“
    Zelda rappelte sich ebenfalls auf und hoffte, er möge verstehen, dass sie nur sein Bestes wollte, als sie erklärte: „Du sollst die Möglichkeit bekommen, dein Leben noch einmal zu leben – so als hättest du mich nie getroffen. Ich hätte dich niemals in dies alles mit hereinziehen dürfen… Aber ich war damals zu jung und zu naiv und habe gedacht, ich könnte es mit Ganondorf aufnehmen. Doch er hat mich nach allen Regeln der Kunst ausgespielt und unsere Bemühungen, Hyrule zu retten, gegen uns verwandt. Wenn du damals nicht das Tor zum Heiligen Reich geöffnet hättest, hätte Ganondorf niemals das Triforce-Fragment der Kraft an sich reißen und zum Großmeister des Bösen werden können.“
    Die Prinzessin schüttelte über ihr jüngeres Ich den Kopf und fuhr fort: „Ich werde dich an den Tag zurückschicken, an dem wir uns damals getroffen haben. Im Gegenzug bitte ich dich nur um eines: Lebe dein Leben so wie du es dir immer gewünscht hast!“
    „Das ist lächerlich!“ Link verschränkte die Arme vor der Brust und machte ein verdrießliches Gesicht. „Ich bin der Herr der Zeiten. Es war mein Schicksal, in all dies hereingezogen zu werden. Ich bestreite nicht, dass wir Fehler gemacht haben, aber spiel dich nicht so auf und tu als hätte das Glück Hyrules allein in deinen Händen gelegen. Dein Vater hätte genauso gut erkennen können, welche Gefahr Ganondorf darstellte, anstatt ihn mit offenen Armen zu empfangen.“
    Navi nickte zustimmend, guckte dabei aber recht nachdenklich aus der Wäsche. „Link hat Recht. Es war nicht allein deine Schuld.“ Auch ihre Stimme klang als wäre die Fee mit den Gedanken weit weg. Dann fügte sie nach einer Weile, in der eisiges Schweigen zwischen den Dreien geherrscht hatte, vorsichtig an: „Außerdem bin ich mir nicht sicher, ob du nicht etwas übersiehst.“
    Die Fee wollte ihre Bedenken erläutern, aber Zelda warf zornig die Arme in die Luft und rief: „Oh, bei den Göttinnen! Schön! Dann tu ich Link vielleicht keinen Gefallen, wenn ich ihn zurückschicke! Aber er könnte Hyrule etwas Gutes tun und ihm sieben Jahre Leid unter Ganondorfs Herrschaft ersparen, indem er die Vergangenheit ändert!“
    Ohne eine Antwort abzuwarten, stapfte Zelda in Richtung Hyrule-Stadt davon. Alles in ihr schien ein einziger Schmerz zu sein. Sie würde Link furchtbar vermissen, aber es war das einzig Richtige, ihn zurückzuschicken. Wieso nur konnte er es ihr nicht ein wenig leichter machen, indem er sich über diese Möglichkeit freute?
    Stattdessen musste er garstig und abweisend sein und ihr den Abschied damit noch schwerer machen, weil so für immer ein fader Nachgeschmack bleiben würde, wenn sie an Link dachte...
    Während sie den sanften Hügel, der zur Stadt hinab führte, erklomm, musste sie wieder an die enttäuschten Gesichter von zuvor denken. Seufzend gestand sie sich ein, dass sie vermutlich so ziemlich alles falsch gemacht hatte, zumindest was Link betraf. Sie war nie auf die Idee gekommen, dass er sich hintergangen fühlen könnte, wenn sie ihm in Gestalt eines Shiekah-Mannes half. Zu allem Überfluss hatte sie ihn nun schon wieder verletzt, weil sie zu feige gewesen war, um der Wahrheit ins Gesicht zu sehen, und ihn nicht vor Ganons Auftauchen gewarnt hatte.
    Und jemand wie sie war die Auserwählte des Triforce-Fragments der Weisheit… Die Göttinnen hatten wahrlich einen kranken Sinn für Humor!
    Link und Navi sahen ihr eine Weile unbewegt hinterher und beobachteten wie sie den gewundenen Pfad entlang marschierte, ohne einen Blick zurückzuwerfen. Zelda hatte bereits den Hügel erklommen, als Navi schließlich fragte: „Wimmelt es in der Stadt nicht immer noch vor Zombies?“ „Ja.“ Link nickte.
    „Sollten wir ihr dann nicht hinterherlaufen und aufpassen, dass ihr nichts passiert?“ „Vermutlich schon. Wobei… Eigentlich kann sie doch ganz gut auf sich selbst aufpassen.“ „Link!“ Navis Stimme nahm einen drohenden Unterton an, der ihren Freund aufseufzen ließ. „Ja, ja. Ist ja gut.“ Dann setzte er Zelda in lockerem Laufschritt nach, blieb jedoch ein paar Meter hinter ihr.
    Navi lehnte sich gegen seinen Hals und fiel nach nur wenigen Schritten in tiefen Schlaf. Die Ereignisse der letzten Stunden hatten die Feenfrau vollkommen ausgelaugt, psychisch wie physisch.


