Aurel atmete tief durch und lauschte aufmerksam Kyrills Worten.
Er war in diesem Moment unglaublich froh, dass Kyrill ihm jetzt doch endlich seine Geschichte erzählte -- denn aus eigener Kraft hätte Aurel vermutlich nicht den Mut aufgebracht, den Jungen nach seiner Vergangenheit zu fragen.
Jedes Mal, wenn er Kyrill bisher auf Gart oder die Ereignisse in der Stadt angesprochen hatte...Aurel hatte dabei irgendwie immer das Gefühl, dass er in einer alten Wunde rumstochern würde; einem tiefen Schnitt, den man zwar nicht sieht, weil er von einem Pflaster verdeckt wird, der aber einfach nicht heilen will.
Dass sich Kyrill ihm letztenendes doch anvertraute, bedeutete dem Jungen sehr viel.
Aurel starrte nachdenklich in den Himmel, als Kyrill davon erzählte, wie seine Eltern ihn verstießen. In gewisser Weise waren Aurel und Kyrill sich ähnlich -- beide haben sich von einem geliebten Menschen trennen müssen und dadurch das Wichtigste verloren, was es für einen Menschen gibt: Vertrauen in seinen Nächsten.
Auch wenn Aurel ein aufgeschlossener, kontaktfreudiger Mensch war -- seit dem Tod seiner Mutter hat er panische Angst davor, sich zu verlieben, einfach aus dem Grund, er könnte diesen Menschen irgendwann wieder verlieren.
Denn Verlust bedeutet eine schreckliche Leere im Herzen, und Aurel fühlte sich dem nicht gewachsen.
Aurel spürte, dass sein Herz in diesem Moment wie verrückt raste. Er fühlte sich einfach schrecklich durcheinander, tausende Gedanken schwirrten in seinem Kopf, kaum in der Lage, auch nur einen Einzelnen davon zu packen und auszusprechen. Vieles hätte er jetzt gerne gesagt, sein Beileid ausgesprochen, Verständnis ausgedrückt, irgendwie versucht, Kyrill aufzumuntern, aber er fand einfach nicht die richtigen Worte.
Als Alesandro dann aber plötzlich fragte, ob Kyrill denn immernoch verliebt sei, schreckte Aurel allerdings auf und wurde wieder etwas ruhiger. Auf die Frage des Zoras gab Kyrill jedoch keine Antwort.
Aurel dachte nach. Irgendwie stimmte ihn Kyrills Geschichte traurig. Irgendwie konnte er sich nicht vorstellen, dass man sein Kind verstieß, nur weil es mit jemanden gleichen Geschlechtes zusammen war.
Ich dachte immer, Eltern hören nie auf, ihre Kinder zu lieben...
Aurel heftete seinen Blick nachdenklich auf die Sonne, die langsam am Horizont versank.
Plötzlich wurde seine Miene ernst. "Ich finde das ungerecht. Es ist nicht fair. Einfach nicht fair."
Er richtete sich auf und blickte Kyrill entschlossen an.
"Gart. Du hast ihn wirklich geliebt, oder?"
Kyrill war in diesem Moment sichtlich überrascht über die Reaktion des Jungen
"Du hast ihn geliebt. Niemand sollte dir deswegen Vorwürfe machen."