Wiedersehen macht Freude
„Also, irgendetwas an diesem Shiek ist merkwürdig.“ Link stieg die schier endlos erscheinende Leiter zur Eingangshalle des Feuertempels hinab und warf Navi, die über seinem Kopf schwebte, einen neidischen Blick zu. Er wollte auch fliegen können! „Das fällt dir erst jetzt auf?“ Die Fee ordnete ihr langes, goldenes Haar und bedachte ihren Begleiter mit einem amüsierten Blick.
„Ich meine nicht ‚merkwürdig’ im Sinne von er führt etwas im Schilde.“ „Sondern?“ Unter ihnen kamen endlich die rötlichen Sandsteinplatten der Tempelhalle in Sichtweite und Link seufzte erleichtert auf. Bald hatte er es geschafft. „Ich meinte damit, dass ich glaube, ihn zu kennen.“ Irritiert blinzelte Navi ihn an und kratzte sich mit dem rechten Zeigefinger am Hals. „Ich werd einfach das Gefühl nicht los, ihn schon mal gesehen zu haben, aber ich komm einfach nicht drauf, wann und wo.“
Mutig ließ Link die Leiter los und ließ sich die letzten Sprossen nach unten fallen. Als er auf dem gefliesten Boden aufkam, wurde sein Skelett unsanft zusammengestaucht, doch glücklicherweise verletzte er sich nicht weiter.
„Vielleicht erinnert er dich einfach an Impa, schließlich sind sie beide Shiekah.“, überlegte Navi, doch der junge Held schüttelte energisch den Kopf, während er in Richtung Haupthalle schritt. „Nein, das ist es nicht. Impa und Shiek mögen Beide Shiekah sein, aber sie sehen sich in keiner Weise ähnlich.“ Navi kicherte leise und warf ihr langes Haar zurück. „Stimmt. Impa ist wesentlich größer und kräftiger als diese halbe Portion Shiek.“
Link grinste ein wenig schief und trat aus dem schummerigen Gang in die hell beleuchtete Halle. „Da hast du wohl Recht. Shiek ist schon extrem schmächtig. Aber ich hab wirklich keine Ahnung, an wen er mich erinnert. Ich sehe es fast vor mir, aber wenn ich mich darauf konzentriere, entgleitet mir das Bild.“ Er schüttelte den Kopf, wobei ihm ein paar lose Strähnen über die Stirn strichen.
„Es ist wirklich frustrierend! Ich hab das Gefühl, das ich etwas wirklich wichtiges übersehe, aber ich hab wirklich keine Ahnung, was.“ „Dafür weiß ich, was!“ Überrascht riss Link den Kopf herum und entdeckte gerade noch rechtzeitig, dass seine Fee wild mit den Armen fuchtelnd auf drei brennende Fledermäuse deutete, die sich auf ihn stürzen wollten.
Für einen kurzen Moment dachte er voll Schrecken an seinen Schild, doch dann fiel ihm wieder ein, dass Feuer seinem eisernen Hylia-Schild nichts anhaben konnte und riss seinen Schutz herum, sodass eine der Fledermäuse ohnmächtig zu Boden ging. Schnell zog er das Master-Schwert aus der Scheide und streckte die beiden anderen Angreifer nieder, bevor sie in Angriffsnähe kommen konnten.
Zufrieden lächelnd nickte Navi, während sie beobachtete, wie Link seine Waffe aus der ohnmächtig zu Boden gegangenen Fledermaus zog. „Schnell reagiert.“ Der junge Held grinste breit und wischte die blitzende Klinge des Master-Schwerts an seiner silbrigen Kettenhose ab. „Du wirst schon sehen, bald mach ich dem Titel ‚Herr der Zeiten’ alle Ehre.“
Suchend blickte er sich in dem großen, von zwei flackernden Fackeln erhellten Raum um. Vor ihm lag eine breite, von wuchtigen Sandsteinbüsten gesäumte Treppe, die zu einer höher gelegenen Ebene führte, und links neben der Treppe befand sich eine mit dunkelgrünem und braunem Stoff bespannte Tür. Auf der oberen Ebene führten zwei weitere Türen aus der Halle heraus.
