West-Necluda - Zwillingsberge {Region}

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    Es war bereits dunkel, als Anya und Zoltan sich vom Stall aufgemacht hatten und nun entlang des kräftigen Präludia-Flusses durch die beiden gewaltigen Zwillinge entlang gingen. Zoltan hatte sich dabei angeboten, den großen Sack von Maruho zu tragen, und beide freuten sich schon darauf, den Inhalt zu inspizieren, doch das musste wegen der Nachtschwärze noch warten.

    Hier war es nochmal dunkler und Zoltan zündete eine Fackel an, damit sie den Weg nicht verloren und im Fluss landeten. Für einen kurzen Moment erschrak Anya und wollte Zoltan zurechtweisen, denn die Fackel würde jedem Feind in der Nähe verraten, dass sie da waren, aber dann erinnerte sie sich, dass es keine Feinde mehr gab. Symin hatte versprochen, dass die Yiga mit der Jagd aufhören würden und das war ein unglaublich entspannendes und befreiendes Gefühl. Frieden! Endlich Frieden.


    Es waren nur noch ein paar Meter, bis sie die Berge durchquert hatten. In Anyas Adern fing es an zu kribbeln und ein Adrenalinstoß fuhr durch ihren Körper. Ein paar Schritte weiter und es war endlich so weit: Sie hatten Necluda verlassen - Anya hatte das Gefängnis verlassen. Sie rannte plötzlich los, schrie und lachte, sprang in die Luft und machte Purzelbäume. Dann kniete sie sich auf den Boden und grub ihre Hände in die weiche Erde. Voller Genuss schloss sie die Augen und atmete tiiieeeef ein. Zoltan, der das alles beobachtet hatte, war etwas verdutzt und folgte ihr zögerlich.


    "Ich fühle mich seit einer endlos langen Zeit endlich wieder frei", sagte Anya schließlich. "Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehnlichst ich mir das gewünscht habe. Ich möchte nie wieder durch diese Berge gehen, nie wieder östlich davon sein. Jedenfalls für die nächsten 50 Jahre nicht." Sie lachte.

    Zoltan nickte und zuckte mit den Schultern, als wollte er damit sagen, dass es ihm gleich ist und er nichts dagegen hatte.

    Dann zeigte Anya auf eine kleine Baumgruppe links neben dem Pfad. "Da drüben können wir rasten. Es befindet sich ein Kochtopf dort und hier wachsen ein paar Beeren, Pilze und Gräser. Ich kann uns sicher eine Kleinigkeit kochen, während wir uns ausruhen."


    Gesagt, getan. Zoltan legte den schweren Sack ab und zündete den Kochtopf mit der Fackel an. Dann steckte er diese mit dem Griffende in den Boden, sodass sie eine kleine Beleuchtung hatten. Er half sogar dabei, ein paar Zutaten zu suchen und damit war schnell alles für einen kleinen Nachtsnack zusammen. Dann setzte er sich in den Dreck und schaute Anya dabei zu, wie sie eine Zutat nach der anderen in den Topf warf.


    "Nun mach schon!", wies sie ihn plötzlich an und schaute auf den Sack. "Öffne ihn schon. Lass uns nachsehen, was unsere Belohnung für Kakarikos Rettung ist."

    "Deine Belohnung", murrte Zoltan. "Ich hab keinen Sack bekommen."

    Anya seufte und lachte, hielt Zoltan den Löffel hin und forderte ihn auf, den Inhalt des Topfes umzurühren. "Als ob eine Dame wie ich..." - Anya verdrehte dabei demonstrativ die Augen und wehte mit einer Haarsträhne - "...für sich allein so einen schweren Sack bekommt. Mit Sicherheit ist der Inhalt für uns beide, denn Maruho wusste ja irgendwie, dass wir beide allein losziehen werden. Sie hatte sich bestimmt nicht getraut, nochmal mit dir zu sprechen, weil du immer so gnieselig bist und hat mir gleich alles gegeben."