    Bis sie den Zeitfels im hinteren Teil der Zitadelle der Zeit erreichten, sprach keiner ein weiteres Wort. Zur großen Überraschung der Drei war ihnen auf dem Weg zu dem alten Tempel kein einziger Zombie begegnet. Doch ob dies bedeutete, dass die lebenden Leichen sich nach Ganons Tod zurückgezogen hatten oder nur in einem anderen Stadtteil umherschlurften, vermochte keiner zu sagen.
    Zelda blieb neben dem Zeitfels stehen und streckte die Hand aus. „Die Okarina der Zeit, bitte. Ich werde sie brauchen, um das Siegel zu vervollständigen.“
    Link holte das mystische Musikinstrument aus seinem Wunderbeutel und betrachtete es nachdenklich. Es hatte ihm im Verlauf seiner Reise viele gute Dienste geleistet und irgendwie fühlte es sich an als würde er einen Freund verabschieden. Doch die Okarina war von Anfang an nur geliehen gewesen, das wusste er. Sie gehörte der königlichen Familie und er hatte keinerlei Anrecht darauf.
    Trotzdem zögerte er ein wenig, bevor er die Flöte Zelda überreichte. Die Hand noch immer auf der Okarina, fragte Link: „Und was, wenn ich gar nicht in meine Kindheit zurückgeschickt werden möchte? Vielleicht würde ich ja gerne hier im Jetzt bleiben.“ Er sah Zelda fest an und lief von den Ohren ausgehend rot an.
    Gerne hätte er der Prinzessin gesagt, dass er auf einen Neuanfang mit ihr hoffte, aber seine Zunge klebte plötzlich an seinem Gaumen und ließ sich nicht mehr bewegen. Der junge Mann wusste nicht so recht, ob er zu schüchtern war, seinen Wunsch auszusprechen, oder ob Zelda ihn durch ihre bisherigen Handlungen so tief verletzt hatte, dass sein Unterbewusstsein versuchte, ihn durch das erzwungene Schweigen zu schützen.
    Wahrscheinlich ein bisschen von beidem, dachte Link, als Zelda ihm die Okarina und damit auch ihre Hand entzog.
    Die Prinzessin sah ihn aus großen Augen schweigend an, was Link fälschlicherweise als Zeichen der Ablehnung wertete. In Wahrheit war sie von Links Wunsch vollkommen überrumpelt. Sie hatte immer gehofft, dass er an ihrer Seite bleiben wollen würde. Aber sie hatte sich nie getraut, tatsächlich daran zu glauben. Auch jetzt fragte sie sich, ob sie Link wirklich richtig verstanden hatte oder ob sie seine Worte auf Grundlage ihrer eigenen Wünsche fehlinterpretierte.
    Nach einem langen Moment, in dem Zelda mit ihren widersprüchlichen Gefühlen und Gedanken gekämpft und noch immer kein Wort gesagt hatte, winkte Link unwirsch ab und sagte: „Ach, vergiss es. Schick mich einfach zurück.“
    In seiner Brust machte sich ein ziehender Schmerz breit wie er ihn noch nie gespürt hatte. Es war als würde sich von seinem Herzen ausgehend eine Blase ausbreiten, die alle Luft aus seinen Lungen drückte und sein Blut am Zirkulieren hinderte.
    Auf Zeldas Gesicht machte sich tiefe Enttäuschung breit, aber sie wandte sich so schnell ab, dass Link dies nicht bemerkte. In erzwungen ruhigem Ton fragte sie: „Was ist mit Navi? Will sie hier bleiben oder auch zurückgeschickt werden?“
    Link stupste die auf seiner Schulter leise schnarchende Fee sanft an und riss sie damit aus dem Schlaf. Benommen rieb sie sich über die Augen und murmelte: „Wasnlos?“
    Während Zelda ihre Frage wiederholte, wurde Navi allmählich wieder richtig wach und registrierte die verschlossenen Mienen der beiden. Nachdenklich ließ die Fee ihren Blick zwischen Prinzessin und Held hin und her zucken und fragte sich, welchen Stein des Anstoßes sie verschlafen haben mochte.
    Als sie hörte, dass Link sich entschieden hatte, in die Vergangenheit zurückzukehren, entschied Navi jedoch, dass, was immer die beiden schon wieder entzweit hatte, unwichtig war. Schon bald würden sie in verschiedenen Welten leben und ihr Zwist wäre hinfällig.
    Nachdem Zelda geendet hatte, sah sie Navi nachdenklich an. Diese antwortete ohne das geringste Zögern: „Ich werde Link begleiten – was für eine Frage!“ Sie lächelte ihren Freund breit an, der ihr Grinsen etwas gequält erwiderte.
    Die Prinzessin nickte und bedeutete Link mit einer Handbewegung, er solle sich vor den Zeitfels stellen. „Stoß einfach das Master-Schwert in den dafür vorgesehenen Schlitz, so wie du es immer getan hast, wenn du in der Zeit zurückreisen wolltest. Den Rest erledige ich.“
    Ohne einen weiteren Blick auf Zelda brachte Link sich in Position. Als er das Schwert über den Kopf hob, setzte Zelda die Okarina an ihre Lippen und begann die Hymne der Zeit zu flöten. Sofort schoss ein blauweißes Licht aus dem Zeitfels hervor und Link stieß das Master-Schwert auf ihn hinab. Sogleich zog sich sein Körper in bereits bekannter Manier von Knacken und Knirschen begleitet zusammen.
    Durch das blendende Licht, das ihn einhüllte, sah er nicht wie dicke Tränen über Zeldas Wangen liefen und ihre Hände so stark zitterten, dass sie ihr Musikinstrument kaum halten konnte.


