„Wow, das ist wunderschön!“ Link ließ seinen Blick durch die Feenhöhle schweifen, wobei ihm vor Überraschung der Mund offen stehen blieb. Die Wände sahen aus als bestünden sie aus flüssigen Edelsteinen, die unablässig von oben nach unten flossen und dabei ihre Farbe wechselten. Während sie in der Nähe der Decke in einem hellen Aquamarinblau erstrahlten, wurden sie zum Boden hin immer dunkler, bis sie ein sattes Saphirblau erreicht hatten. Zwischen dem schimmernden Blau zogen sich silberne Fäden über die Wände.
Den Großteil des mit edlen Platten gefliesten Raumes nahm ein imposanter, flacher Brunnen ein, der aus demselben weißen Marmor gefertigt war wie die Bodenfliesen. An seinen Seiten ragten hohe Fackeln in die Luft, die den Raum mit warmen Licht erfüllten, und in seinem Inneren glitzerte reines, leicht türkises Wasser, das kühl und erfrischend aussah.
„Das muss die Feenquelle sein.“, mutmaßte Navi, deren Augen vor lauter Aufregung so sehr funkelten, dass sie aussahen als würden sie Funken sprühen. Sogar ihre Wangen hatten sich leicht gerötet. Als sie Links Blick auf ihrem Gesicht bemerkte, lächelte sie ein wenig verlegen. „Ich bin fürchterlich aufgeregt. Die großen Feen sind lebende Legenden meines Volkes. Sie zu treffen ist eine unglaubliche Ehre und wird nur sehr wenigen zu teil. Angeblich hat seit Tausend Jahren niemand mehr eine große Fee zu Gesicht bekommen und jetzt werd ich bald eine treffen. Das ist unglaublich.“
„Vorausgesetzt, du findest sie.“ Hectors Stimme klang trocken und machte Navi ein wenig wütend. „Was heißt hier ‚wenn ich sie finde’?“ „Na ja, das da ist doch die Quelle, nicht wahr?“ Er deutete auf den Brunnen vor sich und Navi nickte ungeduldig. „Ja. Und?“ „Angeblich sind die großen Feen an ihre Quellen gebunden, aber siehst du hier irgendwo eine Feenkönigin? Ich sehe außer dir nicht eine einzige Fee, nicht mal eine weitere kleine.“
Navi klappte die Kinnlade herunter und für einen kurzen Moment hatte es ihr tatsächlich die Sprache verschlagen. Doch dann sah sie ihren Gegenüber angriffslustig an und fauchte: „Vielleicht zeigt sie sich ja nur Wesen, die geistig dazu in der Lage sind...“ Sofort fiel der stolze Gorone auf die Provokation herein und beugte sich wütend ein Stück vor. „Was soll das denn heißen?“ Link seufzte und ließ sich von Hectors Schulter gleiten. In diesen Streit wollte er wirklich nicht rein gezogen werden.
Langsam und mit schmerzverzerrtem Gesicht schritt er auf die Feenquelle zu. Vielleicht entdeckte er ja etwas, das weiterhelfen sollte. Hinter ihm gerieten die beiden Streithähne immer mehr in Rage. „Was das heißen soll? Ich will damit sagen, dass ihr riesigen Felsklöpse zwar solche Muckies, aber nichts in der Birne habt!“ „Pah! Aber ihr Feen seit besser, oder was? Was könnt ihr denn schon, außer hübsch aussehen?“
Mit den Augen rollend ging Link vor dem Brunnen in die Hocke und betrachtete ein in den Boden geprägtes, goldenes Ornament, während Navi und Hector erst richtig in Fahrt kamen. „Na, immerhin können wir so was wie denken. Das scheint euch Muskelprotzen ja vollkommen fremd zu sein. Oder war es etwa durchdacht, dass einer von euch Link und mich beinah mit einer Donnerblume umgebracht hätte?“ „Was kann denn der Rest meines Volkes dafür, wenn einer nicht ganz sauber tickt? Bei euch sind natürlich alle erste Sahne...“ Navi dachte kurz an das schwarze Schaf in ihrer Familie, schob den Gedanken an ihren verkorksten Cousin jedoch schnell wieder zur Seite.
Sie wollte gerade zu einer giftigen Antwort ansetzen, als Links Stimme sie zurück hielt. „Könnt ihr euren ‚Battle of Races’ mal kurz vergessen? Ich hab da mal eine Frage.“ Sofort wandte Navi sich dem noch immer knienden Jungen zu, verpasste es jedoch nicht, Hector einen letzten stechenden Blick über die Schulter zuzuwerfen.
