Rapmusik

  • Rapmusik ist für mich ein zweischneidiges Schwert. Gut gemachten Sprechgesang mag ich grundsätzlich nämlich sehr gerne, aber da muss dann vieles für mich zusammenpassen. Gerade im Deutschen ist mir z.B. die Wortwahl recht wichtig, die Aussage hinter einem Text bzw. eher, wie diese dann textlich und gesanglich verpackt wird. Um beim Beispiel von Vince zu bleiben: I mean… Falco hat mehr als genug Drogenlieder, aber eben meist in ein lyrisch und musikalisch anspruchvolleres und angenehmes Korsett gepresst. Das passt dann für mich.

    Ja, Rap ist ein weites Feld und ja, auch in anderen Genres gibt es genug Bullshit. Das ist ja nicht der Punkt. Ich verstehe Vince da schon. Wenn ich morgen meine Schüler fragen würde, ob sie mir mal etwas Deutschrap vorspielen könnten, wird es unter Garantie etwas sein, dass ich gerne als „Jogginghosen-Rap“ bezeichne und ich mich mit Lines konfrontiert sehe, die ich keinesfalls ein zweites Mal hören will. Ich sehe das insofern als Problem an, als dass „diese Jugend“ - also viele junge Menschen in diversen Kreisen, gerade in der Stadt - nicht immer so politisch divers denkend und reflektierend ist, wie man es gerne hätte. Perspektivenlosigkeit ist für viele junge Menschen leider bewusst oder unbewusst ein Thema. Das Problem ist da nicht der Rap als Musikform ansich, sondern eher, dass viele junge Menschen sich hier Texte zu eigen machen, die Dinge als Erfolg und erstrebenswert verkaufen, welche… schwierig sind.

    Love = Love

    - Seit dem 06.02.2014 in einer butterwampigen Matschkuchen-Partnerschaft mit silberregen -



  • Als Bewohner einer Großstadt erlebe ich das eben so, dass Jugendliche nur noch auf diesen "Bumm-Bumm"-Rap stehen.

    Rapmusik, auch welche sich Vince vermutlich bezieht, ist derzeit scheinbar allgegenwärtig.

    Ist das echt neu?


    Ich würde eher darauf tippen, dass das selektive Wahrnehmung ist. Zumindest hatte ich das gleiche Gefühl schon in meiner Jugend. Bands wie Fanta 4, Fettes Brot und Co. gab's zwar, aber - abgesehen von einer kurzen Episode, wo quasi jeder "Emanuela" gehört hat - waren bei uns vor allem Interpreten wie Sido und Bushido und Co. präsent.

    Die wurden z.T. auch von Leuten gefeiert, die eigentlich eher aus dem (Punk-)Rocklager kamen, was ich immer super irritierend fand.


    Denn, mal abgesehen davon, dass ich musikalisch überhaupt nichts mit ihnen anfangen kann, rollen sich mir bei den Texten und den auch abseits der Musik vermittelten Werten dieser Interpreten die Zehnägel hoch.

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    Avatar-Artwork von mokke; Signatur-Artwork von Kamui Fujiwara (official artwork)

  • So neu ist das nicht, selbst ich wuchs mit Rappern auf, die ständig davon "sangen". Sido - Mein Block, Bushido - Sonnenbankflavour, Eko Fresh.. etc.

    Ich habe eher den Eindruck es ist einfach nur allgegenwärtiger als es damals war?

    Ich muss zugeben: Ich kann mit Rap, allem voran Deutsch Rap, wenig anfangen. Liegt aber letztendlich daran, dass ich wirklich nur wenige Rapper kenne deren Texte und Musik mich entsprechend anspricht. Personen wie Capital Bra, Raf Camora oder wie sie alle heißen, klingen für mich tatsächlich wirklich alle identisch. Stimmlage, Textinhalt, Melodien - ich kann sie kaum auseinander halten.

    Aber gut Musik wandelt sich wie Sprache, daher ist es keine Überraschung für mich, dass ich viel "neues" einfach nicht mag.


    EDIT: Ja es ist allgegenwärtiger. Damals gab es kein Social Media, keine Youtube Werbung dafür. Wir werden (oder ICH lol) werde einfach häufiger damit konfrontriert.

    NOW, CAN'T YOU SEE THE TRUTH? SOMETIMES IT'S CRUEL THE BARE FACE OF THE TRUTH.

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    YOU NEED THE DARKNESS TO STEP OUT OF THE DARKNESS. I AM READY FOR THE DARK.

    ˗ˋˏ ♡ ˎˊ˗

  • Ist das echt neu?

    Das Phänomen bestimmt nicht, ich würde schätzen, dass sich das in puncto Musik schon seit zig Jahrzehnten so hindurchzieht, dass die Jugend auf neue Strömungen und Genres steht.