    Wenige Herzschläge später zog sich das Licht wieder zurück und Link ließ das Heft des Master-Schwerts los, bevor er die Hände vor sich ausstreckte und sie nachdenklich betrachtete. Er war tatsächlich wieder zurück in seinem Kinderkörper…
    Er war weniger von der Tatsache überrascht, dass er wieder ein Kind war – dies hatte er bereits früher erlebt – als viel mehr von dem Gefühl der Endgültigkeit, das sich in ihm breit machte. Er konnte zwar nicht sagen, warum, aber er war sich sicher, dass er das Master-Schwert nicht mehr aus dem Zeitfels ziehen konnte.
    Auch Navi war zurück in ihrem kindlichen Körper und schien sich darin noch nicht wieder gänzlich wohl zu fühlen. Doch bevor Link sie fragen konnte, ob sie sich auch irgendwie fehl am Platz fühlte, deutete das Feenmädchen auf das Zeitportal und rief: „Schnell, Link! Raus hier! Das Tor schließt sich!“
    Erschrocken wirbelte der Junge herum und tatsächlich! Das massive doppeltürige Tor schob sich langsam zusammen. Wenn sie sich nicht beeilten, würden sie in der Schwert-Kammer eingeschlossen und jämmerlich an Hunger oder Durst verenden.
    So schnell sie konnten rannten die beiden Abenteurer auf den vorderen Teil der Zitadelle zu und schafften es gerade noch, sich durch das Tor zu zwängen, bevor es sich endgültig schloss.
    Link stieß einen langgezogenen Seufzer aus und ließ sich auf die Stufen vor dem Zeitportal fallen. „Und jetzt?“ Navi zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Ich nehme an, das liegt ganz bei dir.“
    Als sie die bedrückte Miene ihres Schützlings bemerkte, hakte sie zaghaft nach: „Freust du dich denn gar nicht über diese zweite Chance? Jetzt hast du die Möglichkeit, die sieben Jahre, die dir geraubt wurden, nachzuholen.“
    Link rieb sich über die Schläfe als habe er Kopfschmerzen und antwortete ehrlich: „Keine Ahnung. Frag mich das in sieben Jahren nochmal. Vielleicht werden sie die beste Zeit meines Lebens, aber vielleicht werde ich mir hinterher wünschen, man hätte sie mich verschlafen lassen. Wer weiß das schon?“
    Für eine Weile schwiegen die Beiden, dann fragte Link: „Du meintest vorhin… also… in der Zukunft… dass Zelda bei ihrem Pan womöglich etwas übersehen habe. Was meintest du damit?“
    „Naja, sie wollte uns an den Tag zurückschicken, an dem ihr euch das erste Mal getroffen habt, stimmt’s?“ „Ja.“ Link nickte und zog die Augenbrauen zusammen, während er zu erraten versuchte, auf was seine Fee hinauswollte. „Zu diesem Zeitpunkt hat Ganondorf bereits Dodongos-Höhle versperrt und er wird schon bald Lord Jabu-Jabu verfluchen.“
