<< Zoltan und Anyanka kommen vom Stall der Zwillingsberge >>
Es war bereits dunkel, als Anya und Zoltan sich vom Stall aufgemacht hatten und nun entlang des kräftigen Präludia-Flusses durch die beiden gewaltigen Zwillinge entlang gingen. Zoltan hatte sich dabei angeboten, den großen Sack von Maruho zu tragen, und beide freuten sich schon darauf, den Inhalt zu inspizieren, doch das musste wegen der Nachtschwärze noch warten.
Hier war es nochmal dunkler und Zoltan zündete eine Fackel an, damit sie den Weg nicht verloren und im Fluss landeten. Für einen kurzen Moment erschrak Anya und wollte Zoltan zurechtweisen, denn die Fackel würde jedem Feind in der Nähe verraten, dass sie da waren, aber dann erinnerte sie sich, dass es keine Feinde mehr gab. Symin hatte versprochen, dass die Yiga mit der Jagd aufhören würden und das war ein unglaublich entspannendes und befreiendes Gefühl. Frieden! Endlich Frieden.
Es waren nur noch ein paar Meter, bis sie die Berge durchquert hatten. In Anyas Adern fing es an zu kribbeln und ein Adrenalinstoß fuhr durch ihren Körper. Ein paar Schritte weiter und es war endlich so weit: Sie hatten Necluda verlassen - Anya hatte das Gefängnis verlassen. Sie rannte plötzlich los, schrie und lachte, sprang in die Luft und machte Purzelbäume. Dann kniete sie sich auf den Boden und grub ihre Hände in die weiche Erde. Voller Genuss schloss sie die Augen und atmete tiiieeeef ein. Zoltan, der das alles beobachtet hatte, war etwas verdutzt und folgte ihr zögerlich.
"Ich fühle mich seit einer endlos langen Zeit endlich wieder frei", sagte Anya schließlich. "Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehnlichst ich mir das gewünscht habe. Ich möchte nie wieder durch diese Berge gehen, nie wieder östlich davon sein. Jedenfalls für die nächsten 50 Jahre nicht." Sie lachte.
Zoltan nickte und zuckte mit den Schultern, als wollte er damit sagen, dass es ihm gleich ist und er nichts dagegen hatte.
Dann zeigte Anya auf eine kleine Baumgruppe links neben dem Pfad. "Da drüben können wir rasten. Es befindet sich ein Kochtopf dort und hier wachsen ein paar Beeren, Pilze und Gräser. Ich kann uns sicher eine Kleinigkeit kochen, während wir uns ausruhen."
Gesagt, getan. Zoltan legte den schweren Sack ab und zündete den Kochtopf mit der Fackel an. Dann steckte er diese mit dem Griffende in den Boden, sodass sie eine kleine Beleuchtung hatten. Er half sogar dabei, ein paar Zutaten zu suchen und damit war schnell alles für einen kleinen Nachtsnack zusammen. Dann setzte er sich in den Dreck und schaute Anya dabei zu, wie sie eine Zutat nach der anderen in den Topf warf.
"Nun mach schon!", wies sie ihn plötzlich an und schaute auf den Sack. "Öffne ihn schon. Lass uns nachsehen, was unsere Belohnung für Kakarikos Rettung ist."
"Deine Belohnung", murrte Zoltan. "Ich hab keinen Sack bekommen."
Anya seufte und lachte, hielt Zoltan den Löffel hin und forderte ihn auf, den Inhalt des Topfes umzurühren. "Als ob eine Dame wie ich..." - Anya verdrehte dabei demonstrativ die Augen und wehte mit einer Haarsträhne - "...für sich allein so einen schweren Sack bekommt. Mit Sicherheit ist der Inhalt für uns beide, denn Maruho wusste ja irgendwie, dass wir beide allein losziehen werden. Sie hatte sich bestimmt nicht getraut, nochmal mit dir zu sprechen, weil du immer so gnieselig bist und hat mir gleich alles gegeben."
Erneut kiecherte sie. Wie schön war dieser Moment! In friedlicher Freiheit, ein leckeres Essen in Aussicht - und Zoltan an ihrer Seite. Während Anya den festen Knoten des Sacks langsam aufgedröselt bekam, gestand sie sich ein, dass sie seine Anwesenheit sehr genoss. Selten waren sie wirklich allein gewesen, denn andauernd waren irgendwelche Leute um sie herum gewesen. Doch jetzt gingen sie ihren Weg zusammen und das war aufregend und angenehm zugleich. Zoltan war einer der wenigen Menschen in Hyrule, mit dem sie auch auf Dauer klarkam. Ein kleines Kribbeln im Bauch. Doch dann hatte sie den Knoten gemeistert.
Im Sack befanden sich zwei Beutel. Beide waren verschnürt und ein kleiner Zettel hing jeweils an jeder Schnur. Anya griff sich einen und starrte auf den Zettel. Den ersten Buchstaben kannte sie nicht, aber den zweiten. Es war ein O, dann kam ein L. "Ich glaube, das ist deiner", sagte sie und gab ihn Zoltan. Dann griff sie sich den anderen.
Bedächtig öffnete sie den Beutel und fand einen kleineren Sack. Er war mit Rubinen gefüllt. Sie zählte nicht, aber es waren einige. Einer war violett - sowas hatte sie nur selten gesehen! 50 Rubine war er wert. Als nächstes holte sie ein kleines Buch aus dem Beutel. Ein Buch?! Anyas Überschwänglichkeit verflog etwas, denn was sollte sie mit einem Buch? Sie kannte nur ein paar Buchstaben und selbst dann musste sie oft raten, weil manche sich so ähnlich sahen. Sie blätterte darin und sah gleich, was das für ein Buch war: Ein Wörterbuch. Damit konnte sie nun alle Buchstaben lernen.
"Oh meine Güte, schau mal Zoltan. Damit kann ich lesen und schreiben lernen! Woher wusste sie das?"
"Maruho weiß ziemlich viel und wenn sie etwas nicht weiß, dann Impa. Shiekah haben ein drittes Auge und sehen viele verborgene Dinge."
Anya nickte, während sie sich das durch den Kopf gehen ließ. Sie war beeindruckt davon, wenn es auch gleichzeitig etwas beunruhigend war.
Als letztes fand sie Garn, Wolle und Seide im Beutel, dazu Nähnadeln in verschiedenen Größen. "Und um meine Kleidung brauche ich mir auch keine Sorgen mehr machen."
Das war der perfekte Abschluss. Sie lächelte und nahm Zoltan den Löffel ab. Jetzt war er dran mit Auspacken.