    Bei Rapmusik fällt - zumindest mir - auf, dass es eben gewisse Genres sind, die bei Jugendlichen derzeit besonders gut ankommen. Wie gesagt, Youtube ist ein bedingter Barometer dafür, wo durch Trends und Klicks ein Gesamtbild entsteht, das man interpretieren kann. Während ich aufwuchs hörten wir in der Schule etc. auch Musik, die meine Eltern als "amerikanisches Geschrei" bezeichnet hätten, aber Rap war bei weitem nicht so sehr verbreitet, eher sogar eine Nische (was sich nicht nur in meiner Blase so anfühlte, auch auf MTV, Viva etc. war Rap doch noch weiter hinter anderen Genres und die bekanntesten Rapper - es wurden die Fantastischen Vier ua. genannt - hätte ich damals nicht als klassische Gangsterrapper bezeichnet sondern eher als "Hip Popper".

    Zumindest schaut es eben so aus, als läge der Trend bei den oben bezeichneten Vertretern, die man wohl als "Bitch, Drogen, Knast" Rapper bezeichnen kann, die unheimlich populär geworden sind und eben sehr bekannte Vertreter anderer Genres (mir sind nur die Hosen und Ärzte sofort eingefallen) lange überholt haben, zumindest, was die Klicks auf Youtube betrifft, sofern man das als Referenz verwendet. Das unterstützt zumindest dieses subjektive Gefühl, das Vince hat. Aber es ist mit Sicherheit auch etwas zeitgeistliches, also eines dieser "früher war alles besser" Dinge, die wir alten Leute so feststellen müssen.

    Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen

    #75: Me and the Boys


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    "Ich dachte, du hast das Quest Item mitgenommen?!"

  • Ich höre nicht viel Rap und vor allem zu frühen Schulzeiten habe ich Rap sogar verabscheut, über einen Kamm geschert und grundsätzlich abgetan. In der Zeit habe ich fast ausschließlich Rock und Metal gehört und dieses oberflächliche elitäre Verhalten gegenüber anderen Musik-Genres schienen mir hier sehr präsent zu sein. Nicht umsonst hat mein Kinder-Hirn das ziemlich schnell aufgegriffen wenn man in dieser Bubble feststeckt. :ugly:


    Die ganze Geschichte der Schulzeit ist das noch nicht, denn mein erster Berührungspunkt mit Rap war eindeutigerweise Eminem, worauf auch eine kurze Phase folgte in der ich ausschließlich seine Musik hörte. Aber statt mein Interesse an dem Genre zu vertiefen, habe ich gefallen an Nu-Metal und Linkin Park gefunden, so wie viele andere halt auch, und dort schien mir die Kombination mit den Rock- und Metal-Elementen ziemlich gut zu gefallen. Diesen Pfad habe ich lange fortgesetzt und führte mich zu den abgefahrensten und härtesten Metal-Genres die es so gibt.


    So ganz wollte Rap und Hiphop aber nicht aus meinem Leben verschwinden. Wie gesagt habe ich zeitweise, aber relativ kurz, einen wirklichen Hass auf die Musik entwickelt. Aber worauf ich eigentlich hinaus will ist, dass ich trotzdem noch Leute im Umfeld hatte die leidenschaftliche Rap-Fans sind und mit neusten Trends habe ich mich auch noch bisschen mehr beschäftigt.


    So habe ich mir doch mal irgendwann ein paar Sachen herausgepickt die mir gefallen. Alligatoah hatte ich für mich gefunden, vor allem die Anti-Religiösen Themen aus "Mein Gott hat den Längsten" haben mir gefallen. Aber auch wie Gaming thematisiert wurde und grundsätzlich die Kreativität der Texte. Zusätzlich habe ich über viele andere Jahre Gefallen an allerlei andere Künstler gefunden wie Marsimoto, K.I.Z., Bones, Tommy Cash, aber vor allem immer wieder einzelne Lieder.


    Ich glaube die meisten haben kein Problem mit Rapmusik selbst, sondern mit der dominierenden Kultur die diese Musik verfolgt. Gangster, das Machogehabe, die Aggresivität, die Beleidigungen, Sexismus, Frauenfeindlichkeit, Homophobie und vieles mehr.Es gibt auch einige Künstler und Fans die diese Rap-Kultur nicht so ernst nehmen, den Humor darin sehen und es mit einer gewissen Ironie betrachten. Leider kann man diese oft kaum von den anderen trennen und selbst bei den offensichtlichen Beispielen scheint diese Differenzierung für so manch Fan zu hoch zu sein. Denn es gibt viel Kriminalität und toxische Verhalten in einigen Rap-Kreisen, insbesondere beim Gangster-Rap, sogar mit sehr eigenen Moralvorstellungen und ohne Respekt vor dem Gesetz. Das ist nicht alles nur eine Künstlermaske, wie so manch Leute behaupten wollen. Natürlich gibt es so was auch. Und natürlich gibt es jede Menge Rapper die sich vollsten von diesen Dingen distanzieren..