    Erkenntnis erhellte Links Gesicht und er rief erregt: „Die Goronen leiden also Hunger, wenn wir nichts unternehmen, und Ruto wird von Jabu-Jabu verschluckt werden!“
    Navi nickte und zog ein trauriges Gesicht. „Genau. Ich bin mir sicher, dass Zelda dir ein Leben ohne Kämpfe ermöglichen wollte, aber ganz ist ihr das nicht gelungen, fürchte ich.“
    Link zog grübelnd die Unterlippe zwischen die Zähne. Dann stahl sich plötzlich ein Grinsen auf sein Gesicht, das Navi ein Stein vom Herzen fallen ließ. Sie hatte schon befürchtet, er habe sein Lachen schlussendlich doch verloren.
    „Ich weiß, wie wir’s machen!“ Link sah Navi mit einem Funkeln in den Augen an, das sie lange nicht mehr bei ihm gesehen hatte. „Ich werde den Goronen und Zora erneut helfen. Immerhin weiß ich dieses Mal, was auf mich zukommen wird, und ich habe inzwischen viel Härteres hinter mir – da werden diese Kämpfe ein Klacks! Du fliegst am besten schon mal zu den Zora vor und warnst sie, damit Ruto sich von Jabu-Jabu fern hält. Ich komm dann nach, wenn ich King Dodongo besiegt habe. Und dann gehen wir beide fort und nehmen den Kokiri-Smaragd mit. Auf diese Weise muss niemand leiden und Ganondorf kommt niemals ins Heilige Reich!“
    Navi nickte begeistert. „Das ist ein super Plan! Aber, wohin gehen wir dann?“ Link grinste noch eine Spur breiter. „Irgendwohin. Wo immer es uns gefällt!“
    Dann mischte sich eine andere Form der Aufregung unter seine plötzlich aufgeflammte Abenteuerlust: „Zuerst werde ich aber Zelda aufsuchen und ihr unseren Plan erklären. Es ist wichtig, dass sie erfährt, wie gefährlich Ganondorf ist.“
    Navi nickte nachdenklich. „Du wirst dich aber von ihr nicht dazu hinreißen lassen, unseren Plan umzustürzen und doch den Zugang zum Heiligen Reich zu öffnen?“ Der Fee bereitete es noch immer leichtes Bauchgrimmen, dass sie nicht wusste, was in der Zukunft zwischen Link und Navi vorgefallen war, bevor die Prinzessin sie zurückgeschickt hatte.
    Link lachte. „Nein, ganz sicher nicht! Der Herr der Zeiten hat seine Pflicht erfüllt. Auf uns warten andere Abenteuer!“
    Mit diesen Worten trennten sich die beiden Abenteurer und zogen ihrer eigenen Wege, einer ungewissen Zukunft entgegen.
    Würden es ihnen gelingen, das Schicksal Hyrules zu ändern?


    ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~


    Phew, da ist es endlich geschafft!


    Es war ein langer, langer Weg bis hierher. Irgendwann im Jahr 2011 habe ich mit etwas angefangen, das so etwas wie ein schön geschriebener Walkthrough werden sollte und sich schließlich zu diesem Mammut-Werk ausgewachsen hat.
    Wir bringen es auf 1098 (Eintausendachtundneunzig!) Din-A-5 Seiten (Times New Roman, Schriftgröße 11, einfacher Zeilenabstand)!
    Diese Geschichte ist mit mir von Gießen nach Berlin und schließlich nach München gezogen, hat das Ende meines Bachelor-Studiums, den Abbruch des einen und den Abschluss des anderen Master-Studiums und meinen Berufseinstieg gesehen und hat mich mit lieben Menschen zusammengebracht.
    Ich kann immer noch nicht ganz glauben, dass es jetzt vorbei ist. :D


    Ich möchte mich bei allen bedanken, die mich während dieser Reise als Leser begleitet haben - egal, ob ihr von Anfang an dabei ward oder erst später dazugestoßen seid, ob ihr die ganze Geschichte oder nur eure Lieblingsspielabschnitte gelesen habt.
    Mein ganz besonderer Dank gilt natürlich allen (regelmäßigen) Review-Schreiberlingen, die mir mit ihrem Feedback geholfen haben, besser zu werden, und die mich mit ihrer Begeisterung zum Durchhalten motiviert haben.
    Danke! <3

    ZF-Signatur-2.jpg

    Avatar-Artwork von mokke; Signatur-Artwork von Kamui Fujiwara (official artwork)

  • Falls sich übrigens mal jemand gefragt haben sollte, wie dieser Wust an Text, den ich in den letzten Jahren produziert habe, als gebundenes Buch aussähe, hier ist die Antwort; aus Rücksichtnahme auf mobile Nutzer in kompakten Links (Ich musste das Ganze auf zwei Bände aufteilen, weil es bei den meisten Druckereien eine maximale Seitenobergrenze von 900 Seiten gab und ich da deutlich drüber lag):


    - Frontcover


    - sooooooo dick sind die Bücher geworden


    - Blick ins Buch Band 1


    - Blick ins Buch Band 2


    Bevor jemand fragen sollte, ob man die Bücher irgendwie erwerben kann oder so: Leider nein. Das sind Privatdrucke für @Drohnald, der immer mein größter Fan war und dessen Feedback und Begeisterung ich viel der Motivation, die ich zur Fertigstellung dieses Mammutprojekts gebraucht habe, zu verdanken habe. :)
    (Und außerdem hab ich beim nachträglichen Lesen derart viele Fehler entdeckt, dass ich das so auch niemals an irgendjemanden rausgeben würde... schon gar nicht für Geld... *hust*)

    ZF-Signatur-2.jpg

    Avatar-Artwork von mokke; Signatur-Artwork von Kamui Fujiwara (official artwork)