„Was gibt’s denn?“ „Das Triforce ist doch das Zeichen der hylianischen Königsfamilie, richtig?“ „Eigentlich ist es viel mehr als das. Es soll ein Zeichen des Schutzes der Göttinnen sein und –“ Doch bevor sie ihren Satz beenden konnte, fiel Link ihr ins Wort. „Ein einfaches Ja oder Nein genügt.“ „Hmpf. Also gut: Ja. Aber wie kommst du da jetzt drauf?“
Stumm deutete der Junge auf das goldene Triforce-Zeichen zu seinen Füßen und zückte die Okarina, um das Lied zu spielen, das Impa ihm beigebracht hatte. Kaum hatte er das Hauptthema der Melodie gespielt, ertönte auch schon ein schrilles Lachen und das Wasser im Brunnen kräuselte sich in kleinen Wellen.
Wie aus dem Nichts erschien plötzlich die große Fee noch immer lachend in der Feenquelle. Sie war um einiges größer als jede sterbliche Frau und sogar als jeder Mann, den Link bisher gesehen hatte, ihre pinken Haare waren in drei dicken Zöpfen zurück gebunden und um ihren schlanken Körper rankte sich goldenes Weinlaub. Sie betrachtete ein wenig geringschätzig ihren Besuch, bis ihr Blick an Links Gesicht hängen blieb und sich ein Lächeln auf ihre vollen, rosafarbenen Lippen schlich.
„Du bist also der junge Held, der Gohma und King Dodongo besiegt hat.“ Der Junge stutzte, sagte aber nichts. Offensichtlich bedeutete ihr Fluch, der sie an diese Quelle band, nicht, dass sie uninformiert war. „Es ist sehr mutig von dir, dich Ganondorf in den Weg zu stellen. Du und Prinzessin Zelda, ihr verdient meinen Respekt.“
„Das ehrt mich sehr, große Fee, doch ich bin nicht hier, um einen netten Plausch zu halten.“ Der Blick, mit dem Link der Feenkönigin begegnete war fest und eine Spur fordernd, was jene wieder zum Lachen brachte. „Herrlich! Ich wünschte, alle Helden wären so reinherzige, hübsche Jungs wie du.“ Dabei räkelte sie sich so lasziv in der Luft, dass es dem Jungen die Schamesröte ins Gesicht trieb und Navi entsetzt zu ihr hinauf starrte.
Sie lachte wieder und legte sich dann einen Zeigefinger an den Mundwinkel. „Nun gut, ich sehe ein, dass du keine Zeit hast, um ein wenig mit einer alten, gelangweilten Fee zu schwatzen. Du hast wichtige Aufgaben zu erfüllen und dafür musst du bei voller Gesundheit sein. Komm näher.“
Link trat an den Rand des Brunnens und blickte zu der Feenkönigin hinauf, die ihm die Hände auf die Schultern legte und die Augen schloss. Sofort spürte er wie sein Körper von einer warmen Woge ergriffen wurde und er fühlte sich plötzlich wohlig und leicht. Als die Fee ihre Augen wieder öffnete, waren all seine unzähligen Schürf- und Platzwunden ohne eine einzige Narbe zu hinterlassen vollständig verheilt und auch der pochende Schmerz in seinem Fuß war wie weg geblasen.
Er lächelte dankbar, als die gigantische Frau ihm gegenüber sein Gesicht in ihre Hände nahm. „Ich habe noch ein Geschenk für dich und hoffe, du nimmst es an.“ Bevor Link etwas erwidern konnte, presste die Fee ihre Lippen auf seine. Der Junge riss überrascht die Augen auf und versuchte, seinen Kopf aus den großen, weichen Händen zu winden, Hector gab einen undefinierbaren Laut von sich und Navi schnappte hörbar nach Luft.
Die Feenkönigin jedoch schienen diese Reaktionen völlig egal zu sein. Sie öffnete ihre Lippen ein wenig und blies Link ihren Atem in die Lungen, bevor sie ihn entließ. Dieser starrte sie entsetzt an, doch sie lächelte nur. „Ich habe dir einen Teil meiner Magie gegeben. Dies sollte dich in die Lage versetzten, Zauber einsetzen zu können.“ „Zauber? Was für Zauber?“, schaltete Navi sich ein, in deren Stimme sich ein angewiderter Unterton geschlichen hatte.
„Nun ja, ich selbst bin nicht im Besitz eines Zaubers, sonst würde ich euch zeigen, was ich meine. Aber eine Freundin von mir hat vor langen, langen Jahren Din ihren mächtigsten Zauber entwendet. Dabei soll es sich um einen nahezu unschlagbaren Angriffszauber handeln, doch näheres weiß ich leider auch nicht.“
Hector verschränkte die Arme vor der Brust und sah nicht überzeugt aus, doch Navi bohrte weiter: „Und wo können wir diese Freundin finden? Es wäre zu schade, wenn Link seine neuen magischen Fähigkeiten nicht nutzen könnte.“ Die große Fee bedachte den Jungen, der verstohlen versuchte, sich über die Lippen zu wischen, mit einem amüsierten Blick.
„Sie lebt in der Nähe des hylianischen Schlosses. Grüßt sie von mir, wenn ihr sie besucht. Aber denkt daran: Magie einzusetzen, erfordert höchste Konzentration – gerade wenn es sich um dermaßen mächtige Zauber handelt. Deswegen ist ihr Einsatz weise zu bedenken, die Verwendung von Magie ist sehr anstrengend und auslaugend.“ Mit diesem Worten und von ihrem schrillen Lachen begleitet, verschwand die Feenkönigin wieder im Nichts und ließ ihre drei Besucher verdutzt dreinblickend zurück.
„Wenn alle große Feen so sind, frag ich mich, wie sie zu so großem Ansehen unter meinem Volk kommen konnten...“, meckerte Navi, während sie neben Hector die Höhle verließ. Link ging ein paar Schritte hinter ihnen und schien seinen Gedanken nachzuhängen. „Vielleicht ist es so eine Art Größenwahn. Du weißt schon: Zu viel Macht und so. Das scheint doch fast alle Herrscher zu betreffen.“ „Euer Darunia scheint ziemlich lässig zu sein.“, gab die junge Fee zu bedenken. Hatte sie sich eben noch mit dem Goronen erbittert gestritten, schien dies über ihre tiefe Enttäuschung schon wieder vergessen.
„Ja, Darunia ist klasse, da hast du Recht.“, stimmte Hector ihr zu, als sie wieder ins Freie traten. Inzwischen stand der Mond hoch am Himmel und die Sterne funkelten fast ebenso wie die eigenartigen Wände im Inneren der Höhle. Die Eule des Rauru saß noch immer auf dem verwitterten Wegweiser und musterte Link genau.
„Wie ich sehe, war dein Besuch bei der Feenkönigin von Erfolg gekrönt. Du scheinst sogar ein wenig erwachsener geworden zu sein.“ Navi prustete los und presste sich die Hände vor den Mund, um zu verhindern, laut los zu lachen. „Kein Wunder. Er hat ja auch gerade seinen ersten Kuss bekommen.“, murmelte sie so leise, dass selbst Hector, der neben ihr stand, Schwierigkeiten hatte, sie zu verstehen, doch die Eule durchbohrte sie mit einem eisigen Blick.
Dann wandte sie sich dem Goronen zu: „Du kannst nun nach Goronia zurückkehren und die frohe Kunde verbreiten, dass unser Held wieder wohl auf ist. Ich werde ihn zum Fuß des Berges bringen.“ Hector sah Link fragend an, der mit den Schultern zuckte und sich mit einer etwas linkischen Umarmung von seinem neuen Freund verabschiedete. An der Kante der steilen Felswand, die er Link Stunden zuvor hoch geworfen hatte, wandte der Gorone sich noch einmal um und winkte der kleinen Gruppe, bevor er in die Tiefe sprang.
„Nun, junger Held, es wird Zeit. Halte dich an meinen Krallen fest.“ Link warf Navi einen verunsicherten Blick zu und zuckte dann mit den Schultern, als wollte er sich selbst sagen, dass seine Zweifel und Befürchtungen unwichtig waren. Dann nahm er seine Mütze, die er an seinem Gürtel festgeknotet hatte, und hielt sie auf, damit Navi es sich darin gemütlich machen konnte, bevor er sie wieder aufsetzte.
Der Flug durch die Nacht war geradezu berauschend. Nie im Leben hatte Link sich freier gefühlt. Fasziniert betrachtete er die Landschaft, die unter ihm vorbei zog und wünschte sich, er selbst hätte Flügel, um so durch die Lüfte zu gleiten. Nach viel zu kurzen zwanzig Minuten setzte die Eule ihn vor Impas Haus in Kakariko ab, bevor sie wortlos davon flog.
Link sah ihr noch lange nach und fragte sich, wann sie wohl das nächste Mal unerwartet auftauen würde. Dann wandte er sich um und betrat das große Haus, wo er herzlich von der Hausvorsteherin empfangen wurde und eine weitere Nacht verbrachte.