    Das verrückte ist, dass die sehr fragwürdigen Inhalte und all die toxischen Strukturen in vielen Teilen der Rapkultur, den künstlerischen Anspruch auf keinster Weise negativ beeinflussen. Es werden unglaublich komplexe Reime, Witze und Satzstrukturen geschaffen mit sehr vielen Ebenen und Tiefe. Als Außenstehender hat man da kaum noch eine Antenne für, da die Meisten von den Inhalten selbst angewidert sind. So finden z.B. Alligatoah, Casper & co. in diesen Gruppen mehr Anhänger, werden für die Kreativität und den Anspruch gelobt, dabei könnten sich noch komplexere Techniken in der Assi-Schublade finden. Tja.


    Ist halt die Frage in wie fern man persönlich die Musik selbst von der Rapkultur trennen kann. Ich denke ich kann das eigentlich recht gut, sehe Rap wie ein Genre wie jedes andere auch, weshalb sich hier und da ein paar Lieder in meine Musik-Bibliothek verirren. Aber ich merke, dass sich mein Fokus und worauf ich bei Musik achte, auf etwas richtet, dass nur recht selten im Rap-Genre stark präsent ist. Deshalb schafftes da eigentlich relativ selten was rein.


    Wer (modernen) Rap grundsätzlich verteufelt, es ausschließlich als gesellschaftliches Problem ansieht und dumm findet, der macht es sich viel zu einfach. Ein Sündenbock ist schnell gefunden, auch ist es einfach zu sagen, dass es alles so gleich und anspruchslos wäre, wenn man mit der Materie nicht vertraut ist. Ähnliches Gelaber dürfte man sich (als Mitglied dieses Forums) sicher schon exemplarisch als Fan von Rock, Metal, Gaming und Anime anhören, weshalb ich hoffe, dass die Brücke der Selbstreflexion nicht schon mit 100 Tonnen TNT gesprengt wurde.




    Wer mal so eine kleine Reise durch Künstler und Lieder machen will die ich klasse finde, hier ist eine Liste mit Verlinkungen auf YouTube-Videos:


    Deutsch:


    Englisch:

    U.a. HollowPlush , du hast ja danach gefragt. Vielleicht findest du da was? Irgendwie ist die Auswahl recht düster geworden, aber anscheinend sind das meine liebsten Rap-Songs der jeweiligen Künstler. Aber sie haben auch ein paar andere Dinge zu bieten die bisschen heller sind, hehe. Und wer mir was empfehlen kann, nur zu. Vielleicht hat auch SuperMario82 was?

    Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben, diese Signatur zu lesen. Diese Signatur liebt sie.

  • Megaolf

    Eine Blase sagt ja nichts über die Größe aus oder Popularität. Und auch können diese Blasen sich überlappen.

    Mit Blase meine ich auch nicht konplett abgeschottet, aber Gangstarap Fans die kriminell sind, rumpöbeln usw sind eine Blase für sich.


    Wenn wir uns mal die Geschichte des Gangstarap in Deutschland angucken, deswegen stoße ich mich auch etwas daran Gangstarap auf das komplette Genre "Deutschrap" zu stülpen.

    Rap kam ja in den 80ern über amerikanische Soldaten die hier stationiert waren rüber und wurde erst im Untergrund populär.

    Damals war es noch eher verschmäht auf Deutsch zu rappen, also rappte man in den Clubs auf englisch.


    Gangstarap an sich ist hier schon länger populär, durch 2Pac, Biggie usw. Aber deutscher Gangstarap nicht.


    Den Boom in den 90ern hat mit Fanta 4 ausgelöst, diese wurden dann in der Untergrund Szene als Kommerz und Verräter gesehen aber eine deutschsprachige Gangstarap Szene kam tatsächlich erst gegen 2001 auf, bei der Aggro Berlin eine grosse Rolle spielt.Kool Savas ist hier als Wegbereiter auch sehr wichtig.


    Mittlerweile ist Gangstarap die verkaufstärkste Variante "Deutschrap" und überhaupt ist im Moment Rap ziemlich populär.


    Worauf ich eigentlich hinauswill, bei der Verkaufsstärke können das gar nicht alles die halbstarken sein die auf der Strasse rumhängen.


    Mein Chef hört auch Haftbefehl, der ist aber in einer anderen Gangstarap bubble als die Jungs die Haftbefehl hören und Drogen verticken.


    Aber ähnlich wie bei Horrorfilmen vorher, bei Spielen immer wieder mal, bei Metal usw. ist nicht das Medium das Problem, deswegen "verdirbt" es auch nicht die Jugend.


    Ja, Rap ist populärer als damals, es wird aber auch wieder ein anderes Genre populärer werden. Das eine kommt das andere geht usw. Aber ganz weg ist kein Genre.


    Aber auch wenn jetzt z.B. sofort die Popularität von Rap wieder abnehmen würde, hast Du halbstarke auf der Strasse stehen. Die sich nicht benehmen können usw, die hören dann halt kein Rap sondern Hardrock, Metal, was auch immer.


    So werden ja in manchen Rockerkreisen auch die Hells Angels romantisiert, dabei ticken die auch Drogen, Waffen und begehen Körperverletzung.