„Wohin jetzt?“ Fragend schaute er zu Navi rüber, die mit schief gelegtem Kopf eine kunstvoll bemalte Steinstatue rechts neben der Treppe betrachtete. Die Fee zog die Augenbraunen in die Höhe und drehte sich zu ihrem Schützling um. „Ich weiß nicht. Warum versuchen wir’s nicht einfach mit der Tür da drüben?“
Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend drehte Link den Türknauf herum und drückte die Tür auf. Von Innen schlug ihm ein muffiger Geruch nach nassem Stein entgegen und er rümpfte angewidert die Nase. Hinter der Tür befand sich ein schlauchartiges Gewölbe aus grob behauenen, feuchtschimmernden Steinen, die sich in der Hitze des Vulkans unglaublich aufgeheizt hatten und Link den Ellenbogen verbrannten, als er versehentlich eine Wand streifte. Doch das Auffälligste an diesem Raum war etwas anderes.
Ungefähr in der Mitte verlief ein massives Eisengitter, dessen Stäbe an manchen Stellen rostige Flecken aufwies. In einem Abstand von circa drei Metern erkannte Link ein weiteres Gitter. In der engen Zelle dazwischen lag ein zusammengerollter Gorone, der leicht vor und zurück wippte.
Link sog scharf Luft ein und stürzte ohne weiteres Nachdenken auf das Gitter zu und riss energisch an den Eisenstäben, doch ohne Erfolg. Während dem jungen Hylianer der Schweiß in breiten Bahnen über den Rücken lief, richtete der gefangene Gorone langsam auf und betrachtete neugierig seinen vermeintlichen Retter.
Plötzlich wurden die Augen des Goronen groß und er trat an das Gitter heran, dass sich noch immer keinen Millimeter bewegt hatte. „Link? Bist du das?“ Überrascht ließ der junge Mann von den Eisenstäben ab und musterte seinen Gegenüber, während Navi ihm mit einem kleinen Stofffetzen Schweiß von der Stirn tupfte, bevor er ihm in die Augen laufen konnte.
Ein wenig verwirrt legte der Hylianer den Kopf schief, was die Augen des Goronen amüsiert aufblitzen ließ. „Erkennst du mich nicht?“ Vor Überraschung fiel Link der Unterkiefer herunter, als er die Stimme erkannte. „Hector!“ Der Gorone nickte lächelnd und legte seine steinerne Pranke gegen das Gitter, sodass Link seine Hand dagegen lehnen konnte.
Hector ließ seinen Blick an seinem jungen Freund herabgleiten. „Du bist ganz schön in die Höhe geschossen, Kleiner. Sag, was hast du in den letzten Jahren gemacht?“ Navi verschränkte die Arme vor der Brust, während Link tief Luft holte. „So gerne ich mit dir darüber reden würde, was wir so erlebt haben – ich fürchte, dafür haben wir keine Zeit.“
Mit einem betrübten Gesichtsausdruck nickte der Gorone und machte einen Schritt zurück. „Du hast ja Recht. Aber ich neige einfach dazu, sinnlos drauf los zu plaudern, wenn ich nervös bin.“ Mit aller Kraft umklammerte Link zwei der stabilen Eisenstangen und beugte sich leicht vor. „Hab keine Angst. Ich hol dich und die anderen hier raus.“ Suchend ließ er seinen Blick wandern, bis er wieder an Hector hängen blieb. „Hast du eine Ahnung, wie man deine Zelle öffnet?“ „Ja, von der anderen Seite, da ist ein Bodenschalter. Leider ich weiß leider nicht, wie du dort hin kommst. Das ist aber auch nicht so wichtig.“
Hectors Blick brannte sich mit einer solchen Intensität in Links Augen, dass er gerne zurückgewichen wäre, doch er zwang sich dazu, stehen zu bleiben. „Hör mir zu, Link. Finde Darunia. Ich weiß, dass er hier ist. Finde ihn und besiege mit ihm zusammen den Drachen Volvagia. Wenn er erst mal erledigt ist, habt ihr alle Zeit der Welt, um die anderen und mich aus unseren Zellen zu holen. Also los, beeil dich.!“
Langsam nickend machte Link ein paar Schritte zurück, wandte sich um und hastete aus dem Raum. Mit einer eleganten Bewegung ließ Navi sich auf seiner Schulter nieder und deutete die Treppe hinauf. „Sieht aus, als würde es dort oben weiter gehen.“
Der Boden des Raums auf der linken Seite war fast vollständig mit dampfender, brodelnder Lava bedeckt, die das Passieren nahezu unmöglich machte. Lediglich ein schmaler Weg führte auf ein Podest auf der linken Seite, wo Link das Schimmern von Gitterstäben entdeckte. Unerreichbar hingegen war eine breite, mit rötlicher Bronze beschlagene Tür, die sich auf der gegenüberliegenden Seite des Raums befand.