    Erneut kiecherte sie. Wie schön war dieser Moment! In friedlicher Freiheit, ein leckeres Essen in Aussicht - und Zoltan an ihrer Seite. Während Anya den festen Knoten des Sacks langsam aufgedröselt bekam, gestand sie sich ein, dass sie seine Anwesenheit sehr genoss. Selten waren sie wirklich allein gewesen, denn andauernd waren irgendwelche Leute um sie herum gewesen. Doch jetzt gingen sie ihren Weg zusammen und das war aufregend und angenehm zugleich. Zoltan war einer der wenigen Menschen in Hyrule, mit dem sie auch auf Dauer klarkam. Ein kleines Kribbeln im Bauch. Doch dann hatte sie den Knoten gemeistert.


    Im Sack befanden sich zwei Beutel. Beide waren verschnürt und ein kleiner Zettel hing jeweils an jeder Schnur. Anya griff sich einen und starrte auf den Zettel. Den ersten Buchstaben kannte sie nicht, aber den zweiten. Es war ein O, dann kam ein L. "Ich glaube, das ist deiner", sagte sie und gab ihn Zoltan. Dann griff sie sich den anderen.


    Bedächtig öffnete sie den Beutel und fand einen kleineren Sack. Er war mit Rubinen gefüllt. Sie zählte nicht, aber es waren einige. Einer war violett - sowas hatte sie nur selten gesehen! 50 Rubine war er wert. Als nächstes holte sie ein kleines Buch aus dem Beutel. Ein Buch?! Anyas Überschwänglichkeit verflog etwas, denn was sollte sie mit einem Buch? Sie kannte nur ein paar Buchstaben und selbst dann musste sie oft raten, weil manche sich so ähnlich sahen. Sie blätterte darin und sah gleich, was das für ein Buch war: Ein Wörterbuch. Damit konnte sie nun alle Buchstaben lernen.

    "Oh meine Güte, schau mal Zoltan. Damit kann ich lesen und schreiben lernen! Woher wusste sie das?"

    "Maruho weiß ziemlich viel und wenn sie etwas nicht weiß, dann Impa. Shiekah haben ein drittes Auge und sehen viele verborgene Dinge."

    Anya nickte, während sie sich das durch den Kopf gehen ließ. Sie war beeindruckt davon, wenn es auch gleichzeitig etwas beunruhigend war.

    Als letztes fand sie Garn, Wolle und Seide im Beutel, dazu Nähnadeln in verschiedenen Größen. "Und um meine Kleidung brauche ich mir auch keine Sorgen mehr machen."


    Das war der perfekte Abschluss. Sie lächelte und nahm Zoltan den Löffel ab. Jetzt war er dran mit Auspacken.

  • Zoltan ließ es sich nicht anmerken, doch Anyas Freude darüber, Necluda endlich hinter sich zu haben, aufatmen zu können und obendrein ein nützliches Geschenk von Mutter Marohu erhalten zu haben, steckte ihn an. So machte er sich berherzt daran, den Inhalt seines Beutels zu inspizieren. Die ersten beiden Gegenstände waren, nunja, Geschenke von der Art, von der man erwarten würde, dass sie ihm gefielen - ein praller Beutel Tabak und eine bauchige Flasche voller Brand. Interessant waren jedoch die anderen Beigaben: Ein schweres Buch, das zu groß wirkte, um ursprünglich in den Beutel gepasst zu haben - und ein Brief. Letzterer entging nicht Anyas Aufmerksamkeit.

    "Lies ihn vor!", verlangte sie und rückte näher an ihn heran. Zoltan tat sein bestes, sich die Spannung, die diese Nähe in ihm auslöste, nicht anmerken zu lassen. Die verdunkelten Gläser vor seinen Augen erforderten es, dass er den Zettel näher an sein Gesicht halten musste. Er räusperte sich und begann:


    Zoltan,


    mit Kummer nahm ich einst zur Kenntnis, dass du einen zweifelhaften Weg einschlugst. Doch mit großer Freude durfte ich nun erfahren, dass du von diesem auch wieder abgekommen bist. Ich sah dein Leben bereits verwirkt, doch offenbar hast du nicht nur eine, sondern mehrere richtige Entscheidungen getroffen, die dich zu dem Mann machten, der heute selbstlos dabei half, unser bescheidenes Dorf vor einem verheerenden Angriff zu bewahren. Meine Dankbarkeit sei dir gewiß, und selbiges gilt für deine treue Begleiterin. Nun habe ich dir ein Buch beigelegt, welches euch auf euren kommenden Wegen von Nutzen sein wird. Dieses Buch enthält die Geschichte Hyrules, es weist viele interessante Sagen und Legenden auf, welche sich da um Orte, die ihr vielleicht besuchen mögt, ranken. Es möge euch ein steter Begleiter auf euren kommenden Abenteuern sein. Auch hoffe ich, dass es für dich nicht einzig informativ und lehrreich sein mag, sondern dich stets daran erinnert, wie wunderschön und reich unser Land einst war - und dass es sich lohnt, weiterhin dafür zu kämpfen, diesen Status eines Tages wiederherzustellen.


    In der Hoffnung, dich eines Tages wohlauf wiederzutreffen


    Marohu


    P.S.: Leider war es dir nicht möglich, Impa zu begegnen - ich bin mir sehr sicher, dass auch sie, solltest du eines Tages wieder einmal nach Kakariko kommen, gern ein persönliches Wort des Dankes an dich richten würde. Doch ich will dir sehr wohl raten, dich der Weisen Impa gegenüber respektvoller zu verhalten, als du es sonst zu tun pflegst!


    Während Anya, über die letzten Worte des Briefes kichernd, die nun fertige Suppe aufscheppte, inspizierte Zoltan das schwere Buch.

    "Sagen und Legenden, wunderbar. Jetzt können wir auf den Spuren längst verstorbener Hylianer wandeln und uns die überwucherten und öden Orte ansehen, an denen sie einst gelebt haben! Ich kann es kaum erwarten..."

    Sein Pessismus vermochte es jedoch nicht, Anya ihre Hochstimmung zu verleiden. Spielerisch schlug sie ihm gegen den Oberarm.

    "Nun sei nicht so! Das ist wirklich interessant! Überleg doch mal, wir können jetzt überall hin, und haben zu jedem Ort auch noch eine interessante Geschichte! Na gut... du hast eine interessante Geschichte, bis ich es richtig gelernt habe, wirst du wohl vorlesen müssen. Und wir haben immerhin 50 Rubine. Das ist doch schonmal ein guter Anfang, oder?"

    Zoltan wägte ihre Worte ab, befand, dass Anya recht hatte, und nahm die dargebotene Schüssel Suppe entgegen.

    "Hätte uns schlimmer erwischen können. Innerhalb der letzen Stunden wärest du beinahe an einem Gift gestorben, und ich hätte fast ein Auge verloren. Und nun sieh uns an. Wir haben Tabak, Alkohol, gutes Essen und Bücher. Wenn das nicht eine Aufwertung unserer Situation von vor zwölf Stunden ist..."


    Über ihr unfassbares Glück lachend, machten sie sich über das Essen her.



  • "Ob in dem Buch auch etwas über die Sterne drinsteht?" Anya zeigte mit dem Finger in den Sternenhimmel, erinnerte sich aber daran, dass Zoltan das wohl kaum noch erkennen konnte. "Ich frage mich oft, was Sterne eigentlich sind. Woher sie kommen und warum sie da sind. Als ich noch Händlerin war, hab ich eine Menge Leute kennengelernt, die sich über alles mögliche Gedanken gemacht hatten: die Qualität des Wassers in Hyrule, Monsterjagd, der Verbleib der Recken, die Schlossruine. Aber niemand beschäftigt sich mit Sternen. Ich find das komisch."

    "Naja, nun haben wir ein dickes Buch bekommen, das sich erstmal mit irdischen Dingen beschäftigt", warf Zoltan ein. "Vielleicht kümmern wir uns erstmal darum."

    "Da hast du recht!"


    Die Suppe war schnell aufgelöffelt und Anya breite den großen leeren Sack auf dem Boden aus, damit sie sich drauflegen konnte. Er war breit genug für zwei, doch das würde bedeuten, dass Zoltan und sie sehr dicht aneinander liegen müssten. Anya überlegte, wie sie diese Situation nun klären konnte. Natürlich könnte sie auch einfach fragen, aber das traute sie sich nicht.