  • Hey @Labrynna,
    ich finde es einfach wahnsinnig beeindruckend, was Du da über mehrere Jahre hinweg geschaffen hast und bin gerade absolut neidisch auf Drohnald, dass er bald diese echt verlockend aussehenden Bände in seinen Händen halten wird. Da ich in letzter Zeit wieder in OoT-Stimmung bin und öfters mal den Soundtrack im Hintergrund höre, überschnitt sich das mit der jetzigen Neugier auf Deine Geschichte perfekt und ich habe begonnen sie zu lesen. Der erste große Abschnitt, also bis einschließlich Kapitel 10, verging wirklich wie im Flug. Ich bin definitiv kein lesebegeisterter Mensch und habe mich schon bei viel zu viel geistig abwesend durchgezwungen oder es gar vorzeitig beiseite gelegt. Hier hatte ich bisher keine einzige Sekunde das Bedürfnis dazu. Natürlich mag das auch an der mir bereits vertrauten Welt liegen, aber ich empfinde Deinen Schreibstil als äußerst angenehm. Mir gefallen die Beschreibungen der zwischenmenschlichen Emotionen und Konversationen, aber auch der Umgebungsdetails (z.B. Moos auf den Baumstümpfen). Vieles habe ich so nie im Spiel wahrgenommen und sehe es nun mit anderen Augen. Tatsächlich fühlt es sich also teilweise so an, als würde ich in einem mir sehr gut bekannten Abenteuer dennoch ständig Neues erleben und das steigert meine Vorfreude auf die kommenden Kapitel umso mehr.


    Die Umsetzung des ersten Dungeons ist überraschend gut gelungen. Besonders auf die Rätsel bist du wirklich im Detail eingegangen, indem Du Links Gedankengänge beschrieben hast. Das war sehr wichtig! Bloß die Stelle gleich am Beginn, als Link das Spinnennetz nicht mit seinem Schwert zerstören konnte (also muss es folglich sehr robust sein) und sich daraufhin aus großer Höhe auf es hinabstürzen wollte kam mir einfach unlogisch vor, vor allem da er ja noch direkt am Anfang seines Abenteuers stand und keinerlei Erfahrung besaß. Womöglich war es das Fragment des Mutes, he he :D
    Nichtsdestotrotz habe ich während des Leseflusses gemerkt, dass sich dieses Kapitel einfach von den anderen unterschieden hat, was natürlich der Vorlage zu verschulden ist. Das aneinandergereihte Lösen von Rätseln halbwegs gut als Geschichte zu verpacken wäre definitiv etwas, woran ich scheitern würde. Hier bin ich folglich auch gespannt, wie Du das bei den restlichen Tempeln angegangen bist.


    Morgen werde ich weiterlesen!

  • Wow, danke für soviel Lob. :)


    Es freut mich immer sehr, wenn die Geschichte auch bei Leuten Anklang findet, die OoT sehr gut kennen. Das mag auf den ersten Blick irritierend sein, weil - wie du auch schon erwähntest - gerade diese Leute sich "zuhause" fühlen werden, aber natürlich besteht bei ihnen auch die Gefahr, sie mit allzu viel Bekanntem zu langweilen oder sie auf der anderen Seite mit Abweichungen vom Spiel zu verprellen.
    Deswegen freue ich mich ganz besonders darüber, dass du bislang Spaß an dem neuen Blickwinkel hast. :)


    Hach ja, die Dungeons... Ich finde, das Beschreiben der Dungeons hat mir nie sonderlich gelegen und ich empfand die Abschnitte auch recht anstrengend zu schreiben, was man bis einschließlich Waldtempel auch daran merkt, dass ich viel zusammen gestrichen habe. Nach Kritik von Drohnald, ihm sei der Waldtempel zu schnell abgehandelt gewesen, hab ich mir ab dem Feuertempel mehr Mühe gegeben, die Tempel ausführlicher zu beleuchten. Allerdings hab ich mir spätestens ab da auch mehr Freiheiten genommen auch mal Dinge zu ändern (z.B. weicht die Architektur vom Wassertempel bei mir leicht vom Spiel ab).


    Bin gespannt wie dir die weiteren Kapitel gefallen werden. :)
    (Wo liest du die Geschichte eigentlich? Hier auf dem Forum hat das letzte Foren-Update ja einiges (Formatierung, Sonderzeichen, etc) von dem älteren Beiträgen zerschossen und ich hatte bisher noch nicht die Muße, die Beiträge wieder zu updaten.)

