[Aria | #004]
Der junge Zora war etwas weltfremd, wie ihm erst jetzt so richtig bewusst wurde. Da sein Leben stets im Dorf der Zora stattgefunden hatte, kannte er wirklich kaum die Bräuche der anderen Völker und ihm wurde erst jetzt bewusst, wie unterschiedlich Orni von seinem eigenen Clan war.
Auch Mädchen mussten in seinem Dorf eher das Jagen unter Wasser lernen, auch wenn sie ebenso etliche Tätigkeiten für das Eigenheim und die Familie erlernen mussten. Männliche Zora hingegen nahmen sich alle Prinz Sidon zum Vorbild: Noch war er nicht ausgewachsen, doch bereits jetzt konnte man sehen, wie stattlich er war…
Und er selbst?
Geistesabwesend blinzelte Aria an sich hinab und wendete seinen Blick dann ganz schnell wieder auf seine Gesprächspartnerin. Er wollte lieber nicht darüber nachdenken, wie wenig er in das Schema seiner Artgenossen passte – gerade ging es um Musik und da war er ausnahmsweise Mal nicht der Außenseiter.
Wollte er jedoch auf der anderen Seite stehen?
Sein glühender Schädel, der vor Scham ein bisschen angelaufen war, ließ ihn gerade zweifeln. Niemals hatte der Junge gelernt, wie man mit Lob umging, auch wenn vor allem seine Mutter ihn schon manchmal hätschelte – aber es war eben ein bisschen anders, wenn die Familie nette Worte übrighatte.
»D-danke…«, brachte er trotzdem stammelnd hervor, war dann aber auch froh, als das Gespräch wieder auf das Essen gelenkt wurde – und die Nachricht über den leckeren Frisch ließ sein Herz gleich vor Freude anschwellen.
»Ein Fischfilet, bitte!« Als der Wirt nach den Beilagen fragte, schüttelte Aria einfach nur wild den Kopf. »E-einfach nur Fisch!« Für ihn gab es nichts Besseres als leckere Bewohner des Meeres und Fisch war seine liebste Art – gegen Algen, Shrimps und Tintenfische wäre er aber auch nicht abgeneigt. Gemüse musste auf seinen Teller jedenfalls nicht.
Als Sona und er wieder alleine waren, wendete er sich sofort wieder ihr zu. Schon wieder hatte sie weitaus mehr Selbstbewusstsein als er selbst bewiesen und nun versuchte er wirklich gar nicht mehr seine Bewunderung zu verbergen. Die blassblauen Augen funkelten wie der Ozean bei Sonnenaufgang.
»Ich wusste nicht, dass bei den Orni die Musik so verwurzelt ist…«, gab er zu und legte den Kopf leicht zur Seite, was ihm einen etwas nachdenklicheren Augenschein gab. »Die meisten Zora betätigen sich lieber handwerklich oder Kämpfen, aber meiner Mutter lag auch eher die Kreativität… ich glaube, das habe ich von ihr!« Unsere Kunst ging zwar in komplett andere Richtungen, aber im Grunde versuchten wir beide auf unsere eigene Art die Menschen zu berühren.
»T-trotzdem ist es schön, mal jemanden zu treffen…« Am liebsten wäre er im Boden versunken, weswegen er mit den langen Klauen kleine Kreise auf den Holztisch zog und diese betrachtete, um ihrem Blick auszuweichen. »Im Dorf machen nicht viele Musik… weißt du…« Zumindest kannte er nicht so viele Zora, die sich dafür interessierten. Es lag aber auch nicht fern, dass er sich vor den Optionen versteckt hatte, da er lieber für sich war…
Ehe er noch weiter unangenehmes Zeug plappern konnte, wurde das Essen vor ihrer Nase abgestellt. Der Geruch trieb Arias Speichelfluss an und er schnupperte an dem zarten Filet – es war leicht angebraten, aber das Fleisch war noch rosa und zart.
»Extra große Portion für dich«, erklärte der Wirt mit einem Schulterklopfen. Aria sah ihm verwirrt nach und lachte dann – der Knoten war wirklich gelöst, aber ungewohnt war es noch immer.
»Ich hatte etwas Angst, dass ich auf meiner Reise nicht durchkommen würde, aber mit Musik verdient es sich doch besser als gedacht!« Das Besteck bereits in der Hand, blickte er zu Sona. »Verdienst du dir deinen Unterhalt auch mit Musik?«