Mit einem überraschten Aufkeuchen erkannte Link den imposanten Goronen, der vor jener Tür stand und ihn aufmerksam musterte. „Darunia!“ Der Anführer der Gorone lächelte zu ihm herüber und bedachte ihn mit einem stolzen Blick. „Link, mein Bruder! Sieh dich an: Als wir uns das letzte Mal gesehen haben, warst du nur ein kleiner Junge mit einem großen Herzen. Jetzt bist du zu einem stolzen, jungen Mann geworden – du siehst fast aus wie der Held aus unseren Legenden.“
Verlegen biss Link sich auf die Unterlippe und verspürte plötzlich das dringende Bedürfnis, sich dem väterlichen Goronen in die Arme zu werfen und für einen Moment all seine Verantwortung zu vergessen. Doch schon im nächsten Augenblick tauchte Zelda vor seinem geistigen Auge auf, wie sie ihn angesehen hatte, kurz bevor sie ihn auf die Wange geküsst hatte, und er bekam ein schlechtes Gewissen wegen seines schwachen Moments.
Auch Darunia wirkte für ein paar Sekunden hin und her gerissen zwischen dem Bedürfnis, seinen Aufgaben als Regent nachzukommen, und dem Wunsch, Link nach all den Jahren angemessen zu begrüßen. Doch dann siegte sein Verantwortungsbewusstsein und er räusperte sich gründlich. „Leider haben wir jetzt keine Zeit, unsere Wiedervereinigung zu feiern. Mein Volk ist in Gefahr! Hinter diesen Türen wartet der Feuerdrache Volvagia darauf, dass meine Goronen an ihn verfüttert werden.“
Schluckend verzog Link den Mund und dachte schaudernd an Hector, der tapfer in seiner Zelle auf seine Exekution wartete. Bevor er etwas sagen konnte, fuhr Darunia jedoch schon fort: „Bereits in den Legenden meines Volks wird Volvagia als der Erzfeind der Goronen erwähnt. Angeblich haben meine Vorfahren gegen ihn gekämpft und ihn für Jahrtausende vertrieben, bis er vor wenigen Jahren wieder aufgetaucht ist – vermutlich wurde er von Ganondorf persönlich wieder zurückgebracht.“
Darunia blickte Link über den Lavateich hinweg fest in die Augen. „Bruder, ich habe eine Bitte an dich. In den Legenden meines Volkes wird erzählt, dass Volvagia nur mit dem Goronenhammer besiegt werden kann. Angeblich soll er in den Tiefen dieses Tempels versteckt sein. Link, mein Bruder, finde den Hammer! Ich werde so lange versuchen, Volvagia hinzuhalten.“
Mit diesen Worten verschwand der Gorone durch die massive Tür und ließ Link mit einem tiefen Gefühl der Hilflosigkeit zurück. Er konnte Darunia doch nicht einfach in den sicheren Tod gehen lassen! Doch es gab für ihn keine Möglichkeit die Blasen werfende Lava am Boden zu überqueren und er konnte seinem Freund nur mit einem wütenden Gefühl der Ohnmacht hinterher blicken.
Navi legte ihm eine ihrer winzigen Hände an die Wange und sah ihm in die Augen. „Du musst ihm vertrauen, Link. Er weiß, was er tut.“ Traurig schlug der junge Hylianer die Augen nieder und seufzte laut. „Ich fühl mich einfach so... nutzlos.“ Die Fee nickte verstehend und knuffte ihm dann sanft gegen sein Kinn. „Anstatt uns hier die Beine in den Bauch zu stehen, sollten wir versuchen, den Hammer zu finden. Dann machen wir uns Gedanken darum, wie wir da rüber kommen.“