    "Weißt du, seitdem du mir einen Kuss gegeben hast, ist vieles irgendwie anders", platzte es aus ihr heraus. Die Schwärze der Nacht, das spärliche Licht und Zoltans Brille sorgten dafür, dass sie sein Gesicht nicht erkennen konnte, aber es schien trotzdem so, als hätte sie ihn damit erschreckt, denn er er erstarrte für den Bruchteil einer Sekunde zu einer Eissäule. "Ich meine, du kannst ja machen, was du willst, aber ich weiß in manchen Situationen nicht, wie ich mir dir gegenüber nun verhalten soll. Zum Beispiel würde ich mich jetzt mit dir hier schlafen legen, aber wenn dir das zu viel Nähe ist, dann wäre das für dich eine unangenehme Situation. Und für mich auch, weil ich mich dann schlecht fühle. Also das Angebot von mir ist jetzt jedenfalls, dass du dich zu mir auf die Decke legen kannst, wenn du das willst. Ich brauche jedenfalls ein bisschen Schlaf."


    Anya legte sich hin mit dem Rücken zu Zoltan, der an einen Baum gelehnt saß. Ihr Herz klopfte bis zum Hals. Hatte sie das gerade wirklich gesagt? Wie würde das wohl nun für ihn sein? Als Zoltan sie küsste, hatte sie den Moment ohne Regung oder Kommentar einfach verstreichen lassen, doch nun buddelte sie das einfach so aus und konfrontierte ihn ohne Vorbereitung damit. Es würde sie nicht wundern, wenn sie in einigen Stunden wach werden würde, und er nicht mehr da wäre. Das war wahrscheinlich einfach zu viel für ihn.

    Doch trotzdem war sie bereit, dieses Risiko einzugehen. Denn er war ja nicht allein auf dieser Welt. Der Kuss hatte auch etwas für sie verändert. Zoltan war für sie seit Beginn an jemand, der etwas besonderes hatte. Als sie ihn in Angelstedt begegnete, war er ablehnend und anziehend zugleich, auf irgendeine Art. Seit dem Moment, wo sie ihm das Leben rettete, spürte sie ein Band zu Zoltan. Er gehörte fortan zu ihrer Welt, was ziemlich seltsam war, da sie sowas zuvor noch nie bei jemanden spürte. Das war ihr nicht sofort klar, aber mit der Zeit war er einfach immer Teil von ihr. In Hateno sagte mal Hogbert zu ihr, dass sie dafür sorgen sollte, dass er nicht mehr wie ein abgerissener Obdachloser zu den besten Tageszeiten in die Schankstube schleichen soll und nur sie könne ihm das sagen, schließlich sei sie seine Freundin. Allgemein war es so, dass wenn sich jemand über Zoltan erkundigen wollte, ging er zumeist zu Anya und fragte sie. Selbst Marohu gab ihr völlig selbstverständlich die Gaben für ihn mit. Für die Außenwelt waren wohl Dinge offensichtlich, die Anya erst noch einordnen musste. Dass Zoltan irgendwelche Gefühle für sie hegen könnte, die über Freundschaft hinausgingen, hatte sie immer sorgsam zur Seite geschoben, denn sie war sich nie sicher, ob er sowas wollte oder sich vorstellen konnte. Was sie selbst betraf, war sie sich auch unsicher. Eine Beziehung hatte sie nie geführt. Es war bisher niemand aufgetaucht, der dafür überhaupt in Frage gekommen wäre.


    Niemand, bisauf Zoltan.


    Das Herz sprang ihr fast aus der Brust. Sie war sich sicher, dass er es hören musste, so laut und schnell, wie es schlug.

  • Zoltan war kein Mensch, den man leicht überrumpeln oder sprachlos machen konnte, aber dass Anya nun, nachdem die Euphorie über das Überleben des Tages, die Gaben der Dorfältesten und ihren neugewonnenen Freiheiten langsam abklang und die Stille der Nacht zum nachdenken anregte, diesen Kuss wieder hervorbrachte, kam für ihn doch überraschend. Nicht allzu überraschend, denn sie war kein Mensch, der im Raum stehende Dinge gern ungeklärt ließ. Sie mochte ein paar Tage darüber brüten, aber irgendwann würde es aus ihr herausplatzen. Ihr Erlebnis mit dem Yiga-Offizier war ein glänzendes Beispiel dafür, dass sie ungern eine Last still mit sich trug.