    ZF-Signatur-2.jpg

    Avatar-Artwork von mokke; Signatur-Artwork von Kamui Fujiwara (official artwork)

  • natürlich besteht bei ihnen auch die Gefahr, sie mit allzu viel Bekanntem zu langweilen oder sie auf der anderen Seite mit Abweichungen vom Spiel zu verprellen.

    Also Bekanntes langweilt mich definitiv nicht, sonst hätte ich wohl kaum angefangen die Geschichte zu lesen, oder? ;)
    Die Abweichungen finde ich auch immer sehr interessant, beispielsweise wie Boris den Fanghaken aufbewahrt, Link ohne Kopfbedeckung den Feuertempel absolviert hat oder Du einfach Details zur Spielwelt dazu erfunden hast.
    Besonders gelungen finde ich auch den Einbau von Essen und Trinken oder dass Link Bartwuchs besitzt, das lässt es realer wirken. Zwischenzeitlich fiel mir allerdings auf, dass das Erwähnen von Mahlzeiten nachließ, bis Du schließlich die speziellen sättigenden Beeren aus dem Wunderbeutel erwähnt hattest. Gut gerettet, he he, wobei ich es halt den Details zuliebe etwas schade finde. Kann mir gut vorstellen, dass es aber auch nicht immer leicht ist, sich abwechslungsreiche Speisen auszudenken.

    Nach Kritik von Drohnald, ihm sei der Waldtempel zu schnell abgehandelt gewesen, hab ich mir ab dem Feuertempel mehr Mühe gegeben, die Tempel ausführlicher zu beleuchten. Allerdings hab ich mir spätestens ab da auch mehr Freiheiten genommen auch mal Dinge zu ändern (z.B. weicht die Architektur vom Wassertempel bei mir leicht vom Spiel ab).

    So kurz fand ich den Waldtempel jetzt nicht. Was mir allerdings an ihm gefehlt hat war der Einbau der verdrehten Gänge. Man hätte beispielsweise lediglich die Konstruktion erwähnen und das "Richtig Drehen" aus dem Spiel weglassen können, da es natürlich zu unlogisch ist. Gleiches gilt für die Wolfsheimer, die in meinen Augen einfach den Beginn des Tempels prägen. Ein Duell gegen einen Wolf, der von düsterer Aura umgeben ist und dessen Augen hell leuchten (grob gesagt) hätte ich mir noch gewünscht.


    Bei Jabu Jabu war die Kürze wiederum gelungen. Der Dungeon hat nicht viel, worüber man sinnvoll geschweige denn logisch hätte schreiben können.
    Deine Mühe im Feuertempel hat man selbstverständlich total gemerkt und ich hab für das Kapitel fast eine ganze Stunde zum Lesen gebraucht!


    Klar, nimm Dir als Autor der Geschichte ruhig bei solch speziellen Fällen wie Tempeln die Freiheiten auch mal ein bisschen was zu ändern. Wie Du den Wassertempel gestaltet hast werde ich ja dann in Kürze zu Gesicht bekommen ^^
    Ich war sowieso der Meinung, dass nach Dodongos Höhle das Erzähltempo etwas zu sehr angezogen hat, doch nun findet es langsam wieder zur anfänglichen Ruhe zurück.

    (Wo liest du die Geschichte eigentlich? Hier auf dem Forum hat das letzte Foren-Update ja einiges (Formatierung, Sonderzeichen, etc) von dem älteren Beiträgen zerschossen und ich hatte bisher noch nicht die Muße, die Beiträge wieder zu updaten.)

    Die Formatierungsfehler sind mir auch direkt aufgefallen, da hab ich einfach auf die Fanfiktion Verlinkung in Deiner Signatur geklickt. Die Webseite ist durch die direkte Kapitelauswahl und den weißen Hintergrund sowieso deutlich schöner zum Lesen wie ich festgestellt hab. Momentan schreite ich fast jeden Tag ein paar Kapitel voran, 32 von 67 sind bereits gelesen und ich bin wie gesagt echt wahnsinnig beeindruckt! :thumbup: