Heute Morgen habe ich den Comic Made in Korea von Jeremy Holt und Georg Schall beendet.
An sich hörte sich die Idee recht interessant an: Ein Ehepaar adoptiert ein Androidenkind namens Jesse, dass sie aufgrund der angedeuteten Unfruchtbarkeit des Ehemanns großziehen wollen. Sie ahnen jedoch nicht, dass einer der Entwickler der koreanischen Firma, die diese sogenannten Proxys herstellt, einen besonderen Algorithmus entwickelt hat und ihn innerhalb von Jesses Verstand aus dem Land geschmuggelt hat- bis er dann eines Tages vor ihrer Tür steht...
Leider war dann die Umsetzung nicht ganz so meins, denn in die rund 200 Seiten des Bandes wird irgendwie alles reingequetscht, was nur relevant ist, und dann auch irgendwie übersehen. Jesse wird anfangs als Person dargestellt, die aufgrund ihrer Intelligenz ausgegrenzt wird, was dann aber schnell vergessen wird, als zwei Jugendliche namens Dylan und Eric sich mit dem Androiden anfreunden.
Die Tatsache, dass diese Jesse dann überreden, an einem Columbine-ähnlichen Amoklauf teilzunehmen, hätte man auch recht interessant aufarbeiten können- aber leider wird das recht schnell vergessen, als er nach Korea reist. Fragt mich nicht, warum da keine rechtliche Schritte eingeleitet werden, denn aus Sicht von Außenstehenden wirkt das ganze recht verdächtig: Ein Freundestrio schwänzt die Schule, um einen Amoklauf vorzubereiten, doch am Tag des Unglücks evakuiert ein Mitglied plötzlich eigenhändig die Schule, während die anderen beiden verbluten, nachdem ihnen die Arme ausgerissen wurden. Wieso es da keine polizeiliche Ausarbeitung oder zumindest eine Schlammschlacht der Schuldvorwürfe gibt, ist mir unklar,
stattdessen reist Jesse einfach problemlos nach Südkorea.
Das fand ich auch abseits vom Amoklauf recht antiklimatisch. Es scheint mir fragwürdig, dass seine Eltern ihn einfach so gehen lassen, besonders in Begleitung eines aus ihrer Sicht recht verdächtigen Typen, der ein seltsames Interesse an ihrem Sohn hat und es anfangs nicht einmal auf die Reihe bekommt, seinen richtigen Namen zu nennen. Auch ein möglicher Kulturschock wird hier nicht richtig umgesetzt...
Interessant fand ich zwar den Arc um jesses Geschlechtsidentität, aber der wurde auch nicht zufriedenstellend umgesetzt.
Im Verlaufe des Comics wird klar, dass er ein trans Mann ist, jedoch fand ich es schade, dass hier vieles nur angedeutet wird. Die Szene, in der er in einer Traumwelt in die Herrentoilette rennt und dort verzweifelt sein als weiblich lesbares Spiegelbild zerschlägt, war für mich zwar eine recht interessante Metapher für seine Gefühle, aber trotzdem hätte man mehr daraus machen können. Die Idee, dass ein Android abseits von der Programmierung eine eigene Geschlechtstheorie entwickelt, hört sich zwar recht interessant an,
aber wie die anderen Themen wirkt das hier mehr wie ein abgehakter Checkpunkt auf einer Liste.
Vielleicht wäre die Geschichte besser in einem längeren Comic aufgehoben. Die drei Arcs des Bandes (Einleben in den USA, Freundschaft mit Dylan und Eric, Rückkehr nach Südkorea) hätte man gut in eine Trilogie packen können, anstatt irgendwie alles vor seiner Reife enden zu lassen...