    Doch nun, irgendwie musste diese Situation also nun geklärt werden, und Zoltan legte sich möglichst gute Worte zurecht... und während er das tat, drehte Anya ihm bereits den Rücken zu, vermutlich bereit, in den Schlaf abzudriften und es ihm zu überlassen, ob er sich einfach zu ihr legte, oder bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag an diesem Baum lehnte. Frustration, gemischt mit leichter Wut, stieg in ihm auf. Wollte sie nun, dass er sich dazu äußerte, oder wollte sie nur ihren Text aufsagen und es dabei belassen?

    Frauen!, dachte er, und nun mischte sich auch Belustigung in das Chaos seiner Gefühle. Da verliebte er sich zum ersten Mal, und direkt wurde er mit dem konfrontiert, was man sich über diesen seltsamen Zustand zu erzählen pflegte: Dass es nicht so einfach war, wie man es sich vorstellen mochte, sondern öfters das Gefühl hatte, auf Eierschalen zu laufen. Ja, was nun? Erwartete Anya keine Reaktion von ihm? Erwartete sie, dass er zu ihr rüberging und wäre enttäuscht, wenn er es nicht täte?


    Dann kam ihm jedoch eine Ahnung: Vielleicht erwartete Anya nun gar nicht, dass er sprach, sondern handelte. Das Sprichwort, dass Taten mehr sagen konnten als Worte, existierte nicht umsonst, oder? Sie sagte, er könnte tun, was er will, und indem sie sich von ihm fortdrehte, überließ sie den nächsten Schritt ihm - vertraute ihm. So war es beschlossen. Sie könnten noch Tage, Wochen, vielleicht Jahre damit verbringen, zu reden. In diesem Moment jedoch...


    Also richtete Zoltan sich auf, klopfte seine Hose ab, und legte sich vorsichtig zu Anya auf den ausgebreiteten Beutel. Es war tatsächlich unvermeidbar, dass seine linke Körperhälfte ihren Rücken berührte, aber kein zu intimer Kontakt und somit... angemessen. Anyas Körperhaltung und ihre Atmung - auch wenn sie nicht allzu eng nebeneinander lagen, ließen seine empfindlichen Sinne ihn nicht im Stich - verrieten, dass sie noch nicht schlief. Also sprach er leise zu ihr.


    Als ich dich geküsst habe, dachte ich, einer von uns oder wir beide würden den Tag nicht überlegen. Ich habe einfach nicht nachgedacht. Ich dachte nur, bevor wir uns vielleicht nie wieder sehen... solltest du irgendwie wissen, dass du für mich... anders bist als andere Menschen. Mehr für mich bist. Es tut mir leid, falls es dich aufgeregt hat. Aber ich müsste lügen, wenn ich sage, dass ich es bereue... und wenn es dir unangenehm bist, müssen wir nicht weiter darüber reden. Ich möchte nur nicht, dass du dich jetzt in meiner Gegenwart unwohl fühlst, weil du... wie sagtest du? Nicht weißt, wie du dich mir gegenüber verhalten sollst. Ich spüre auch, dass sich zwischen uns etwas verändert hat, aber das soll die Dinge nicht seltsam machen. Lass uns... einfach sehen, wohin uns die Zukunft bringt und weiterhin wir selbst bleiben. Ich denke, dann fügt sich alles irgendwie von selbst...


    Er war sehr überrascht, dass so viele und so nachdenkliche Worte aus seinem Mund kamen. Aber hier entspannt zu liegen, in den Sternenhimmel zu sehen und die Gewißheit, dass ein Leben in Freiheit vor ihm liegen könnte, wenn er es nur wollte... es machte seinen Kopf wunderbar leer und löste seine Zunge besser, als jeder Alkohol es je vermochte. Nun doch etwas angespannt, wartete er Anyas Reaktion ab.

