Arks Tagebuch Part 6
Nachdem mir Ra den Tipp gegeben hatte, mich in den Nordwesten zu begeben, machte ich mich auf den langen Weg zum nördlichen Kontinent. Angeblich sollten die Seelen der Vögel hier irgendwo in einem Gebirge versiegelt sein.
Anfangs versuchte ich noch, mitzuzählen, wie lange ich unterwegs war, aber als aus Tagen Wochen wurden, gab ich es auf.
Immer wieder wanderten meine Gedanken zu Melina und der Frage, wann bzw. ob ich sie jemals wiedersehen und sie dann überhaupt noch Augen für mich haben würde.
Doch da mir diese Grübeleien nur Kummer und schlechte Laune bereiteten, bemühte ich mich, mich so gut wie möglich abzulenken und mich stattdessen auf die neu erblühte Natur um mich herum zu konzentrieren.
Die Oberwelt war wirklich wunderschön!
Im Süden wurde das Land von gewaltigen Wäldern beherrscht, die aus hohen Bäumen, Schlingpflanzen und bezaubernden Blumen in strahlenden, bunten Farben bestanden. Die Geräusche meiner Schritte wurden von dem belaubten Boden geschluckt, sodass es totenstill in diesen Dschungeln gewesen wäre, wäre ich nicht aus mir immer noch unerfindlichen Gründen dazu in der Lage gewesen, die Stimmen der Pflanzen zu hören.
So war ich stets von ihrem leisen Gemurmel umgeben und musste hier und da sogar Fragen über meine Person beantworten.
Doch die Pflanzen waren nicht nur neugierig, sondern auch hilfsbereit. Wenn ich z.B. an irgendeiner Stelle nicht weiterkam, weil mir Schlingpflanzen den Weg versperrten, reichte eine freundliche Bitte und der undurchdringliche Vorhang teilte sich vor mir.
Nachdem ich den Dschungel hinter mir gelassen hatte, wandelte sich die Landschaft und wurde trockener und felsiger, bis die danach kommenden Berge wiederum bei Erreichen des nördlichen Kontinents durch weite Grasmeere abgelöst wurden.
Ich folgte den Hinweisen der Pflanzen um mich herum, bis ich schließlich ein gewaltiges Gebirge fand, das von Dämonen bevölkert wurde.
Bei diesem Anblick war ich mir sofort sicher, mein Ziel erreicht zu haben.
Also kämpfte ich mich verbissen bis auf die Spitze des höchsten Berges, wo ich den Ursprung der hiesigen Dämonen vermutete.
Unterwegs fand ich eine besondere Waffe, die derart scharf war, dass sie sogar manche Steine durchschneiden konnte, sowie die Greifenklaue - eine Art Kletteraxt -, die mir das Erklimmen der steilen Felswände erleichterte.
Am Gipfel angelangt, traf ich auf die Infernalos: zwei riesige, vogelartige Dämonen, die zwar imposant aussahen, aber keine ernst zu nehmende Herausforderung darstellten.
Mit nur wenigen, gezielten Hieben hatte ich die beiden Ungetüme erschlagen und die seltsame, aus der Erde kommende Stimme, die ich zuvor nach meinem Sieg über den Moloch gehört hatte, erklang erneut, um mir mitzuteilen, dass die Vögel in die Welt zurückgekehrt waren.
Erfreut machte ich mich an den Abstieg und stellte unterwegs verblüfft fest, dass ich in dieser Welt offenbar nicht nur mit Pflanzen, sondern auch mit Tieren sprechen konnte.
Durch die Vögel, die ich unterwegs traf, erfuhr ich von ihrem "Sanktum" genannten Königreich und ließ mir, neugierig geworden, von ihnen den Weg dorthin weisen.
Kaum angekommen, erfuhr ich auch schon, dass die Vögel unglücklich waren, da sie den Wind vermissten. Um mehr darüber in Erfahrung zu bringen, kletterte ich in das höchste Nest, wo ich auf Dumbar, den König der Vögel traf.
Dumbar war eine wahrlich imposante Erscheinung!
Obwohl ich kein kleiner Mann war, überragte Dumbar mich um etwas mehr als das Doppelte!
Glücklicherweise war Dumbar sanftmütig wie riesig und er machte nicht einmal Anstalten, zu versuchen, mich zu fressen.
