Ein Genre, welches in den letzten Jahren spürbar zunehmend an Beliebtheit gewonnen hat und definitiv nicht mit den herkömmlichen Vorstellungen eines Videospiels zu vergleichen ist. Der Walking Simulator. Spiele aus der Ego-Perspektive waren oft für ihre Action bekannt und plötzlich wurde hier genau das Gegenteil gemacht: Mit lediglich minimalen Gameplay-Elementen und einem langsamen Tempo versehen steht das Erlebnis im Vordergrund, während man durch die Spielwelt läuft. Durch die einfachere Gestaltung handelt es sich für gewöhnlich um Indie-Games. Die Entwickler haben damit gute Chancen ihren Bekanntheitsgrad zu erhöhen. Kann das überhaupt interessant sein? Und ob! Auch mich hat diese Art von Spiel zunehmend stärker angesprochen und ich konnte mehrere positive Erfahrungen machen. Dieser Thread dient nicht nur dem Meinungsaustausch über das Genre allgemein, sondern auch über einzelne Spiele im Detail, für welche kein eigener Thread existiert oder lohnenswert ist.
Einer der ersten und bekanntesten Walking Simulatoren ist Dear Esther. Ursprünglich ein Half-Life 2 Mod, so erlangte er wenige Jahre später nach Überarbeitung den Durchbruch als eigenständiges Spiel. Man kann absolut nichts anderes machen außer Laufen und während man durch die Spielwelt, eine verlassene Insel, streift, werden kleine Textstücke eingeblendet und vorgelesen. Diese lassen sich zu einer Geschichte zusammensetzen, welche von Anfang bis Ende erzählt wird. Der Unterschied zu einem simplen Buch oder Filmen ist jedoch die Atmosphäre sowie die spielerische Erkundungsfreiheit. Durch das Umgebungsdesign und die Musik wird stets eine gewisse Stimmung bei den Spielern hervorgerufen und Bezug auf die Orte genommen, welche man besucht. Es gibt dabei auch keine feste Reihenfolge, in der man die Story-Schnipsel erhält. Am Schluss liegt es am Ermessen des Spielers, wie viel er selbst hineininterpretiert. Ebenfalls zählten Everybody's Gone to the Rapture und Gone Home zu wegweisenden Vertretern.
Dear Esther ist das klassischste Beispiel für das Walking Simulatoren Genre und hat mir persönlich ironischerweise nicht zugesagt. Lediglich die Regiekommentare, die so gesehen Infos über die Entstehung des Spiels und somit Genres enthielten, waren wiederum sehr interessant. Aber nicht immer lässt die Handlung von Walking Simulatoren so viel Interpretationsspielraum, denn einige werden auch sehr zielstrebig erzählt und fokussieren sich auf andere Elemente. Gone Home wiederum vermittelt am Ende den Twist deutlich klarer und hinterlässt so den vorerst stärkeren Eindruck. Je nachdem wie intensiv man sich also mit offeneren Spielen beschäftigt bzw. beschäftigen will, desto mehr Gefallen wird man an ihnen finden. Für Interessierte am Genre empfiehlt es sich daher, nach speziellen Empfehlungen zu fragen anstatt blind den am besten bewerteten Titel zu kaufen. Die Unterschiede zwischen den Games können deutlich größer sein, als man zunächst annimmt.
Doch gerne werden die verschiedenen Titel mit anderen Genres kombiniert. Slender oder Amnesia: A Machine for Pigs brechen durch ihre Horror-Elemente die ruhige Stimmung gewöhnlicher Walking-Simulatoren. Letzteres bringt neben seiner düsteren Atmosphäre vereinzelte Stealth-Passagen mit sich, Slender fokussiert sich sogar auf diese. Dennoch sind diese Spiele natürlich absolut nicht mit richtigen Schleichspielen à la Thief zu vergleichen.
Äußerst beliebt ist auch der Einbau von Rätseln. The Vanishing of Ethan Carter bedient sich mehrmals daran, indem man einen Detektiv spielt und die mysteriösen Geschehnisse in die richtige Reihenfolge bringen muss. Ein meiner Meinung nach sehr lohnenswerter Titel mit bombigem Design, ein guten Handlung und viel Freiheiten. The Witness beschränkt sich sogar ausschließlich auf das Rätseln und wird im Laufe der Zeit nur noch richtig schwer zu knacken.
Des Weiteren werden häufig Sammelgegenstände benutzt. Slender macht ja mit seinem Spielprinzip offensichtlich Gebrauch davon, da man alle Gegenstände mitnehmen muss um zu gewinnen, aber nicht alle Walking Simulatoren erzählen ihre Geschichte auf die Art und Weise wie Dear Esther. Es ist genauso gut möglich, dass man die Handlung auf Zettel verstreut vermittelt bekommt, die es zu finden gilt. Andererseits können diese Sammelgegenstände auch notwendig sein, um einen neuen Pfad zu öffnen. Die Spiele von Tonguç Bodur (Nephise, Drizzlepath, Bottle, ...) sind schöne Beispiele, da sie kaum Handlung besitzen und lediglich dazu dienen die Welt zu erkunden, welche optisch wirklich umwerfend ist. Genauso gut können Sammelgegenstände auch optional sein und schlicht verstärkt zum Erkunden einladen, was gerne mit Achievements kombiniert wird.