  • Anyas Nervosität löste sich in Luft auf, als Zoltan sich zu ihr legte und mit seinen Worten das Chaos in ihrem Kopf richtete. Sie schloss die Augen, lächelte und suchte mit ihrer Hand die seine und drückte sie. "Ich bin froh, dass du da bist."

    So lagen die beiden nebeneinander und schliefen allmählich ein.


    Vogelgezwitscher weckte Anya noch früh am morgen. Es war relativ kalt. Die Sonne war noch ganz weit im Osten, irgendwo hinter den Zwillingsbergen, zu dessen Füßen sie lag. Sie blinzelte und rieb sich die Augen. Noch immer lag sie von Zoltan abgewandt und er lag auch immer noch genauso da.

    Anya wusste, dass nun, wo sie wach war, auch nicht mehr einschlafen würde und stand vorsichtig auf. Sie wollte ihn nicht wecken. Als sie stand, streckte sie sich, wobei ihr Rücken ganz laut knackste. Ohje. Es war schon länger her, dass Anya ihre Nacht auf dem blanken Boden verbrachte. Früher war das die Norm, aber nun hatte sie sich wohl zu sehr an die Vorzüge einer weicheren Unterlage gewöhnt. Sie schüttelte ihre Beine und überlegte, was sie nun am besten tun könnte. Als sie an sich herunter sah, musste sie feststellen, dass sie ein paar neue Klamotten gebrauchen konnte. Die Kutte, die Maruho ihr erst gestern geschenkt hatte, verdeckte zwar das, was sie drunter tug, aber sie wollte jetzt auch nicht bei Sonnentagen mit diesem Ding rumlaufen müssen.


    Erstmal würde es aber noch gehen müssen. Das nächste Bekleidungsgeschäft war in Kakariko und dahin wollte sie keineswegs zurück. Und bis zur Gerudo-Wüste wollte sie jetzt auch nicht laufen. Ach, es war so lästig, dass alles so unglaublich weit weg war. Die dumme Verheerung hatte einfach nur noch Siedlungen am Rande Hyrules übrig gelassen und die waren alle mehrere Tagesmärsche voneinander entfernt. Sie seufte und kratzte sich den Kopf.


    Spontan beschloss sie, ein wenig laufen zu gehen. Dabei hoffte sie inständig, dass Zoltan nicht in der Zwischenzeit wach werden und sie suchen würde, denn er konnte es ja nicht wissen. Sie entschied, nur eine kleine Runde zu laufen und den Schlafplatz nicht aus den Augen zu verlieren.


    Also lief sie los. Zunächst zum Präludia-Fluss, dann westwärst den Weg entlang. Nach etwa 500 Metern drehte sie wieder um und lief auf die Zwillinge zu. In der Ferne konnte sie einen Händler mit einem Esel erkennen, der gerade den Pass durchquerte. Der kam ihr wie gerufen, sofern er denn Kleidungsstücke feilbot. Das taten nicht viele, denn das war in der Regel kein rentables Geschäft. Man konnte ja kaum Klamotten in allen Größen, Formen und Farben dabei haben. Aber Anya beschloss, ihr Glück zu versuchen.


    "Guten Morgen", begrüßte sie ihn freundlich. "Ich kann mir die Antwort zwar schon denken, aber hast du vielleicht Hosen oder Oberteile im Sortiment? Ich brauche dringend etwas zum Anziehen."

    "Tut mir leid, ich hab leider nichts dabei. Aber beim Stall am Fluss befindet sich gerade ein kleiner Wochenmarkt. Soweit ich weiß, werden auch Textilien verkauft. Versuche es gern dort."

    "Vielen Dank für den Tipp. Eine gute Reise und pass gut auf deinen Esel auf."


    Damit hatte Anya erstmal ein neues Tagesziel, den Stall am Fluss. Auch Zoltan benötigte neue Kleider und sie war sich sicher, dass er nichts dagegen hatte, wenn sie einen Abstecher zum Wochenmarkt machten. Sie lief noch ein paar Minuten auf dem Weg hin und her, bis sie zum Schlafplatz zurückkehrte.