Stattdessen bat er mich, mich von einem seiner Diener nach Orkania bringen zu lassen und für ihn in Erfahrung zu bringen, warum der Wind noch nicht zurückgekehrt war.
Ohne Wind, so erklärte Dumbar mir, waren die Vögel nicht in der Lage dazu, die anderen Kontinente zu bereisen.
Also ließ ich mich nach Orkania bringen, was sich als eine tiefe Höhle in einem angrenzenden Gebirge herausstellte. Dort sollte, in einem bodenlos wirkenden Loch, der Wind schlafen.
Während ich am Rand des tiefschwarzen Abgrunds stand, fragte ich mich verzweifelt, wie man den Wind wohl weckte.
Mich ziemlich lächerlich fühlend rief ich "AUFSTEHEN!" in die Dunkelheit, doch die einzige Reaktion darauf war ein leises Echo meiner von den Wänden zurückgeworfenen Stimme und Fluffys umso lauteres Lachen.
Frustriert trat ich gegen einen Stein und kickte ihn in das Loch hinein. Sofort war ein leises Rauschen zu hören, das mich die Ohren spitzen ließ.
War das der Wind?
Meiner Intuition folgend warf ich sämtliche Steine, die ich finden konnte, in den Abgrund, bis die genervte Stimme des Windes ertönte: "Wer wagt es, meinen Schlaf zu stören?!"
Schnell erklärte ich die Situation und der Wind erhob sich mit einem lauten Heulen aus seinem Loch, um fortan wieder über die Lande zu streifen und die Vögel über die Ozeane dieser Welt zu tragen.
Nachdem ich Dumbar Bericht erstattet hatte, hörte ich von einem seiner Diener von Safarium, dem Königreich der Säugetiere.
Das klang spannend!
Also ließ ich mich von dem Vogel auf einen Kontinent am anderen Ende der Welt bringen, nur um dann festzustellen, dass Safarium wie ausgestorben war.
So etwas hatte ich allerdings schon erwartet...
Also machte ich mich auf den Weg in die Savanne, auf der Suche nach einer Möglichkeit, auch die Tiere in die Welt zurückzubringen.
Unterwegs fand ich mehrere Regenaltäre, an denen ich betete, um etwas Regen und damit bessere Lebensbedingungen für Pflanzen und Tiere zu erbitten.
In einem dieser Altäre traf ich schlussendlich auch auf Satadoros, eine Art dämonischer Sensenmann, der sich als etwas wehrhafter erwies als zuletzt die Infernalos.
Dennoch hatte auch Satadoros mir nicht viel entgegenzusetzen und schon bald erklang wieder die sonderbare Stimme, um mich zu informieren, dass die Tiere auf die Oberwelt zurückgekehrt waren.
Neugierig, ob ich auch mit Säugetieren sprechen konnte, begab ich mich zurück nach Safarium, wo ich nicht nur feststellte, dass dies der Fall war, sondern auch von Liam hörte.
Liam war ein Löwenbaby und der Sohn von Leon, dem König der Tiere. Offenbar hatte sein Vater den kleinen Liam auf eine Prüfung in einer nahe gelegenen Schlucht geschickt, um zu testen, ob Liam würdig war, eines Tages die Thronfolge anzutreten.
Doch Liams Mutter hatte gehört, dass Dämonen in ebendieser Schlucht gesichtet worden waren, und bekniete nun Leon, die Prüfung abzubrechen. Da dieser sich jedoch als zu stur erwies, bat sie mich darum, nach Liam zu suchen und aufzupassen, dass dem kleinen Löwenprinzen nichts passierte.
Als ich in der Schlucht ankam, war Liam bereits in einen Kampf gegen zwei Vogeldämonen verstrickt. Ich eilte so schnell ich konnte zu seiner Rettung und erschlug die beiden Monster.
Während der kurzen Auseinandersetzung hatte ich bereits mit dem Schlimmsten gerechnet, aber Liam war offenbar wehrhafter als seine Mutter glaubte und hatte nicht einen Kratzer.
Nachdem wir uns einander vorgestellt hatten, machten Liam und ich uns auf den Weg durch die Schlucht.
Irgendwie mochte ich den kleinen Löwen!