Firewatch und The Stanley Parable erfreuen sich großer Beliebtheit, da sie teils oder sogar ganz auf eine humorvolle Art die Spieler in ihren Bann ziehen. Während The Stanley Parable einen absolut nicht ernstzunehmenden Erzähler besitzt, extrem eigen ist und verschiedene Verhaltensweisen sich auf das Ende auswirken, so ist es bei Firewatch wiederum der Protagonist, welcher hin und wieder einen Spruch reißt. Im Spiel selbst orientiert man sich via Karte und Kompass durch einen Nationalpark, muss diverse Gegenstände finden und ungewöhnliche Geschehnisse lüften.
Ebenso zählt What Remains of Edith Finch zu den großen Titeln innerhalb des Genres. Ein Spiel, welches ich selbst auch unbedingt noch erleben möchte! Hier erhält man die Möglichkeit in mehrere Figuren einzutauchen, welche auch nicht zwanghaft menschlich sein müssen. Besonders die Innovation und Einzigartigkeit gegenüber anderen Ablegern stechen hervor.
Interessierte haben selbstverständlich die Möglichkeit in manche Spiele hinein zu schnuppern. Entweder macht man dies über Youtube, wobei man dort leicht gespoilert werden kann, oder eben über ein kostenloses Spiel. Über Steam kann man beispielsweise ein paar Games gratis erwerben, die mich wirklich überzeugt haben. The Way of Life - Free Edition erzählt verschiedene Lebenssituationen aus der Sicht von drei Generationen: einem Kind, einem Mann und einem Rentner. Sehr kreativ und nicht selten ergreifend! Awkward Dimensions Redux sorgt außerdem durch seine Vielfalt und den guten Soundtrack für eine gelungene Stimmung. Hier springt man von einer Dimension in die nächste, lässt die Atmosphäre auf sich wirken, muss ggf. ein Rätsel lösen und schließlich zur nächsten Dimensionstür gelangen.
Mein liebster Walking Simulator ist übrigens Layers of Fear, zu welchem ich auch hier einen Thread erstellt habe. Im Gegensatz zu anderen Horrorspielen, völlig egal ob Walking Simulatoren oder nicht, wird man hier nicht mit Gegnern konfrontiert. Das Spiel ist teilweise echt verrückt und sorgt oft für ein mulmiges Gefühl im Bauch, aber alles rein durch die Atmosphäre. Es gibt da hinter einem kein Monster, das einen bedroht, und trotzdem fühlt man sich nicht weniger gestresst. Ein absolutes Vorzeigewerk, wie man seine Umgebung sprechen lässt.
Doch nicht mit allen Walking Simulatoren habe ich positive Erfahrungen gemacht. Wie gesagt, das variiert immer stets nach eigenen Erwartungen oder Ansprüchen. So fand ich Among the Sleep als eher enttäuschend, da die Gruselatmosphäre zwar durchgängig gegeben war, aber lediglich oberflächlich. Trotz eines späteren Gegners war man nie unter Druck, denn das Spiel hat einen nicht gefordert. Außerdem haben vergleichbare Titel mit Horror-Elementen mehr Spielzeit geboten. Ich persönlich bin auch eher ein Fan davon, wenn die Story klarer erzählt wird. Die erwähnten Spiele von Tonguç Bodur sind genauso wenig für mich geeignet, da ihnen in meinen Augen durch die kaum vorhandene Story auch der Erzählfluss fehlt. Die einzige Aufgabe besteht darin durch eine bedeutungslose Welt zu ziehen, um 2-3 genauso bedeutungslose zufällige Rätsel zu lösen. Dr. Langeskov, The Tiger, and The Terribly Cursed Emerald: A Whirlwind Heist ist ein sehr kurzes und kostenlos Spiel von den Machern von The Stanley Parable. Wer den Humor dieses Spiels liebte, wird bestimmt auch hier auf seine Kosten kommen. Doch bereits die Demo von The Stanley Parable hat meinen Humor nicht getroffen und hier war es leider nicht viel anders, was ich persönlich schade finde. The Witness hat mich genauso gelangweilt, was an der Art der Rätsel lag.
Kennt Ihr Walking Simulatoren und habt Ihr bereits welche gespielt? Was gefällt Euch gut und was eher nicht? Habt Ihr besondere Empfehlungen?
Als Abschluss nennenswert ist tatsächlich auch Shadow of the Colossus. Abseits der bildgewaltigen Kämpfe bereitet man ein weites, offenes und größtenteils leeres Land, in welchem sich lediglich ein paar Eidechsen und Früchte finden lassen. So gesehen war bereits einer der beliebtesten PS2-Titel stellenweise eine Art Walking Simulator. Kennt Ihr noch mehr Games, die vergleichbare Passagen beinhalteten?