  • Sowie Anya sich an seiner Seite bewegte und sich erhob, fuhr Zoltan aus dem Schlaf. Es brauchte ein paar Sekunden für ihn zu analysieren, dass sie lediglich aufstand und ihnen keine Gefahr drohte. Seine geschundenen Gliedmaßen jedoch protestierten gegen dieses plötzliche Erwachen, und so zog er es vor, einfach noch reglos liegenzubleiben und zu dösen, während Anya sich entfernte. Doch wie es nunmal so ist, wenn man im Freien übernachtet, fröstelte es ihn stark. Sie würden künftig Decken benötigen, um nicht zu erfrieren. Widerwillig richtete Zoltan sich auf, stemmte sich hoch und streckte seine Glieder. Ein Blick flußabwärts verriet ihm, dass Anya, aus dieser Entfernung gerade noch erkennbar, sich bester Gesundheit erfreute, und so ließ er sich nieder, um eine Zigarette zu drehen und in Marohus Buch herumzublättern. Sein Interesse weckte vor allem ein Ort, der von dieser Position aus sichtbar war, und den in den letzten 50 Jahren anscheinend kein Hylianer zu betreten gewagt hatte: Das Große Plateau.


    Wenn es stimmte, was man sich unter den Shiekah und Yiga erzählte, befand sich irgendwo dort die vorläufige Ruhestätte jenes Auserwählten, der einst daran gescheitert war, die Verheerung aufzuhalten. Die verräterische Bande hatte Jahre damit verbracht, jeden Winkel nach jenem Ort, an dem der Ritter ruhte, zu durchforsten, ohne Erfolg. Doch eine Stille sollte dort oben herrschen, wie man sie nirgendwo sonst in Hyrule finden konnte. Damals lebten dort Mönche, und auch spirituelle Pilger aus dem ganzen Land fanden sich ein, um zumindest einmal die legendäre Zitadelle zu bestaunen, von der es heißt, sie wäre ein Bauwerk jenseits von Zeit und Raum, einst erschaffen von den legendären Weisen...


    Anya war zurück und ließ ihn aus seinen Gedanken hochfahren. Begeistert berichtete sie ihm, dass es in der Nähe des Stalles am Fluss einen Wochenmarkt gäbe, an dem sie sich nach Herzenslust neu einkleiden könnten.

    Nichts lieber als das, entgegnete Zoltan.

    Ich weiß ja nicht, wie du das siehst, aber... wir sehen aus wie die letzten Landstreicher. Gewissermaßen sind wir die letzten Landstreicher... aber ich brauche dringend eine Rasur und neue Klamotten.

    Um das zu betonen, strich Zoltan mit den Fingern über seine Wange, was ein kratzendes Geräusch erzeugte. Anya brachte dies zum lachen.

    Manchmal vergisst man, wie eitel du sein kannst. Wie kommt ein so penibel auf sein Äußeres achtender Kerl eigentlich dazu, hauptberuflich in der Wildnis herumzureisen? Zoltan schnalzte mit der Zunge.

    Das Schicksal macht eben vor Schönheit nicht halt. Packen wir zusammen und gehen... ich hätte vielleicht eine Idee, was wir als nächstes tun könnten... aber sie ist ein wenig verrückt. - Verrückter als alles, was wir bisher erlebt haben? Inklusive Nahtoderfahrungen? Na, dann lass mal hören...

    Während sie, ihre kargen Habseligkeiten geschultert, am Flussufer dahinmarschierten, erörtete Zoltan seine Idee, das Große Plateau zu erkunden. Es erstaunte ihn letztendlich wenig, dass Anya dieser waghalsigen Idee nicht abgeneigt war.

    Tja. Wenn wir Abenteurer sein wollen, dann fangen wir am besten mit einem Ort an, an den sich bisher kein Abenteurer gewagt hat, oder? scherzte sie.

    Aber vorher gehen wir zu diesem Wochenmarkt. Wir müssen bloß über die Prologia-Brücke und dann nur noch ein kleines Stück nördlich! Wer zuerst über die Brücke ist!, rief Anya fröhlich, und rannte davon. Zoltan, durch das Gepäck leicht eingeschränkt in seiner Bewegungsfreiheit, schnaubte amüsiert. Nun... versuchen kann ich es. Und lief los.