Er war nicht nur zum Dahinschmelzen niedlich, sondern hatte zusätzlich mit seiner vergnügten, lebensfrohen Art etwas an sich, das mein Herz aufblühen ließ.
Am Ende der Schlucht trafen wir auf Schlammhados, einen Schlammdämonen, der uns den Ausgang versperrte.
Blöderweise war das Monster außerhalb meiner Reichweite, sodass ich es nicht einfach niederstrecken konnte.
Doch Liam hatte eine gute Idee und suchte in der Umgebung nach Felsbrocken, die ich dem Dämonen dann mit voller Kraft an den Kopf warf, bis dieser schließlich aufgab.
Oder sollte ich sagen: scheinbar aufgab?
Als ich sein Friedensangebot annahm und an ihm vorbei gehen wollte, stieß Schlammhados mich plötzlich in den Abgrund neben sich.
Ich fiel tief und schlug hart auf dem Boden auf, aber meine Sorge galt nicht den Blessuren, die ich mir dabei zugezogen hatte.
Liam war nun ganz allein dort oben und Schlammhados schutzlos ausgeliefert!
Während ich verzweifelt nach einem Weg zurück nach oben suchte, aber trotz der Greifenklaue immer wieder an den glatten Felswänden abrutschte, hörte ich die entsetzlichen Geräusche einer scheußlichen Auseinandersetzung und sah vor meinem geistigen Auge wie Schlammhados das Leben aus Liams zierlichem Körper quetschte.
Und dann war plötzlich alles still...
Mir traten Tränen in die Augen und ich kauerte mich auf dem Boden zusammen.
Ich hatte versagt...
Doch dann erklang plötzlich Liams besorgte Stimme neben mir: "Bist du verletzt, Großer?"
Überrascht riss ich die Augen auf und entdeckte meinen kleinen, plüschigen Freund, der mich aufmerksam musterte. Sein sandsteinfarbenes Fell war schlammverkrustet und ihm fehlten ein paar Tasthaare an der Schnauze, aber ansonsten wirkte er gänzlich unversehrt.
"Hast du ganz allein Schlammhados besiegt?!", fragte ich ungläubig und beobachtete, wie Liams Augen langsam aufleuchteten, als würde ihm seine eigene Leistung erst jetzt bewusst. "Ja, ich schätze, das habe ich", lachte er.
Dann wurde Liams Aufmerksamkeit plötzlich von einem schimmernden Stein abgelenkt, der neben mir auf dem Boden lag. "Oh, sieh mal, der ist aber schön!"
Ich betrachtete den milchigweißen Stein, der trotz des schummrigen Lichts hier unten sanft schimmerte, so als würde er von innen heraus beleuchtet. Ein Mondstein.
Als mir eine Idee kam, holte ich schnell ein kurzes Lederband aus meiner Truhe hervor, fädelte den Stein darauf auf und band es Liam um den Hals. "Ein Andenken an mich und dein erstes, großes Abenteuer", erklärte ich und Liam strahlte. "Danke, Großer. Ich werde es in Ehren halten!"
Danach kehrte Liam allein nach Safarium zurück, wo er die anderen Tiere über meine missliche Lage informierte. Kurz darauf tauchte der Vogel, der mich von Sanktum hierher geflogen hatte, auf und half mir aus der Schlucht heraus.
Mir war es ein wenig peinlich, dass ich es nicht allein geschafft hatte, aus dem Loch zu klettern, aber niemand sonst schien mich deswegen für schwach oder unfähig zu halten.
Obwohl Liam Schlammhados am Ende selbst besiegt und somit die Prüfung eigentlich ganz alleine bestanden hatte, dankte mir nicht nur seine Mutter, sondern auch sein Vater dafür, dass ich dem Prinzen durch die Schlucht geholfen hatte.
Leon schenkte mir sogar eine Waffe, die mit einer seiner Klauen verstärkt war. Eine große Ehre!
Zudem versprach Leon, dass er den Tieren befehlen würde, mir bei meinem Weg nach Osten behilflich zu sein.
Denn dort, irgendwo in den eisbedeckten Bergen Eklamatas, sollten die Seelen der Menschheit versiegelt sein...
Fortschritt:
Lvl 15
Oberwelt
befreite Lebewesen: Pflanzen, Vögel, Tiere